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Full text of "Homerische Studien"

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JAHRESBERICHT 



ÜBER DAS 



GYMNASIUM FRIDEEICIANÜM 

VON OSTERN 1870 BIS EBENDAHIN 1871 

WOMIT 

ZUR ÖFFENTUOHEN PRÜFUNa SÄMMTUOHER OLASSEN 



WELCHE AM 30. UND 31. MÄRZ GEHALTEN WERDEN SOLL 

GBHOBSAUST EINIaABET 

Dr. WWSSMM. itOlHlB 

DIRECTOR. 



INHALT: i. homerische Studien, ' abh. l die ebene von troia und ihre Be- 
deutung FÜR DEN TROIANISCHEN KRIEG. VON W. BÜCHNER. 
2. DIE LEHRVERFASSUNG DES GYMNASIUM FRIDERICIANUM. SCHULNACHRICHTEN. 
VON DEMSELBEN. 



Sfhirerin. 1871. 

GE3)BUCKT IN^DEB HOFBüCHBBUCKEBBI TON DB. F. W. BIBEKSPBUKO. 



Anordnnng der Prüfung. 



DonneiBtag, den 30. Man, um 8 Uhr: 
Gesang aller Classeo. Morgengebet. 

Quarta B. SV« — 9 Uhr. 

Beligion Lehrer HummeL 

Gziechiech Lehrer Bummel, 

Qnarta A. 9— 10 Uhr. 

Lateinisch Dr. Schiller, 

Ghiechiflch Lehrer Bamberger. 

Ober-Prima lOVi — U Uhr. 

Geschichte Oberlehrer Bruntlow, 



Horas 

Mathematik 



Unter-Prima 11 — 12 Uhr. 

Dr, Meyer. 
Dr, Boitian, 



Ober-Secunda 3 — 4 Uhr. 

Cicero Dr, Laiendorf. 

Flntarch Dr, Late^idorf, 

Unter- Secimda 4 — 5 Uhr. 



Xenophon 
Geschichte 



Dr, Begel. 
Dr. Sellin. 



Freilag, den 31. Man: 

Ober-Tertia S'M — 9 Uhr. 

Caesar Dr. Schmidt. 

MaÜiematik Lehrer Brauns. 

Unter- Tertia 9 — 10 Uhr. 

Caesar Dr. SMlin. 

Griechisch Dr, BelUn, 



Lateinisch 



Lateinisch 



Quinta 10»/*— H Uhr. . 

Lehrer Bamberger. 

Sexta 11 — ll»/4 Uhr. ' 

Lehrer Beckmann, 



Um 12 Uhr: 

Abiturienten- Entlassung. 
Versetzung sämmtlicher Classen. Censuren-Vertheilung. 



Der Unterricht im Sommersemester beginnt am Montag den 17. April um 8 Uhr. Die in das Gymnasium aufzu- 
nehmenden einheimischen Knaben werben am Freitag den 14. April frOh um 8 Uhr, die auswärtigen am Sonnabend 
den 15. April, ebenfalls frflh um 8 Uhr von mir geprüft werden. Das Prüfungs-Local ist im neuen Gymnasium. 



Direotor Dr. BüctaJEier. 



Obwohl die Homerische Frage von dem Augenblick an, wo sie zuerst angeregt wurde, bis 
zum heutigen Tage mit Aufbietung des höchsten Scharfsinns behandelt worden ist» so darf man 
dennoch behaupten, dass ihre Lösung weiter denn je von ihrem Ziele entfernt ist. Zwar gab es bei 
dem Erscheinen der Wol&chen Prolegomenen nicht wenige Männer, welche sich zu den Behauptungen 
des genialen Forschers nicht allein sehr zurückhaltend verhielten, sondern sie sogar für so vollständig 
verfehlt erachteten, dass sie das Fehlsame in ihnen mit Leichtigkeit nachweisen zu können ver- 
meinten. Allein die dabei sich ihnen darbietenden Schwierigkeiten und die geringen Resultate, welche 
sie den Prolegomenen gegenüber erzielten, indem Alles zuletzt lediglich auf ein Glauben und Nicht- 
glauben hinauslief, hatten gerade den entgegengesetzten Erfolg von dem, welchen man beabsichtigt 
hatte; und so kam es, dass in den ersten Decennien dieses Jahrhunderts mit Ausnahme weniger, 
leider nur mit den Waffen poetischer Gefühle in die Schranken tretender Forscher sich ein grosses 
Feldlager derer bildete, welche Wolf unbedingt beipflichteten und auf die Worte des Meisters 
schwörend die homerischen Gedichte so zu sagen in Fetzen zerrissen. Allein je allgemeiner die 
Wolfsche Ansicht wurde, und je eifriger man sie auf Schulen und Universitäten lehrte und verfocht, 
um so mächtiger wirkten die Homerischen Gedichte selbst durch die wunderbare Anziehungskraft 
ihres Inhalts auf die sich heran bildenden jüngeren Generationen; diese lauschten zwar den be*» 
redten Worten des Skepticismus mit der gespanntesten Aufinerksamkeit und staunten über die 
kritische Schärfe, mit welcher die mangelnde Einheit in den Homerischen Gesängen nachgewiesen 
wurde; indessen die Leetüre einer einzigen Rhapsodie der lüade genügte stets vollständig, um alles 
Gehörte, alle Mängel und Zweifel sofort zu vergessen und, unbekümmert um die immerhin vielleicht 
für richtig gehaltene Wol&che Hypothese mit der lebhaftesten Spannung den Fortgang der Erzählung 
zu verfolgen. Dass dieses Alles sich ganz von selbst so machte, dazu hatten Wolfs Forschungen 
selbst das Nöthige beigetragen, Sie waren ledigUch negativer Natur, aber so allgemein negativ, dass, 
da er nichts Positives gegeben und auch in einem Zeitraum von fast 30 Jahren seit dem Erscheinen 
des Prolegomenen nicht das Geringste weiter zu Tage gefördert hatte, wodurch die lUade — denn von 
dieser wird zunächst hauptsächUch die Rede sein, — zwar als ein grösserer Liederkranz, aber 
immerhin als ein durch die einzelnen Lieder befriedigendes Ganze nachgewiesen wurde, die jungem 
Geschlechter* sich den Wolfschen Ansichten mehr und mehr entfremdeten und ganz von selbst zur 
früher gegoltenen und vor Wolf, von Heyne abgesehen, nie bezweifelten Ansicht des Alterthums von 
einem Homer und von ein6m vorhandenen inneren zusammenhangenden Gedichte zurück- 
kehrten. So geschah es, dass in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderte, als Ref. noch zu den 
Füssen von Gregor Wilhelm Nitsch sass, dieser bereite das Unbefriedigende der Wol&chen Kritik 
dem Zauber gegenüber, den die alte Ansicht nach wie vor auf die Leser des Homer übte, in der 
überzeugendsten Weise nachwies und den Plan faaste, die Anschauung des Alterthums wiederum zur 
Geltung zu bringen; und man darf behaupten, dass der wackere Mann dieser Aufgabe sein ganzes 
Leben gewidmet und schliesslich in seiner Sagenpoesie die ganze FüUe seines tiefen Wissens nieder^ 

1 



t — 

gelegt hat. Sein Vorgehen jedoch Hess auch die Gegper nicht müssig, und namentlich war es der 
flcbarftinnige Lachmann, der, was Wolf versäumt hatte oder zu schaffen nicht im Stande gewesen war, 
nachzuholen beschloss und es demnach unternahm, mit einer an Spitzfindigkeit gränzenden und damit 
jede gesunde Kritik geradezu yemichtenden Schärfe die einzelnen Lieder in der Eiade nachzuweisen 
und somit die ganze Dichtung zu einem leblosen CoroUarium zu gestalten. Aber auch Lachmann 
hat seine begeisterten Anhänger gefunden, imd so ist es gekommen, dass noch in diesem Augenblick 
sich gleichsam zwei Feldlager gegenüber stehen, von denen jedes unablässig bemühet ist, den endlichen 
Sieg zu gewinnen. Im Interesse der Wissenschaft ist es allerdings zu wünschen, dass das Eine oder 
das Andere endlich obsiege, und dazu nach Kräften beizutragen, ist die Pflicht jedes Forschers. 
Freilich auf den bis jetzt eingeschlagenen Wegen wird dies Ziel nicht erreicht werden, weder durch 
eine Alles zersetzende und zerstörende Kritik, noch durch die mühevollsten Anstrengungen auf 
einem Gebiete, wo das Material zur Forschung einerseits ein sehr reichhaltiges, andererseits dagegen 
ein vollkommen ungenügendes und geradezu unbrauchbares ist . Denn wo und mit welchen Waffen 
soll der Streit gekämpft und entschieden werden? wo anders als in und mit den Homerischen 
Gesängen? Und wenn nun eben diese Gesänge nur aus einer völlig imbestimmbaren Zeit auf uns ge- 
kommen sind, welche in eine so undurchdringliche dunkle Nacht gehüllt ist, dass, wenn wir eben 
von Homer absehen, auch nicht der schwächste Schein eines weder körperlichen noch geistigen 
Lebens dieselbe durchdringt und erhellt, wäh^nd man doch andererseits wiederum durch den Homer^ 
gleichsam wie durch ein geöffnetes Fenster aus dieser dunklen Finsterniss in eine sonnige, vom 
buntesten Leben bewegte Welt und auf eine bereits wunderbar vorgeschrittene Civilisation blickt, 
welche den sichersten Schluss auf die zur Zeit der Entstehung jener Gesänge schon wunderbar 
entwickelte Menschheit zulässt und gestattet, so muss man sagen, dass wir uns vor einem Problem 
befinden, dessen Lösung eben durch nichts, als durch die Gesänge selbst lösbar ist Wenn daher 
die Forschungen des tiefgelehrten Welcker, des geistvollen Nitsch, des schar&innigen Senge- 
busch und Anderer immerhin des grössten Dankes werth sind, indem sie uns einige richtige Blicke 
in das Chaos einer zerstörten und für uns verlorenen Dichterwelt thun lassen, so gehört doch eben 
diese Welt in die nachhomerische Zeit und beruhet, so weit sich die Sache erkennen lässt, lediglich 
auf Homer, und es wird nie imd nimmer gelingen, aus den zerstreuten Ueberresten und Andeutungen 
eines Arctinos, Lesches, der Kyprien u. s. w. mehr zu enträthseln und zu einem lebensvollen Bilde 
zu gestalten, als was die eigne Phantasie der Forscher dazu schafft und bildet Was nach Homer 
>von den cyclischen Dichtern auch immer gesagt und gesungen worden ist. Alles, was wir davon 
wissen, ist so beschaffen, dass, wenn man zugiebt, es finde sich in den Ueberresten noch hie und 
da ein Anklang an die alte Volkssage, welche im Homer im vollen Stro^ie dahinrauscht, dennoch 
diese Andeutungen nichts bieten, um die Frage zur endlichen Entscheidung zu bringen, ob die 
grossen homerischen Epen Werke eines einzelnen grossen Dichtergeistes sind, oder 
ob sie einer Sängerschule ihre Entstehung verdanken und aus einzelnen Liedern erst 
zu einem grossen Ganzen, zu dem der behandelte Sagenkreis die Veranlassung bot, 
zusammengefügt sind. Wir bekennen, dass wir, einst Nitsch gegenüber begeisterte Anhänger 
der Wol&chen Theorie, nach 40jährigen aufrichtigen Studien der Gedichte so entschiedene Gegner 
jener Theorie geworden sind, dass uns zur Zeit namentlich die Lachmaimsche Behandlung der Frag» 
als eine schwere Versündigung gegen jene wunderbaren Werke einer für uns entschwundenen Vorwelt 
erscheint 

In diesem Sinne ist in den nachstehenden Blättern der Versuch gemacht worden, der Frage 
•näher zu kommen und zwar auf einem W^e, der, wie häufig er auch seit Decennien bis auf £e 
neueste Zeit betreten worden, dennoch ganz andere Ziele verfolgte, als die in Frage stehenden, und 
darum völlig lesultatlos .geblieben ist Denn nicht nach der völlig unbestimmbaren Zeit der Abfassung 



— t — 

der Gedichte» hier der Iliade» ist zunächst zu fragen und auch nicht Ton dem* Inhalte deraelbeii k/k 
zuerst zu reden, sondern ron dem Locale, auf welchem die Iliade ihren Verlauf nimmt; nur m 
wird es vielleicht möglich sein, ein an Ueberzeugung gränzendes Resultat zu gewinnen und 
festzustellen. 

§ 1. 
Die heutige Ebene Ton Troia. 

Unter den Forschem, welche die Ebene in ihren gegenwärtigen Verhältnissen aus eigner 
Anschauung kennen gelernt und beschrieben haben, nimmt der gelehrte Forchhammer unbedingt die 
erste Stelle ein. Er hatte das Gläck im J. 1839, als die vereinigte Englische und Französische 
Flotte unter Stöpford und Lalande in der Beschika-Bai vor Anker lag» mit dem Englischen Ver* 
messungsschiffe Beacon unter dem Befehl des Gapitain Graves aus dem Piraeus eben dahin abgehen 
zu können, um in Gemeinschaft mit dem letztgenannten, der die Aufgabe sich gestellt hatte^ 
ausser dem Meer und der Kiistenlinie auch die Ebene selbst genau vermessen und eine Karte davon 
entwerfen zu lassen, dieselbe Ebene mit besonderer Bücksicht auf Homer zu durchforschen und die 
gefundenen Resultate als eine erklärende Beigabe zu der beabsichtigten Karte zu veröffentlichen; 
letztere ist vorzugsweise nach den Vermessungen der Ebene durch den Lieutenant, damaUgen Mate, 
Spratt von ebendemselben entworfen und der gelehrten Welt unter dem Namen der Sprattschen 
Karte wohlbekannt. Forchhammer versichert» dass in der Ebene ,jeder Pfad, jedes Flussbett, die 
Ufer jedes Flusses vom Anfang bis zur Mündung, jeder sonst merkwürdige Punkt'' von ihm betreten 
und untersucht worden sei; und wenn er hinzufügt, dass die genannte Karte mit solcher Genauigkeit 
ausgeführt worden sei, wie kein anderes Land des classischen Alterthums eine ähnliche aufzuweisen 
habe, so dürfen wir, denen leider das Glück nicht zu theil geworden ist, die Ebene von Troia aus 
eigner Anschauung zu kennen, uns dennoch glücklich schätzen auf die Zuverlässigkeit derselben hin 
die eingehendsten wissenschaftlichen Untersuchungen unternehmen zu können. Auch Forchhammer 
hat solche seinem angegebenen Zwecke gemäss vorgenommen; allein während er von der durchaus 
richtigen Voraussetzung ausging, dass die Ebene seit der Urzeit keinerlei locale Veränderungen 
erhtten habe, hat er bedauerlichst hieraus sofort den nicht zu rechtfertigenden weiteren Schluss 
gezogen, dass Alles, was Homer uns melde, auch heute noch in der Ebene sich nachweisen lassen 
müsse; kurz, er hat den Homer in der Hand, die Ebene durclistöbert und durchsucht und ist 
dadurch zu Resultaten gekommen, die zwar in der gelehrten Welt gei*echtes Au&ehen erregt, aber 
mit Ausnahme derer, denen topographische Studien vorstehender Art ganz fem liegen, nirgends 
Billigvmg gefunden haben. Am schärfsten ist ihm der Athenäische Professor Ulrichs entgegengetreten 
der eigens zu dem Zwecke dieselbe Ebene durchreist ist imd alle Punkte genau untersucht hat, um 
die Irrthümer in Forchhammers Behauptungen nachzuweisen. Freilich ist es auch diesem, eben weil 
er in demselben Grundirrthume be&ngen, von derselben falschen Prämisse ausgegangen, um nichts 
besser gelungen, positive Ergebnisse zu finden und genügend zu begründen; er widerlegt Forch- 
hammer und verliert sich dabei in ein völliges Labyrinth von falschen Bestimmungen. Folgen wir 
jedoch zunächst Forchhammer und versuchen wir, uns ein einfaches und getreues Bild der Ebene, 
wie sie heutiges Tages beschaffen ist, zu entwerfen. 

Wenn man am HeUespont» kurz vor dessen Einmündung in das A^äische Meer, in der Mitte 
zwischen den Vorgebirgen Rhoeteum (östlich) und Sigeum (westUch) seinen Standpunkt nimmt und 
von hier aus, den Rücken nach Norden gekehrt, die BMoke nach Süd-Süd-Ost richtet»* so erhebt aioh 
vor dem Beschauer stolz und prächtig das Idagebirge, dessen höchster Gipfel, die alte Ida, der 
heutige Kasdag, sich über 7000 Fuss hoch über dem Meere emporthünnt und in seinen 

!• 



— I — 

SehltidLten l^wigen Schneid bii^ Von ihm senken sich nach Norden zu ganz allmälig seine Vorberge 
herab und bilden zuletzt uöfeA vom Hellespont einen Höhenkranz, welcher in Hufeiseniorm eine 
Ebene umschliesst^ die sich zwischen den genannten Vorgebirgen öffnet und sich gleichsam in das 
Meer hinab verliert Von jenem Höhenkranze jedoch zieht sich von Osten her ein bei seinem 
Auslaufen etwas breiterer, nach und nach jedoch mehr spitz zulaufender Höhenrücken nach Westen 
zu in die Ebene hinein und theilt diese in eine Doppelebene oder gleichsam in zwei Thalmulden» 
die erst unfern, vom Hellespont sich in eine einzige Ebene vereinigen; das Ganze von jenem Höhen- 
kranze umschlossene Local ist die berühmte Ebene von Troia. 

Blickt man vom obigen Standpunkte aus noch mehr südlich über den Höhenkranz hinweg, 
io dehnt sich von demselben bis zum Fusse des Gebirges eine zweite, etwas höher gelegene Ebene 
aus. Diess ist das alte Cebrenia, die heutige Ebene von Bairamitsch; man kann letztere fughch eine 
Bergebene, jene eine Thalebene nennen, was zu wissen wichtig ist, weil die Wasserverhältnisse 
der Troischen Ebene dadurch bedingt werden. Es strömen nämtich rings von den umliegenden 
Höhen eine Anzahl von Bächen in dieselbe hinab; den bei weitem grössten Zuiluss aber bringt der 
Mendere, welcher, ein ächter Bergstrom, auf dem Idagebirge selbst entspringt, dann die Ebene von 
Bairamitsch durchfliesst, sich weiter durch jenen Höhenkranz in einer 400 Fuss tiefen Felsenschlucht, 
seinen Weg bahnt und, nachdem er die Troische Ebene in ihrer ganzen Länge durchströmt, endUch 
durch das Thor der Ebene rechts vom Beschauer in den Hellespont einmündet. An seiner Mündung 
hat dieser Strom im Laufe von Jahrtausenden durch Niederschläge eine nicht unbeträchtliche Masse 
Landes abgesetzt, dessen Ausdehnung sich schon dadurch ganz von selbst ergiebt, dass der Fluss in 
einem zwar breiten, aber nur l^s Fuss tiefen Bette sich über eine spitz in den Hellespont weit 
hineinreichende Landzunge hinzieht; letztere ist durchweg angeschwemmtes Geröll und Sand. Nimmt 
man hinzu, dass sich in der Ebene noch^ heutigen Tages eine grosse Anzahl von Lachen vorfindety 
von denen einige von bedeutender Tiefe dicht am Rande des Hellespont liegen, ohne jedoch in denselben 
abzufliessen, indem vielmehr in die grösste derselben der Hellespont selbst ununterbrochen hinein- 
strömt, so ergiebt sich mit völliger Gewissheit, dass, da noch heut das Niveau der Ebene im 
Allgemeinen mit dem des Hellespont gleich ist, an einzelnen Punkten sogar noch viel niedriger liegt, es 
eine Zeit gegeben haben muss, in welcher die ganze Ebene in Folge der zusammenströmenden 
Bergwasser eine grosse, der Cultur völlig unzugängliche Niederung gebildet hat, die im Winter und 
Frühling als See, im heissen Sommer dagegen als ein grosser von einzelnen trockenen Stellen unter- 
brochener Sumpf sich darstellte. Wir unterlassen es hier schon die Beweise dafür aus den ältesten 
Ueberlieferungen beizubringen, da die Richtigkeit des Gesagten sich aus den localen Verhältnissen 
ganz von selbst auf das Ueberzeugendste ergiebt. 

Betrachten wir weiter die Ebene, wie sie noch heutigen Tages beschaffen ist, und wählen 
wir dazu einen anderen Standpunkt, nämlich den nicht unbedeutenden Hügel, genannt Ujek-Tepe, 
welcher der Mündung des Mendere gerade südlich gegenüber liegt. Wenn wir von hier aus den 
BUck nach Norden über die ganze prächtige Ebene, die zu unsern Füssen sich ausdehnt, dahin- 
schweifen lassen, so tritt zunächst rechts vom Beschauer der Mendere durch das genannte Felsen- 
thor in die Ebene ein und nimmt unmittelbar bei seinem Eintreten den Kimar-Su, einen von Osten 
her am Rande des Höhenkranzes herabrauschenden, zu Zeiten sehr wilden Bei^bach auf, und strömt 
mit ihm vereint zwischen hohen Ufern in einem b^iten, mit Sand imd Kies angefüllten Bette in 
imunterbrochenem Laufe dem Meere zu; sein Bett füllt er nur im Frühling zur Zeit der Schnee- 
schmelze, so wie nach plötzlichen starken Regengüssen ganz aus und tritt dann nicht seltw über 
seine hohen UTer, während er im Hochsommer als ein winziger seichter Bach in einem breiten sandigen 
Bette sich hinwindet und nur mühsam den Hellespont erreicht. Bemerkenswerth aber ist, dass der 
Mender£ mit keinem Gewässer der rechts an ihn stossenden Ebene in irgend welcher Verbindung. 



steht. Dasselbe gilt auch von der linken Seite, wofern man hier von einem ganz unwesentUcheji 
Punkt absieht, von welchem sofort unten die Rede sein wird. Hieraus nun ergeben sich ganz von 
selbst die beiden Flnsssysteme der West- und Osthälfte der Troischen Ebene. Betrachten wir jene, 
die Westseite zuerst, so finden wir Folgendes. 

Etwas östlich von dem obengenannten Ujek-Tepe erhebt sich eine Anhöhe, genannt Baalih, 
um deren steil abfallenden östlichen Fuss sich der Mendere durch die Felsenschlucht in die Troische 
Ebene hinabdrängt; unter dieser Anhöhe liegt in nordwestlicher Richtung das heutige Dorf Bunar- 
baschi (d. h. die vierzig Augen), und neben denselben sprudeln eine Anzahl stark fiiessender Quellen 
aus dem kalkhaltigen Boden hervor, die eine solche Menge Wassers Uefem, dass solches, wenn 
keine Vorrichtungen getroffen wären, die ganze Niederung links am Mendere noch heutigen Tages 
in einen grossen Sumpf verwandeln würde. Allein nachdem die bedeutendste der Quellen in einem 
ummauerten Bassin aufgefangen worden, ergiesst sich ihr Abfluss nebst den übrigen Quellen in einen 
nördlich gelegenen tiefen seeai-tigen Teich, durch welchen das Wasser in fortgesetzten Strudeln 
hindurchwirbelt; aus diesem Teiche werden die Gewässer in einem, an dem nördlichen Rande des 
vielerwähnten Höhenkranzes sich hinziehenden Baches in westlicher Richtung weiter geleitet^ 
durchbrechen dann eine Senkung jenes Kranzes und ergiessen sich unfern vom Aegäischen Meere 
nochmals in einen tiefen Sumpf, aus welchem ein tiefer Canal sie in das Meer abfuhrt; der Bach 
selbst fiiesst unaufhörUch stark und kräftig, ist überall 3 Fuss tief und wird selbst mit Kähnen 
befahren; seine Wassermenge ist so bedeutend und sein Gefäll von jenem Höhenzuge an so stark, 
dass er unfern davon eine dem Sultan gehörende Mühle von 7 Gängen treibt, auf welcher das Korn 
aus der ganzen Umgegend und selbst von den benachbarten Inseln vermählen wird. W^ir enthalten 
uns über diesen Bach vorerst noch jeder weiteren Bemerkung und weisen im Allgemeinen nur darauf 
hin, dass durch denselben die ganze linke Seite des Mendere vor dauernder Versumpfung geschützt 
wird, indem diese nur den momentanen Ueberschwemmungen des Mendere unterliegt, die jedoch 
alsbald von dem Strome wieder aufgenommen und abgeleitet werden Und zwar beweisen dies ganz 
augenscheinUch die von dem erwähnten durch die Bunarbaschi - Quellen gebildeten Teiche sich 
nördlich hinaufziehenden Winterbetten, welche in einen mit Rohr und Binsen bewachsenen Sumpf, 
genannt Lisgar auslaufen, der sich am östUchen Fusse des am Sigeischen Vorgebirge endenden 
Höhenzuges befindet; beides, Winterbetten und Sumpf, sind im Hochsommer stets vollkommen 
trocken, und wird diess, abgesehen vom Einfluss der heissen Jahreszeit, hauptsächlich durch ein aus 
dem Lisgar abfiiessendes Rinnsal bewirkt, welches noch weiter nördlich in den Mendere einmündet; 
es dient also nur als Abzugsgraben, und ist mit Sicherheit anzunehmen, dass es im Sommer zugleich 
mit dem Lisgar versiegt, wie ^uch, dass es, am Fusse der Anhöhe sich hinschlängelnd, mit den 
Ufern des Mendere in gleichem Niveau, also mindestens 8 Fuss über dem gewöhnUchen Wasser- 
spiegel des Flusses liegt, so dass gewöhnUche Sommerregen, welche den Mendere plötzlich um einige 
Fuss steigen lassen, dennoch den Lisgar und die dabei liegende Ebene durch jenen Abzugsbach 
nicht erreichen; nur wenn der Mendere selbst seine Ufer überfluthet, tritt auch die ganze Unke 
Ebene unter Wasser, und diess zieht sich dann durch jenen Bach in das Flussbett zurück. Hieraus 
erhellt, dass, wie schon oben behauptet wurde, dieser Abzugsgraben nur für die momentane, nicht 
für die dauernde Entwässerung der linken Mendere - Ebene von Bedeutung ist; der wirkUche Ent- 
wässerungs-Canal der ganzen Unken Seite ist einzig und allein der Bunarbaschi-Su. Ganz dasselbe 
Entwässerungssystem tritt in gleicher, ja vielleicht in noch schärferer Weise auf der rechten Seite 
des Mendere zu Tage. 

Auf dieser Seite nämUch findet sich ausser dem erwähnten Kimar-Su auch nicht ein 
einziges Gewässer, welches mit dem Mendere in Verbindung steht; vielmehr nehmen alle Bäche, die 
von Osten her in die rechte Mendere -Ebene hinabströmen, ihren endUchen Ausweg in den Helles* 



pont selbst. Beginnen wir unten südlich mit dem Winkel, den der Kimar-Su mit dem Mendere 
bildet^ so befindet sich hier ein stehender, nie versiegender tiefer Sump( genannt Djudan oder 
Judaen; er wird Üieils durch das von den Höhen abfliessende Regenwasser, theils durch unterirdische 
Zuflüsse genährt und schwillt, wenn der Mendere übertritt, zu einem ganz gewaltigen See an. Seine 
Gewässer jedoch haben mit dem Hauptfluss selbst nichts zu thun; sie werden vielmehr durch den 
Kalifatli-Osmak^) nach Norden zu abgeleitet. Dieser, ein sehr tiefes Rinnsal mit hohen steilen 
Ufern, nunmt nicht allzuweit von seinem Ausflusse aus dem Djudan noch einen zweiten Osmak auf, 
welcher ebenfalls aus dem Djudan ausströmt, sich daim ziemlich parallel mit dem ersteren, an dem 
Südrande des schon oben erwähnten, in die Troischo Ebene von Osten her hineinschiessenden Höhen- 
irückens hinzieht imd nahe an der Spitze desselben mit jenem zusammenfallt; der erstgenannte heisst 
von dem benachbarten Dorfe Kalifatli der Kalifatli-Osmak, dieser ist neuerdings nach dem benach- 
barten Pascha-Tepe (d. i. Hügel) Pascha-Tcpe-Osmak genannt worden. Nach ihrer Vereinigung 
wird der Kalifatli-Osmak durch den genannten Bergrücken etwas nach Westen gedrängt, jedoch um so- 
fort, nachdem er den Fuss desselben erreicht hat, die nördliche Richtung wieder einzunehmen und in 
das Dümbrek-Thal, d. i. die zwischen jenem Höhenrücken (südlich) und den Rhöteischen Berghöhen 
(nördlich) liegende Thalmulde hinabzugleiten und sich sodaun mit dem Dümbrek- Bache, der jene 
Mulde von Osten her durchströmt, zu vereinigen; indessen dauert diese Vereinigung nur eine kurze 
Strecke hindurch; denn plötzlich biegt aus dem gemeinsamen Strome ein Arm wiederum scharf nach 
Norden, also in derselben Richtung des Kalifatli-Osmak ab, um sich mit seinen stets fliessenden, also 
auch im Hochsommer nie versiegenden Wassern durch eme tiefe Hafenbucht, genannt Karanlik- 
Liman (d. i. der dunkle Hafen) in den Hellespont zu ergiessen, während ein zweiter Arm ganz 
die frühere Richtung des Dümbrek verfolgend, in nordwestlicher Richtung dem Mendere zueilt, 
jedoch ohne sich mit diesem zu vereinigen, vielmehr tlieilt er sich unfern von dessen Mündung in 
mehrere staguirende Arme, die sich dann, ohne den Hellespont zu erreichen, in Sümpfe imd tiefe 
Lachen verlieren. 

Hiemit ist das Wasser -System auf der rechten Seite des Mendere möglichst kurz dargelegt, 
und ganz absichtlich haben wir uns jeder desonderen Schlussfolgerung bis dahin enthalten; der Beschauer, 
gleichviel ob er seinen Standpunkt auf dem oben beregten Ujek-Tepe, oder auch auf der Höhe Baalih 
einnimmt, wird bei ruhiger Betrachtung der zu seinen Füssen sich ausdehnenden Ebene finden, dass hier 
keine durch die Natur selbst geschaffenen Verhältnisse vorliegen, sondern dass ein genau zusammen- 
hangendes, von einem bestimmten Punkte ausgehendes und nach und nach die ganze Ebene 
nm&ssendes künstliches Entwässerungssystem durchgeführt ist; dies nachzuweisen, ist die Aufgabe 
der nachstehenden Blätter. 

§2. 

Die kflnstliche Entwässerung der Troisehen £|»ene. 

Plato stellt in seinen Büchern über die Gesetze (III, p. 70 sqq. nach der Uebers. von Hier. 
Müller) die Ansicht auf, dass in den einzelnen z^sischen den grossen Erdüberschwemmungen der 
Urzeit liegenden Intervallen sich verschiedene Culturstufen des wiedererstandenen Menschengeschlechts 
nachweisen lassen. Er findet deren im Ganzen drei, nämlich die erste, wenn die Menschen, durch 
die Fluthen selten geworden, auf den höchsten Gebirgen, wo sie Zuflucht gefunden, hausen; die 
zweite, wenn sie, sich vermehrend, in die trocken gewordenen Bergabhänge niedersteigen, und die 
dritte, wenn sie in den der Cultur zurückgegebenen Ebenen sich niederlassen. Der Philosoph 

*) Oamak, d. i. Abzugsgraben. 



7 

begründet seine Ansicht aus Homer und fuhrt für die erste Stufe die allein hausenden und über 
die Ihrigen nach freier Willkür gebietenden Cyclq)en an; cf. Od. IX, 112, sqq. 

Dort ist weder Gesetz, noch Rathsyersammlung des Volkes, 
Sondern all' umwohnen die Felsenhöhn' der Gebirge 
Rings in gewölbten Grotten, und jeglicher richtet nach Willkür 
Weiber und Kinder allein, und Niemand achtet des Andern. 

Für die zweite imd dritte Stufe entnimmt er die Beweise aus den Verhältnissen des alten Ilion und 
bezieht sich ebenfalls auf den Dichter; die zweite nämUch ist ihm die Zeit unter Dardanos, als 
Zeus, des Dardanos Erzeuger, Dardania gründete (cf. Iliad. XX, 216), und 

noch nicht stand Ilios heilige Veste 
In der Ebene Gefild, bewohnt von redenden Menschen, 
Sondern am Abhang wohnten sie noch des quelligen Ida. 

Die dritte endlich ist das Zeitalter des Ilos, des Erbauers von Ilion, dessen Grabmal in der Ebene 
gezeigt wurde; cf. H. XI, 166, sqq. 

Ist es nun, namentlich was die beiden letzten Stufen anbetrifft, durchaus nicht nöthig, mit 
Plato an grosse voraufgegangene Ueberschwemmungen zu denken und in ihnen die Veranlassung zu dem 
thatsächlichen Verhältniss zu finden, so ist letzteres nichtsdestoweniger vollkommen richtig; die Troische 
Ebene war eine Uranfangs unbewohnbare und darum unbewohnte Niederung, während südlich von 
ihr die Hochebene von Bairamitsch und östUch die von Dardania längst ihre Bewohner hatten; diess 
ergiebt sich aus der physischen Beschaffenheit der Gegend mit solcher Gewissheit, dass es keines 
weiteren Beweises bedarf. Erst mit dem weiteren Vorrücken der Bewohner in die Niederung muss 
auch die Trockenlegung und Urbarmachung der Ebene ihren Anfang genommen haben und diess 
geschah sofort nach der Erbauung des alten Ilion. 

Die Versumpfung der Ebene selbst wurde nun allerdings hauptsächlich durch die rings von 
allen Höhen hinabfliessenden Bäche und Flüsse hervorgebracht; indessen würden alle diese Gewässer 
mittelst des durch die tiefere Thalmulde fiiessenden Haupt<^omes sofort in das Meer abgeföhrt worden 
sein, wenn nicht Einflüsse, welche bei dem Einmünden grosser Ströme, besonders aber reissender 
Bergwasser in das Meer, einzutreten pflegen, sich auch hier geltend gemacht hätten und dem Abflusa 
des Wassers hemmend entgegen getreten wären. Ein Blick auf die heutige Mündung de^ Mendere 
genügt, um die Ueberzeugnug zu gewinnen, dass die seit unvordenkUchen Zeiten stattgefundenen 
Niederschläge die ganze Bucht zwischen dem Sigeischen und Rhöteischen Vorgebirge mit Sand und 
Geröll ausgefüllt haben; diess beweist, ganz abgesehen von schon im Alterthum gemachten Wahr- 
nehmungen (cf. Herod. II, c. 10. Strab. XIII, pag. 103. 1^9. Tauchn.), das noch heutigen Tages 
nördlich vom Sigeum aus dem Dünensande aufragende ursprüngliche Meeresufer, ferner die spitz in 
das Meer hinausgeschobene Landzunge, über die der Mendere sein seichtes Gewässer im breiten 
Bette dahinströmen lässt, sodann die vielen Sümpfe und Lachen am deltaartig gestalteten Bande der 
Bucht, und endUch der von Salztheilen durch und durch geschwängerte Strand selbst. Der letzter<> 
Umstand ist von entscheidender Wichtigkeit. Denn es kann daraus, wie es an vielen andern Punkten 
der Erde, z. B. in der heutigen Gegend nördlich von Odessa zulässig ist, nicht gefolgert werden, 
dass einst das Meer selbst über den Strand hinweggegangen sei und ihn bedeckt habe, weil dann 
die ganze Troische Ebene überfluthet sein und sich dieselbe Erscheinung bis an die Vorberge dea 
Ida hin darbieten würde, was eben nicht der Fall ist, wohl aber, dass, da das Salz gegenwärtig die Bucht 
eine volle Viertelmeile landeinwärts, aber eben nicht weiter, durchdringt, das Meer selbst einstmal» 



- - 8 

ebenso weit gebrandet hat und erst nach und nach im Laufe der Jahrtausende in Folge der 
Versandung der Bucht eine ganze Viertehneile von derselben zurückgewichen ist und also den 
l^alzgehalt im Sande zurückgelassen hat ' Indessen ist damit eine zeitweise Ueberfluthung des 
Strandes durch Sturmfluthen nicht gänzlich ausgeschlossen; es muss eine Zeit gegeben haben, in 
welcher noch vor der Bildung des Dünendammes, theils nach dessen allmäUger Entstehung das 
Meerwasser auch in die Niederung selbst durch Sturmfluthen eingedrungen ist, und es müssen dadurch 
unfehlbar jene todtbringenden Miasmen in der ganzen Ebene entstanden sein, welche wir noch 
heutigen Tages in den Toscanischen Maremmen, in den Pomptinischen Sümpfen und in den 
Morästen oberhalb Bonas in Nordafrica vorfinden; denn in die Niederungen eindringendes Meerwasser 
erzeugt alldort stagnirend tödtliche Fieberluft Wenn sich nun hievon keine Spur in der Ebene seit Jahr- 
tausenden nachweisen lässt, so folgt hieraus, dass der die Natur überall bezwingende Mensch auch 
hier nach vielleicht langem und schwerem Bingen alle Hindemisse überstunden und die Ebene selbst 
in eine völlig gesunde und blühende Oase verwandelt hat. 

Hier tritt nun die Frage von selbst an uns heran, von welchem Punkte aus die ersten 
Bewohner in die Ebene eingetreten sind; dass diess weder von Westen noch von Norden aus 
geschehen, liegt des Meeres wegen klar zu Tage; weniger entschieden dürfte die Richtung von Süden 
aus, also dem Mendere entlang, zurückzuweisen sein; indessen ein Blick auf die Karte genügt, um 
das Eindringen von Osten her als allein richtig anzuerkennen, weil es durchaus unglaublich ist, dass 
die ersten Völkerzüge von Süden her über das hohe und steil in den Adramytteischen Busen ab- 
fallende Idagebirge in die Hochebene von Bairamitsch und so weiter nach Norden zu herabgestiegen 
sind; vielmehr kann auch die ebengenannte Ebene ihre ersten Ansiedler nur von Osten her erhalten 
haben, indem diese sich um den hufeisenförmigen Höhenzug der Idäischen Yorberge herumschoben; 
der Hauptstoss dagegen muss unbedingt auf jenem oft genannten Bergrücken erfolgt sein, welcher sich 
m Form eines spitzwinkligen Dreiecks mitten in die Troische Ebene von Osten her hineinschiebt und diese 
in das Mendere-Thal und Dümbrek-Thal theilt; die westliche Spitze jenes Dreiecks ist die Stelle, wo 
nach allen alten Angaben Neu-Ilion lag und noch heutigen Tages in seinen Resten gefunden wird. 

Wir unterlassen es, aus dieser Betrachtung vorerst weitere Folgerungen zu ziehen; indess 
können wir nicht umhin« schon hier auf die wunderbare Uebereinstimmung hinzuweisen, welche 
zwischen jenem inmitten einer ungesunden Niederung gelegenen Punkte und dem ewigen Rom hervor- 
tritt Auch dieses war auf dem nur durch eine schmale Landzunge mit den. östlich gelegenen 
Esquilien verbundenen M. Palatinus gegründet und war rings von Morästen umgeben, welche durch 
die von den Höhen herabrauschenden Gewässer, mehr aber noch durch die bei starken Sturmfluthen 
mittelst der Tiber bis zur Stadt aufgestaueten Meereswogen gebildet wurden und hier in Folge des Meer- 
wassers jene tödtlichen Miasmen aushauchten, von denen die Römischen Schriftsteller nicht genug zu sagen 
wissen, während die Höhen selbst, da die böse Luft durch ihre Schwere tief über dem Boden zu ruhen 
pflegt» den gesundesten Aufenthalt boten, «wesshalb Cicero (de rep. H, c. 6) mit Recht sagen konnte, 
Romulus habe in weiser Einsicht die Stadt inmitten einer pestathmenden Gregend dennoch an voll- 
kommen gesunder Stelle erbaut Und wie der Palatinus uranfängUch durch seine Umgebung ein 
Zufluchtsort für ein gewaltthätiges cyclopenstarkes Gesindel war, welches erst im Laufe der Jahre 
durch Bauten, die noch heute das Staunen der Nachwelt erregen, die ungesunde Stätte in einen 
wohnlichen Aufenthalt venvandelte, so haben auch die ersten Bewohner jener genannten Höhenspitze 
— um vorerst weiteren Vermuthungen unsererseits nicht Raum zu geben, — die Troische Sumpfebene 
in eine gesunde blühende Landschaft umgeschaffen und zwar durch Trockenlegung mittelst 
▲bzugscanäle und durch Regulirung des Hauptstromes. 

Diess ergiebt sich ganz bestimmt zunächst aus einer eingehenden Betrachtung des KaUfaÜi-Osmak» 
welcher sich unmittelbar am westlichen Fusse der oft erwähnten Höhenspitze hinzieht und somit 



9 

Von den ersten Bewohnern derselben vornehmlich in Betracht gezogen werden musste. Dieser Osmak 
hat nach Forchhammer p. 11 „ein tiefes» sehr scharf begränztes Bett vom Djudan bis an seine 
Mündung. Im August fiillt das Wasser des Djudan den Osmak nur etwa bis eine Yiertelmeile 
vom See. Weiter abwärts ist das Bett desselben an vielen Stellen trocken und am Boden mit 
Binsen und Gresträuch bewachsen, an andern findet sich stehendes Wasser. Der obere Theil des 
Osmak ist kenntlich an Bäumen und Gebüschy welche am Ufer entlang das Bett begränzen. In der 
untern Ebene entdeckt man ihn oft erst, wenn man unmittelbar an dem Rand des steil abgeschnittenen 
Ufers steht.^' Nach dieser sehr deutlichen Beschreibung unterliegt es keinem Zweifel, dajss, da der 
Djudan gleichsam ein Sammelteich ist^ der nur momentan zu einem grossen See anschwillt^ die aus 
ihm nach eingetretener Ueberfüllung wiederabfliessenden Gewässer ganz gleichnui^ssig sich dorthin, wo 
sie das nöthige Gefall finden, zurückziehen und, sobald dieses aufhört» in ihrem Becken ruhig stehen 
bleiben und somit ganz ausser Stande sind, ein so tiefes und scharfbegränztes Rinnsal, wie 
das des Osmak ist, v^n selbst zu bilden. Diess kann nur durch Menschenhand geschehen sein, und 
der KahfatU-Osmak ist nichts weiter, als ein tiefer Graben, angelegt um den überfüllten Djudan 
nach Norden zu vorerst in das Dümbrek-Thal abzuleiten. Hier vereinigt er sich mit dem jenes 
Thal durchfliessenden Dümbrek- Tschai oder Dümbrek-Su imd zwar an dem Punkte, wo er plötzlich 
nach Westen umbiegt, so dass genau genommen der Osmak von dem weiter westlich dahinströmenden 
Dümbrek-Su aufgenommen wird, bis plötzlich ein künstlicher Canal ihn wieder nach Norden ablenkt 
und ihn, nachdem er noch einen am Südrande des Rhöteischen Hügelrückens hinfliessenden Bach, 
welchen Forchh. p. 12 den In-Tepe-Osmak nennt» aufgenommen, in einem breiten, zu beiden Seiten 
von hohen und steilen Ufern eingefassten Bette dem Hellespont zufuhrt; jenes Bett bildet an 
der Mündung die vorerwähnte hafenähnUche Bucht, genannt der dunkle Hafen, Earanlik- 
Liman. Dieser Osmak hat in seinem nördlichen Theile zu aUen Zeiten fliessendes Wasser und ist 
ausser dem Mendere das einzige Gewässer, welches sich in den Hellespont ergiesst Der eben erwähnte, 
den Kalifatli- Osmak wieder aufiiehmende Canal und die weiteren hohen und steilen Ufer beweisen, 
dass dieser ganze nördhche Theil des Osmak auf künstlichem Wege beschafft worden ist, aus dessen 
stets fliessendem Wasser sich zugleich ergiebt, dass der ganze Osmak von Djudan bis zum Meere 
eigentlich aus zwei Strecken besteht» von denen die südUche den Djudan ins Dümbrek-Thal zum 
Dümbrek-Su, und die zweite nördUche die Djudan- und Dümbrek-Gewässer gleichsam vereint in dbn 
Hellespont zu fuhren hat ; was davon nicht durch die zweite Strecke abgeführt wird, fliesst, wie oben 
§. 1 angegeben ist» westUch langsam weiter, wird stagnirend und verUert sich in Sümpfe und Lachen. 
Hiemit war die Entwässerung der rechten Seite des Mendere und zugleich des Dümbrek- 
Thales geregelt; der Earanlik-Liman war der Seehafen der Troischen Ebene. Allein von Erfolg 
konnte diese Arbeit so lange nicht begleitet sein, als die Regulirung des Mendere selbst noch nicht statt- 
gefunden, da dieser durch seine Ueberschwemmungen die Versumpfung vorzugsweise herbeiführte. 
Wenden wir uns also zu ihm, so finden wir, dass er nach seinem Austritt aus der Felsenschlucht bei 
Baalih sofort von 8 — 12 Fuss hohen und steilen Ufern eingefiasst und in ihnen bis zu seiner 
Mündung in den Hellespont fortgeleitet wird. Bedenkt man nun, dass der Mendere ein vom hohen 
Gebirge nach verhältnissmässig kurzem Laufe herabrauschender wilder Bergstrom ist» der auch in 
der Ebene nicht sofort seine Wildheit verliert, so ist es zwar möglich, dass er in dem Erdboden 
sich tiefe Rinnsale wühlte, aber ganz unmöglich ist es, dass er zu beiden Seiten 8—12 Fuss hohe 
Mauern, die nach der Ebene wieder abschüssig abfallen, auibauete. Im Gegentheil, sie beweisen, dass der Fluss 
ebenfalls.nur durch Menschenhand eingedeicht und ihm dadurch ein gleichsam künstlich 
gegrabenes Rinnsal angewiesen worden ist; und erst damit war die Entwässerung der Ebene rechts 
vom Strome vollendet Dieser floss nunmehr in gewöhnlichen Zeiten bald als seichtes Bächlein, bald als 
voller „wirbelnder^' Fluss dahin, ohne über seine Ufer zu treten, und nur zur Zeit der Winter- 

2 



10 

yisisser oder auch ungewöhnlicher Sturzregen trat er aus und überschwemmte die anUegenden Gefilde. 
Letzteres ist bis zum heutigen Tage oflFensichtlich ein wahrer Segen für die Ebene selbst geworden; 
der wilde Bergstrom führt ausser Geröll und Bergsand auch aus der fruchtbaren Hochebene von 
Bairamitsch eine grosse Masse aufgelösten Lehms mit sich , der das Wasser schmutziggelb färbt» und 
wälirend jener durch seine Schwere im Flussbette zurückbleibt und also dasselbe bis heute um 
mehrere Fuss erhöhet hat, ist die ganze Niederung nach und nach durch die lehmigen Niederschläge 
in den fettesten Lehmboden verwandelt worden; die Cultur hat Zutritt erhalten und vor ihr sind, 
wie überall, wo der fleissige Mensch den Boden bebauet, die uranfänglichen Miasmen völUg geschwunden 
und haben einer sehr gesunden Luft Platz gemacht, so dass nur der salzdurchdrungene Nordrand 
— vielleicht aus guten Gründen — öde und unfruchtbar geblieben ist. 

Endlich ist die Unke Seite des Mendere mit wenigen Worten nochmals zu berühren, über deren 
heutige Beschaffenheit bereits im vorigen §. das Nöthige beigebracht worden ist; sie selbst aber ist 
von solcher Wichtigkeit im Einzelnen, dass, wenn über die Zulässigkeit des Obigen noch irgend ein 
Zweifel obwalten könnte, die aus ihr sich ergebenden Resultate die Richtigkeit des Ganzen bis zur 
völUgen Evidenz erhärten würden. Es ist in §. 1 des Sumpfes Lisgar gedacht worden, der nach Eindeichung 
des Mendere sowohl dessen Gewässer bei den eintretenden Ueberschwemmungen desselben, als auch 
die stets fliessenden des Bunarbaschi - Su aufnehmen musste. Um sie abzuleiten und die Ebene 
trocken zu legen, ist von ihm aus ein 100 Fuss tiefer am südlichen Fusse des heutigen St. Demetrius- 
Hügel (Hagios-Demetrios-Tepe) sich hinziehender Graben mitten durch den am Aegäischen Meere 
hinlaufenden Höhenzug gegraben imd hie und da sogar durch hartes Gestein gesprengt worden, den 
die Umwohner noch heut Chandaki nennen. Ob dieser zur Zeit seiner Anlegung bei den höher 
stehenden Fluthen der Ebene vielleicht einigen Nutzen gewährt habe, ist zweifelhaft, doch immerhin 
möglich; allein um seinen eigentlichen Zweck zu erfüllen, nämhch die linke Seite am Mendere 
völlig trocken zu legen, ist er. offenbar nicht ausreichend gewesen, weil, wenn man ihn, wie doch 
nöthig war, wegen des tief gelegenen Lisgar unter dem Niveau der Ebene hätte anlegen wollen, er 
den Gewässern derselben dennoch keinen Abfluss, sondern vielmehr den mächtigen Wogen des 
Aegäischen Meeres ein Hineinströmen in die Ebene selbst gewährt haben würde. Daher ist er 
gewiss schon in uralter Zeit wieder aufgegeben worden und seine Sohle hat sich nach und nach 
durch Schutt und Erde um 15 Fuss erhöhet. Vollständig dagegen wurde der beabsichtigte Zweck 
erreicht durch die Anlegung eines neuen Canals, der unbedingt nur nach jenem gegraben sein kann; 
die Gewässer der Bunarbaschi- Quellen nämlich, die sich vorher in die hnke Ebene ergossen, wurden 
durch einen hoch am Nordrande des ofl genannten Höhenzuges in vielfachen Krümmungen hinlaufenden 
Graben zuerst in eine Einsenkung jenes Höhenzuges hineingeleitet, in welcher Forchhammer ein 
zweites Thor der Ebene gefunden hat, sodann westlich dem Aegäischen Meere zugeführt, und 
hiedurch endUch die Ebene selbst entwässert Dass dieser Graben ebenso wie der obige ein 
künstliches Werk ist, beweist der Umstand, dass er in der gedachten Einsenkung mitten durch den 
Felsen hindurchgehauen ist. Forthin trat dieser Bach nur bei aussergewöhnUchen Witterungs- 
verhältnissen über seine Ufer; das Wasser sammelte sich dann im Lisgar und floss voi;i hier wieder 
in den Mendere ab. 

Aus dem Gegebenen geht unwiderleglich hervor, dass nur Menschenkräfte die primitive 
Sumpfebene der Cultur zugänglich gemacht und zu gesunden Wohnsitzen umge- 
schaffen haben. Indessen was in aller Welt hat die ersten Bewohner jener Gegend bestimmen 
können, gerade eine ungesunde nur wenige Quadratmeilen umfassende Niederung mit Aufbietung 
ungewöhnUcher Mühen und Arbeiten in ein fruchtbares Gefilde zu verwandeln, da doch anderweitig 
an culturfähigem Boden nirgends Mangd war? Die Frage beantwortet sich von selbst; im ganzen 
Alterthum sind erste Niederlassungen nur an solchen Orten gegründet worden, welche den neuen 



— 11 — 

Ansiedlem ausreichenden Schutz des Lebens und des Eigenthums gegen äussere Feinde 
gewährten; verband sich damit eine culturfähige Landschaft, so entwickelte sich nach und nach 
durch Ackerbau und Viehzucht eine friedUche Bevölkerung; wo nicht, musste der Lebensunterhalt 
auf andere Weise erworben werden und fremdes Eigenthum galt als vogelfrei. Also sind fast alle 
grossem Städte des Alterthums entstanden, theiLs inmitten fruchtbarer Fluren am Fusse unzugäng- 
licher Anhöhen, wie Theben, Argos und Athen, theils in schwer erreichbaren Schlupfwinkeln, wie 
Rom und — die Stadt in der Troischen Ebene. Die Wahl der letzteren beweist deutlicher als alles 
Andere, dass keineswegs eine fleissige Landbevölkerung sich die Niederung zum Wohnsitz gewählt 
hat, sondern dass persönliche Sicherheit die Triebfeder dazu gewesen ist; dieselbe Rücksicht aber 
musste, nachdem um der Miasmen willen die Ebene trocken gelegt war, auch noch fernerhin 
obwalten, und hiedurch findet ein Punkt in der Ebene, der sämmtlichen Forschem mit Ausnahme 
des Alles beobachtenden Forchhammer entgangen oder als ganz unwesentlich bei Seite geschoben 
ist, eine befriedigende Erklärung und erweist sich zugleich von hervorragender Wichtigkeit. Un- 
mittelbar nach seinem Hervorbrechen aus der Felsenschlucht bei Baalih nimmt der Mendere von Osten 
her den Kimar-Su auf, wodurch in der rechts gelegenen Ebene ein nach Nordost geöffneter Winkel 
gebildet wird; in diesem Winkel befindet sich in etwas nördlicher Richtung bei einem kleinen Grehölz, 
Baaluk genannt, ein Sumpf, in welchem zwei alte Ganalbetten, das eine vom Kimar-Su, das andere vom 
Mendere ausgehend einmünden. Beide haben heute keinen weiteren Zweck; allein der Augenschein 
lehrt, dass sie vormals von grosser Bedeutung gewesen sein müssen. Sie haben nämlich 
dazu gedient, die trocken gelegte rechte Ebene jeden Augenblick bei jeder her- 
annahenden Oefahr wieder unter Wasser zu setzen, wozu einerseits die Oeffnung jener 
Canäle in die Niederung und die Abdämmimg des Mendere etwas nördlich von denselben, anderer- 
seits die Verstopfung des EalifatU-Osmak unmittelbar nach seinem Ausfluss aus dem Dümbrek-Su 
genügten, um in ganz kurzer Zeit die ganze rechte Seite am Mendere in einen See zu verwandeln; 
dadurch war die auf dem westlichen Ausläufer des mittleren Bergrückens gelegene Stadt auf drei 
Seiten vollständig geschützt und hatte nur noch nöthig sich gegen von Osten kommende Angriffe 
zu vertheidigen; äin Abfluss der Gewässer war nicht möglich, da die Eindeichung des Mendere jede 
Aufnahme derselben in das Strombett hinderte, und die aus dem Dümbrek-Su weiterfliessenden 
Wasser nach Verstopfung des Ealifatli - Osmak das Meer nicht erreichten, sondern in ihren Sümpfen 
stehen blieben. — 

Sämmtliche hier vorgetragenen Resultate ergeben sich mit imtrüglicher Gewissheit aus einer 
unbefangenen Betrachtung . der Ebene und ihrer Wasserverhältnisse, wie sie noch heutigen Tages 
beschaffen sind; diese allein haben volle und unbedingte Beweiskraft und lassen alle geschriebenen 
Zeugnisse völlig zurück; den Hauptbeweis aber liefern sie dafür, dass die ganze Troische Ebene, 
äiit Ausnahme der etwas weiter in den Hellespont vorgeschobenen Mendere-Mündung, 
von dem Tage an, wo das ganze Stromsystem vollendet war, bis zum gegenwärtigen 
Augenblick ganz unverändert dieselbe geblieben ist Nach diesem Satze müssen alle 
Angaben der Schriftsteller, also auch die des Homer beurtheilt werden; entweder finden sie 
ihre Bestätigung oder sie sind, falls sie abweichen, unbedingt zu verwerfen. 

§. 3. 
Die Namen der Flflsse im Alterthnm. 

Wir haben es in dem Voraufgehenden mit Vorbedacht vetmieden, irgend ein Gewässer der 

Ebene mit einem andern Namen zu benennen, als den es noch heutigen Tages fuhrt; es war dies^ 

2« 



1« 

nothwendig, um nicht störend in den ruhigen Gang der Untersuchung einzugreifen. Zunächst steht nun 
so viel fest, dass, wenn der Dichter der Iliade das Local aus persönlicher Anschauung gekannt und 
demgemäss treu wiedergegeben hat, sich das heutige Flusssystem bei ihm muss nachweisen lassen; 
wo nicht, dass er entweder die Gegend mit eignen Augen niemals gesehen, oder dass er den Ort 
der Handlung, der aus dem Yolksmunde ihm ans einer Urzeit zuströmenden Sage gemäss, sich nach 
eigner Phantasie zurechtgelegt hat, ohne sich um die Gegenwart irgendwie zu bekümmern, so 
dass, wenn in Hauptsachen hie und da Uebereinstimmung herrscht, diess mehr Zufall als Absicht ist 
Der Hauptfluss der Ebene, der Mendere ist bis auf' die neueste Zeit fiir identisch mit dem 
alten S camander gehalten worden und keinZeugniss des Alterthums von Demetrius aus Skepsis an, 
der persönlich die Ebene durchforscht und in 20 Büchern sehr eingehend beschrieben hat, giebt eine 
davon abweichende Kunde. Erst Forchhammer hat nach dem Vorgänge von Lechev alier alle Angaben 
der Schriftsteller verworfen und in dem IMendere den homerischen Simois ^eder gefunden; und 
auf seine Auctorität hin hat auf neueren Karten der alten Welt der Scamander dem Simois 
weichen müssen. Wir imterlassen es, jene Angaben, welche bereits Ulrichs in seiner Schrift „Ueber 
die Lage Troias" (cf. Rhein. Mus., HL Jahrg., p. 578 sqq.) sorgfältig zusammengestellt hat, hier 
umständlich zu wiederholen, können aber nicht umhin, die Behauptung Lechevaliers und Forch- 
hammers für einen Act der Willkür zu erklären, der in der Kritik alter Verhältnisse kaum seines 
Gleichen haben dürfte. Schon der heutige Name Mendere, welcher völlig identisch mit Scamander 
ist, hätte dagegen warnen sollen. Denn Mendere ist eben nichts anderes, als die türkische Um- 
formung des alten Namens, die nach Weglassung der ersten Silbe gerade eben so entstanden ist, 
wie aus Constantinopolis im Munde der Türken Stambul sich bildete. Nimmt man hinzu, dass, 
als die Türkischen Eroberer sich vor so und so viel Jahrhunderten zuerst in jener Gegend sesshaft 
machten, sie eben den Namen Mendere nicht neu mit sich gebracht, sondern ihn im Volksmunde 
als Scamander vorgeftmden haben, so ergiebt sich mit Sicherheit, dass der Fluss den letzteren 
Namen von der Urzeit an gefuhrt hat. Ebenso hat ihn auch Homer genannt; er beschreibt den 
Scamander als den Hauptfluss der Ebene und lässt ihn von den Höhen des Ida herabkommen 
(Iliad. XII, V. 21); eben daselbst aber hat auch der Mendere seine Quelle. Von Wichtigkeit ist 
femer eine weitere Bemerkung des Dichters, dass die Götter den Strom Xanthos nannten, bei den 
Menschen jedoch heisse er Scamandr os Cef. Ihad. XX, 74). Wenn nun jenes eben nichts Anderes besagt, 
als dass der Fluss, wenn er bei AnschweUungen mit seinen schmutziggelben Wogen wild einherrauscht, 
an und für sich ein Werk der Götter sei, da der unsterbliche Zeus selbst ihn geschaffen 
(cf. Iliad. XXI, 2), so liegt hierin die ganz bestimmte Andeutung, dass an ihm, wie er in die Er- 
scheinung tritt, Menschenhände betheiligt gewesen sind. Und so ist es in der That. Wir erinnern 
an den Kampf des Achilles mit Asteropaeus; hier zeichnet uns der Dichter den Strom mit seinen 
hohen ulmenbewachsenen Ufern (Iliad. XXI, 18), welche nach der Ebene zu so abschüssig abfallen, 
dass der Speer, welchen Achilles über seinen vom Flusse her auf ihn losstürmenden Gregner 
(ibid. 144) hinwegschleudert, bis zur Hälfte in das hohe (Iliad. ib. 171) Ufer selbst eindringt und 
von letzterem, der nach Abwerfun'g der eignen beiden Speere (ib. 164 sqq.) waffenlos geworden, mit 
Aufbietung aller Kraft nicht herausgezogen werden kann, ein Hergang, welcher nur bei einem durch 
Eindeichung erhöheten Ufer möglich, auf ebenem Boden dagegen völlig undenkbar ist Und 
so imd nicht anders finden wir den Hauptstrom der Ebene noch heute wieder. Aus dieser nachgewiesenen 
Beschaffenheit der Ufer kann erst ein richtiges Verständniss der bekannten Stromschlacht, wie sie 
im 21. B. der Iliade geschildert wird, gewonnen werden. Der wildtobende Achilles setzt nach 
Tödtung des Asteropaeus den Kampf gegen die Troer am Flusse fort (Diad. XXI, 206) und zwar 
mit solcher Heftigkeit, dass endlich der Stromgott selbst, in Gestalt eines Mannes (ib. 213), aus dem 
Strudel seine warnende Stimme gegen ihn erhebt; umsonst, Achilles hört nicht auf zu morden und 



18 

springt zum zweiten Male vom steilen Uferrand mitten in den Fluss hinein. Da erhebt sich dieser 
mit solcher Gewalt» dass der Held, um sich vom Tode durch Ertrinken zu erretten, einen XTlmbaum 
orfasst« ihn vom Ufer in den Strom reisst und sich so eine Brücke bauet, auf welcher er das höhere 
Ufer gewinnen und den tobenden Wogen entrinnend sich in das Blachfeld flüchten kann ' (ib. 240 sqq.). 
Inzwischen aber hat der mit den Wurzeln herausgerissene Baum das ganze Ufer auseinander gespalten, 
und durch diese Oeffnung ergiesst sich nunmehr der Strom mit voller Gewalt in die Ebene. Die 
Sache ist an und für sich klar und deutUch; allein noch einleuchtender wird sie dem Leser durch das 
herrhche Gleichniss vom rieselnden Manne, der an einem abschüssigen Orte aus einem Rinnsal 
die hemmenden Steine entfernt und dadurch den Lauf des herabfliessenden Wassers so beschleunigt^ 
dass es dem Rieseier selbst weit vorauseilt Wer sieht nicht, dass der Dichter den Fluss zum 
Schirmer und Beschützer nicht etwa nur der einzelnen Troer macht, die er in seinen Fluthen und 
unter seinen steilen Abhängen hülfreich birgt» sondern dass er durch die Ueberschwemmung der 
Ebene auch den Schutz der Stadt selbst übernimmt und dem Toben des Achilles Halt gebietet? 
dass er also die einfache Thatsache, die Ebene aus dem Mendere und Eimar - Su (cf. §.* 2) unter 
Wasser zu setzen, in poetischer Erzählung durch den Achilles selbst sich vollziehen lässt? Aber 
auch die Schwäche jenes Ueberschwemmungssystems wird im Verlauf der Erzählung klar veran- 
schauhcht. Die an und für sich ganz unbegreifliche Darstellung, dass die Wasserwogen durch 
Feuer in die Enge getrieben und gebändigt werden, findet sofort ihre richtige Erklärung 
dadurch, dass die Feuergluthen der Sonne die Ebene nicht bloss trocknen, sondern Alles, was in ihr ist, 
verdorren imd versengen, die Flüsse selbst aber in winzige Wässerlein verwandeln; und wenn hier 
die „Strahlen des HeUos'^ nicht erwähnt werden, so ist nicht zu vergessen, dass die beiden Grötter, 
der Flussgott und der Fe'uergott poetisch in persönlichem Kampfe begriffen, einander gegenüber- 
gestellt werden. Im glühenden Hochsommer aber mochte es wohl einer langem Zeit bedürfen, um 
die Ebene ganz zu füUen, und bei plötzlichen Ueberfallen gewiss mit zweifelhaftem Erfolg. Einen 
solchen Zeitpunkt denkt sich der Dichter imd stellt ihn als das Ergebniss der Macht des Hephaestus 
dar, der mit seinem Feuer die ganze Ebene gleichsam in Flammen setzt; cf. ibid. 343 sqq. 

Aus dem Obigen geht hervor, dass Homer uns den Xanthos - Scamander gerade so schildert, 
wie wir ihn noch heutigen Tages in dem Mendere vor uns sehen. Um so auffallender ist es, dass 
derselbe Homer dem Scamander, den er doch vom Ida herabkommen lässt, an einer andern Stelle 
noch 2 besondere Quellen unfern der alten Stadt Dion, und zwar eine heisse und eine kalte beigelegt 
hat; cf. Iliad. XXH, 147 sqq. Die Sache ist wirklich in so hohem Grade befremdlich, dass hieraus 
sogar die bestimmtesten Folgerungen gegen die Einheit der Iliade überhaupt haben ent- 
nommen werden können. Doch lassen wir das vorerst und fragen wir Heber, ob sich in der Ebene 
in Wirklichkeit zwei derartige Quellen vorfinden, auf welche die nachstehenden Worte Homers 
sich möglicherweise beziehen lassen: 

Und sie erreichten die zwo schönsprudelnde Quellen, woher sich 

Beide Bach' ergiessen des wirbelvollen Scamandros; 

Eine rinnt beständig mit warmer Fluth, und umher ihr 

Wallt aufsteigender Dampf, wie der Rauch des brennenden Feuers; 

Aber die andere fliesst im Sommer auch kalt wie der Hagel 

Oder des Winters Schnee, und gefrorene Schollen des Eises. 

Das ganze Alterthum hat trotz der eifrigsten Untersuchung und des heftigsten Kampfes über die 
Stätte, wo einst Ilion gelegen, ob dort wo heut unbestritten Neu-Ilion nachgewiesen wird, oder ob 
eine Meile östlich davon, wo vormals noch Spuren vom Dorfe der Ilienser vorhanden waren, die. 
Quellen nirgends auffinden können, und diess insonderheit hat zu der Annahme beigetragen, dass 



u 

überall die Gegeiid seit Homer die wesentlichsten Veränderungen erlitten habe und eine ganz andere 
geworden sei. Wir haben das Unhaltbare derselben schon oben angedeutet, werden aber später noch 
tßinmal darauf wieder zurückkommen. Indessen was das ganze Alterthum trotz jahrelanger Unter- 
suchungen an Ort und Stelle, z. B. des Demetrius von Skepsis, nicht zu entdecken vermocht, das 
glaubt die neuere Kritik an das Licht gezogen zu haben, und seit Lechevalier und Forchhammer 
gilt es fkst als ausgemacht, dass jene Homerischen Quellen in denen von Bunarbaschi aufgefunden 

sind, und dass das alte Ilion selbst aufderheutigenAnhöhevonBaalih westlich am Scamander, dort 
wo er durch die Felsenschlucht bricht, gelegen hat Aber ist dem also, so müssen die heutigen Bunarbaschi- 

Quellen auchinWirklichkeitdieQuellendesvonuns obengeschilderten alten Xanthos-Scamander, 
des heutigen Mendere sein, und das eben sind sie nicht, und alle Ausflüchte oder Erklärungen, sie 
auch nur zu Nebenquellen desselben zu machen, sind eben nichts als eitel Täuschungen. Immerhin 
mögen die Bunarbaschi - Quellen vor Anlegung des Bunarbaschi - Su ihre Gewässer dem in der Tiefe 
vorüberrauschenden Xanthos - Scamander wenigstens theilweise zugeführt haben, allein als die 
Urquellen desselben, der von ihnen aus seinen Anfang nahm, können sie nie gegolten haben, eben 
weil der Strom nur aus einer Quelle auf dem Ida entsprang. Wenn nun der Dichter, der den 
Xanthos - Scamander wirklich vom Ida herabkommen lässt, dennoch den Scamander an unserer 
. Stelle ans zwei Quellen entspringen lässt, so folgt daraus mit unumstösslicher Gewissheit, dass er 
neben dem grossen Xanthos - Scamander noch ein anderes Gewässer mit dem Namen Scamander 
gekannt und genannt hat, und diess kann in der That kein anderes sein, als der heutige Bunar- 
baschi -Su. Hiemit gelangen wir allerdings zu demselben Resultate, welches bereits Lechevalier imd 
nach ihm Forchhammer aufgestellt haben; allein gegen die weiteren Folgerungen, dass demnach der 
heutigeMendereder^alteSimois sei, unddass das altellionaufderjetzigenHöhevonBaalih 
g^elegen habe, müssen wir uns vorerst ganz bestimmt verwahren. Prüfen wir daher die Sache weiter 
lind tiberlassen wir das Endurtheil dem kundigen Leser. 

Zunächst steht so viel fest, dass im ganzen Alterthum sich der heftige Streit, woTroiagestanden, 
nurumdiezweiPunkte,obauf derStelle vonNeu-Ilionoder auf der des Dorfes derllienser, ge- 
drehet hat, denn obwohl die genannten Quellen des Bunarbaschi-Su, die Höhe Baalih und vor allen Dingen 
die Bau-Ueberreste auf derselben, die doch in alter Zeit noch viel frischer und darum sichtbarer 
gewesen sein müssen, als jetzt, allen alten Forschern zugänglich gewesen sind, so ist es doch Niemand 
eingefallen, die alte Stadt in jenem äussersten Süd- Winkel der Ebene zu suchen. Selbst Strabo, der 
in seiner eingehenden Beschreibung des Locals die homerischen Quellen ganz unzweifelhaft mit denen 
von Bunarbaschi zusammenstellt, ist weit entfernt aus dieser Identificirung den Schluss, auf den er 
doch ebenso, wie Lechevalier und Forchhammer, hätte kommen müssen, über die Lage des alten 
IKon auf Biaalih zu ziehen; im Gegentheil, er erklärt vielmehr trotz der Mauerüberreste auf jener 
Höhe, welche, da sie noch heute sichtbar sind, auch ihm bekannt sein mussten, ganz bestimmt, dass 
sich überall keine Spur von der alten Stadt erhalten habe (cf.Strab.XIII,p. 109 ed. Tauchn.). Den- 
noch aber giebt er in dem Urtheil über jene Quellen einen Fingerzeig, welcher zu demselben Resultate fuhrt, 
welches vrir oben aus Homer gefunden. Nachdem er (ib. p. 113) auf die Auctorität des Demetrius hin 
erwähnt hat, dass der Scamander von einer Anhöhe des Ida, genannt Kotylos, herabfliesse und 
zwar nur aus einer Quelle, fährt er fort, dass der Dichter damit durchaus nicht im Einklang 
stehe, indem er ausdrücklich zwei Quellen des Scamander und zwar eine heisse \md eine kalte 
erwähne; denn weder finde sich jetzt an diesem Orte eine warme Quelle, noch sei 
des Scamandros Quelle hier, sondern oben in dem Gebirge, imd zwar eine, nicht zwei. 
Die warme Quelle also scheine verschwunden zu sein, die kalte hingegen, durch unter- 
irdischen Abfluss dem Scamander entfliessend, an dieser Stelle wieder hervorzubrechen; oder aber 
auch dieses Wasser heisse eine Quelle des Scamandros, weil es ihm nahe sei, cf. ib. p. 114. 
Die Worte ,4n dem Gebirge^* {h %if oqbi) stehen im schär&ten Gegensatz zu den Angaben „an 



15 

diesem Orte" und hier; ferner zu „an dieser Stelle" und „auch dieses Wasser". Folglich 
hat der Geograph mit den letzteren Bezeichnungen auf einen ganz bestimmten Ort in oder an der 
Ebene hingewiesen, und dieser kann nach seinen Worten kein anderer als der von Homer durch 
die zwei Quellen bezeichnete sein, während es in Strabos Vorstellung die Quellen bei Bunarbaschi 
sind, in der Nähe des Scamander; und dennoch hat er die Consequenz, die er nothwendig 
ziehen musste, nicht gezogen und die Höhe über den Bunarbaschi-Quellen nicht als alte Burg von 
Ilion angegeben, offenbar weil alle in der Iliade geschilderten Ereignisse mit dieser Localitä.t 
unvereinbarsind. Indessen geht aus der ziemhch unklaren und verworrenen Auseinandersetzung Straboa 
doch so viel hervor, dass, da seine Worte xara diddvaiv vnexQeov ausdrückhch bezeugen, dass die in 
Rede stehende Quelle mit dem grossen Scamander, dem Mendere, in keinem sichtbaren Zusammen» 
hang stand, er dennoch aber für dieselbe wegen der Nähe des Scamander auch den Namen 
Quelle des Scamander vermuthet, er zu weiterer Folge auch den aus ihr abfliessenden Bach 
Scamander genannt haben muss; beide aber, Quelle und Bach, können nur die heutigen Bunar« 
baschi-Quellen und der Bunarbaschi-Su sein. Diese aus Homer und Strabo gewonnenen Resul- 
tate, dass der Bunarbaschi-Su auch im Alterthum Scamander genannt worden sei, werden durch ein voll- 
gültiges Zeugniss des Plinius N. H. V, c. 30 ausdrücklich bestätigt. Irren yvir nicht, so hat Forchhanuner 
allein das Verdienst, diess aus Plinius nachgewiesen zu haben, und es ist nur zu bedauern, dass er 
daraus unrichtige Consequenzen gezogen hat. Denn statt die Sache einfach so zu nehmen, wie sie ist^ 
nämlich dass neben dem Xanthos-Scamander auch der heutige Bunarbaschi-Su einstmals denselben 
Namen Scamander gefuhrt habe, hat er nur den letzteren als solchen gelten lassen, und demnach 
das ganze Namensverhältniss der Flüsse in der Ebene trotz aller dagegen Sprechenden Bedenken 
vöUig durcheinander geworfen; denn der heutige Mendere ist nicht der alte Siraois. Kehren 
vdr zu Plinius zurück, so zählt dieser, von Süden nach Norden fortschreitend, die OertUchkeiten also auf: 
OppidumNee, Scamander amnisnavigabilis, et in promontorio quondamSigeumoppidum. 
Dein portus Achaeorum, in quem infinit Xanthus, Simoenti iunctus, stagnumque prius fa- 
ciens Palaescamander. Hier ist Alles klar und deutlich; der zwischen dem Städtchen Nee und dem 
Sigeischen Vorgebirge erwähnte Scamander kann nur der Bunarbaschi-Su sein, der in der Beschika-* 
Bai ins Aegäische Meer fällt; auf diesen überall mindestens 3 Fuss tiefen und 8 — 9 Fuss breiten, 
künstUch angelegten Bach, welcher zu jeder Jahreszeit mit vollem Wasser strömt und bis zu seinen 
Quellen mit Kähnen befahren wird, passt ganz allein, wie Forchhammer richtig gesehen hat, das 
Beiwort navigabilis, nicht aber auf den Xanthus-Scamander, welcher mit Ausnahme der momentanen 
Ueberschwemmungen, durchaus unbefahrbar ist und zu allen Jahreszeiten die Horazische Bezeichnung 
parvus, d. h. flach und seicht, verdient; cf. Epod. XIII, 14. Somit darf als festes und sicheres 
Resultat der bisherigen Untersuchung angesehen werden, dass im Alterthum, und zwar schon zur 
Zeit des Homer, der Name Scamander nicht bloss dem grösseren Xanthus beigelegt 
worden ist, sondern dass auch der jetzige Bunarbaschi-Su denselben geführt hat 
Wenden wir uns nun weiter zur östhchen Seite der Ebene, Hier treten uns zwei Rinnsale, der 
KaUfatli-Osmak und der Dümbrek-Su zu näherer Betrachtung entgegen. ' 

Der Kalifatli-Osmak ist von beiden Bächen derjenige, welcher unserer früheren Er- 
örterung zufolge allein das Meer erreicht; er mündet in den Karanlik-Idman. Fragen wir, wie er 
im Alterthum geheissen, so finden wir die einzige Auskunft in der oben angeführten Stelle des 
Plinius, der neben dem Xanthus auch den Palaescamander nennt. Woher der Pohyhistor seine 
Notiz entnommen, ist uns ebensowenig bekannt, als die Quelle, aus welcher er den Namen Sca- 
mander für den Bunarbaschi-Su geschöpft hat Dass er aber Beides nicht ersonnen, sondern auf 
bestimmte Zeugnisse hin notirt hat, muss als ausgemacht gelten. Auch Forchhammer hat bereits 
den Palaescamander zu bestimmen gesucht, und es erscheint angemessen, hier die Ansicht desselben 



— 1« — 

wörüich mitzutheilen. ^Auch Plinius wusste, sagt er in seiner Beschreibung der Ebene von 
Troia p. 20, dass der Scamander sich ins Aegäische Meer, also durch den Canal 
ergoss. Von Süden nach Norden die Küste umschiffend nennt er zuerst den Sca- 
mander, einen schiffbaren Bach, dann das Sigeische Vorgebirge mit der Stadt 
gleiches Namens, dann den Hafen der Achäer, in welchen der Xanthos fällt, mit 
dem Simois verbunden und vorher einen Sumpf bildend der alte Scamander 
(Palaescamander). Dass Scamandros und Xanthos derselbe Fluss sind, weiss jeder 
Leser des Homer. Es muss aber ein Grund sein für den doppelten Namen. Schon 
die einfache Kunde von dem jetzigen Verhältniss würde genügen, die Sache klar zu 
machen. Durch die angeführten Stellen und besonders durch die des Plinius ist 
nun Alles ins hellste Licht gesetzt. Der Scamander als der Fluss mit dem gegrabenen 
Bett fällt ins Meer sttdlich vom Sigeum, der Scamander-Xanthus der gewaltige Fluss 
mit dem gelben Wasser, von dem er den Namen hat, vereinigt sich mit demSimoeis 
(Mendere) und ergiesst sich in den Hellespont nordlieh vom Slgeion. Derselbe 
Xanthos bildet ehe er in den Simoeis fällt einen Sumpf, den Lisgar, und ist der 
ursprüngliche alte Scamander, der Palaescamander. Die Sache ist so einleuchtend, 
dass die Frage hoffentlich nun ein für alle Mal erledigt ist" Die Philologen sind 
wunderUche Leute; Forchhammer glaubt die Frage ein für alle Mal abgethan zu haben, und die 
vorliegende Abhandlung behauptet das Gegentheil. Wir l^en kein Gewicht darauf, wie der tiefgelehrte 
Forscher sich hat entschhessen können, dem aus dem Lisgar in den Mendere fuhrenden Abzugs-Bach 
das homerische Beiwort des „gewaltigen'^ beizulegen; wenn auch zur Zeit der Ueberschwemmungen 
derselbe immerhin reissend genug mag gewesen sein. Allein, wenn er aus den Worten des PUnius den 
Beweis dafür entnimmt, dass der in den Hafen der Achäer, also in den Hellespt)nt einmündende 
Xanthos kein anderer als der aus dem Lisgar in den Mendere abfliessende Bach sei und dass, da 
Homer den Xanthos auch Scamander nenne, demselben Bache der Name Xanthos - Scamander 
zukomme, und dass dieser der Palaescamander des Plinius sei, so widerspricht diess jeder ruhigen 
Kritik so sehr, dass wir uns eine eingehende Widerlegung versagen müssen. Oder wird wirkUch 
jemand die Donau an ihrem Ausflusse ins schwarze Meer Inn, oder die Elbe bei Hamburg 
Moldau nennen? Hätte Plinius geschrieben: in quem infinit Simois Xantho iunctus stagnumque 
prius facienti Palaescamandro, so würde Forchhammer seine Behauptung, der Mendere sei der 
Simois zwar gerechtfertigt haben, aber auch so blieben die Worte stagnumque etc. noch zweifelhaft 
und darum bedenkhch, weil aus dieser Zusammenstellung die Identität des Xanthus und des 
Scamander oder vielmehr des Palaescamander noch immer nicht folgte. Die Worte des Plinius, wie 
sie jetzt lauten, besagen nichts Anderes, als dass der mit dem Simois vereinigte Xanthus in 
den Hellespont' mündet und ebenso der Palaescamander, der früher eine Lache 
bildet. I^un aber giebt es nur zwei solcher Mündungen im Portus Achaeorum, d. i. in der Bucht 
zwischen dem Sigeum und Rhoeteum, nämlich die des Mendere westUch, unfern vom Sigeum, und 
die des Kalifatli - Osmak am Bhoeteum in den Karanlik-Liman; ist nun jene unbestritten die des 
Xanthus-Scamander, so kann diese nur die des Palaescamander sein. Die Bichtigkeit dieses 
Resultates ergiebt sich mit Evidenz aus den Worten stagnumque prius faciens, welche eben nicht die 
Ergänzung gestatten „bevor er in das Meer sich ergiessf^ weil eine solche Mündung mit 
vorheriger Sumpfbildung überall in der Bucht nicht vorhanden ist und wegen der noch 
heute sichtbaren Strandverhältnisse selbst in einer Urzeit niemals vorhanden gewesen 
sein kann; im Gegentheil, jene Worte bezeichnen schlagend den wahren Sachverhalt; der Kalifatli-Osmak 
bildet fr üh er den Sumpf Djudan (cf. §. 2), fliesst aus ihm nach dem Dümbrek-Thal und strömt nach 
zeitweiliger Vereinigung mit dem Dümbrek, gefüllt mit den Gewässern desselben in stets fliessendem Strome 



17 

mittelst eines gegrabenen Bettes ins Meer. Hiemit haben wir noch einen dritten Scamander in der 
Ebene nachgewiesen; indessen, beyor wir hierauf genauer eingehen und weitere Folgerungen ziehen, 
ist noch der schwierigste aller Flüsse, der Dümbrek selbst einer näheren Betrachtung zu unter* 
ziehen. 

Der Dümbrek-Su durchfliesst von Osten nach Westen die Thalmulde, die durch den Rhötei- 
schen Höhenzug nördlich, und durch den in die Ebene von Osten hineinschiessenden Bergrücken 
südlich gebildet wird; nördlich über der Westspitze des letzteren wird er zu einem Sumpfe, aus 
welchem ausfliessend er nach kurzem Ldufe in den Ealifatli - Osmak fällt und» während letzterer 
durch einen Ganal nordwärts weiter geleitet wird^ seinen trägen Lauf nordwestlich fortsetzt und sich 
zuletzt, ohne das Meer zu erreichen, durch verschiedene Arme in tiefe Sümpfe und Lachen verliert 
Schon der Umstand, dass in der ganzen Fbene sich kein Bach weiter befindet, der für den alten 
homerischen Simois gelten könnte, würde vollkommen hinreichen, diesen in dem heutigen Dümbrek-Su 
zu suchen. Allein alle nur irgend glaubwürdigen Zeugnisse des Alterthums bestätigen, dass der in 
der genannten Thalmulde fliessende Bach der Simois ist Bis zur Evidenz ergiebt sich diess aus 
der Beschreibung des Demetrius von Skepsis, der in seiner Jugend die Stadt Neu-Ilion und die 
umliegende Gegend selbst besucht (cf. Strab. XIII, p« 100) und als ein eingeborener Mann (Strab. 
ibid. p. 113 Q>$ aV iyxfoQiog dv^Q) mit Genauigkeit beschrieben hat 

Mit seiner Beschreibung stimmt nach der Versicherung von Augenzeugen (cf. Ulrichs 1. 1.) die 
ganze Ebene noch heutigen Tages vollständig überein und es ist wirklich eiteles Gerede, wenn, sobald, 
vorgefasste Ansichten in dem Locale die gewünschte Bestätigung nicht finden, sofort von einer eingetre- 
tenen Veränderung desselben gesprochen wird. Jeder erkennt noch heute auf den ersten Blick die oben 
geschilderte Thalebene, hier ro Sifioeiaiov nsdiov genannt, durch welche der Simois sich hin- 
windet Diess kann ako nur der heutige Dümbr6fc sein. Femer liegt im östlichsten Winkel der 
grösseren Thalmulde eine kleine sehr schöne Ebene, an deren Rande jetzt das Türkische Dorf 
Dumbrek-Kioi liegt; der letztere Name führt ganz von selbst auf die alte von Strabo (a. a. 0. p. 107) 
genannte und schon von Homer erwähnte Ebene Thymbra, durch welche nach demselben 
Geographen a. a. 0. „der Bach Thymbrlos strömt, welcher sich in der Gegend des 
Heiligthums des Thymbräischen Apollon in den Scamander ergiesst** Hätte nun Strabo 
berichtet, dass dieser Thymbrios sich in den Siinois ergösse, so würde man auf einen von letzterem 
verschiedenen Bach schliessen dürfen; und in der That zeigt die Sprattsche Karte ein wenig östlich 
von Dumbrek-Kioi die Mündung eines kleinen Rinnsals, welches von Süden herabkommend alldort 
mit dem grösseren Gewässer sich verbindet Allein, da Strabo den Thymbrios in den Scamander 
sich ergiessen lässt, so folgt unwiderleglich, dass der Thymbrios und der in den Scamander 
mündende Simois ein und derselbe Fluss sind, und dass demnach jenes kleine nach der Thymbräischen 
Ebene genannte Rinnsal seinen Namen auch auf den Simois übertragen hat So weit ist Alles 
in der Ordnung; allein wo war der Mündungspunkt des Simois - Thymbrios in den Scamander? 
Strabo setzt ihn in die Nähe des Tempels des Thymbräischen Apollon; Demetrios a. a. 0. bezeichnet 
diesen Punkt näher mit fitxQcv t/angoa&ev rov vlv ^tklovj also etwas nördlich über der äussersten 
Westspitze des vielgenannten mittleren Bergrückens, wo Neu-Ilion noch jetzt vorhanden ist. Wie 
aber kam der grosse Xanthos - Scamander hieher? Es vereinigen sich gerade an der bezeich- 
neten Stelle nur der Kalifath-Osmak mit dem Dümbrek-Su, woraus sich ergiebt, dass der von uns aus 
Plinius als Palaescamander nachgewiesene Kalifatli-Osmak auch hier von dem Geographen Scamander 
genannt wird. Mit diesem Ergebnisse schwinden mit einem Male alle jene Dunkelheiten und 
Verworrenheiten in den Angaben der Alten über die Topographie der Ebene, und bis dahin völlig 
unbegreifliches findet seine Aufhellung. Zunächst wird die Meldung Strabo's verständlich, wenn er 

3 



— tlß — 

p.'103 sagt: av/ineaovtsg yaQ ote St^ongr xal 6 Sxaficn^dgog iv Tcp nedlif^ Tiokkr^v xa%aq>iQQvzag 
ilvVy ffQoaxovai t^ naQoklav xal Tvg>kdv azofia xai XifjLvo^äkcatag xal Hkrj notovoi* Diess alles 
passt- nicht auf den wilden Bergstrom Xanthns^Scaiuaodery der weder Sümpfe noch Lachen, an seiner 
Mündung aufweist, am wenigsten aber ein rvtplov ano^otj und ein Bück auf die Karte zeigt, dass er 
seit der Zeit seiner uralten Eindeichung derartiges nicht bewirkt haben kann, sondern dass er seinen 
Sand und sein Geröll in die Tiefe des Hellespont hineingeschüttet und so seine Mündung allmälig 
weit in denselben hinausgeschoben hat Dagegen passt die obige Beschreibung ganz genau auf den 
mit dem Kalifatli-Scamander vereinigten Simois-Thymbrios; beide fallen nördlich über Neu- Dion 
zusammen und nachdem sie nach kurzem Zusammenäiessen einen Haupttheil ihrer Gewässer mittelst 
des Canals des eigentlichen Palaescamander in den Karanlik-Liman abgegeben, erreichen sie mit 
dem Beste keineswegs den Hellespont, sondern bilden vorher blinde Mündungen und Sümpfe, von 
denen die heutige grosse Lagune, in die der Hellespont zeitweise einströmt, die atofxaklfivrj oder die 
kifivod'Cikonrra ist. Femer findet die bis jetzt ganz unverständliche Darstellung des Demetrius 
dadurch ihre vollständige Aufhellung; er berichtet nämlich (cf. Strab. p. 106), also: Ol di TtoTafiol 
ote JSxa/üctvÖQog xal 6 Sifiosig^ 6 fih t0 2iyei(fi nlfjaiaoag, 6 de Tijl ^Poireltpj fiixQov sf^nQoaß'ev 
xov VX3V ^iXlov avfißdklovaiy elz inl to iLyeiov ixöidoaai xal uoiovai Ti}y SvofiaXlfivijv xaXovfxiyrp^m 
Hier ist erstlich vollkommen falsch, dass der Xanthus - Scamander mit dem Simois zusammen die 
OTOfiaU/iVfj gebildet habe; diess thaten die Wasserreste des vereinigten Simois - Palaescamander. 
Femer ist es ganz unmöglich und dämm geradezu widersinnig, dass Xanthus - Scamander und 
Simois in divergirender Richtung fliessend, jener nach dem Sigeupi und dieser nach dem 
Rhoeteum zu, ein wenig nördlich über Neu-Bion zutammengefallen seien. Diess passt vielmehr nur auf 
die in Rede stehenden Flüsse, vorausgesetzt^ dass man 6 fuv auf Simois, 6 de auf Scamander richtig 
bezieht^ gerade wie bei Strabo XIU, p. 81: KXevrjv — avvayayelv tijv azQaxtCiV xara %dv avzdv 
XQO'^oVf xad^ ov xal üevS-iXog; dkla tov /lev xov Ilev^llov atokov qfdrivai neQauodivta^ — 
- %oi%ovg Si x« t. k. Folglich kam der Simois - Thymbrios seiner ursprünglichen Richtung folgend 
immer näher und näher dem Sigeum, der EaUfatli - Scamander dagegen dem Rhoeteum und so 
mussten sie sich kreuzend nördUch über Neu-Bion zusammenfallen. Endlich findet hiedurch sogar 
die bekannte Stelle des Homer B. Y, v. 774, verglichen mit B. XXI, 308 sqq. ihre vollständige Er- 
ledigung. Sie hat bis in die neueste Zeit vielen Wirrwarr angerichtet, indem sie eben sJs ein 
unumstösslicher Beweis dafür angesehen worden ist^ dass das Local der Ebene sich seit Homer 
völlig verändert habe, denn Scamander und Simois fielen jetzt nicht mehr zusammen. Allein das- 
selbe ist auch zur Zeit Homers nicht geschehen; denn ein Strom, der bereits sein Wasser mit dem eines 
andern wirkhch vereinigt hat und mit diesem zusammen dahinrauscht, kann unmögUch also redend 
eingeführt werden (B. XXI, 308): Auf denn, mein Bruder, wir beide zusammen wollen 
die Kraft des Mannes hemmen* So spricht man nur zum Fernstehenden. Hieraus ergiebt sich 
erstens, dass der Dichter B. V, 744 nicht den grossen Xanthus - Scamander, sondern den E^alifatli- 
Scamander gemeint, oder dass er beide unbe¥nisst mit einander verwechsdt hat, und zweitens, dass 
er XXI, 308 sqq. allerdings den tiefstmdelnden Xanthus-Scamander im Sinne hat, ihn aber dennoch 
wieder mit jenem vertauscht; denn das Nächstfolgende zeigt uns klar und deutlich, dass hier 
eben nur vom Kalifatli-Scamander die Rede ist, der tief in der Linmothalatta, (denn das ist 
vei69t Xlfivfjg) die Waffen des Achilles, mit Schlamm und Morast überschüttet, bergen und den 
Helden selbst so tief in die Lagune versenken will, dass die Achäer dessen Oebeine nimmer wieder 
finden sollen. 

Nach dem Gesagten unterUegt es keinem Zweifel, dass jede Annahme einer Umgestaltung 
des Locals unbegründet und letzteres vielmehr von den Zeiten Homers bis heute ein und dasselbe 
gebUeben ist^ femer dass der Dichter mit dem Namen Scamander um so willkürlicher verfahren 



— » — 

konnte und mnsste, je entschiedener ans d^r bisherigen Untersuchung sich ergiebt» dass der. Name 
^itafAOfdQog ursprünglich nicht der Eigenname eines einzelnen Flusses, sondern die allge- 
meine Bezeichnung eines künstlich angelegten Entwässerungsgrabens war, deren es in der Troiscben 
Ebene ebensOTiele gab, wie wh* noch heutigen Tages ebendaselbst in den sogenannten 
Osmaks, das sind flies sende Wasserbäche, wiederfinden; cf. Forchh. p. 10. Würde es aber nicht 
noch heute leicht geschehen können, dass Jemand, der Bedeutung des Wortes Osmak unkundig, 
dasselbe für den Eigennamen irgend eines Baches der Ebene hielte? Gerade so ist es Homer 
ergangen; nachdem der Xanthus im Munde der Leute der Eindeichung wegen jenen Beinamen 
führte, hat schon der Dichter ihn fSr einen Eigennamen genommen und also behandelt und yot 
dem grösseren Strome und dessen Benennung ist das Wort Scamandros für die übrigen Gräben nach 
und nach verblichen, ohne dass es ganz' verschwand; daher die Verwechslungen. Endlich, und das 
Ist die Hauptsache für diese Vertauschungen, ist es dem Dichter niemals darum zu thun gewesen, 
eine genaue Topographie der Ebene zu geben; er hat vielmehr, ein femlebender Sänger, der die 
Ebene selbst niemals mit eignen Augen gesehen hat (s. unten), seine Aufgabe nur darin 
gefunden, die lebendig strömende und bei seinen Stammesgenossen mit Vorliebe gepflegte Sage mit 
voller Begeisterung aufzunehmen und ihr unter strenger Festhaltung des Inhalts die künstlerische 
Form zu geben. Dass aber jenes Wort Scamander wirklich nichts weiter bedeutet hat, als einen 
durch Menschenhand aufgeworfenen Graben, das beweist zuerst die Etymologie selbst anififia dvdqosj 
Graben des Mannes,, und weiter wird es bestätigt durch das alte Scholion bei Eustath. II. 1197, 
54 ed. Rom., „der Scamandros habe seinen Namen daher, weil er von dem Manne, 
nämlich Heracles gegraben sei; cf. Forchh. p. 26. Hier ist nun nicht zu sa^n, wie es in 
hundert andern Fällen vollkommen richtig ist, dass aus dem Namen erst die Sage sich entwickelt 
habe, wie z. B. aus dem der Burg zu Karthago, Bursa, das griechische BvQoa (Haut oder Fell), 
und weiter die bekannte Sage von der Gründung der Stadt durch die Dido hervorging, oder, um 
selbst neuerer Fälle zu gedenken, wie aus dem Ludovicus Salius, aus dem Geschlecht der Salier, der 
vieluntersuchte Sphmg desselben vom Felsen zu Giebichenstein bei Halle a. S. entstanden ist; im 
Gegentheil, festgegebene und noch heute nachweisbare Verhältnisse sind mit jenem Worte bezeichnet 
worden, nämUch die künstlich angelegten, also durch Menldchenhand geschaffenen Entwäfiserungs- 
Gräben der Ebene, und wie wir noch heute jede derartige Anlage ganz allgemein „Capal^ nennen, 
so die Griechen SxaiaavdQog. Hiedurch finden auch die 2xafiavdQioi ^oal des Sophocles (et Aj. v. 418) 
ihre Aufhellung, und erst, als das Wort zu einem Eigennamen geworden w^r, trat die Frage auf, 
wer der grabende Mann gewesen, womit die weitere Sagenbildung begann, welche in dem 
Manne den Heracles wiederfand. 

Die durch die bisherige Untersuchimg festgestellten Resultate lassen sich nun kurz so 
zusammenfassen. Die Troiache Ebene war in der Urzeit vor Beginn der Cultur ein grosser Sumpf, 
dessen Gewässer zeitweilig bis an den Fuss der umliegenden Höhen reichten, in der heissen Jahres- 
zeit dagegen sich verkleinerten und stellenweise sogar austrockneten. Durch das in Folge von 
Sturmfluthen vom Hellespont her eintretende Meerwasser entwickelten sich atis dem Sumpfe todt- 
bringende Miasmen, die erst durch die eintretende Cultur beseitigt wurden. Letztere begann in dem 
Augenblick, als die ersten Ansiedler sich in die Ebene hineinwagten und die Entwässerung derselben 
in Angriff nahmen und zwar zunächst durch die Eindeichung des Hauptflusses Xanthus, welcher 
von nun an wegen Aufwerfung der künstlichen Ufer, die gleichsam einen breiten und tiefen Graben 
einfassten, im Münde der Menschen Scamandros beibenannt wurde. Sodann wurde die östliche 
Seite des Xanthus durch Ausgrabung des Kalifatli-Scamander (Palaescamander), welcher die Gewässer 
des südöstlichen Winkels nach dem Simois-Thale abführte, in ihrem südlichen Theile, und ebenso 
das Simois-Thal selbst durch künstliche Fortsetzung des Scamander in den Karanlik-Liman des Hellespont 

3* 



trocken gel^ wahrend die moht Ibbliihrbaren Wasser in ihren tie%ewahltoi Betten sidi ak 
Simosa-Scamander bis in die Nähe des Hellespont zogen und hier Sümpfe bildeten. Dann wurde die 
westliohe Seite am Xanthos zunächst durch den über 100 Fuss tiefen, mitten durch den westlichen 
Höhenzug gegrabenen Canal in Angriff genommen, der, üXüb er im Gebrauch geblieben, ebenEEÜb 
den Namen Scamander gefiihrt haben würde; er erwies sich als unnütz wegen der unablässig in die 
Ebene hinabströmenden Bunarbaschi - Quellen, und so wurden diese durch einen zweiten Canal, den 
Bunarbaschi- Scamander direct ins Aegäische Meer geleitet. Die nach grossen Ueberschwemmungen 
zurückbleibenden Sumpfivasser flössen durch einen kleinen Abzugsgraben, wohl auch Scamander 
genannt^ in den Xanthos. Endlich war das ganze Entwässerungssystem so beschaffen, dass die ganze 
östliche Seite am Xanthus durch AbMtung desselben, sowie des Kimar-Su, der wohl der alte 
Andrios ist» unter Wasser gesetzt werden konnte^ um den Bewohnern der Ebene sichern Schutz 
gegen auswärtige Feinde und deren Angriffe zu gewahren. Wo aber lag nun die alte Stadt dieser 
ersten Be¥rohn6r? 



Cap. IV. 
Die Lage des alten Illon. 

Die Behauptung der Neu-Ilienser, dass ihre Stadt die Stelle des alten Troia einnehme, ist 
wohl in der ältesten Zeit niemals in Zweifel gezogen worden; sie bedurfte keines besonderen 
Beweises, da die Tradition genilgte. Erst als man anfing, das Ansehen des Homer mit heranzuziehen 
und die Lage Neu-Bions mit dessen Angaben zu vergleiche, und als man in ihm Vieles zu finden 
glaubte, was jener Behauptung entschieden widersprach, entwickelte sich schon im Alterthum neben jenear 
vulgären nach nnd nadi eine sogenannte gelehrte Meinung, und die Frage, wo Bion gelegen, wurde 
zum Gegenstande eingehender Untersuchungen. Doch hat die letztere Meinung wenigstens im Alter* 
thum nie einen festen Boden gefunden; vielmehr hat die traditionelle Ansicht bei Griechen und 
Römern stets die Oberhand behalten. Zunächst war es Alexander von Macedonien, welcher bei 
s^ner Vorliebe für Homer und wegen der Verehrung des Heldoi Achilles alle seine Sympathien den 
Nachkommen der Stadt zuwandte, in deren Nähe die grossen in der Uiade geschilderten Schlachten 
gesehlagen worden waren. Demnach ging er nach seinem Siege am Granicus nach Neu-Ilion, 
schmückte den dortige Tempel mit Weihgeschenken, legte dem Orte den Namen einer Stadt bei 
imd befahl sie mit ansehnlichen Bauten wieder herzustellen; zugleidi erklärte er sie für frei und 
gab ihr Immunität von Lasten und Abgaben. Auch schickte er später nach der Zertrümmerung 
des Perserreichs ein wohlwollendes Schreiben an ihre Bewohner, in welchem er versprach, sich der 
Studt und ihrer ferneren Entwickelung mit Vorliebe annehmen zu wollen; cf. Strah. XU], 
p. 99 sqq. In noch ausgedehnterem Maasse sorgte der Dictator C. Julius Caesar für die 
Stadt, indem er ihr nicht allein reichen Landbesitz verlieh, sondern ihr auch die Freiheit 
liess und ihren Bewohnern das Privilegium der Entfreiung von Abgaben und Lasten aufrecht 
erhielt; cf. Strabo a. a. 0. p. 102. Ate Beweggründe dieses Wohlwollens fuhrt Strabo ganz 
aufldrücklidi an, weil die Römer den Aeneas für ihren Ahnherrn (cf^x^^VS) gehalten, Caesar selbst 
aber sein Geschlecht vom Julus, dem angeblichen Sohne des Aeneas, abgeleitet hätto. Der weitere^ 
Ausfuhrung dieser Verhältnisse bedarf es nicht; es geht aus dem Gegebenen zur Genüge hervor, 
dass die Zeit Alexanders und in höherem Grad^ noch die Römische Wcdt unter Caesar der uralten 
Tradition der Neu-Ilienser vollständigen Glauben geschenkt hat. Wem aber nicht unbekannt is^ 
von wie tiefer Bedeutung derartige Traditionen fiir die Erkennung und für das Verständniss uralter 



Sl 

Verhaltmsse sind, so me auch» dass es bei weitem leichter ist» statt ihren Kern anjzvfinden, sie 
sofort ins Beich der Fabel zu verweisen, d^ wird es nur tief beklagen können, dass die gelehrte 
Forschung, wenn auch ohne jeglidies Yerständniss des Homer, sich der Sache bemächtigt hat Strabo 
a. a. O. fasst die gelehrte Ansicht aller seiner Vorgänger zusammen und erklärt sich kuns und 
bündig gegen die Tradition mit den Worten: cti 6* cm iwm9a IdQvrai %6 naXaiov 'Acov xa&* 
^Oiifiqov ononavüiv^ ix %wv xoi&vde vex/nalQovTaL Mit diesem Satze, dass die Frage nur unter 
Führung des Dichters erledigt wwden könne, hatte die gelehrte Ansicht festen Boden gewonnen; 
den Homer in der Hand durchstöberte man die ganze Troische Ebene, und wo die Wirklichkeit 
mit den Angaben der Iliade unvereinbar erschien, wurde ohne Umstände, da der Dichter sich nicht 
irren könne, zu Ungunsten der Tradition entschieden und behauptet, dass die Ebene eine totale 
Veränderung erlitten habe, oder aber, dass die alte Stadt an einer ganz anderen Stelle 
als an der von Neu-Ilion zu suchen sei. Diess Prindp, nur den Dichter als Führer zu 
nehmen und ihm unbedingt zu folgen, ist bis zum heutigen Tage das geltende geblieben und hat 
den ganzen Wirrwarr der Ansichten hervorgerufen, die leicht noch bedeutend vermehrt werden 
könnten, weil jeder Forscher sich für berechtigt halten darf. Allem Gegebenen gegenüber sein, 
eignes Dafürhalten auf den Thron zu setzen; an Scheingründen und Gegengründen pflegt es nicht 
zu fehlen, eben weil bei Homer eine positive Basis fehlt So ist Bunarbaschi zu der Ehre- 
gekommen, die Area der alten Stadt zu sein, so unlängst das im Südostwinkel der Scamandrischen 
rechten Ebene gelegene Atzik-Kioi (vergl. Ulrichs in der erwähnten Schrift). Dabei aber hat man 
gändich ausser Acht gelassen, dass die gelehrte Ansicht der festen Tradition gegenüber im 
Laufe von Jahrhunderten, von Alexander bis auf Caesar, also weder in der Griechischen noch in 
der Römischen Welt irgend festen Boden hat gewinnen können, und erst die neueste Zeit die eben 
von der Bedeutung jener Tradition keine Vorstellung mehr hat nodi haben kann, hat mit kühlem 
Verstände die gelehrte Ansicht wieder zur (Geltung zu bringen versucht Indessen fragen wir nach den 
Gründet, worauf sie sich stützt so sind es seit dem Alterthum immer dieselben geblieben, weshalb e& 
unbehaglich und unerquicklich wird, selbige stets von Neuem vorzutragen, und zwar um so mehr 
als es Gründe sind, aus denen bei genauerer Betrachtung auch nicht ein Schein der Wahrheit 
entnommen werden kann. Denn allen Lesern des Homer gegenüber behaupten wir mit vollem Bewusst« 
sein der Wahrheit dass es in der ganzen Iliade auch nicht einen einzigen Punkt giebt, 
der topographisch als feste und unbestrittene Basis dienen könnte, um von ihm aus die Entscheidung 
der Frage, wo einst das alte Ilion gelegen, nur annähernd anzubahnen. Alles schwebt bei Homer 
in der Luft und von der vielgerühmten Objectivität des Dichters findet sich in topographischer 
Beziehung bei ihm auch nicht die leiseste Spur. 

Welches sind nun die Gründe der gelehrten Ansicht? Wenn man das Schiffslager {yaiara&fiog) 
als zwischem dem Sigeischen Vorgebirge und der Mündung des Xanthus - Scamander belegen 
annimmt so beträgt dessen Entfernung von Neu-Ilion 20 Stadien (^^ Meile); setzt man es zwischen 
jene Mündung und das Rhöteische Akroterion am sogenannten Portus Achaeorum, so beträgt sie nur 
12 Stadien (^etwas über V« Meile); nimmt man nun hinzu, dass wenigstens die Hälfte der letzteren 
XJferstrecke angeschwemmtes Land ist so verringert sich der Abstand des Lagers von Neu-Ilion bis auf 
nur 6 Stadien (etwas über Vs Meile oder Viertelstunde Weges); da nun aber Homer den Polydamas 
(Diad. XVm, 256) sagen lässt hnag d^ and Tcixeog eifiev, oder den Odysseus (Od. XIV, 469) ^Ifjv yo^ 
vi]£v exag TJldvfi^Vy so folge, sagt man, aus dem lifjv exag^ dass die alte Stadt sehr weit, also 
mindestens doch weiter, als Neu-Ilion vom Meei^e gelegen, letzteres also äaa alte Troia nicht sein 
könne, cf. Strabo a. a. 0. p. 108 sqq. Die Würdigung dieses €hrundes überlassen wir dem Lesei^ 
imd bemerken nur, dass der relative Ausdruck ixag oder ^Ifjv exag gar keinen Maasstab för die 
Entfernung der Stadt vom Meere abgiebt Nicht anders verhält es sich mit den übrigen Gründen, 



wie z. B. dass, wenn man von dem heutigen Neu-IIion eine gerade Linie nach Osten bis zum 
jetzigen Kara-ghün, der alten Kallicolone ziehe, so liege auf dieser, 30 Stadien ('/4 Meile^ von 
Neu-Ilion entfernt, auf dem mittleren Bergrücken das Dorf der Ilienser, und von da aus 
10 Stadien (V* Meüe) weiter die Kallicolone. Nun aber sagt Homer Iliad. XX, 51 sqq., dass Ares 
am grossen Schlachtentage die Troer angefeuert habe bald von der höchsten Höhe der Stadt, 
bald, am Simois entlang eilend, auf der Kallicolone. Dazu nun wird bemerkt, (cf. Strabo p. 107), 
dass, wenn Ares bald von der Burg (Neu-Dions) die unter derselben kämpfenden Troer, bald 
von der Kallicolone aus die ebenfalls am Fusse dieser Anhöhe Streitenden ermahnte, sich die 
Schlachtreihe der Troer von dem einen bis zum andern Punkte eine Meile weit ausgedehnt haben 
müsse, was nicht glaublich sei; folglich könne die alte Stadt nicht an der Stelle von Neu-IUon 
gelegen haben, sondern an der des Dorfes der Ilienser. Diess ist der Sinn der Beweisführung 
Strabos, die übrigens in hohem Grade dunkel und verworren, wenn nicht geradezu widersinnig ist. 
Denn wenn seine Worte Tewaganovra di aradiovg duxovarjg vfjg KallixoXiovfjg and tov yvv *Illov, ti 
Xqroiiiov ini toaovTov fieralafißavBO&ai toig tonovg^ ig>* oaov ^ dioTc^ig w dthsive; doch eben 
nichts anderes bedeuten, als dass die Schlachtordnimg der Troer sich nicht eine Meile weit 
zwischen den genannten Punkten ausgedehnt habe, so folgt daraus, dass er im Vorhergehenden mit 
den Worten niduvüg av d' ^'-AQrjg älloTB fikv tyjv iyxelevaiv cno rfg axQonoletog noioixOy allote 
ix Twv TtkTjoiov tOTtwv TOV TB SifioevTog »al Tfjg KaXlixoXojvfjgf f^^XQ^ ^^ ^^^ elxog rfv fioxv^ 
nQcerstaad'ai. nur an die Burg der alten auf der Stelle des Dorfes der Ilienser gelegenen Stadt 
gedacht und demnach gemeint hat, die Schlacht habe sich von der Burg eine V* Meile weit bis 
zur Kallicolone fuglich erstreckt und Ares habe bald hier bald dort die Kämpfenden anfeuern 
können. Doch was wird dann aus den Worten, mit denen er den ganzen Beweis einleitet: tijg yaQ 
lioxrig inl T(p 2xaf£€evdQlqf nedltp avvTsXov^ivtjg^ Denn wenn die Schlacht auf der Scamandrischen 
d. h. vom Xanthus-Scamander durchströmten Ebene (cf. Demetrius bei Strabo p. 106) vor sich geht, 
so muss sie doch, um bis zum Dorfe der Ilienser, und weiter am Simois bis zur Kallicolone zu 
gelangen« sich vor Neu-IUon nördlich vorüber in die Simoeisische Ebene hineinziehen, muss also 
sicB entweder viel weiter ausdehnen, als Sti'abo am Schlüsse seines Beweises zugeben will, oder aber 
der obige Eingang und die Erwähuimg der Scamandrischen Ebene ist völlig unstatthaft und der 
ganze Beweis fällt dadurch in sich selbst zusammen. Dazu kommt, dass Strabo, der doch den 
Dichter genau kennt, wissen musste, wie dieser die Götter sich bewegen lässt, wie er z. B. den 
Poseidon vom steilen Samos aus bereits mit dem 4. Schritte nach Aegae führt (Iliad. XIH, 20), oder 
wie er Here den Olympos verlassen und ohne die Erde mit dem Fusse zu berühren, zu den 
entferntesten Orten gelangen lässt (Iliad. XIV, 225 sqq.); er musste also wissen, dass der Mahnruf 
des Ares, ob von dieser oder von jener Höhe erschallend, die Troer erreichte, gleichviel wo sie 
kämpften. Allein diese ganze in sich unzusammenhangende Beweisführung des Geographen zeigt 
deutlich, dass er selbst die Troische Ebene gar nicht gesehen und dass er die spitzfindigen 
Ausführungen seiner Vorgänger, eines Demetrius oder einer Hestiaea aus Alexandria Troas (cf. p. 1 09) 
ohne alle Kritik wiedergegeben hat. 

Um nichts besser ist der von der Ebene Thymbra hergenommene Beweis, dass diese nämhch 
sich in der Nähe des Dorfes der Dienser befinde, von Neu-Hion aber 50 Stadien (1*/* Meile) 
entfernt sei; cf. p. 107. Denn Strabo scheint nicht bedacht zu haben, dass an der einzigen Stelle 
des Homer, wo Thymbra erwähnt wird (Iliad. X, 430) die Wendung nqog Qv^ißQijg nach acht 
griechischer Ausdrucksweise nichts anders bedeutet, als die Richtung nach Thymbra zu (Griech. 
von Thymbra her), und dass hieraus für die Lage der alten Stadt nicht das Geringste folgt. 
Dasselbe ist von den bei Homer oft erwähnten, aber topographisch völlig unbestimmbaren Punkten, 
dem Feigenhügel (iQiveog) und der Buche (g>f]y6g) zu sagen; zwar vermuthet Strabo, dass sie in 



der Nähe des Dorfes der Ilienser gelegen, indessen worauf er dabei sich stützt, bleibt völlig dunkel» 
imd doch ist es ganz gewiss, dass, wenn die Punkte sich durch den Volksmund als in der Nähe 
jenes Dorfes befindlich erhalten hätten und den Forschern bekannt geworden wären, es nicht des 
geringsten weiteren Beweises, dass das Dorf der Ilienser das alte Ilion sei, bedurft hätte. 

Schlimmer noch steht es mit der Bemerkung des Geographen (cf. p. t09), dass,; wenn Neu- 
Ilion die alte Stadt gewesen, der Späher PoUtes (cf. Iliad. II, 702) ein Thor genannt werden müsse, 
wenn er, statt von der weit höheren AcropoUs von Neu-IUon zu schauen, sich das Grabmal des 
Aesyetes dazu ausersehen und dadurch sich der Gefahr ausgesetzt hätte, vorkommenden Falles nur 
in der Schnelligkeit seiner Füsse sein Heil zu suchen; denn, setzt er hinzu, TÜvte dd%Bi aradlovg 
6 viv deucvifievos tov Aiavfjtov %Mpog xora r^v €iff ^^s^cvdQeucv odov» Wenn irgend eine Stelle, 
so beweist diese, dass Strabo die Ebene nie mit Augen gesehen hat Alexandria Troas lag am 
Aegäischen Meere, also westUch von. Neu-Ilion (cf. Plin. N. H. V, 30), folgUch muss der Weg dahin 
von Neu-Ilion aus mitten durch Xanthus-Scamander-Thal fuhren. Hier aber findet sich erstlich 
nirgends der von Homer genannte %v^ßog ax^Tctrog (Strabo sagt bloss Taq>og\ und zweitens würde 
PoUtes, falls er sich jemals dort befunden, ihn niemals zur Warte haben wählen können, lediglich 
der durch die Flüsse verursacht^ Hindemisse wegen. Wenn nun aber Strabo hierin ganz richtig 
einen Grund gegen Neu-Ilion gefunden hat, zugleich aber damit seine Ansicht in Betreff des 
Dorfes der Ilienser bestätigen will, wie kann er da den vvv deixvifievog xov A\a. tifpog damit 
zusammenreimen? Die Erzählung vom PoBtes ist eben nichts weiter, als ein Gebilde homerischer 
Phantasie, entnommen aus der zu allen Zeiten gültigen Erfahrung, von fernher Kommendes von 
einem erhöheten Standpunkte aus zu erspähen, gerade so wie bei den Leichenspielen des Patrodus, 
die auch nichts weiter als ein mit der wunderbarsten Objectivität ausgestattetes Gemälde des 
Dichters sind, Idomeneus hoch von der Umschau aus {inbqixinog iv negiton^) nach den aus weiter 
Feme heraneilenden Rennwagen ausschauet (II. XXIII, 45 1>, oder wie der Wächter in Aeschylos 
Agamemnon nach dem in der Feme auflodernden FeuersignaL 

Endhch folgert Strabo mittelst einer Beweisführung, die gerechtes Erstaunen erregen muss, 
aus dem Umstände, dass die Achäer erst im tO. Jahre des Krieges ihr Lager mit einer 
Mauer umgeben, und dass die Troer ebenfalls erst im 10. Jahre auf das befestigte Lager einen 
Angriff machen, es würden jene sich der Kopflosigkeit (anovoia)^ diese der Feigheit (ßrpvxict) 
schuldig gemacht haben, wenn die alte Stadt an der Stelle von Neu-Ihon, also in nächster Nähe des 
Schiffslagers gelegen hätte. Denn folgt daraus wirklich etwas für die Lage der Stadt? Gewährte 
eine um '/4 Meilen grössere Entfernung dem. Lager der Achäer in einem Kampfe auf Leben und 
Tod wirklich einen ausreichenden Schutz, den Troern aber die Möglichkeit^ sich, unbekümmert um 
den nahen Feind, ruhig und sorglos in der Stadt zu verhalten? Wir meinen, dass jene Entfernung 
von gar kräiem Belang für die Sache war, und dass Vorwürfe eben so gut hätten erhoben werden 
können, wenn die Stadt wirkUch an der Stelle des Dorfes der Ilienser lag, und dass demzufolge aus 
jenem Verhalten der Kämpfenden nicht der geringste Schluss auf die Lage des alten Ilion 
gestattet ist. Und dennoch hat das gelehrte Alterthum sich nicht gescheuet^ durch solche nichts- 
sagende Spitzfindigkeiten die alte Jahrhunderte hindurch von Griechen und • Römern geglaubte Tra- 
dition zu verdächtigen und zu zerstören. Der einzige wirklich hörbare Grund, welchen man gegen 
Neu-Ilion aufgestellt hat (cf. Strab. p. 109), ist der, dass dief alte Stadt umlaufbar war (c£ Iliad. 
XXn, 136 sqq.), Neu-IUon es nicht ist Allein das weiss jeder Leser des Homer, dass, so oft 
Achilles dem Einen oder dem Andern als ein dvmatov xaxov erscheint» der Betroffene sofort von 
Furcht und Beben (tgofiog) ergriffen wird und in schleuniger Flucht Rettung sucht; und Niemand 
fragt wohl, ob und welche Hindemisse dem FUehenden entgegengetreten. So Hector vor Ilion; 
Ehrgefühl und Scham hindern ihn, sich in die Stadt zu werfen, so lange es noch Zeit ist; und als 




er 68 will, da wirft aich Achilles zwischen ihn und die Stadt» und der Umlauf edtwichelt sich ganc 
Ton selbst, und schwerlich hat der Dichter daran gedacht, dass seine prächtige Darstellung, bei 
welcher ihn locale Bedenken auch niqht im Entferntesten eingefiallen sind, dermaleinst zum Gegen- 
stände kritischer Erörterungen werden würde. 

Die vorgetragenen Gründe jedoch haben nicht allein auf die Meinung der alten Forscher, 
mit Ausnahme des Hellanicus, welcher Neu-Ilion vertheidigte (Strab. p. 113), sondern auch auf die 
Untersuchungen der Neuem, v. Eckenbrecher ausgenommen (c£ Ulrichs p. 601.) entscheidenden 
TCinfliifl« geübt, und haben sie, statt zur alten Tradition zurückzukehren, dem Beiz nicht wider- 
stehoi können, in dem Glauben, die Wahrheit wo möglich aufzufinden, die gewagtesten Hypothesen 
aufzustellen und mit Aufbietung des höchsten ScharMnns zu begründen und zu vertheidigen. So hat nach 
Forchhammer das alte Ilion über dem heutigen Bunarbaschi unterhalb der Höhe Baalih (der alten Akro- 
pohs), nach Ulrichs dagegen, der ebenfalls' die Ebene persönlich gesehen und sorgsam durchforscht 
und sich dadurch im Stande gesehen hat, der Forchhammerschen Behauptung mit gewichtigen 
Gründen (cf. p. 582 sqq.) entgegenzutreten, auf dem im südlichsten Winkel der Scamandrischen 
Ebene, noch südlich vom Djudan liegenden Hügel, genannt Atzik-kioi (offenes Dorf) gelegen; 
cf. Ulr. p. 591 sqq. Es ist nicht unsere Absicht, diese Hypothesen, die bei der völligen Unbe- 
stimmtheit der homerischen Angaben noch leicht um ein Bedeutendes vermehrt werden könnten, 
eingehender zu widerlegen. Nur so viel sei gegen Forchhammer bemerkt, dass die von ihm vor- 
getragene Erklärung betreffs der Bunarbaschi -Quellen, und der dadurch versuchte Nachweis ihrer 
Identität mit der heissen und kalten Quelle des Homer nicht geeignet ist, Ueberzeugung hervor- 
zurufen. Denn wenn er die homerische Stelle (IL XXH, 147.) nicht anders als wörtlich auffasst 
und das Vorhandensein der Quellen in der Ebene gerade so fordert, wie der Dichter sie beschreibt, 
so muss er auch zugeben, dass seine Erkläruug, wörtlich genommen, auf Homer ganz und gar nicht 
passt; eine Quelle, die nur unter Umständen, zu gewissen Zeiten, also momentan Dampf 
ausströmt, d. h. im Winter, wenn die Luft sehr kalt und die Temperatur des Wassers wärmer ist, 
zu allen andern Seiten dagegen mit den übrigen Quellen gleiche Temperatur zeigt, kann nie eine 
heisse Quelle genannt werden; und eine solche beschreibt uns der Dichter. Aus den Worten -^eQei 
nqoQiu alxvia x^^^&l ^^ ^^™ Vorhergehenden %n^(ivi zu ergänzen, ist völlig unstatthaft, da 
9iQei nur mit iixvTa ^c^A. in enger Gedankenverbindung steht, um anzudeuten, dass, da die Kälte der 
Quelle sich im Winter ganz von selbst versteht, sie im Sommer eiskalt hervorsprudele, während 
jene überall nur mit warmem Wasser fliesse. Ebenso wenig können wir uns auf eine Widerlegung 
der überaus bedenklichen Hypothese von Ulrichs einlassen; ihr widerspricht das Bild, welches sich jedem 
Leser des Homer ganz von selbst aufdrängt und welches die Schiffe und die alte Stadt sich gerade 
gegenüber stellt (cf. Virg. Aen. II, 461) so gründlich, dass der Urheber jener Behauptung wohl 
selbst kaum recht ernstlich an ihre Richtigkeit geglaubt liaben kann; ihr fehlen selbst die Kriterien, 
durch welche die Forchhammersche Ansicht sich geltend macht, die Quellen und der Scamander, 
und genau genommen hat sie nichts weiter für sich, als dass das heutige Atzik-kioi umlaufbar 
ist. Nichtsdestoweniger ist die Schrift sehr werthvoll; sie enthält eine Fülle gelehrter Nach- 
weisungen und beschreibt einzelne Punkte der Ebene mit grosser Genauigkeit; für einzelne Mängel 
ist wohl nicht der Verfasser, sondern der entfernte I)ruckort verantwortlich. Jedenfalls wird 
Niemand, der sich mit der vorliegenden Frage beschäftigt, die Abhandlung übersehen dürfen, und 
fühlen wir uns für das, was wir aus ihr gelernt, dem Verfasser zu besonderem Dank verpflichtet. 

Kehren wir zurück zu der Frage, wo die alte Stadt gelegen, so bleibt keine andere Stelle 
übrig, als die durch die Tradition bezeichnete; steht diese mit den innem Verhältnissen der Ebene 
in vollständiger Uebereinstimmung, so muss unter absoluter Zurückweisung der gelehrten Ansicht 
die Sache als entschieden angesehen werden. ^ 




Wir haben aehon früher auf die Hufeisenform der Ebene hingewiesen, wie sie ais 4er 
Bescfareibang des Demetrit» von Skepsis (cf. Siarab. 1. 1. p. 105 sqq.) hervorgeht und wie sie durieh 
die vortreffliche Sprattsche Karte, so wie auch durch die Mittheilungen von Uhichs p. 589 bestätigt 
wird. In dieses Hufinsm, dessen Rundbogen nach Süden, die Oeffnung also nach Norden zu 
zwischen den beiden «Spitzen des Sigeum und Rhoetdum am Hellespont liegt, zieht sich von Osten 
nach Westen zu der schon oftmals genannte Bergrücken hinein, der fast in der Mitte der Ebene 
endet und dessen westlidie Spitze schroff nach Norden zu abfällt Diese Anhöhe ist, mit Ausnahme 
des Berghalses, welcher von Osten her den einzigen Zugang gewährt^ rings von der Ebene umgeben, 
die durch ihn in zwei Theile zerfällt, in die des heutigen Mendere und in die des Dümbr^k, welche sich daAn 
nach Norden zu wieder in eine Ebene vereinigen. Versetzt man sich nun in jene Urzeit zurück, in der 
zuerst Dien in der Ebene gegründet wurde (cf. Hom. Diad. XX, 21 5 ^ xrlaae Si Jaqdavlrjv^ irtBl 
n/vnfog ^Ikiog Igf iv neditfi n9n6Xia%o)y so gab es in der ganzen Ebene, die in Folge physischer 
Verhältnisse einen einzigen grossen Sumpf bildete, keinen andern Punkt für die Anlage einer Stadt, 
als die genannte Anhöhe; hier Hegt noch heute Neu-Ilion und hier und nirgend anders ist die alte 
Ilios erbauet worden. 



Wer waren die ersten Erbauer von Alt-Ilion? 

Die bisherige Untersuchung liefert den Beweis, dass wir das obige Hauptresultat nicht aus 
mizelnen verlorenen Notizen und Sagen, über deren Werth oder Unwerth ein endgültiges Urtheil 
schwer abzugeben ist, gewonnen haben, sondern dass wir uns auf dem Boden gegebener Thatsachen, 
die noch heute mit Augen sichtbar und mit Händen greifbar sind, bewegen, welche ein absolut 
gewisses Urtheil und Ergebniss zulassen und selbst nothwendig machen. Knüpfen wir demnach für 
das Nachstehende eine Bemerkung AL v. Humboldts an, welche bei Klencke Leben etc. p. 130 
also lautet: „Bei der wunderbaren Fruchtbarkeit der Natur besteht das Feld der Urbewohner m 
einem kleinen Erdwinkel, das Urbarmachen im Anzünden von Sträuchem, und der Anbau des 
Landes in der Aussaat einiger Kömer oder im Pflanzen einiger Steckreiser. Mag das Nachdenken 
in noch so entfernte Jahrhunderte zurückgehen, man wird sich allezeit die Völker in diesen dichten 
Waldungen ihre Nahrung aus dem Boden ziehend vorstellen; weil ab^r diese Erde auf kleinem 
Umfange und fast ohne Mühe reichen Ertrag giebt, so muss man sich diese Völker wiederum auch 
als ihre Wohnsitze einem Flusse entlang öfters ändernd denken. Wirklich sehen wir noch heut- 
zutage den Eingebornen am Orinoeo mit seinen Saatkörnern wandern imd seine Pflanzungen von 
einer Stelle zur andern übeiiragen, wie der Araber mit seinem Zelte und Weideplatze thut.^' Man 
wird bei einiger Ueberlegung nicht umhin können, der Ansicht Humboldts beizupflichten; allein 
man wird für das classische Alterthum weitergehen und sagen müssen, dass, abgesehen von der 
Vermehrm^ der Ansiedler, durch welche unbebaueter culturfähiger Boden .immer gesuchter und 
seltener wurde, hauptsächlich zwei Bedingungen ^ gewesen sind, welche dem Wandern der 
Urbewohner ein Endziel gesetzt haben; sie wurden nämlich dauernd sesshaft, wenn sie einen Ort 
&nden, welcher bei ausreichender Sicherheit gegen feindliche Ueberfalle ihnen die Mittel zu ihrer 
Existenz entweder aus dem Anbau der Landschaft, oder aber, wenn ein fruchtbares Gebiet 
fehlte, aus der Unterwerfung der Umlande gewährte; in beiden Fällen entstanden grosse Städte 
und mächtige Staaten, allein im ersteren gingen sie aus dem friedlichen Betriebe des Ackerbaus 
im letzteren aus dem Gebrauche persönlicher Kraft {gdiitj) hervor. Die auf solche Weise ent- 

4 




standenen grossen Städte des Älterthums nach diesen Gesichtspnnkten zu dassifidren^ ist hier nicht 
der Ort; indessen für unsere Untersuchung ergeben sich die weiteren Schlussfolgerangen ganz 
von selbst. 

Die Troische Ebene bietet eine Fläche von mehreren Quadratmeilen; in einem Raum von 
solcher Ausdehnung hat eine friedliebende Bevölkerung sich nicht sesshafb gemacht , weil er, 
wenn auch genügende persönUche Sicherheit, dennoch die nöthigen Mittel zu einer friedlichen 
Existenz nicht darbot; die Stelle, wo Troia lag, war nur auf einem Wege von Osten her zugänglich 
und zwar mittelst des Bergrückens, der die Stadt mit der über eine Meile entfernten dardanischen 

r 

Ebene verband; in diese durften friedÜche Colonen es der Entfernung wegen nicht wagen, ihre 
nach Sitte des Alterthimis dem Raube fortwährend ausgesetzten Herden zu treiben; somit blieb 
ihnen nur der schmale Berghals übrig, der trotz seiner nach Osten zunehmenden Verbreiterung 
dennoch weder die nöthigen Triften noch genügendes Ackerland darbot Man sieht leicht, dafis, wer 
auch immer zuerst jenen Ort zu einer Niederlassung sich ausersehen haben mag, es nur kühne und 
entschlossene Gesellen gewesen sein können, die, der Kraft ihres Arms vertrauend, von ihrem 
Schlupfwinkel aus die tJmlande zur Unterwerfung gebracht und aus den Sclavendiensten der Unter- 
worfenen sich die Mittel zu ihrer Existenz und Machterweiterung geschaffen haben. So ist das alte 
Ihon entstanden. 

Ist dieses aus gegebenen Verhältnissen gewonnene Resultat richtig, so muss es durch die 
schriftlichen Zeugnisse, die noch vorhanden sind, eine weitere Bestätigung erhalten. Es wird alsp 
zunächst nur von Homer die Rede sein können, nicht als ob wir die nach ihm sich findenden 
Zeugnisse für durchaus verwerflich hielten, sondern weil er die älteste Quelle ist. Denn anzunehmen, 
dass erst aus Homer sich die ganze spätere Sagenmasse unter den Händen nachfolgender Dichter 
durch Erweiterung und Umdeutung entwickelt habe, ist völlig unzulässig, weil dadurch voraus- 
gesetzt würde, dass der ganze Sagenstrom, wie er zu Homers Zeit wogte, sich einzig und allein in 
dessen Liedern ergossen habe; im Gegentheil, neben dem, was die XS Tage der Qiade uns vor- 
führen, hat es noch Sagen in Menge gegeben, die im Munde der Hellenen lebten und webten, was 
deutlich genug aus den kurzen homerischen Andeutungen des Oedipus, des Hercules, der Theseus- 
sage etc. erhellt. Nur bei der völligen Unmöglichkeit die Veränderungen zu erkennen, welche die 
Sagen im Munde der formgebenden Dichter erfahren haben, ist bei Untersuchungen vorliegender 
Art stets von Homer auszugehen. Der einzige Weg also, der in der Urzeit Dion mit den Umlanden 
verband, führte östlich in die alte fruchtbare Hochebene von Dardania. Hieraus folgt, dass nicht 
herdenreiche und begüterte, sondern landflüchtige Dardaner, die ihr Alles nur auf ihrer Lanzen- 
spitze trugen, sich in jenen Schlupfwinkel gewagt haben, um von hier aus in verzweifeltem Ringen 
endlich Herren ihrer früheren Gebieter zu werden. Die Bestätigung dessen giebt Homer. Des Zeus 
Sohn Dardanus beherrscht die dardanische Ebene und gründet Dardania; sein Volk wohnt an den 
Abhängen des Idagebirges, denn ein Ilion in der Ebene giebt es noch nicht; Iliad. XX, 2 15 sqq. Ueber 
dieselben Dardaner gebietet noch des Dardanus Enkel Tros und nennt sie nach sich Troer, und 
erst unter dessen 2 Söhnen — der 3. Ganymedes war zu den Göttern erhoben — erfolgt die 
Trennung; der jüngere, Assarakus, verbleibt in Dardania, der ältere, Bus, wird in Begleitung von 
Troern der Gründer Bions in der Sumpfebene; mit welchem Erfolg, zeigt in scharfen Zügen die 
ganze Biade. Bus also, der Mann der Sumpfebene ^), wird Gründer der Stadt und der 
Herrschaft; Laomedon, sein Sohn, der Volks-Fürsorger, ordnet und »befestigt die Macht, und 
Priamus, des Bos Enkel, wird Oberherr aller Umlaude. Wir tragen kein Bedenken es aus- 
zusprechen, dass unter Bus die alte Dardania dahinschwand und dass ihre Bewohner nach Bion 



1) Er nennt die Stadt nach sich Ilios oder Ilion ,* die Bewohner heissen Troer; den Namen lÜenBer kennt Homer nicht. 



— w 

verpflanzt wurden, während die Bewohner der Ebene als hörige Dardaner zurückblieben und für 
ihre Herren die Ebene bebaueten. Denn nur diess kann die Stelle der Ilias bedeuten: xvlaae di 
JaqdavifjVy inet ovn(o *'JLXiog iQfj iv 7tedl(p TtsuoXiatOf weil sonst der Gausalsatz inel etc. sinnlos 
sein würde, während er völlig klar und bedeutsam wird, wenn der Sinn ist» dass die früher in 
Dardania wohnenden Vollbürger späterhin als Troer Bewohner von Dion geworden sind. Voll- 
kommen bestätigt wird diesd durch die Verhältnisse des Aeneas, von denen unten die Bede 
sein wird. 

Des Bus Sohn Laomedon haben wir den Fürsorger des Volkes genannt, und er war 
es, denn er erbauete mit Hülfe der Götter die Mauern um Ilion. Homer berichtet einmal, dass 
Poseidon und ApoUon dieselben gemeinsam aufgethürmt (Iliad. VH, 452), dann aber, dass Poseidon 
sie allein errichtet, während Apollon, als schützender Gott, die Herden des Laomedon in den 
Schluchten des Ida geweidet habe (cf. Biad XXI, 441 sqq.). Beide Angaben widersprechen sich 
nicht, sondern lassen sich sehr wohl vereinigen; die eine ergänzt die andere. Allein von welcher 
Art waren diese Mauern? Das ganze Alterthum von Homer an hat darunter einen Steinbau 
verstanden, so hoch und breit und mit so schützenden Thürmen besetzt, dass der alte Priamus hoch 
oben auf den Zinnen mit seiner ganzen Umgebung Platz fand, um die ganze Troische Ebene und 
die zum Kampf bereit stehenden beiderseitigen Heere zu überschauen; und gegen diese Auffassung 
des relxog vxprikov ist nichts einzuwenden. Aus ihr entsprangen die Bezeichnungen der homerischen 
Stadt evrelxeoQf evnvQyog^ d-eodfiijTog^ so wie die Vorstellung von Felsenhöhen, von denen das 
höl^me Pferd in die Tiefe gestürzt werden sollte (Odyss. VHI, 508). Indessen eine ganz andere 
Frage ist es, ob jene Vorstellung des relxog auch der Wirklichkeit entsprochen habe. Die Mauern 
selbst hat nie ein sterbUches Auge derjenigen erbUckt, die von ihnen' gesagt und gesungen haben; 
nur im Strome der alten Sage ist das Wort relxog vorgekonunen und hat jene Vorstellungen noth- 
wendig hervorgerufen. Allein kann das relxog der Sage wirklich einen steinernen Bau bezeichnet 
haben? Den erdumfassenden Poseidon als den Aufthürmer aus dem Innern der Erde empor- 
starrender Felsenmassen zu denken, hat nichts Auffalliges; ebensowenig wenn er, in Menschengestalt 
gedacht, einzelne Felsen übereinander gewälzt und zu einer Mauer nach Art der cydopischen 
geordnet hätte, würde man etwas Erhebliches dagegen einwenden können. Allein in beiden 
Fällen müssten, im ersteren ganz gewiss, noch heut zu Tage an der Stelle, wo allein die alte Troia 
gestanden haben kann, Felsen emporragen, im zweiten mit der grössten Wahrscheinlichkeit einzelne 
Ueberreste von Gydopen-Mauem entweder noch jetzt sichtbar sein, oder wenigstens zur Zeit Homers 
sich mit Sicherheit voraussetzen lassen; allein weder heute finden sich an der Stelle, wo Bion stand, 
derartige Spuren, noch hat^ was das Wichtigste ist und weiter unten bewiesen werden soll, Homer 
zu seiner Zeit das Geringste davon gesehen; die Annahme aber, dass der Meeresgott, gleich einem 
menschlichen Steinmetz oder Maurer, nur kleinere Steine auf einander gepackt habe, die im 
Laufe der Jahrhunderte allerdings wieder spurlos hätten beseitigt werden und verschwinden können, 
ist dem selbst zu den wunderUchsten Vorstellungen hinneigenden Alterthum nicht im entferntesten 
zuzumuthen und daher imbedingt zu verneinen. Hieraus folgt, dass die alte Troia in Wahrheit 
von steinernen Mauern ebenso wenig umgeben gewesen ist^ wie bei Homer dsjs Lager der Griechen; 
ist aber dieses trotz der Mauerthürme und Strebepfeiler der Mauer dennoch nur ein Spiel der 
jdichterischen Phantasie, so ist jenes etwas in Wirklichkeit vorhanden Gewesenes und hat nur einer 
nicht richtigen Deutung unterlegen. Die Schutzmauem Poseidons waren eben nichts anderes, als 
die des Ilus Stadt umgebenden tiefen Sümpfe und Moräste^ so recht eigentUch Werke 
des MleergotteSy des Schöpfers der Brunnen, Bäche, Ströme und Flüsse; er hatte Bion uneinnehmbar 
gemacht; die Stadt selbst bestand, wie aUe Urstädte, sicherlich nur aus Mappalien und Hütten, nach 
äeren Verbrennung jede Spur einer. Niederlassung in. kürzester Zeit vou selbst verschwinden musste. 

4» 




Ist diese Auffiasnuig der Neptunischen Mauern die nchtige, so tveten wir damit in 
eine ähnliche UmgeBtaltong der Sage ein, -wie solche fast überall im Alterthnm zur Erscheinung 
kommt; die Mauern waren bereits unter Ilus, dem Gründer IUodb, rorhanden, allein die 
Sage hat sie nur mit Laomedon in Verbindung gesetzt und unter diesem, entstehen lassen. Wie 
diess gekommen, darüber giebt ihre weitere Gestaltung, wie wir sie noch heute kennen, vidi* 
ständigen Aufschluss. „Uebersehwemmungen^, heisst es, „überfiuiheten die Ebene um Troia und 
ein Meer-Ungeheuer raffte Menschen imd Thiere von dem Felde hinweg.*^ So formuliren Spätere 
die Sage (cf. Diod. lY, 43), aber schon Homer ist die Quelle (cf. Uiad. XX, 147). Die Ueber- 
fluthungen der Ebene, namentUch durch Nordweststörme vom Meere her, haben wir nicht nothig» 
weiter zu beweisen; ebenso wenig kann das Meer-Ungeheuer (x^o^;) zweifdhaft sein, trotzdem 
dass wohl die Mehrzahl der Forscher es ins Beich der Fabel verweist Wer noch heutigen Tages 
nch der Mündungen der Ströme Bomeos nähert, die aus den noch von keinem menschlidben 
Fusse betretenen Theilen der Insel sich ins Meer ergiessen, oder wer mit Humboldt die Urmoräste 
am Qrinooo besucht» oder mit Sarsfield sich in die Sümpfe am obem Missisippi hineinwagt» dex 
allein wird sich eine richtige Vorstellung davon machen können, wie es in der meilengrossen 
Troischen Ebene, bevor die Gultur in dieselbe eingedrungen, einstmals ausgesehen hat. Denn wie 
noch heute jene Strommündungen Bomeos nicht etwa von einzelnen Ungethümen, sondern von 
Tausenden von Kaimans und Alligatoren wimmeln, welche es sogar grösseren Fahrzeugen wegen 
der Gefahr von ihnen umgestürzt zu werden, unmöglich machen, in die Mündungen selbst tiefer 
einzudringen, oder wie dem Aehnliches an den anderen gelaunten Punkten noch jetzt zu beob- 
achten ist» so muss die Frage, ob es in einer Urzeit» bevor der Xanthus durch Niederschläge die 
Bucht auagefuUt hatte, und als diese noch einen tiefen Seemorast bildete, in der Troisdien 
Sumpfoiederung eben so gewesen, unbedingt bejahet werden. Vollkommen bestätigt wird diess 
durch die alte Sagenwelt; wenn nämlich der Nilcrocodil zwar in Unteraegypten vor der Civilisation 
hßt gänzlich verschwunden ist, dagegen in Oberaegypten und namentlich im weissen Nil, an 
dessen Ufern nur wilde Negerstämme hausen, "noch in grosser Menge angetroffen wird (vei^l. die 
Beobachtungen von John Petherick im Ausl. 1870, Nr. 3, p. 1 sqq.), und wenn hieraus im Alter« 
ihum der Mythus von der Andromeda, welche dem Meer -Ungeheuer des Neptun zum Prasse 
ausgesetzt wird, sich einzig und allein hat entwickeln können, so gestattet gewiss die Ueberein- 
stimmung der Andromeda-Sage mit der von der Hesione den Schluss auf eine gleiche Ursache» 
nämlich auf das einstige Vorhandensein jenes Geiers auch in der Troischen Sumpfebene. Der 
Einwurf aber, dass an letzterem Orte sich selbst im Alterthnm keine Spur davon mehr vorfinde» 
kann mit Recht nicht erhoben werden» weil die kleinen Verhältnisse der Troischen Ebene sofort 
mit der E^ntsumpfung ein Versdiwinden des Gethiers mit sich bringen mussten, während der 
ungeheure Nil in seinen Quellen -Verhältnissen sich bis zum heutigen Tage nicht allein der Civili- 
sation, sondern bis vor wenigen Jahren sogar der allgemeinen Kenntniss entzogen hat und demnach 
die Erscheinungen des Alterthums auch heute noch zu Tage tretw lässt 

Aus dem Gesagten nim ergiebt sich, dass die Sage von der Hesione mit niditen eine der 
inn^m Wahrheit ermangelnde Fiction eines Einzelnen ist^ sondern dass sie aus ganz bestimmten 
Thatsachen, die im Bewusstsein des Volkes fortlebend sich in .die Mythenibrm gehüllt haben, her- 
vorgegangen ist; dasselbe gilt von unzählig^i Sagen der Griechischen V(»zeit» die, weil man ihren 
Hern nicht mehr kennt oder ihn nicht mehr herausschälen kann, ins Reich der PhaJitasie-Gefailda 
geworfen werden. Kehren wir zurück, zur Sage von „der Ueberschwemmung und dem Meer- 
ungeheuer'', wodurch der Urzustand der Troischen Ebene voUkonmien riehtig gezeichnet wird» 
e» stand hJemit sofort der Glaube des ganzen Alterthums in Verbindunj^ dass beides» Ueberflnthung 
und Ungeheuer, an Poseidon seinen Urheber habe; denn ihn anerkennen ak ihren Herrn 



aHein die Meeresvogen, sondern auch alle in ihnen lebenden Geschöpfe und freuen sich seiner; cf. 
IHad. Xm, 28. Kein Wunder also, dass, wenn eben diese Wesen dem Menschen zum Verderben 
und zur Vernichtung gereichen, sie ihrem Herrn und Gebieter gehorchend lediglich dessen Willen ' 
ausführen, der durch sie dem ^enscheti für begangenen Frevel Tod und Verderben sendet. In 
unserem Falle also war es Laomedon,, der des Poseidon Zorn durch sein Vergehen auf sich geladen; 
welcher Frevel desselben aber lag näher, als dass er für den seiner Stadt gewordenen Schutz, d. h. 
für die vom Poseidon um die Stadt gezogenen Wasser-Mauern sich gegen den Gott undankbar 
erwiesen? Hier wird man nun mit Recht nicht sagen können, dass die Sage einen Sprung machte, 
indem sie das schon unter Dus Vorhandene (to hlog^ d. i. die schützende Umsumpfung der Stadt) 
als erst unter Laomedon geworden darstellt; denn wenn dieser, wie sich aus der Sage von ihm 
unzweifelhaft ergiebt, der Entwässerer der Ebene war, so konnte sein Bestreben nur gegen das 
Wexk des Poseidon, welches für ihn nicht minder wie für Ilos geschafiPen war, gerichtet sein 
und musste nothwendiger Weise den Zorn des Gottes, der statt des Dankes und des Lohnes nur die 
Zerstörung seiner Schöpfung wahrnahm, erregen. Daher schickte der Gott vom Meere her das 
bekannte nf^Tog, welches als CoUectivbegrifF des in der Strommündimg hausenden Gethiers zu 
fassen ist, um in der Ebene Menschen und Thiere hinwegzuraffen und zu vertilgen, und 
zwang hiedurch den undankbaren und treulosen La'ömedon, ihn um jeden Preis zu versöhnen. 
Zu diesem Ende griff dieser, gleich wie selbst dem Thier sein Junges das Xaebste ist, zu dem 
Theuersten, was er besass, und brachte nach dem Versöhnungsglauben der alten Welt (man 
vergl. nur Theseus und den Tribut der Athenäer nach Greta) seine eigene Tochter Hesione dem 
Ootte zum Opfer dar imd liess die Arme an felsiger Anhöhe, dem Ungeheuer unentrinnbar, an- 
sdimieden. Da, in dem Moment der schrecklichen Entscheidung, fuhrt die Sage jene Heldengestalt 
herbei, deren Aufgabe es eben war, die Menschen von den Ungeheuern und Ungethiimen der 
Urwelt zu befmen und der Cultur den Weg zu bahnen; der Bezwinger des Nemeischen Löwen 
und der Vemichter der Hydra im Sumpfe zu Lema, Hercules, schifft mit den Argonauten an den 
Troischen Gestaden vorüber und nimmt, seinem ewigen Berufe folgend, nach vorheriger Verab- 
redung mit Laomedon unter bestimmten Bedingungen sofort den Kampf mit dem Meer-Ungethüm 
auf, tödtet es und befreiet also die Jungfrau; cf. Diod. IV, 43. Apollod. H, 5, sqq. Allein wieder- 
um ist Laomedon treulos; er hält seine Zusage nichts dem Hercules die Rosse zu überlassen, welche 
einst sein Vater Hus für den Ganymedes vom Zeus empfangen, und giebt so die Veranlassung zum 
Kampfe des Hercules gegen Ilion; dieser erobert die Stadt, verwüstet und verödet sie und erschlägt 
Laomedon mit seinem ganzen Hause; nur der abwesende Podarkes, später Priamus genannt, entgeht 
dem Blutbad und übernimmt nachher die Herrschaft über Ihon. So die Sage. Es ist unschwer zu 
erkennen, was in ihr auf historischem Boden beruhet und was mythische Ausschmückung ist; zu 
jenem gehören, wie aus der natürlichen Beschaffenheit der Ebene noch heute erkennbar ist, die 
Ueberschwemmungen und der meilengrosse Sumpf, das in diesem hausende Gewünn, die nach altem 
Glauben dadurch nöthigen Menschenopfer und endlich die Trockenlegung der Ebene durch 
Abgrabung und die dadurch bewirkte Vertilgung des bösen Gethiers; zu diesem der Zorn des 
Pofiddon, nur erklärbar durch einen Frevel des Laomedon, und die Beseitigung des Unheik 
durch Hercules, den das Griechische Alterthum überall nennt, wo ein Vemichtungskampf gegen die 
dem Menschen schädlichen Wesen und Geschöpfe geboten war. Auf Wahrheit endlich scheint auch, 
richtig verstanden, der Rachekrieg des Helden und die Eroberung der Stadt, so wie die Vernichtimg 
des Laomedon und seines Hauses zu beruhen. Denn unter ihm ist die Ebene entwässert und 
zogkich zur Abwehr bei feindlichen Invasionen eingerichtet virorden, um sofort vrieder unter Wasser 
gcietst zu werden; gleiehviel nun, ob er die wegen der Miasmen höchst gefährliche Arbeit durch 
Sdavtn oder Kriegsgefangene öder, was der Sage wegen das Wahrscheinlichste ist^ durch gedungen<^ 




Hände beschaffen liess, jedenfalls hat er die Zusage des bedungenen Lohnes nicht gehalten und 
hat dadurch nebst den Seinen in einem Aufstand der Massen den Untergang gefunden, zugleich aber 
der Sage auch den Weg gewiesen, wegen dieses Treubruchs ihn ebenfalls der Treulosigkeit gegen 
Poseidon zu zeihen und also sein Andenken für alle Zeiten zu verunglimpfen. Die Ausschmückung 
der Sage aber durch Heranziehung des Hercules und der Hesione spiegelt sich noch jetzt wieder in 
der Erzählung der heutigen Türkischen Landleute: ein Riese habe den lOOFuss tiefen Graben 
nach dem Aegäischen Meere zu (siehe oben p. 10) gegraben, um eine Köijiigstochter zu 
gewinnen. Cf. Ulr. p. 607. 

Dem Laomedon folgt in der Herrschaft über Troia sein Sohn Priamus, und mit ihm 
öffnet sich uns eine ganz neue Welt; denn Alles, was unter ihm in die Erscheinung tritt, ist gross, 
ist gewaltig und erliaben. Vor unsern Augen hegt auf einem sanft aus der Ebene emporsteigenden 
Hügel die stolze Stadt mit ihren hoch gethürmten Mauern, breit genug, um den Herrscher mit 
seinem ganzen Gefolge aufzunehmen, und ausreichend stark, um ihm die vollste Sicherheit zu gewähren, 
die in dem Blachfeld kämpfenden Heere sorglos zu überschauen. Breite Gassen durchziehen die 
Stadt und eine Hauptstrasse senkt sich hinab zum Skäischen Thore, durch welches die Troischen 
Streitwagen zugleich mit dem Fussvolk sich auf dem allmäUg abfallenden Wege in die Ebene hinab 
bewegen. Gewaltige Häusermassen breiten sich im Innern der Mauern aus; denn sie bergen nicht 
allein die Bewohner der Stadt, sondern auch die zahlreich von nah und fern herbeigezogenen 
Bundesgenossen. Inmitten des Häusermeeres aber hebt sich der stolze Königsbau empor, gross 
genug, um den zahlreichen Kindern und Schwiegerkindem des Herrschers ein königliches Obdach zu 
gewähren. EndUch hoch über der Stadt thürmt sich die Burg empor, welche den Tempel der 
Athene trägt. Und über diess Alles gebietet der herrliche Greis Priamus, inmitten der ihn 
umtobenden wilden Kämpfe ein Bild der vollkommensten Ruhe. Wer aber sieht nicht, das6 wir 
in dieser Schilderung weder eine heUenische Königsstadt, noch den Träger einer hellenischen 
Königskrone vor uns haben? im Gegentheil dass, was irgend aus der Ferne des Orients über die 
dortigen mächtigen Königssitze, als etwa über das bis vor Kurzem noch ins Reich der Fabel 
verwiesene und erst kürzhch wieder in seiner vollen Grösse erstandene Ninive bis zur Westküste 
Kleinasiens durch Sage und Erzählung sich fortgepflanzt hatte, mit Begeisterung aufgenommen und 
auf das nur in der Sage lebendige lUon und auf dessen Beherrscher von der lebhaften Phantasie 
des Sängers der Iliade übertragen worden ist? Granz dasselbe gilt von dem Lager der Griechen, 
in welchem uns das volle hellenische Leben entgegentritt. Die staffelformige Aufteilung der 
1000 Schiffe, so wie das Local, wo sie standen, entschwindet vollständig unseren Blicken; wir sehen 
gleichsam nur eine mit Wall und Graben geschirmte grosse Stadt, durchschnitten von so vielen 
Wegen und Gassen, dass selbst dem Kundigen Irrgänge möglich sind. In ihr lebt und webt ein 
ganzes Volk, welches aus ihrem Innern zu Tausenden herausströmt^ sei es, dass es gilt, die 
gewaltigen Schlachten in dem Blachfelde zu schlagen, oder dass für allgemeine Berathungen, ganz 
nach hellenischer Sitte, Versammlungen stattfinden sollen, in denen die Fürsten die innere Corona 
bilden und der Oberkönig den Vorsitz führt. Und vor dem Walle und Graben dehnt sich bis in 
die weiteste Feme die Ebene aus, gross genug, um selbst die Rennwagen den BUcken der Zuschauer 
zu entziehen. Alle diese Schilderungen haben gewiss in der Sage selbst ihre erste Veranlassung 
gefunden, allein so wie der Dichter sie uns giebt, haben sie in ihr nicht gelautet; sie haben erst 
gleichsam Fleisch und Blut durch die Phantasie des Sängers empfangen. Denn wer sieht nicht, dass 
jener nur das gesagt und gesungen hat, was er entweder aus eigner Erfahrung oder vom Hörensagen 
genau kannte? was er also z. B. wusste von dem Hinausströmen der Spartiaten in die blumigen 
Auen des Eurotas ? oder wa3 der hellenische Nationalstolz schon in uralter Zeit von den Olympischen 
Festspielen durch alle Griechischen Lande getragen und verbreitet hatte? dass er ferner hieraus daß 



SL 

Material entnahm, um die einfachen Andeutungen, welche die Sage ihm bot, falls sie solche bot, 
in acht hellenischem Geiste auszuschmücken und dass er demnach hineingriff in das volle Griechische 
Leben, wie es zu seiner Zeit sich bereits entwickelt hatte, und, ipdem er in überschwengUcher Fülle 
und gleichsam in yerklärter Form seinen Hörern' ganz Bekanntes vorführte, gerade dadurch seinen 
Liedern jenen unbeschreiblichen Beiz verUeh, durch den sie ganz von selbst national geworden sind 
und werden mussten, weil jeder Hörer in ihnen die Anklänge an das Leben und Weben der eigenen 
Heimath wiederfand? Demnach ist mit Zuversicht zu behaupten, dass die in der Iliade geschilderten 
Ereignisse so, wie der Dichter sie darstellt, sich in Wahrheit vor Ilion niemals vollzogen 
haben und dass solches in der That nicht möghch war, weil für Schilderungen von Ereignissen und 
Begebenheiten, welche ihrer Darstellung zufolge über das natürUche Maass hinausgingen, die 
gegebenen Verhältnisse der Ebene völlig unzureichend waren; weder konnte das Meeresufer vom 
Hügel des Achilles an bis zum Karanlik-liman, also an der Scamander-Mündung und an den tiefen 
Lagunen vorüber, das vom Dichter gezeichnete Griechenlager aufnehmen, noch gab es in der Ebene 
irgend eine Höhe, die geräumig genug gewesen wäre, des Priamus stolze Veste in dem Umfang, wie 
der Dichter sie geschildert, zu tragen. Arabeskenartig hat er vielmehr das durch die Sage über- 
lieferte Factum des Troerkriegs mit einem Kranze von Liedern und Schilderungen umschlungen, die 
in den Herzen der Hörer die freudigsten Gefühle erregten, eben weil sie dem hellenischen National- 
bewusstsein entnommen waren. Mit dem wahren Stande des Troerkriegs hatten sie nicht das 
Geringste zu thun. Aus dem Gesagten folgt, dass, wenn wir den Priamus imd seine Stadt des 
homerischen Farbenschmuckes entkleiden, er nur als der Beherrscher einer zwar kleinen,^) aber 
durch ihre natürUche Lage wohlbefestigten Stadt zurückbleibt und dass sich die im Eingange dieses 
§• aufgeworfene Frage dahui erledigen lässt: Baublustige Dardan er gründen sich unter 
Ilus einen Schlupfwinkel in der Troischen Ebene und unterwerfen durch Waffen- 
gewalt die Umlande. Dardania wird von ihnen zerstört und die Bewohner, bereits 
Troer genannt, nach Ilion verpflanzt. In derselben Weise herrscht Laomedon; 
unter ihm wird die Ebene entwässert und die Stadt zu einem gesunden Aufei^thalt 
gemacht. Eine gleiche Herrschaft führt Priamus; allein er beschleunigt durch Aus- 
dehnung seiner Macht selbst über die Meere hin seinen und seiner Stadt Untergang. 



§. 5. 
Hat Homer die Stätte^ wo Ilion lag, gekannt? die Quellen der Iliade. 

Strabo berichtet^ dass Aristoteles, der wie kein Anderer dunkele Verhältnisse des Alterthums 
durchschauete und erkannte, behauptet habe, des Dichters Phantasie habe den bekannten Mauerbau 
(H. Vn, V. 436) ledigUch ersonnen und ihn demgemäss nachher wieder spurlos verschwinden lassen 
(cf. Strab. XHI, p. 1 08). Der Philosoph ist also in seiner Behauptung viel weiter gegangen, als wir 
es gewagt haben, insoweit als wir, schon um den verschiedenen Einynirfen zu begegnen, es zugestehen, 
dass der Dichter gegebene nackte Andeutungen der Sage, wie z.B. die Leichenspiele des Patroclus, 
.oder die Befestigung des Lagers durch Wall imd Graben, zu weiteren Ausfuhrungen benutzt habe. 
Demgemäss fragt es sich, ob er in der Sage nicht ebenfalls einen bestimmten Hinweis auf die Stätte, 



*) Hiemit vgl. Strabo XIII, p, 104: Ifoixe Öl o 7C0i7)Tinc |jLixpav aTC09a{veiv Tiiv tcoXiv £v ti^ ii£p\ ^HpaxX^ouc 
Xoy^j cYictp %g otui^ oui vnuol xa\ a^Spaai icaupoWpoiatv 'Ia(ou £(aXa:caCe tcoXiv Ka\ 9a{veTai o IIp£a|tO( tc^ toiovtv 




wo Ilion einst gelegen, gefunden. Denn war diess der Fall« so muss es als ausgemacht gelten, da» 
er in einem grösseren (xedichte, in welchem es sich Torzugsweise um den Angriff auf die Stadt 
und deren Einnahme und Zerstörung handelte, den Ort, wo selbige lag, nicht mit StiU- 
achweigen übergangen haben kann. Und doch findet sich hievon in der ganzen Iliade nicht die 
leiseste Andeutung, die einen irgend sichern Anhaltspunkt gäbe; Alles was man dafür sowohl im 
Alterthum, als bis in die neueste Zeit herab geltend gemacht hat, ist völlig unsicher und enthält 
nichts weiter, als die luftigsten Hypothesen. Dieselbe Forderung hinsichtlich der Erwähnung der Lage 
Uions muss gestellt werden, wenn man ausgeht von der Voraussetzung, dass, wenn auch nicht die 
Sage, doch wenigstens die in der Ebene sichtbaren Trümmer der zerstörten Stadt dem Dichter ihre einstige 
Stätte gezeigt haben müssen. Auch gegen diese Amiahme fallt dasselbe Schweigen der Iliade 
bedeutsam in die Wagschale. Wie aber, wenn bereits Homer sich in derselben Lage befand, welche nach 
seiner Zeit das ganze Alterthum theilte? Wir wissen mit Bestimmtheit, dass selbst die eingehendste 
Forschung der alten Topographen imd Schriftsteller auch nicht die geringste Spur vou Ueberresten der 
alten Stadt^ durch die ihre Lage bestimmbar geworden wäre, hat entdecken können. Keine Spur 
der alten Stadt, berichtet Strabo, hat sich erhalten; ganz natürlich; denn da die um- 
liegenden Städte zwar verwüstet, aber nicht gänzlich zerstört waren, sie selbst aber von 
Grund aus vernichtet war, so wurden alle Bausteine zur Wiederherstellung jener 
hinweggeführt; cf. XHI, p. 109. Hier sind nur die Worte otdiv 6* ix^og o(o(^eTai Ttjg dgx^^^S 
nolewg von Wichtigkeit; denn die Begründung dieser Thatsache ist von keinem Belang, da, wie wir 
oben gesehen haben, nicht steinerne, sondern durch Ueberflutliung gebildete Mauern die 
Stadt umgeben haben, und da letztere keineswegs der palastgefüllte Königssitz gewesen ist zu dem 
die vergrössemde Sage und die Phantiasie des Dichters sie erhoben hat, sondern ein aus Hütten und 
-schlichten Häusern bestehender Ort. Somit konnten nach der Zerstörung keinerlei Ueberreste selbst 
in grauer Vorzeit mehr vorhanden sein und — auch Homer hat keine Spur davon gekannt. 
Beruhet mm diess Resultat bis dahin nur auf einfacher Schlussfolgerung, so lässt sich der voll- 
ständige Beweis daftir aus dem Dichter selbst führen« Derselbe erzählt uns im Eingänge des 
12. Buchs der Iliade, wie die Achäer wid^ den Willen der unsterblichen Götter das Schiffslager 
mit Mauer und Graben imigeben hätten, wie Beides aber eben deshalb unmittelbar nach Troias 
Zerstönmg von den Göttern spurlos wieder vernichtet worden sei; denn Poseidon und ApoUon hätten 
sofort nach dem Falle der Stadt alle vom Ida herabströmenden Flüsse gegen den Mauerbau gelenkt 
und so mit Hülfe des Zeus das Zerstör ungs werk vollbracht und das weite Gestade des Meeres 
wiederum mit Geröll und Sand überschüttet und eben gemacht. So konnte der Dichter nicht 
singen, wenn er vou dem uralten Mauerbau noch irgend die geringste Spur mit eigenen Augen gesehen 
hätte; im Gegentheil, er sah das Gestade gerade eben so flach und so eben, wie wir es noch heute 
sehen. Die Annahme aber, dass Homer zuerst aus eigner Erfindung dem Lager der Griechen das Gestade 
zwischen Sigeum und Rhoeteum angewiesen habe und also die Veranlassung fiir die späteren Bezeich* 
nungen des vccvoTad'fiog und des liftr;v ^Axaiwv geworden sei, würde der uralten Sage vom Troischen Kriege 
schnurstracks entgegen lauten; ja sie würde diese selbst völlig aufheben und den ganzen Kampf zu 
einem selbsteriundenen romanhaften Phantasiegebilde des Dichtei*s umschaffen und umgestalten. Ist 
diess jedoch unmögUch, so folgt mit Evidenz, dass die Sage dem Dichter die OertUchkeit des 
Schiffslagers ganz allgemein am Meere angewiesen, und dass er zu seiner Zeit die obigen Bezeich'*- 
nungen in ihr selbst ebenso vorgefunden hat wie wir sie noch heute aus den J^ugnissen des Alter- 
thums nachzuweisen im Stande sind. 

Genau derselbe Beweis, wie in Betreff des Schiffslagers und des Mauerbaues, lässt sidi 
auch in Betreff der Stadt aus dem Dichter selbst mit Sich^heit entnehmen, dass er nämlich keine Spur 
von den alten Ueberresten derselben mit eigenen Augen wahrgenommen hat« Anknüpfend an den 




Mauerbau lässt er Itiad. VII, 448 den Poseidon sich Zieus gegenüber also beklagen: Siehst dtk 
nicht, dass die Achäer zum Schutze der Schiffe eine Mauer gebauet, diese mit 
einem Graben umzogen, den Göttern aber vorher die pflichtsehnldigen H^catomben 
nicht dargebracht haben? Dieses Werkes Ruhm wird dauern, so weit der Eos 
Licht sich verbreitet; die Mauer aber, die ich und Apollon meist mühevoll dem 
Laomedon erbauet, werden sie Tergessen. Worauf der Vater ihn tröstet mit der Zasage, 
dass auch diess neue Werk sofort mit Uions Falle spurlos von der Erde verschwinden solle. Wir 
fragen : wie konnte der Dichter den Gott also sprechen lassen, dass nämlich die 'Menschen die von 
ihm erbauete Mauer vergessen würden, wenn diese zur Zeit des Dichters in ihren Ueberresten 
vnrklich noch vorhanden war, also von einem Vergessen derselben nicht im Entferntesten die 
Bede sein konnte? Man sieht - deutlich, dass, der Dichter dem Gotte zur 2ieit des Krieges etwas 
in den Mund legt, was nach dem Kriege wirklich eintreten werde {imlfjaovTai^ und was demnach 
zur Zeit des Dichters wirklich eingetreten sein muss, weil sonst der Ausspruch des Poseidon ein 
völlig sinnloser sein würde. 

Diess aus dem Dichter selbst gewonnene Resultat ist für die homerische Forschlmg von 
weittragender Bedeutung. Denn erstlich wird dadurch die vulgäre, seit Strabo's Zeiten bis zum 
heutigen Tage geltende Ansicht, der zufolge man den Homer in der Hand alle von ihm angegebenen 
Punkte noch heute in der Ebene wiederfinden müsse, und, wo diess nicht möglich, zu der 
Annahme berechtigt sei, dass die Oberfläche unserer Erde seit Jahrtausenden die merklichsten 
Veränderungen erlitten habe, als eine vollständig irrige bewiesen; Homer hat eine Zeit geschildert, 
in der die Götter noch leibhaftig unter den Menschen wandelten, und diesen Zeitverhältnissen 
conform sind seine Raumbestimmungen; all^ seine Localangaben schweben in dex Luft und trotz 
der dem Dichter nachgerühmten Genauigkeit seiner Ortsangaben behaupten wir vielmehr, dass sich 
bei ihm auch nicht eine einzige Angabe findet, die jeden Zweifel ausschliesst. Jene vulgäre 
Ansicht ist im Grunde ebenso widersinnig, als die es sein würde, wenn jemand nach den Angaben 
des Titurelgedichtes die Reste des Graltempels auf dem Berge Montsalvage heute aufsuchen und, ' 
wenn er sie nicht' findet, daran die abenteuerlichsten Behauptungen knüpfen wollte. 

Zweitens wenn Homer das Gestade des Hellespont wiederum glatt und eben, 
also keine Spur von dem einstigen Schiffslager nebst dessen Graben und Mauerbau sah, so muss 
er Alles ebenso, wie wir noch heutigen Tages es erblicken, gesehen haben, somit auch jene 
künstlichen Hügel, welche die Sage als die Gräber des Achilles, Ajax und Hector bezeichnete; 
von diesen hatten die beiden ersten im Kampfe gegen das zur Vernichtung bestimmte Ilion so 
oder so den Tod gefunden, dieser in der Vertheidigung des Vaterlandes, während die übrigen 
Helden, dicAtrideii, Odysseus, Diomedes u. A., nach vollbrachtem Werke in die Heimath zurück- 
gekelu*t waren. Ueberblicken wir nun die Ereignisse, die uns die Iliade vorführt, ganz im 
Allgemeinen, so können wir uns der Einsicht nicht verschliessen , dass Bion selbst und dessen 
greiser Beherrscher Priamus in dem gewaltigen Kampfe eine sehr untergeordnete Rolle spielen und in 
völhger Passivität verharren. Alles drehet sich um Angriff und Abwehr, um Achilles und Hector, 
wesshalb der Schluss als durchaus berechtigt erscheint^ dass eben nicht die an die Zerstörung der Stadt; 
sondern die an jene Todtenhügel sich knüpfenden Sagen dem Dichter den Stoff zu seinem Werke 
geUefert haben. Indessen auch diesen Sagenstoff hat der Dichter keineswegs erschöpfend benutzt; 
die an die Heldengräber sich anlehnende Sage muss durchaus vom Tode der Helden geredet haben, 
und gerade davon schweigt der Dichter der Iliade; er weiss nichts vom Tode des AchiUes, nichts 
von dem des Antilochos noch des Ajax, von denen uns nur der Diditer der Odyssee kurze An* 
d«utangen giebt. Dahingegen, nachdem der Angreifer Achilles sich selbst zur Unthätigkeit 
verurtheili hat und vom Schauplatz gänzlich abgetreten ist, bildet Hector, der Hort und Halter 

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— m - - 

BioB^ den eigentlichen Mitidpunkt des ganasen Gedichtes; um ihn drehen sieh fast alle Kän^fe und 
höebstens nur Aeneas kann neben ihm genannt werden; Hectors Tapferkeit teingt die Griechen in 
die äofiserste Noth und Ge&hr, bis endlich Achilles, im Zorn über den Tod des Patroclus, sich 
aufrafft und den Helden unter den Mauern der ron ihm geschirmten Stadt erschlägt; ,hiemit endet 
das Epos. Diess und nichts Anderes ist der Kern der lUade, der nur durch die grossartige Fülle 
der Handlung, mit welcher der Dichter es yerstanden hat, das ein£Aohe Factum der Tödtung 
Hectors zu umgeben, mehr und mehr verhüllt wird. Denn wer irgend tiefer in den Gang der 
Begdbenheiten vom ersten Buche an eingedrungen ist und sich nicht durch Voreingenommenheit 
den Blick hat trüben und durch die minutiöse Behandlung unwesentlicher Nebendinge hat yer- 
dunkeln lassen, der wird zugeben, dass, hätte Homer die beiden Helden sofort auf einander 
losstürmen lassen, es eine Diade gar nicht hätte geben können; der wilde Achilles, der Göttin 
urkräftiger Sohn, würde im ersten Anlauf den minderstarken Gegner, gerade wie der Ausgang des Epos 
es erzählt, erschlagen haben und der Anfang des Gedichtes würde auch dessen Ende gewesen sein. 
Darum musste der eine Gegner vorerst den Schauplatz zeitweilig verlassen, um dem andern Raum 
eu geben, sich in stiner ganzen Hoheit und Grösse zu entfalten, und erst als diess geschehen und 
mit dem Tode des Patroclus gleichsam zum Abschluss gelangt war, ereilt den Sieger sein Yer- 
häagniss; er fällt unter den Händen des ergrimmten Gegners, und mit seinem Falle ist Troias 
Schicksal entschieden. 

Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass die an den bisher von der Forschung ganz unbeachtet 
gelassenen Todtenhügel des Hector sich anlehnende Sage dem Dichter vorzugsweise den Stoff 
zu seinem Epos geliefert, und dass die übrigen Grabdenkmäler, so wie die durch den Volksmund 
^haltiBnen Oertlichkeiten am Meeresstrande (das Schiffslager und der Hafen der Achäer) ihm 
nur die Staffage zu seinem grossen Trauergemälde geboten haben. Denn die Erzählungen von dem 
Hingang des Achilles, des Ajax, des Antilochos, wie wir sie bei den Alten lesen, »nd mit nichten 
blosse Erfindungen nachhomerischer Sänger; auch sie haben seit der Zeit des Troischen Krieges durch 
den Volksmund mit jenen Localresten in Verbindung gestanden und Homer wird sie. gekannt 
haben; allein da der Tod jener Helden erst nach Hectors Falle eintrat, so mochte der Dichter 
von ihnen selbst wohl keinen weitem Grebrauch machen und entnahm daher aus ihnen für die Haupt- 
handlung nur so viel, als ihm zweckdienlich oder nothwendig erschien. 

Mit diesem Satze treten wir in die genauere Beurtheilung des Dichters und seines Werkes 
selbst ein, müssen aber nochmals auf den aUgemein verbreiteten Irrthum hinweisen, als rausche einzig 
und allein im Homer der volle Strom der alten Volkssage, dergestalt dass sie ausser ihm nur 
etwa noch in spärlichen Kinnsalen dahinfliesse, so dass Alles, was die cyclischen Dichter gesungen, 
nur als Ei^änzung homerischen Andeutungen, vermischt mit eignen Erfindungen, anzusehen sei. 
Wir behaupten dagegen, dass die Troische Ebene eine Fülle von Sagen gehegt und gepflegt hat, 
und dass, wenn die nachhomerischen Schöpfungen, nach .den uns erhaltenen Spuren zu urtheilen, 
allerdings nur als armselige Machwerke zu bezeichnen sind, diess eben nicht Schuld der Sagen, 
sondern der ordnenden Dichter selbst ist. Femer muss es als etwas völlig Unrichtiges bezeichnet 
werden, wenn unsere Literarhistoriker nach Herders Vorgänge lediglich auf Homer hin behaupten, 
dass die alte Volkssage vom Troischen Kriege in ihrer ganzen Fülle und selbst in dem Gange 
der Begebenheiten gerade so gelautet habe, wie wir sie im Homer finden, und dass somit der 
Dichter nur der Formgeber gewesen sei, der den Stoff nicht anders, als wie er im Volksmunde 
gelautet, in Versen wiedergegeben habe. Auf diese Weise ist man freilich zu einem Volks epos 
^kommen und hat die umlteste Art, die Geschichte zu überliefern, aufgefunden; allein der 
Dichter selbst ist dadurch zu einem armseligen Versmacher geworden, unwerüi, dass sein Name der * 
Ifachwelt überUefiert wurde. Wir dagegen, statt uns in^ das lediglieh aus Unkenntniss der hamerischen 




Dichtimg und ihres Wesens hervorgegangenen Volksepos» im Qegensats zum Kunstepos, hin^iri- 
zuUügeln, sind viehnehr vollkommen äberzengi, dass in der Diade ein Kunstwerk von solcher VoUendunjg 
vorliegt^ dass es bis zum heutigen Tage von keinem andern erreicht, geschweige denn übertroffen wird. 
Die Sagen also, welche an den Grabdenkmälern der Ebene hafteten und dem Dichter den Stdff 
zu seinem Werice lieferten, sind als die Urquellen der Iliade zu betrachtet; sie kennen nidit 
aus der schaffenden Phantasie irgend eines genialen Kopfes entsprungen sein, sondern es muss ihnen 
ein ganz bestimmtes historisches Factum zu Grunde liegen. Von solchem ausgehend sind sie, 
wie unzähHge andere im Hellenenvolk, zunächst nur Localsagen gewesen, welche kurz, schlicht und 
einfach sieh in marchenähnUcher Form und Treue von Mund zu Mund, von Geschlecht zu Gesdileoht 
fortpflanzten, gerade wie noch heute die Sage von der Bella Tarpeia im Römischen Volksmunde 
fortlebt Sicherhch wird der am Hectorhügel stehende wissbegierige Wanderer auf seine Frage 
nach der Bedeutung des Hügels immer nur cUeselbe Antwort erhalten haben: Hier ruhet Hector, 
des Priamus, Beherrschers von Troia, Sohn, der schönen Andromach^ Gemahl und 
des Astyanax Vater; er fiel im Zweikampfe mit dem gewaltigen Achilles, der 
Göttin Thetis und des Polens Sohn, dem Helden der Achäer, als diese mit grosser 
Heeresmacht über das Meer gekommen. waren, den Frevel des Paris, welchen dieser 
durch die Entführung der Helena, des Menelaus, Königs von Sparta Weib, begangen 
und dadurch Schimpf und Schmach über ganz Hellas gebracht hatte, zu rächen und 
Ilion, des Priamus Veste, zu zerstören. Nach Hectors Tode fiel die vonihm,beschützte 
Stadt; sie wurde durch Feuer zerstört und keine Spur von ihr hat sich erhalten. 
Aber wird man fragen, wie ist es möglich gewesen, dass die von einem Factum in der Ebene an»- 
gehenden und darum auf einen so kleinen Raum beschränkten Sagen eine so grosse Verbreitung 
und Ausdehnung nicht allein über ganz Hellas, sondern sogar über den fernen Westen hin haben 
erlangen können, dergestalt dass sie ein Gemeingut des ganzen Hellenischen Volkes, ein nationales 
Eigenthtmi geworden sind? Nun, wenn lUon imd dessen Zerstörung eben keine F&bel ist, wie 
freilich neuere Forscher, trotzdem dass sie die historische Existenz der Atriden zugeben, mit grosser 
Entschiedenheit behaupten, so beruhet auch der Zug der Griechen gegen Troia auf histori^hem Boden, 
ein Ereigniss, an dessen Wahrheit kein Grieche je gezweifelt hat, und welches in Abrede zu nehmen 
aus eben diesem Grunde, so lange die Fabel nicht bewiesen ist, keineswegs gestattet ist. Hieraus 
ergiebt sich, dass die Erinnerung an jenen Zug von jedem Griechischen Stamme, der dabei 
betheiligt gewesen, in seine Heimath gerade so, wie er uns überliefert wird, zurückgebracht worden 
ist und allhier sich dauernd lebendig erhalten hat, weil die Nachkommen in den Heldenthaten ihrer 
Väter und in dem Glänze, der jene umstrahlte, genügende Veranlassung fanden, sich selbst noch 
einigen Antheil an jenem Buhme zuzuschreiben. Indessen wer da wmss, mit welchem Staunen oder 
vielmehr Befremden die Thucydideische Zeit zu jenem gemeinsamen Zuge sämmtlicher 
Hellenen hinaufblickt, und wer damit die nach demselben noch vorhandene völlige Zerrissenheit und 
Feindschaft der einzelnen Stämme in Verbindung bringt , welche erst nach jahrhundertelangen 
Wanderungen und Kämpfen in feste staatUche Verhältnisse übergingen, der muss zugeben, dass sdbst 
jene Erinnerungen nur localer Natur gewesen sein können, und dass sich aus ihnen ein allgemeines 
Nationaleigenthum, wenigstens vor Homer, mit Bewusstsein nicht entwickelt haben kann; dazu 
bedurfte es eines ganz andern Anstosses, der jedoch nicht in den uralten Wanderungen und den 
allmäligen Bekanntwerden der Stämme mit einander geftmden werden kann, vrnl durch die 
Wanderungen ein völlig feindseliges und getrenntes V^hältniss der Stämme nicht au%ehoben wurde. 
Hieraus leuchtet ein, dass, wenn auch an sehr vielen Orten Griechenlands von Dion und dessen 
Zerstörung erzählt worden ist, darum die Si^ nodi keineswegs als das volle, reiche, tief* 
empfundene Leben der Griechen selbst gelten dar^ lediglich weil bis za dem An&ng der 

5* 




.Olympiadeiv usd bis - zu den grosaea Nationalspielen - herab, also bis auf die Zeit«' in welcher der 
SSa^eac der Sias muihmassUoh sein unver^^leichlicfaes Werk äb&sste^ unter den Stämmen nicht 
eifornal eine gegenseitige Kunde von dem Vorhandensein der Troischen Sage sich Torfiind; und 
selbst wenn diess der FaU war, so wkd zwar z. B. der alte ArgiTer die Thateu des Diomedes mit 
Stolz erzählt, aber bei seinem uralten Spartanerhass den Ruhm des Menelaus nicht anerkannt 
geschweige denn mit nationalem Hochgefühl gesungen haben. Worin also ist jener Anstoss zu 
suchen? Wir müssen auch hier zu den Urquellen, die wir für die homensöhe Dichtung nach* 
gewiesen haben, zurückkehren und sagen, dass, wie an den Troischen Todtenhügeln alte aus der 
Urzeit herabtönende Sagen hafteten, so auch der als vavata&fiog und als Ae/iry ^jix^^^ erwähnte 
Ort keineswegs eine leere, inhaltlose Bezeichnung gewesen sein kann, sondern dass auch er gleich* 
sam mit dem Fleisch und Blut der Sage umkleidet und somit die Fundgrube gewesen sein muss, 
aus welcher der Dichter seine Kenntniss yon'den Völkern schöpfte, die hier zusammengekommen 
waren von Theseus. Stadt, von Aulis Strand, von Fhocis, vom Spartanerland. Anstatt 
also dem Dichter das mühseUge Geschäft anmuthen zu sein, dass er die durch die einzelnen Stämme 
zerstreuten Erinnerungen an den Zug gegen Ihon gleichsam notizenartig erst habe zusammensuchen 
müssen, behaupten wir vielmehr, dass in der Sage vom Schiffislager nicht bloss ganz allgemein von 
der tausendschiffigen Flotte und dem zahllosen Griechenheere die Rede war, sondern dass ganz 
speciell die Fürsten mit ihren Völkern, imd zwar vorzugsweise die ersteren, da die nXtj&ig genau 
^enonunen in der ganzen Ilias nirgends berücksichtigt wird, genannt worden sind, also Achilles, die 
beiden Atriden, Odysseus, Diomedes, die beiden Ajax und A. Erst mit dieser Annahme gewinnen 
wir eine richtige Einsicht nicht allein in das Wesen der Ilias selbst, sondern ganz besonders in die 
Verhältnisse, in denen das Epos, der Dichter und der ganze Troische Krieg zu dem gesammten 
Griechenland späterhin stand, und uralte Räthsel lösen sich auf zu einem lebensfrischen Bilde. Die 
Localsagen der Troischen Ebene — wir nennen sie die Quellen der Ilias — standen allerdings alle 
mit einander in einem stofflichen Zusammenhang; allein das Verdienst, aus ihnen mit kunstfertiger 
Himd und mit tiefer poetischer Einsicht, die den wahren Dichtergenius beurkundet, ein grosses im 
engsten inneren Zusammenhang stehendes poetisches Gremälde geschaffen zu haben, welches man auf 
Grund geringfügiger Eldnigkeiten in Stücke und Fetzen zu zerreissen umsonst bemüht geiyesen ist, 
gebührt dem Dichter, welchen die gesammte Griechenwelt gläubig Homer nannte. Den Kern des 
Epos bildete, wie schon gesagt, der Tod des Hector und die dadurch ermöglichte Zerstörung 
nions; seinen Fall bewirkte der Koryphäe des Griechenheeres Achilles, aber erst^ nachdem er selbst 
den übrigen Helden (durch die ^fjvis) Gelegenheit gegeben, grosse und gewaltige Thaten zu ver- 
richten, bedeutend genug, um selbst dem grösseren Helden gegenüber gross dazustehen. Auch dieser 
Thaten muss die Sage des Naustathmos Erwähnung gethan haben, wenn auch nur im Ganzen und 
Gro'^sen, da die detaiUii'ende Ausiiihrung lediglich das Werk des Dichters ist« Allein gerade diese 
Thaten waren es, welche nach der Dichtung der Ilias, als die fahrenden Sänger die Thaten der 
Vorzeit auf den Inseln und auf dem Festlande, besonders bei den sich entwickelnden grossen 
Nationalspielen sangen und verkündeten, wie ein zimdender Strahl in die Gemüther der horchenden 
Massen einschlugen, und in jedem Hörer, mochte er Athenäer oder Thessaler, Argiver oder Spartiate 
sein, die alten Klänge der eignen Heimath erklingen liessen und die Erinnerungen an die Helden-* 
Uialen: der eignen Vorfiahren zu • neuem Leben erweckten. So erst wurde Homer und sein Werk 
der Erwecker, ja gleichsam der Schöp&r eines allgemeinen Nationalgefiihls, welches in dem gemein- 
eamen Zuge gegen Trota zusammeniloss und gleichsam gipfelte; hier erkannten sich selbst die 
üeindseligsteU' Stimme aJs Glieder einer grossen Nation und Homer wurde der Herold eines 
allgemeinen. Alles durchdringenden und neubelebenden Na^tionalbewusstseins; die Ilias wurde fortan 
von einer fast religiösen Verehrung getragen, sie wurde ein heiliges Buch. So erklärt es sich 




ganz von selbstn, dass an vielen Orten, wo die Erinnerungen an die Thaten der Vorzeit sich leben«' 
diger als anderswo erhalten hatten, auch der Glaube entstand, Homer könne die damit in Einklang 
stehenden Sagen der Uias nur von ihnen entnonmien liabeu nnd müsse selbst in ihrer Mitte Einer 
der Ihrigen gewesen sein; und also geschah es, dass zuletzt 7 Orte sich um die Ehre stritten, Vaterland des 
'Dichters zu sein. Am klarsten tritt dies in Athen hervor, wo, wie wir jetzt wissen, schon zu Solons 
Zeiten sich ein sogenanntes Fest-Exemplar der homerischen Gedichte befand, welches für die 
naehherigen Bemühungen der Pisistratiden um den Dichter die Grundlage bildete; und ähnlich 
dürfte es sich an anderen Orten, wo die Verehrung des Homer besondei's blühte, verhalten haben. 

Durch dieses Alles, besonders aber durch die von Thucydides bezeugte Zenissenheit des 
alten Griechenlands, in Folge deren von einem schon damals vorhandenen Nationalgefuhl noch 
keine Rede sein kann, muss der Satz als bewiesen erachtet werden, dass letzteres erst um den 
Anfang der Olympiaden durch den Hinweis der homerischen Gesänge auf eine grosse gemeinsame 
That der Vorzeit erweckt worden ist, dass diese Erweckung aber nur möglich war und von so allgemeinen 
und nachhaltigen Folgen begleitet sein konnte, weil die Keime dazu in den alten Erinnerungen der 
Stämme selbst bereits vorhanden waren; denn kein Volk lässt sich etwas über seine Altvordern bloss 
von aussenher einreden, sondern setzt solchen Bestrebungen beharrlichen Unglauben entgegen. 
Demnach müssen diese Traditionen in den Stämmen selbst existirt haben und ihr Zusammentreffen 
mit der im Homer niedergelegten Naustathmos-Sage giebt den Beweis, dass der gemeinsame Zug 
der Griechen gegen Troia, zu welchem zweifelsohne der Nothstand Freund und Feind 
vereinigt hatte, ferner die Zerstörung der Stadt selbst und endlich die Zerstreuung 
der aus dem Brande Entronnenen eine vollgültige historische Thatsache ist. 

Um diess Resultat noch mehr zu erhärten, würde es angemessen und sogar nothwendig 
sein, alle Spuren, die bei den einzelnen Grieschisqhen und selbst bei den Italischen Stämmen auf 
die Zerstörung Rions zurückfiihren, aufzusuchen und gewissenhaft zu prüfen; denn alle sind ihrem 
innersten Wesen nach völlig verschieden von allen jenen Sagen, die mehr oder weniger in der 
blossen Namensdeutung ihren Ursprung haben, wie z. B. wenn der aus dem Oriente vom Götterberge 
Meru ausgehende Dionysos den Griechen den Anlass gab, den kleinen Dionysos aus der Hüfte des 
Zeus (ßt^Qog) geboren werden zu lassen. Mit derartigen Gebilden haben die Ueberlieferungen vom 
Troianischen Kriege und von den Folgen, durch welche Sieger und Besiegte gleichmässig betroffen 
wurden, nicht das Geringste zu thun. Doch würde diess den Zweck dieser Blätter völlig 
überschreiten. Hier galt es nur, um auf den Eingang zu der vorstehenden Untersuchung zurück- 
zukommen, das Verhältniss festzustellen, in welchem der homerische immerhin historische, aber vo» 
der Poesie gleichsam verklärte Priamus zu dem vom poetischen Gewände gänzlich entkleideten 
Priamus, des Laomedon Sohn und Nachfolger sich verhält. Denn wie treu auch der Dichter äert 
Troischen Localsagen gefolgt sein mag, so bilden diese doch nur gleichsam das Gerippe der Rias, 
welches der Dichter mit voller Selbstständigkeit und dem ganzen Zauber der Poesie behandelt hat, 
so dass, da er, getragen von den Flügeln der Phantasie, Ilion nebst Allem, was ausser ihm und 
in ihm vorgeht, in jene graue Urzeit versetzt, wo Grötter und Menschen noch im lebendigsten 
Verkehr mit einander standen, die Rias als Ganzes eben so wenig fiir die Beui-theilung des 
historischen Priamus, wie bewiesencrmassen für die räumlichen Verhältnisse der Ebene grundleglidr 
gemacht werden kann. Dem Dichter ist es sicherlich nicht eingefallen, sich bei der Schilderung 
der Ereignisse um Tag und Stunde, oder bei der Angabe örtlicher Verhältnisse um Bestim* 
mungen mit der Messtange irgend wie zu bekümmern. 




§.6. 

Priamiis and sein Sehieksal. 

• 
Als Laomedon Hiit seinem ganzen Hause durch Heracles den Untergang gefunden, folgt i 

«ein Sohn Priamus» welcher allein dem Blutbade, weil zur Zeit desselben vom Hause abwesend, 
wie die Sage berichtet, entgangen war. Wir sehen ihn trotz der kurz vorher erfolgten Zerstörung 
der Stadt mit einem Male wieder inmitten eines glänzenden Königssitzes und an der Spitze eines 
blühenden Reiches. Wie diess zugegangen, darüber schweigt die alte Ueberlieferung ; es erklärt 
sich jedoch zur Genüge aus der schaffenden Phantasie des Dichters; ^e Erklärungen Späterer 
können hier nicht in Betracht kommen. Den Priamus ereilte ein gleiches Geschick, wie den Vater; 
jtudi er fand, wie jener, sammt seinem ganzen Geschlecht durch den Troianischen Krieg den Unter- 
gang und sein Herrschersitz verschwand von der Ejrde. Uebereinstimmend lautet über das 
Schicksal des greisen Königs das Urtheil sowohl des Alterthums wie der Neuzeit; man beklagt 
das schwere und unverdiente Loos des edlen Königs und sieht in ihm sogar nur das Opfer einer 
von Paris bestochenen Partei, die gewonnen w*ar, sich der Zurückgabe der Helena mit allen Kräften 
zu widersetzen. Zu Gunsten dieser milden und wohlwollenden Auffassung pflegt man die W^orte 
des Zeus selbst anzuführen, dass er unter allen Städten des Erdkreises die heilige Ilios stets 
vorzugsweise geachtet habe und den Priamus und das Volk des lanzenkundigen Königs (U. IV, 
44 sqq.), und dass er demnach nur mit widerstrebendem Herzen seine Einwilligung zur Zerstörung 
der liebgewonnenen Stadt gebe. Wir läugnen nicht, dass, wenn man des Priamus Schicksal im 
Ganzen und Grossen überschauet, dasselbe dem in jeder Menschenbrust lebendigen Gerechtigkeits- 
gefühl in der That zu widersprechen scheint. Allein in Wahrheit steht die Sache anders; Priamus 
imteriag, wie sein Vater Laomedon, einem verdienten Loose, welches nur der duftige Hauch der 
Poesie abzuschwächen und zu mildem verstanden hat. 

Es ist in der That wunderbar, wie diess Urtheil, welches unten bis zur Evidenz erhärtet werden 
wird, bereits im grauen Alterthum seinen Vertreter gefunden hat; ob mit Bewusstsein, vielleicht 
auf Grund einer alten Sage? Wir wissen es nicht; aber das wissen wir, dass der muthmassliche 
Verfasser des cyklischen Gedichts der Kyprien, ivelches nach der Zeit des Homer abgefasst, aber 
ab vor demselben gedacht, gedichtet worden ist, Stasinos von Kypros als Grundmotiv der Kyprien 
die Sorge des Zeus angiebt, welche darauf gerichtet gewesen sei, der Hybris des Menschen- 
geschlechts Einhalt zu thun; das Mittel dazu sei ihm die Erregung des Troischen Krieges 
gewesen; cf. Nitzsch Sagenp. p. 99. Wer nun konnte es anders sein, gegen dessen Hybris der 
Kampf gerichtet war, als Priamus und sein Haus? Dasselbe besagt Homer selbst in jener be- 
rühmten Stelle, deren Verständniss freilich dem entgehen .musste, der lUon für eine Fabel erklärte; 
dass Zeus das Geschlecht des Priamus mit Hass und Feindschaft bereits verfolgt habe 
(IL XX, 306). Dieser Behauptung widerspricht keineswegs der obige Ausspruch des Zeus, wie lieb 
ihm stets Priamus und dessen Volk gewesen. Wir haben dort einen der bei Homer oft geschilderten 
ehelichen Zwiste, und wh* dürfen nicht vergessen, dass Zeus selbst mit höhnenden Worten, um 
Here zu i*eizen und zu ärgern, den Streit hervorruft, bei dessen Verlauf es ihm gerade darauf 
ankommt, die von Troerhass entflammte Gattin dadurch in die höchste Aufregung zu versetzen, 
dass er die Verhassten naichdrücklich in Schutz nimmt, dabei aber doch endlich, wiewohl mit 
feinem Spott (aixovrl^e ^fiffi)^ freiwillig erklärt (eutiv) ihrem Hasse freien Lauf lassen zu 
wollen. Fragen wir weiter, worin die Hybris des Priamos bestanden, so giebt die allgemeine Sage 
von der Entführung der Helena darauf die Antwort. Freilich wer Ilion ins Reich der Mythe 
verweist, für den hat auch der Raub der Helena keinen andern Werth, und desshalb ist es noth- 




irendig« ausdrücklich auf die Resultate, welche wir oben aus der natürlichen, nicht wegzuläugnenden 
Beschaffenheit der Troischen Ebene gewonnen haben, allhier zurückzukommen. 

Wir haben aus derselben ganz unwiderleglich bewiesen, dass sie in der Urzeit durch 
die Ton den IdSischen Bergen herabströmenden Gewässer, denen theils durch Ablagerung 
an der Mündung, theils durch Anhäufung des bei Sturmfluthen emporgetriebenen feinen Meer«' 
Sandes, aus dem das Ufer des Hellespont besteht, der Abfluss versagt war, einen grossen mit 
allerhand Oethier und tödtlichen Miasmen geschwängerten Sumpf bildete und erst später durch 
künsthche, noch heutigen Tages sichtbare durch Felsgestein getriebene Abzugsgräben trocken gelegt 
worden ist, jedoch iso, dass die Ebene jeden Augenblick wieder unter Wasser gesetzt werden konnte* 
Gegen diese handgreiflichen Thatsachen ist nicht aufzukommen; sie bilden die Basis, von der wir 
schon oben ausgegangen sind, und von welche künftighin jede Untersuchung über die so räthsel- 
haft dunklen Verhältnisse des Troischen Krieges und über die Folgen desselben wird ausgehen müssen. 
ho. dieser Ebene lag Ilion. Eine Oertlichkeit jedoch, wie die geschilderte, ist nie und nimmer von 
einer friedlichen Bevölkerung, deren Zweck und Aufgabe es war, durch Ackerbau und Viehzucht 
aus den Umlanden ihre Existenzmittel zu gewinnen, zum dauernden Aufenthalt gewählt worden. 
Nur Unzufriedene oder Uebelthäter, die, zerfallen mit der Ordnung der Familie, der Gemeinde, 
des Stammes, jedem friedlichen Gemeinwesen einen ewigen Krieg erklärt hatten, also Räuber und 
Mörder, Strolche und Wegelagerer, entlaufene Sclaven imd allerhand Gesindel der Art, können es 
gewesen sein, die zuerst es wagten, jenen todtbringenden Ort der persönlichen Sicherheit wegen 
zum Wohnsitz zu wählen, um von ihm aus, pochend auf den Schutz, den er gewährte, die Umlande 
zu brandschatzen, anfangs um zu existiren, bald aber um, den Speer in der Faust, sie zu unter- 
jochen und zu beherrschen. Terrassenartig erhebt sich rings im Kreise um die Troische Ebene 
ein fruchtbares Hochplateau, sehr geeignet zum Ackerbau und zur Viehzucht; hier lag südöstlich 
von Ilion die alte Stadt Dardania, gegründet von Dardanus, dem geliebtesten Sohne des Zeus 
cf. U. XX, 215, 304. Sie muss als der alte Königssitz des Dardanischen Geschlechtes gelten, bevor 
nion in der Ebene durch Ilos gegründet war, nach dessen Gründung zwar noch von Dardanern, 
aber von einer Stadt Dardania nirgends mehr die Rede ist. Von jenem Hochplateau — wirt 
i^enneu es die dardanische Ebene — zieht sich der oben oft genannte Höhenrücken von Südost 
nach Nordwest tief in die Troische Ebene, also in den uralten Sumpf hinein, auf dessen westlichster 
Endspitze noch heute Neu - Ilion liegt. Hier hat Ilus, des Dardanus Nachkomme, Alt-Bion ge- 
gründet und von hier aiis hat er die Umlande unterworfen; wir tragen kein Bedenken, hinzu- 
zufugen, dass er Dardania zerstört und das alte Königsgeschlecht nebst dem Uradel nach Bion 
verpflanzt, die übrigen Bewohner aber als Hörige auf der Scholle belassen hat. Uns also, der 
Erbauer und Beherrscher der Sumpfstadt Dion, ist der Repräsentant jener Auswürflinge, deren 
Eisenfaust nach Ueberwältigung der von Zeus gegründeten Königsdynastie die ganze Landschaft 
nach Osten hin sich unterthänig gemacht hat; und diess ist die Hybris, die Zeus zu rächen 
entschlossen ist. Dem Bus folgt sein Sohn Laomedon. Unter ihm stand Oion bereits gross und 
mächtig da; die unterworfene Umgegend Uferte alle Mittel zur Subsistenz und der Herrscher 
konnte in Ruhe daran denken, den todtbringenden Herrschersitz in einen gesunden Wohnort zu 
verwandeln, ohne jedoch der Sicherheit desselben gegen auswärtige Feinde Eintrag zu thun. Er 
liess die Ebene künstlich durch Canäle und Eindeichung des Xanthus trocken legen, jedoch so, 
dass sie bei eintretender Gefahr jeden Augenblick mit Benutzung des genannten Flusses wieder 
iibersdiwemmt werden konnte. Aber der auf seine Macht pochende Mann war übermüthig; er 
weigerte den fiir jene Arbeit bedungenen Lohn und übte — Hybris, femd aber dafiir sofort den 
Untergang. Ihm folgt Priamus, der stolze regnator Asiae; ihm gehorcht nicht allein ein aus- 
gedehntes Gebiet auf dem Festlande, sondern er sendet aus seinem, nur einem Herakles nicht 



y 



_ ^ 

gewachsemen» sonst völlig uoangreifbaren Schlupfwinkel seine Flotten über die Meere; die dQ%enctxo^ 
vT^eg des Paris landen an den Küsten von Hellas und betreiben — Weiberraub. Diess und 
nichts anderes besagt die Entführung der Helena. Letztere ist die Repräsentantin der hellenischen 
Frauenwelt, aus welcher die schönsten nach Kleinasien, gebracht wurden; ob freiwillig folgend, wie 
Ilelena, oder gegen Kaufgeld oder endlich der Gewalt weichend, thut nichts zur Sache; ebenso 
mag es vorerst völlig dahingestellt bleiben, ob die hellenischen Sclavinncn in Ilion verblieben, oder 
ob mit ihnen ein formlicher Händel nach dem Innern Asiens getrieben wurde, ein Gesichtspunkt 
der durch den Namen Priamus (nach der Analogie von oqxcc^uos, oikaftog etc. von noiafiat ge- 
bildet), wohl eine weitere Beachtung verdient. So viel ist ersichttich, dass dei* Raub der Helena, 
der als £inzel£actum ein ganz systematisch betriebenes, im alten Griechenland durchaus nicht 
ungewöhnhches Geschäft bezeichnet, ebenfalls Hybris war,. und es darf nicht Wunder nehmen, 
w*enn die Einzelstämme Griechenlands bei der gänzlichen Unsicherheit ihrer Küsten endlich dazu 
kamen, den übermüthigen unheilvollen Frauen - Piraten der Troischen Ebene ein für alle Mal durch 
völlige Zerstörung ihres Schlupfwinkels das Handwerk zu legen. Und in der That, einen günstiger 
gelegenen Ort für die Betreibung von Seeräuberei aller Art, als das alte Ilion, hat es im ganzen 
Alterthum nicht gegeben; die Idäischen Berge lieferten das beste Schiffsmaterial, wovon noch die spätere 
historische Zeit genügendes Zeugniss giebt, und der noch jetzt sogenannte Karanlik-Liman, d. b. der 
dunkele, versteckt liegende Hafen, der vom Hellespont aus nicht gesehen werden kann, barg die 
aus- und einlaufenden Fahrzeuge so * völlig, dass diese aus ihm auftauchten und in ihm wieder 
verschwanden, ohne dass die Küstenbewohner oder andere Schiffe sich vor ihnen zu schütten 
vermochten. 

Auf diese Weise manifestirt sich die Hybris an dem ganzen vom Ilus stammenden Geschlecht; 
diess beweist deutlicher noch das Yerhältniss des Aeneas zum Priamus. Als Schutz und Schirm des 
bedrängten Troia tritt in der Iliade zunächst zwar Hector hervor, aber würdig steht ihm zur Seite 
die ritterUche Gestalt des Aeneas, der überall, wo es gilt, mit grossem Erfolg in den Kampf 
eingreift Dieser seiner Stellung ist der Held sich sehr wohl bewusst, wie aus dem stolzen Schlüsse 
jseiner genealogischen Auseinandersetzung Diad. XX, 240 unzweideutig hervorgeht: MJeh hat 
Anchises, den Hector aber hat Priamos erzeugt; hier ruhet das volle Gewicht auf dem 
Mich hat etc. im Gegensatz zum Hector, welcher letzterer dem Zwecke der Auseinandersetzimg 
jsufolge sonst nicht einmal zu nennen gewesen wäre. Beide erscheinen als die Vertreter zweier 
Herrscherlinien, von denen Aeneas die seüüge in vollem .Selbstbewusstsein als die vollkommen 
gleichberechtigte hinstellt, während sie in Wirklichkeit die untergeordnete war. Hiedurch 
verbreitet sich Licht über die Haltung des Aeneas dem herrschenden Gebieter gegenüber; ersterer, 
als Held zwar eingreifend, wo es nothig ist, entzieht sich zeitweise dem Kampfe und beweist 
dadurch, dass er von andern Gefühlen getragen wird, als welche den Hector im Kampfe für das 
Vaterland beseelen. Als Grund bezeichnet der Dichter (cf. Iliad. XIII, 458 sqq.) den Groll und 
Ingrimm, womit Aeneas stets gegen Priamus erfüllet war und zwar, Meil dieser ihn den Edlen 
(ia^lov icvra) im Geringsten nicht (oiti) achtete und ehrte, ihn vielmehr mit zurückstossendor 
Kälte behandelte. Aber auch ftir diese Stimmung des Priamus liegt ein triftiger Grund vor. 
Aeneas, der Aphrodite. Sohn, wurd aus allen Kämpfen, wo ihm Lebensgefalir drohet, durch das 
rechtzeitige persönliche Eingreifen der Götter gerettet und zwar nach der ausdrücklichen Aussage 
des Dichters, weil es Schicksalsbestimmung war, dass Aeneas nicht etwa im Kampfe fisdlen soUe, 
.weil ihm Höheres ftir die Zukunft beschieden sei; man vgl die berühmte Stelle IL XX» 300 sqq« 
Diess Alles wusste Priamus, und hieraus erkläi-t sich die Zurücksetzung des Aeneas; aber hätte jener 
obiges Orakel auch nicht gekannt, so würde das stiafende Bewusstsein eines verübten Unrechts ihm 
dennoch die Richtschnur zu seinem argwöhnischen und zurückhaltenden Benehmen gegeben 



41 

bäbeo. Die Genealogie des Tom Zeus erzeugten Dardanus lehrt , dass dessen Enkel Tros drei 
Söhne hatte« Ilus, Assaracns und Ganymedes. Von diesen kommt der letztere, weldien Zeufi 
entäihrt hatte» nidbt weiter in Betracht; dagegen setzt» nachdem der n^uthmasslich ältere Dus an 
der Spitze von Wogelagerem Hion erbauet und eine eigene Königsdynastie gegründet» Assaracos 
die Herrschaft in Dsudania fort Eine alte Notiz» deren Werth oder Unwerth dahingestellt bleiben 
muss» besagt, dass dieser schon bei Lebzeiten seines Vaters Tros Theihiehmer an der Herrschaft 
geworden sei (cf. A. Nitsch s. v. Assarac); sollte hierin vielleicht der Grund des Zerwür&isses und 
des Ausscheidens des Ilus zu suchen sein? Wie dem auch sei, die Tom Sohne des Zeus gegründete 
Dardania und das alte unter der Obhut des Gottes daselbst gebietende Königsgeschlecht wurde 
durch Ilus unteijocht, und die Stadt selbst zerstört» hierin aber beruhet die Hybris der neuen 
Herrscherdynastie. Somit leuchtet ein» wesshalb des gewaltsam unterdrückten Assaracus Urenkel Aeneas 
zwar Führer der Dardaner ist und mit ihnen dem Priamus Beistand leistet» dennoch aber» da er 
diesem zur UnterChänigkeit verpflichtet ist» im Gefühle mindestens gleicher Herrscher - Berechtigung 
dem Könige grollt und ¥dederum von diesem fortwährend mit Argwohn betrachtet wird. Zugleich 
aber wird hieraus- die ganze Bedeutung des oben angezogenen Orakels ersichtlich; die Hybris» von 
der Dischen Seitenlinie an Aeneas verübt» soll durch den Untergang derselben gesühnt und 
Aeneas selbst wieder in sein uraltes Recht eingesetzt werden; er soll wiederum über die Troer 
herrschen und seine Söhne über die ganze Nachkommenschaft (cf. II. XX» 307). Dieser Aus- 
spruch im Munde Homers ist von weitreichender Bedeuttmg» und nur die Selbstvergötterung der eigenen 
Ueberzeugnng hat die neuere Forschung bestimmen können» jenem Ausspruche das ihm zukom« 
mende Gewicht abzusprechen. Endlich aber ist das Verhältniss des Aeneas zum Priamus die 
Veranlassung geworden» jenen sogar des Verrathes zu bezüchtigen und als Mitschuldigen an dem 
Falle von Uion zu bezeichnen. Und in der That bleibt es auiSallend» dass nur Aeneas und sein 
Haus mit Ausnahme der Creusa dem allgemeinen Untergang entgehen und in völliger Sicherheit 
sich zugleich mit seinen Begleitern über die Meere hin retten konnte. Jene Mitschuld indessen 
mag auf sich beruhen; gewiss aber ist» dass der Dichter» um jenes Orakel überall erwähnen zu 
können» eine ganz bestimmte Kunde nicht bloss von dessen Vorhandensein» sondern auch von der 
Erfüllung desselben gehabt haben muss» weil eine unerfüllt gebliebene Prophezeihung nur ein 
nicht^es Wort und darum völlig werthlos gewesen sein würde; der Dichter hat somit» als er seine 
Hias schuf» nicht allein aus der alten Sage geschöpft» sondern er hat auch bestimmt gewusst» dass 
Aeneas nebst den Seinigen dem allgemeinen Untergange entronnen sei und dass er und seine 
Nachkommen nachmals über Troer geherrscht haben. Wir betreten hiemit vollständig den Boden 
einer historischen Thatsaohe» dass nämlich Aeneas wirkUch aus dem Brande von Hion nach 
mannigfachen IrrfSeihrten an Latiums Küsten gelandet ist; mit wie vielen Schiffen» ist völlig gleich* 
gültig; dass es aber auf dem Seewege geschehen» dafür bürgt der Baub der Helena» welcher die 
Troer als ein völlig meerkundiges Volk erscheinen lässt 

Die aus den obigen Resultaten sich ergebenden Folgerungen bieten sich jedem ungesucht 
dar, und manches Räthselhafte» was, weil unentwirrbar» bis dahin zu den verschiedenartigsten Ver- 
muthungen Veranlassung gegeben» löst sich ganz von selbst. Nachdem mit Troias Zerstörung das 
meineidige Geschlecht des Bus in Priamus seinen Untergang gefunden» ist die von Zeus selbst 
gegründete Herrschaft über die Troer zu dem von ihm begünstigten. Vertreter Aeneas zurückgekehrt. 
Dieeer gründet in Latium seinen Königssitz in Lavinium und sein Sohn Ascanius erbauet Alba Longa; 
hier herrscht fortan das König^eschlecht der' Silvier, welchem die Rea Silvia» die Mutter des 
Bomulus und Bemus entstammt Sie fiihrt jedodi diesen Namen nur in den Albanischen 
Sagen; in den Römischen heisst sie Ilia» woraus erheUt^ dass jenes Albanische Königsgeschlecht 
der Sikier kein anderes als das der Hier, also der Troer gewesen ist. Verfolgeu wir die SagejDt 




*¥fkb^, )io hallen Ilia« Sohne, ikIbo inedi^ram Ilidt; in den Tibenn(A&te& auf dem FaUtinns dio 
%%ig6 Roma gegründet nnd mit diesem Factum bescUiessen wir uBfiere Untersuöhung. Mag die 
%61ehtte Forschung in der Gründung Roms bald ein USv jtSitiov^ bald ein Ver sacrum der Sobiner, 
''bald auch ein schlichtes Handels -Emporinm der Latin^ finden, wir rechten darüber mit Niemand; 
%ber das Recht gestehen wir keinem Forscher zu, die alten Yölkersagen ohne Weiteres ab leere 
iPalbeln über Bord zu werfen und dafür die eignen Yermuthungen als historische Facta in die 
Geschichte einzufuhren. Die ältesten Sagen bilden die Basis der ältesten Geschichte, und es ist 
die Pflicht jeder umsichtigen Forschung, von ihnen auszugehen und sie überall grundleghch zu 
'machen, wo es gilt, einen historischen Kern aufzufinden und zum geschichtlichen Factum zu 
entwickeln. Es ist .bewiesen, dass Rom in historischer Zeit seine uralte Verwandtschaft mit dem 
alten Troia von Staatswegen anerkannt hat. Eine solche Anerkennung aber kann nur aus der 
urwüchsigen Ueberzeugung des ganzen Volkes, dass jene Verwandtschaft auf W^hriieit beruhe, 
hervorgegangen sein; es ist ein Glaube, der nicht etwa von aussen her dem Volke gleichsam ehi* 
geimpft, sondern der als ein uraltes Erbtheil von ihm betrachtet und heilig erhalten worden ist. 
Ihn aber als vorhanden gläubig anzuerkennen und dennoch die Wege, wie er etwa entstanden, 
^ohne Weiteres zu verwerfen und damit den Glauben selbst als ein auf einer Fabel und darum auf 
entschiedener Unwahrheit beruhendes Hirngespinst zu bezeichnen, das ist und bleibt eine Absurdität 
Im Römischen Volke lebte von den urältesten Zeiten an die von Geschlecht zu Geschlecht sich fort- 
pflanzende Erinnerung an seine Abstammung von Troia; sie hat ihren Ursprung in dem Factum, 
dass in Alba Longa sesshaft gewordene liier, d. h. Troer, getragen von der Erinnemng an die 
einstige durch Speer und Schwert gewonnene Macht und Herrlichkeit der verlorenen Heimath und 
unzufrieden mit der neuen Ordnung der Dinge in der neuerbauten Stadt, als landflüchtiges Gesindel sich 
auf dem in Folge der Tiberüberschwemmungen nur auf einem einzigen Wege von Osten her 
zugänglichen Palatinus ein Asylum gegründet haben und dass hieraus die ewige Roma hervor- 
' gegangen ist. So lautet die uralte Römische Sage und sie enthält volle historische Wahrheit; 
allein wer glaubt daran? Jeder weiss, dass Rom einen Geheimnamen hatten welchen auszusprechen 
nicht erlaubt war, um den Zorn der Gottheit nicht auf die Stadt herabzubeschwören. Dass dieser 
Name aber nicht anders gelautet hat, als Ilion, den als Eigennamen der neuen Stadt 
Niemand aussprechen durfte, um dieselbe vor einem ähnlichen Schicksal durch die zürnende 
'Gotthdt zu bewahren, welches die Urstadt einstmals betroffen, wer ahnet es? Es ist hier nidit 
der Ort auf diesen Punkt und auf den damit in Verbindung stehenden allgemeinen Volksglauben, 
wie er in den Romischen Dichtem, besonders im Virgil und Horaz (cf. Garm. III, 3) niedergelegt ist, 
näher einzugehen, demzufolge die auf Jupiters Geheiss (m. vgl. das Augurium augustum) gegründete 
Roma die Herrschaft über den ganzen Erdkreis besitzen sollte, wofern niir nicht dem Willen der 
Jnno entgegen das alte Ilion in der Troischen Ebene wieder hergestellt würde, oder mit andern 
Worten, wofern es der Juno wegen nur nicht verlautbarte , dass die in den Tibersümpf«^ 
mit Jupiters Bewilligung gerundete Stadt eigentlich nichts anderes als das wiedererstandene Hion 
sei^ und dass dem unabänderlichen Willen der Götterkönigin nur in so weit Rechnung getragsn 
' werde, als Ilion auf seiner alten Stätte niemals wieder aufgebauet würde und seine factische Wieder- 
hersteBung in den Tibermorästen ein ewiges Geheimniss bliebe. Das aber können wir vbb 
xdeht versagen noch hinzuzufügen, dass mit der obigen Erkenntniss zugleich ein Iföthsel gelöst 
%ird, welches die Forscher vielfach beschäftigt hat Es ist nicht in Abrede zu nehmen, sondem 
'müss vielmehr trotz aller Gegenrede als durch die Forschung bewiesen gelten, dass sich in der 
^lateinischen Sprache ein griechisches Urelement vorfindet^ welches mit dem Aeoliachen Dialede 
\u der engsten Verwandtschaft steht Die üebereinstimmung ist ausgemadit^ woher de aber entstände^ 
*^ Frage hat zu den verschiedenartigsten Vermuthungen Veranlassimg gegeben» Der obige Nachweis 



41 

löet das Bäthsel. Silvier und Hier ist derselbe Name und die Verschiedenheit rührt nur Ton dem 
Aeolischen Digamma her; hierin liegt der Fingerzeig, dass diejenigen, welche aus der Troischeu 
Ebene nach Ilions Fall sidi über die Meere flüchteten, Aeoler gewesen sind, zugleich aber auchu dass 
die in der historischen Zeit in jener Ebene sesshaften Aeoler sich nicht etwa durch Colonisation 
von Griechenland aus dort angesiedelt haben, sondern dass sie, wie schon vor Jahren C. 0. Müller 
richtig gesehen, dort von Uranfang an sesshaft gewesen sind und dass ein umgekehrter Hergang 
stattgefunden hat Denn es ist sl^birfieli, treiiti von dGrarjkigen Wanderungen von Völkern die 
Rede ist, welche, sei es freiwiUig oder gezwungen ihre Beimath aufgegeben und sich neue Wohn- 
sitze gesucht habeQ|^, ein Grundiirtjiuin s|n9Uiiehm99r daiy^ in solcbi^n FäUeu das ganze Volk 
ausgewandert sei und seine Heimath öde und leer zurückgelassen hkbe, eine Vorstellung, die nur 
ZU häufig noch heutigen TageB4:Si«£LTQn den Cmbem inid T<utopf«u Vqp den Vandalen und Longo- 
barden etc. angetroffen wird. Sind nun also auch nach Ilions Zerstörung, da weder alle Troer zu 
Grunde gegangen noch auch alle bis auf den letzten Mann hinweggi&zogen sind, einige derselben 
2urüd(g^bliebeD und zwar genug, um nach dem Abzug der Sieger die alte Heimath zu bewohnen 
wd zu bebauen (und diess sind die später dort genannten historischen Aeoler), so müssen, . wija^ 
schon oben angedeutet wurde, auch die mit Aeneas nach Latium hinweggezogenen Troer zil 
demselben Stamme der Aeoler gehört haben, und diese sind es gewesen, welchen jenes Griechische 
Element zugeschrieben werden muss, aus welchem sich unter dem Hinzutreten anderer Einflüsse 
später die lateinische Sprache entwickelt hat. Zu diesen Aeolem aber hat der Dichter der Ilias 
nicht gezählt; Homer war kein Troer, wie vor Jahren behauptet worden ist; er gehörte, wie seine 
Sprache beweist, zum Ionischen Stamme, und in lonien, wohin die Troischen Sagen durch Ueber- 
lieferung gelangt waren, hat er sein Epos geschaffen. Die Ebene selbst hat er, wie schon oben 
wiederholt ausgesprochen worden ist, niemals mit eignen Augen gesehen, sondern hat sie nur vom 
Hörensagen, wie sie zu seinerzeit beschaffen war, gekannt, und da er den Sagen folgend, die 
Begebenheiten vor Hion ganz der Sachlage gemäss um Jahrhunderte zurückdatirte, so hat er sich 
in den Localitäten und deren Erwähnung mit der vollsten Freiheit bewegt und der dichterischen 
Phantasie den weitesten Spielraum gelassen. Indessen welcher Stadt Joniens der Dichter angehört 
babe, wer vermag es zu sagen? 



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Die Lehrverfassiuig 



des Gymnasium Fridericiannm, 

als eines Gdasaigeii NonDal-Gy]iiiuuBiii]ii& 

(Genehmigt durch Kefoript des Hohen Qros^herzoglichen Ministeriums vom 12. November 1^69«) 

Gursusdauer: in .VI^ V., IV. je ein, in HL, IL und I. je zwei Jahre. Die Änfiiahme 
erfi>lgt mit znrückgelegtem 9., der Abgang in der Regel mit yoUendetem 18. Lebensjahre; der ganze 
Gymnamalcursns beträgt also 9 Jahre. * 

« 

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EeligioB. 

a. Untere Stufe, umfassend die Sexta, Quinta, Quarta imd Tertia. 

b. Obere Stufe, umfassend die Secunda und die Prima. 

OL) üntero Stufe. 
Sexta, wöchentlich 3 Stunden. 

Die wichtigsten biblischen Geschichten des A. T. bis zu den Königen, nach einem 
biblischen Historienbuche. Die Leetüre der Bibel selbst wird nicht zu Grunde gelegt. — Vor den 
Hauptfesten des Kirchenjahres die betreffenden Geschichten aus dem N. T. — Zur Zeit des Refor- 
mationsfestes in kurzem Umrisse das dahin gehörige Geschichtliche. 

Katechismus. Das 1. Hauptstück wird nach dem Landeskatechismus durchgenommen und 
erklärt. Repetition des kleinen Lutherschen Katechismus dem einfachen Wortlaute nach. 

Kirchenlieder und Katechismusspräche werden in angemessener Zahl zuerst gelesen, 
dann den Worten nach einfach erklärt und zuletzt genau auswendig gelernt. Die Kirchenlieder, 
ungefähr 8 — 10, also im Semester 4 — 5, schliessen sich an die Festzeiten, die Sprüche an das 
1« Hauptstück an. 

Quinta, wöchentlich 3 Stimden. 

Biblische Geschichten des N. T. nach einem biblischen Historienbuche („das Leben Jesu 
Ins zur Himmelfahrt^*). Die Eintheilung der Bibel und die Reihenfolge der biblischen Bücher; 
letztere auswendig gelernt. Das zum Reformationsfeste Gehörige wird eingehend repetirt. 

Katechismus. Repetition des 1. Hauptstücks nebst den gelernten Sprüchen. Das 2. Haupt- 
stiick wird erklärt und mit den beigefugten Bibelsprüchen auswendig gelernt 

Kirchenlieder. Repetition der in VI. gelernten, und dazu 6 neue, in jedem Semester 3. 

Anm. Ob das 2. Hauptstflok in V,, und das 3« in IV„ oder ob beide in umgekehrter Folge (in V. das 3« und in 
rV« das 2») zu lernen sind, darüber hat der betreffende BeÜgionslehrer sich mit dem Director in Einvernehmen zu setzen. 



41 

. Quarta, wöchentlich 3 Stunden. 

Bibellesen und zwar die wichtigsten Abschnitte des A. und N. T., aus jenem die Städce» 
welche sich anf die Geschichte des Israelitischen Volkes beziehen, ans diesem die Hauptsachen aus 
Matihaens» Lucas und aus der Apostelgeschichte. Erweiterung der Bibelkunde. 

Katechismus. Repetition des 1. und 2. Hauptstäcks; der dahin gehörigen Sprüche und 
Kirchenlieder; das 3. Hauptstück wird erklärt und mit den dazu gehörigen Sprüchen genau memorirt 
Dazu 6 neue Kirchenlieder, in jedem Semester 3. Das 4. und 5. Hauptstück — ohne Luthers 
Erklärung — werden auswendig gelernt. 

Gelegentlich das Hauptsächlichste aus der Geographie Palaestina's, nach einer Wandkarte. 

Tertia, wöchentlich 2 Stunden. 

a. Unter -Tertia (Cursus 1 Jahr). 

Zusammenhangende Geschichte des Lebens Jesu, nach einem synoptischen Evangelium 
und zwar in engem Anschlüsse an dasselbe; damit in Verbindung aus dem A. T. messianische und 
prophetische Stellen; einzelne Psalmen. Dann Repetit. der Reformation und zwar mit genauerem 
Eingehen auf die Veranlassung und auf den endlichen Erfolg derselben. 

Katechismus. Rei^etition der 5 Hauptstücke und der dazu gehörigen Bibelsprüche; Repetit. 
der Kirchenlieder nebst Angaben über deren Verfasser und über die Zeit der Entstehung. Dazu 
4 neue Lieder, wodurch der Liederschatz, welchen die Schüler wissen müssen, abgeschlossen wird. 

b. Ober-Tertia (Cursus 1 Jahr). 

Repetition des Pensums von Hlb. dazu: Ausbreitung der christlichen Kirche; Leben und 
Wirken der Apostel; des Paulus Missionsreisen. Streng eingehende Repetition der Reformation. 

Anm. Da ans der Tertia (A, und B.) eine Anzahl von Schülern in das bürgerliche Leben überzugehen pflegt, so 
ist auf die Repetition des Katechismus, der Sprüche und Lieder und endlich der Reformation in ihrer Gesammt- 
entwickelung ein ganz besonderes Gewicht zu legen: denn erst hiedurch wird ihnen der wahre Halt für das ganze Leben 
mitgegeben« ' 

ß) Obere Stafi9. 

Seennda und Prima. 

Secunda, wöchentlich 2 Stunden. 

Aim. Es beginnt die Bibelkunde; also: Lesen einzelner biblischer Abschnitte zur Darstellung des Reiches 
Gottes im A. und N. T. Hier sind nicht kritische und gelehrte Einleitungen in die einzelnen biblischen Bücher zu geben, 
sondern die Bücher werden einzeln oder auch gruppenweise der Reihe nach betrachtet, die nöthigen Bemerkungen über 
Verfasser nnd Entstehungszeit werden angefügt; dann werden diejenigen Abschnitte gelesen, durch welche sich die Entwickelung 
des Reiches Gottes im A. und im N. T., die fortgehende Offenbarung, der Abfall und die Wiederherstellung des Menschen im 
Zusammenliange überblicken nnd erkennen lüspt. Al^^o: 

a. Unter-Secunda (Cursus 1 Jahr). 

Im Sommer: Bibelkunde des A. T. Betrachtung und Leetüre der geschichtlichen 
Bücher und einzelner Psalmen; besonders nachdrückliche Berücksichtigung der didactischen und 
prophetischen Bücher. Einzelnes ist zu lesen, namentlich was für die Glaubens- und Sittenlehre 
Ton Bedeutung ist imd auf die Erscheinung Christi vorbereitet (typische Stellen). Dazu allgemeine 
Repetition des Katechismus und Kachweis der innem OMederung desselben. Repetition von Sprüchen 
und Liedern. 




Im Winter: Leetüre neutestamentliehe^ Bücher in der Uivprache» zur Seite die luthersChe 
Uebersetzung; gelesen werden toczugsweise Pauli Biiefe an die Epheser and an die Philipper, dann 
(Ue Epist Jaoobi, der erste Brief des Johanna und der erste des Petrus. Katechismus wie im 

Sommersemester. 

» 

b. 0-ber-Secunda (Cursus 1 Jahr). 

Im Sommer: Lesung und Erklärung der Apostelgeschichte. Im Winter: Bibelkunde des 
A. und N. T. mit Auswahl einzelner Abschnitte (Pericopen). Dsg, Repetition einzelner Lieder 
und Sprüche. 

Anm. Bei der Lectüre der neutestamentlichen Schriften ist, in Rücksicht auf die rehgiöse Bildung der 
Schaler, nur auf dieErklärangzu sehen; der philologische Standpunkt (Grammatik und Lexicalisches) ist thunlichst zu vermeideo. 

Im Winter: Uebersicht der Eirchengeschichte der ersten 4 Jahrhunderte. Genaueres 
über die Reformationsgeschichte. Die Zeiten Speners, Franckes und die Mission. Biographisches. 
Endlich: Hinweosungen auf die vorchristlichen Religionen und deren Yerhältniss zum Christenthum. 
Gelegentlidie Repetit des Katech., der Spräche und der Lieder. 

Anm. Da in Obersec. die Bömisohe Geschichte vorgetragen wird und namenÜioh im Winter die Kaiser- 
Geschichte bis auf Constantin d. Gr., so ist es durchaus angemessen, dass die Kirchengeschichte der ersten 4 Jahrh. schon 
hier und nicht erst in Fkima behandelt wird, 

JM/ma, wöchentlich 2 Stunden. 

Die Glaubens- und die Sittenlehre in ihrem Zusammenhange. Uebersicht der Bekenntniss- 
schriften. Lectüre der Augustana; das Hauptgewicht ist auf den 1. Theil der August zu legen. 
Ueberall Hervorhebung der Unterscheidungslehren und damit verbunden: Apologetik. — Lectüre des 
N. T. im Urtext und zwar: das Evangel. Johann., die Briefe an die Römer und an die Galater. 
Abschnitte aus dem 1. Briefe an die Corinther. Endlich Repet. der Eirchengesch., der Reformations- 
gesch.9 der Sprüche, Lieder und des Vaterunsers. 

Vertheilung des Stoffes durdi die 4 Semester der Prima: 

1. Repetit. der Kirchengeschichte.'. Glaubens- imd Sittenlehre. 

2. Einfuhrung in den Inhalt der symbolischen Bücher. Lectüre der Augustana. 

3. und 4. Lectüre des Römer- oder Galater- oder des ersten Corintherbriefes. 

In allen 4 Semestern gelegenthche Repetit. des Katech., der Sprüche und des Liederschatzes. 
Endziel: Sichere Kenntniss vom Inhalt und Zusammenhang der heiligen Schrift, so wie 
der Grundlehren der evangelischen Kirche. 

2. 

(Seographie aad Geschichte« 

Sexta, wöchentUch 4 Stunden. 

a. Geographie. (2 Stunden.) Grundbegriffe aus der physischen und mathematischen Geo- 
graphie. Uebersicht der hydro- und orographischen Verhältnisse der Erdkugel. Dann Genaueres 
über das Heimathland und über dessen Zusammenhang mit den umliegenden Ländern, also: Mecklen- 
burg in Bezug auf den Norddeutschen Bund, spedell auf Preussen« Orientirung auf dem Globus 
und auf den Landkarten. 

b, Geschichte (2 Stunden) wird zunächst in Anlehnung an die biblische Geschichte behandelt; 
Unterricht wesentlich biographisch; Hauptpersonen bilden den Mittelpunkt» um den sich die* 
jenigen Begebenheiten gruppiren, deren Urheber jene Personen gewesen und von denen sie betroffen 



— m — 

wclr^mi nnd. Dann Sagen aus der alten. Griecbistsben, aus ier Römischen und attt der 
Deutschen Geschichte 

Quinta, wöchentlich 3 Stunden. 

a. Geographie (2 Stunden), ßepetition des Pensums vom VI. Dann die Erdtheile; 
BpecieHer Europa — ausser Deutschland — mit den wichtigsten Flüssen, Gebirgen und Oertern. 
Versuche im Kartenzeichnen. 

b. Geschichte (1 Stunde;. Repetition des Pensums von VI. Anknüpfung einzelner zu- 
sammenhängender Partien aus der älteren Griechischen und Komischen Geschichte. 

Qiuirta, wöchentlich 4 Stunden. 

a. Geographie (2 Stunden). Repetition der topischen und politischen Eintheilung von Europa. 
Dann speciell: Deutschland; der Norddeutsche Bund und Mecklenburg. — Eartenzeichnen. 

b. Geschichte (2 Stunden). 1. Griechische Geschichte: Die Hauptereignisse und die Haupt- 
personen, von den Messenischen Kriegen an bis auf Alexander von Maced. (inclus. ). UeberbHck über 
die Barbaren- Völker, besonders Perser und Aegypter. Die Hauptjahreszahlen. 2. Römische Geschichte 
von der Gründung der Stadt bis auf das Aussterben des Augusteischen Hauses. Hinblick auf den 
Untergang des Weströmischen Reiches und auf die Völkerwanderung. Orientirung auf der Wand- 
karte. Die Hauptjahreszahlen. 

Tertia, wöchentlich 4 Stunden, 
a. Untertertia (4 Stunden). 

1. Geographie (2 Stunden). Repetition des Pensums von IV. Weitere Ausführung von 
Deutschland und noch specieller der Norddeutsche Bund, mit besonderer Berücksichtigung der 
politischen Seite. Kürzere Berücksichtigung der übrigen Länder Europas, sowie deijenigen ausser- 
europäischen Länder, die mit Europa und noch spedeller mit dem Norddeutsdien Bunde in 
besonderer Beziehung stehen, namentlich durch den Handelsverkehr. 

2. Geschichte (2 Stunden). Geschichte der Deutschen von der Völkerwanderung bis 
zum Westphälischen Frieden. Die Geschichte der übrigen Europäischen Völker wird kurz eingereihe^ 
je nachdem sie in die deutsche Geschichte eingreifen; in der letzteren aber wird die Zeit der 
Reformation besonders hervorgehoben (siehe oben Religion). 

b. Obertertia, wöchentlich 4 Stunden. 

1. Geographie (2 Stunden). Zunächst Repetition des Pensums von Hlb. Dann eine allge- 
meine, bei wichtigen Partien eingehendere Repetition Alles dessen, was in den firüheren Glassen 
stufenweise durchgenommen worden ist» womit das Pensum der Geographie überhaupt abgeschlossen wird. 

2. Geschichte (2 Stunden). Deutsche Geschichte von dem Westphälischen Frieden bis zu 
den Befireiungskriegen. Besonders hervorgehoben wird die Greschichte von Preussen bis zur Gründung 
des Norddeutschen Bundes» und ebenfalls eingehender behandelt: die Geschichte von Mecklenburg. 
Nochmaliger wiederholender Ueberblick über die Zeit der Reformation, 

Secfwnda, wöchentUch 3 Stunden. 

& Unter-Secunda (Cursus 1 Jahr). 

Alte Geschichte, mit Ausnahme der Römischen. Die Verfassungen der Griechischefi 
Staaten, flire Entwickehmg, ihre Blüihe und Verfall bis auf 146 a. C. Ab E^iisodi^ wüid behandelt 
Persien und die Grundzüge der Persischeii Vei&ssung; etwas eingehender die ältere Geschiditt 



— m 

Ton Macedonien ; die spätere fällt mit der GriechiBchen völüg znsanimeii. — Die alte Geograptab 
der betreffenden Länden vorzugsweise Griechenlands. — Culturgeschichte. 

b. Ober-Secunda (Cursus 1 Jahr}. 

Römische Geschichte von der Gründung der Stadt bis 476 p. C, mit ganz besonderer 
Berücksichtigung der Entwickelung und Ausbildung des Römischen Staatsrechts« Hinblicke auf die 
Gulturgeschichte. Geographische Uebersicht von Italien und der umhegenden Inseln und Länder; 
genauere Anschauung des Imperium Romanum. 

Pri^na, wöchentlich 3 Stunden. (Cursus 2 Jahre.) ' 

Mittlere und neuere Geschichte, und zwar a. im 1. Jahre (Untetprima) : von der Völker- 
wanderung bis auf Karl Y^ mit besonderer Berücksichtigung der Gulturgeschichte; b. im 2. Jahre 
(Oberprima): von Karl V. bis zur Beendigung der Freiheitskriege. Etwas kürzer: uebersicht der 
Geschichte von 1815 bis 1866. 

3. 

Kednei md HtthematiL 

Sexta, wöchentlich 4 Stunden. 

Genaue Repetition der 4 Spedes in unbenannten und benannten ganzen Zahlen. Die 
wichtigsten Maasse, Münzen, Gewichte etc. behufs Reduction auf höhere und niedere Einheiten. 
Hinweis auf die bevorstehende neue Maass- und Gewichts-Eintheilung, Meter^ Liter etc. — Dann: 
Rechnung mit gemeinen Brüchen; Einübung besonders durch Kopfrechnen. Hin und wieder 
schriftUche häusliche Aufgaben, doch müssen diese einfach und ohne zu grosse Zahlen sein. 

Quinta, wöchentlich 3 Stunden. 

Repetition der Bruchrechnung. Regel de tri mit ganzen und gebrochenen« mit unbenannten 
und benannten Zahlen. Hin und wieder schriftliche häusliche Aufgaben, doch auch hier sollen diese 
einfach und ohne zu grosse Zahlen sein. 

QtMrta, wöchentlich 4 Stunden. 

Zusammengesetzte Verhältniss-Rechnungen, mit Anwendung auf das bürgerliche Leben. 
Decimalbrüche. In 1 Stunde: Anfangsgründe der ebenen Geometrie bis zur Congruenz der 
Dreiecke. 

Tei^ia, wöchentHcb 4 Stunden. 

a. Unter-Tertia (Cursus 1 Jahr). 

1. Geometrie: Ebene Geometrie bis zur Lehre vom Kreise (mit Ausnahme der AehnUch- 
keitssätze und der Ausmessung des Kreises), und^ von den Flächen gradliniger Figuren. 

2. Arithmetik: Anfangsgründe der Buchstaben-Rechnung; arithmetische und geometrische 
Proportionen; Wurzelausziehen. 

b. Ober-Tertia (Cursus 1 Jahr). 

1. Geometrie: Eingehende und gründliche Repetition des Pensums von lUb. Erweiterung 
desselben unter Anwendung auf die Lösung geometrischer Aufgaben, besonders durch geometrische 
Oerter. 

2. Arithmetik: WiABenschaftliche Begründung ^r gemwien Arithmetik; Buchstabenieehming 
und Gleichungen des ersten Grades mit einer unbekannten Grösse. 



^ 

Secunda, wöchentlich 4 Stunden* 

a. Unter-Secunda (Gursos 1 Jahr). 

1. Geometrie: Beendigung der ebenen Geometrie bis zumAbschluas derselben. Geometrische 
Aufgaben aus den verschiedenen Abschnitten der ebenen Greometrie. 

2. Arithmetik: Repetition des ganzen voraufgegangenen Pensums und weitere Einübung 
durch Beispiele. Dann Lehre von den Potenzen; Wurzelrechnung; Gleichungen des ersten Grades 
mit mehreren Unbekannten. 

b. Ober-Secunda (Cursus 1 Jahr). 

1. Geometrie: Ebene Trigonometrie mit Aufgaben, zugleich zur Anwendung der ebenen 
Trigonometrie auf Flächetberechnung. Daneben Aufgaben aus den verschiedenen Gebieten der 
ebenen Greometrie. 

2. Arithmetik: Quadratische Gleichungen mit den* entsprechenden Au^ben. Arithmetische 
und geometrische Reihen. Logarithmen. 

Prima^ wöchentlich 4 Stunden (Cursus 2 Jahre). 

1. Geometrie: Stereometrie nebst Oberflächen- und Körperberechnung. Geometrische und 
stereometrische Aufgaben. 

2. Arithmetik: Algebraische Aufgaben, besonders unter Anwendung der Algebra auf Geo- 
metrie. Unbestimmte Gleichungen. 

Anm. Wunachenswerth das Noth wendigste aus den Kegelsclmitten. 

4, 

NitirwisseischafteB. 

Sexta, wöchentlich 2 Stunden. 

« 

Naturgeschichte, im Sommer vorzugsweise Botanik und Insectenkunde, im Winter Zoologie» 
besonders Wirbelthiere. Mittheilungen über die Lebensweise der Thiere. 

Quinta, wöchentlich 2 Stunden. 

Repetition des Pensums von VL und Erweiterung durch Artenkunde. Die Vertheilung des, 
Lehrstoffes, wie in VL 

Secwnda, wöchentlich 2 Stunden. 

a. Unter-Secunda (Cursus 1 Jahr). 

Einleitimg in die Physik. Die Lehre von den festen Körpern. Dazu eine systematische 
Uebersicht der 3 Naturreiche. Die Krystallformen der Minerale. 

b. Ober-Secunda (Cursus 1 Jahr), 
pie Lehre von den flüssigen und luftförmigen Körpern; von dem Schall und von der Wärme. 

Pri/ma. wöchentlich 2 Stunden. 

Die Lehre vom Licht. Electricität und Magnetismus. Statik und Mechanik. Mathe- 
matische Geographie. 

7 



■ 9» 

IB. Sprachen« 

Lateinisch. 

» 

Seocta, wöchentlich 9 Stunden. 

Die regelmässige Formenlehre, also: Declination und Conjugation mit Einschluss der Depo- 
nentia» Der einfache Satz wird sofort zu Grunde gelegt, die Casus-Endungen werden mündlich 
entwickelt und eingeübt; dann folgt das Hülfsverb. esse imd weiter dann die Conjugatt Hierauf 
erst werden die Paradigmata genau memorirt und weiter an Beispielen eingeübt Die G^nusregeln 
mit sorgfaltiger Beschränkung der sogenannten Ausnahmen; die Gomparation, die Zahlwörter 
(Card, und Ordin«) und die Präpositionen. Mündliche und schriftliche Uebungen im Uebersetzen aus 
dem Lateinischen ins Deutsche und umgekehrt WöchentUch 2 kurze Exerdtia. Memor^n Ton 
Yocabeln und kurzen Sätzen. (Grammatik und Lesebuch von Lattmann und Müller.) 

• 

QtHnta, wöchentUch 10 Stunden. 

Wiederholung der regelmässigen Formenlehre. Dann die unregelmässige Formenlehre — 
mit strenger Ausscheidung aller ungewöhnlichen und nur vereinzelt vorkommenden Formen. — Fort- 
gesetzte Uebimgen im Exponiren, so wie im Gomponiren des einfachen Satzes. Die einfSeushsteh 
syntactischen Regeln; dazu der Accus, a Inf. und die Ablatt. absoL, zuerst an Beispielen der 
Leetüre gelehrt und dann weiter practisch eingeübt, jedoch ohne alle Versuche einer wissen- 
schaftlichen Begründung. Die Städtenamen. Memoriren, wie in VI. Wöchentlich 2 kurze 
Exercitia. Leetüre: Lesebuch. 

Qtiarta, wöchentlich 10 Stunden. 

Genaue Wiederholung der ganzen Formenlehre, der regelmässigen und unregehnässigeiL 
Dann die Syntax der Casus; die fest memorirten Hegeln werden mündlich fortwährend eingeübt 
Die Hauptregeln der consequut Tempp. Mündhche und schriftliche Uebersetzungen. Leetüre: 
Cornelius Nepos imd Lesebuch von Lattmann und Müller. Gegen Ende des Semesters: ausgewählte 
Fabeln des Phaedrus. Wöchentlich 2 Exerdtia. 

Tertia, wöchentlich 10 Stunden. 

a. Unter- Tertia (Cursus 1 Jahr). 

Wiederholung der Casuslehre. Die Lehre von den Temporib.; die Consequutio tempp. Die 
Hauptregeln aus der Moduslehre, der erweiterte und der zusammengesetzte Satz und die 
Conjunctionen. Die hauptsächlichsten Präpositt und ihre Verschiedenartigkdt im Gebrauche. Die 
wissenschaftliche Begründung der Construct des Acc. c. In£ und der Ablatt conseq. — In der 
Classe: Extemporalia. WöchentUch 1 häusl. Exerdt Memoriren von Phrasen und gelesener Stücke. 
Leetüre: Caesar de B. Gall. lib. I— HI. Ovid. Metam. mit Auswahl, ungefähr 800 — 1000 Verse. 
Lesen des Hexameters und die hauptsächlichsten metrischen imd prosodischen Segeln. Hinweisung 
auf die litterarhistorische Stellung des Autors; dasselbe gilt für alle nächsthöhere Glassen. 

b. Ober-Tertia (Cursus 1 Jahr). 

Eingehende imd gründhche Wiederholung und Erweiterung des grammat Pensums von HI b., 
vorzugsweise der Moduslehre; die Conditional- und die GoncessivBätze; die directe und die indi- 
recte Bede; die Nebensätze, die Fragesätze, insonderheit der rhetorische Fragesatz. 
Wöchentlich ein längeres Exerdtium und in der Classe Extemporalia. Leetüre: Caes. de belL Gall 



51 

beendet; gelegentlich Sallast. B. lug. Ovid. Metam. nach Auswahl. Repetition der metrischen 
Segeln des Hexam., s^ wie der prosodischen Regeln. 

Secwnda, wöchentlich 10 Stunden. 

a. Unter -Secunda (Gursus 1 Jahr)» 

Die Moduslehre im Zusammenhang, mit besonderer Hervorhebung einzelner Abschnitte, 
als der hypothetischen Sätze und der Lehre vom Gonjunctiv. Daran lehnen sich mündliche und 
schriftliche Uebungen; wöchentlich 1 Exercitium und in der Glasse Extemporalia. Lectüre: die 
leichteren Ciceronischen Reden, als die Catilinarien, pro Archia, pro Deiot, auch pro lege ManiL; 
femer Laelius und Cato Maior; Liyius, lib. I und 11; VirgiL Aeneid. lib. I und IL PrivaÜectäre: 
Sallust und Caesar de B. dvili mit Auswahl 

b. Ober-Secunda (Cursus 1 Jahr). 

Repetition des ganzen voraufgegangenen grammat. Pensums, womit die Grammatik ab« 
geschlossen wird. Dann der Satz- und Periodenbau; die Wortstellung. Wöchentlich 1 Exercitium 
und in der Classe Extemporalia. Beginn mit kleinen latein. Aufsätzen historischen Inhalts, zuerst 
nach gegebenen Dispositionen; alle 2 Monate 1 Au&atz. Lectüre: Cicer. oratt selectae, insonderheit 
pro Rose. Amerino, pro Sulla; dann de provina consularibus u. a. livius lib. m — VI, mehr 
cursorisch; VirgiL Aeneid. lib. III — VI, auch einzelne Eclogen und einzelne Stücke aus den Georg. 
Privatlectürc: Cicero imd Livius. 

Pn^i/maf wöchentlich 8 Stunden (Cursus 2 Jahre). 

Wiederholungen aus der Grammatik imter Anknüpfung an die Lectüre. Die Syntax omata. 
Lehre des latein. Stils. Exerdtia und Extemporalia. Lateimsche Au&ätze und zwar alle 2 Monate 
1 Au&atz. Lectüre: Cic. Staatsreden pro Milone, in Verrem, pro Murena; femer de Officiis und 
Epistt ad Attic, besonders lib. L — de Oratore, Brutus, TusculL lib. I; Tacit. Annall. und Germania. 
Horat. Oden, Satiren imd Episteln. Privatlectürc: Cicero, Täcitus u|id Livius. 

Anm. Für den Fall der Zerlegang der Prima in eine Unter- und Ober-Prima gilt hinsichtlich der Lectüre: 

a. Unter-Prima (Cursus 1 Jahr). 

Cic. pro Milone, in Verr., pro Murena. de offic. L und Epistt ad Att lib. I. Tadtt Germania. 
Horat Carm. lib. I — EDL Memoriren einzelner Oden. Die Horazischen Metra. Privatlectürc: 
Cicero, Livius. 

b. Ober- Prima (Cursus 1 Jahr.) 

Cic. Brutus, de Oratore, TuscuU. EHsp. Hb. I. Einzelne Staatsreden: pro Sestio, pro Plancio, 
Tadt. Annalen, Horatius. Repetition einzelner Oden; dann Satiren und Episteln. — Privatlectürc: 
Cicero, livius, Tacitus, besonders Vita Agricolae. 

6. 

Griecliiseh. 

QfUMrtaf wöchentlich 5 Stunden. 

Die regelmässige Formenlehre bis einschliesslich der Yerba pura, der muta und contracta; 
(Methode, wie im Lateinischen; cf. Lat Sexta). Uebersetzungen aus dem Griechischen in das Deutsche 
(aus einem Lesebuche; zur Zeit: Jacobs Lesebuch). Gegen Ende des Semesters: Uebungen im 




iniiadUclien Uebenetzen aus drai Deutschen in das Griechische und hieranf kurze bäusUche 
Exerdtia zur Einübung der Accente und der Yerbalformen. Memoriren v^n "^»cabebi. 

Tertia, wöchentlich 6 Stundet 

a. Unter -Tertia (Cursus 1 Jahr). 

BepetitiQ^i des Pensums von IV^ dann die Yerba liquida* und die Verba auf fii; die ge- 
bräuchlichsten unregelmässigen Verba werden wiederholt durchgenommen und eingeübt. Die Prä- 
positionen; die einfachsten syntactischen Begeln. Wöchentlich 1 kurzes Exerdtium« Memoriren tob 
Yocabeln und kurzen griechischen Sätzen. Leetüre: Lesebuch; der zweite Cursus im Lesebuch yob 
Jacobs; gegen Ende des Semesters auch Xenoph. Anab. I, c. 1. 

b. Ober- Tertia (Cursus 1 Jahr). 

Unablässige Wiederholung des ganzen yoraufgegangenen grammatischen Pensums, besonder 
der Verba. Die unregebnässigen Verba werden absolrirt Die Hauptsachen aus der Lehre von der 
Bection der Casus. Wöchentlich 1 Exercitium. Leetüre: Xenoph. Anabasis, lib. L Gegen Ende des 
S^nesters: Homer. Odyss. lib. I, 1 — 150; Einfuhrung in die homerische Formenlehre. 

Secunda, wöchentlich 6 Stunden. 

a. Unter -Secunda (Cursus 1 Jahr). 

Allgemeine Wiederholung der Formenlehre. Die Casuslehre im Zusammenhange. Die 
Hauptregeln aus der Syntax, als: Syntax des Artikels und der Pronomina; die Attraction des pron. 
relat; die Tempora und Modi; die gebräuchlichsten Conjunctionen in ihren Verbindungen mit den 
Modis; die tafinitiv- und Participial - Constructionen. Wöchentlich l Exercitium. Memoriren kurzer 
Sätze. Leetüre: Xenoph. Anabasis. 2 Bücher. Homer. Odyss. lib. I — IV. Die homerische 
Formenlehre. PrivaÜectüre: Xenoph. und Homers Odyssee. 

b. Ober -Secunda (Cursus 1 Jahr). 

Bepetition der Casuslehre unter fortlaufender Berücksichtigung der Formenlehre. Dann die 
Syntax der Tempora und Modi in systematischem Zusammenhange. Der zusammengesetzte Satz und 
die Partikeln und Conjunctionen, vorzugsweise der hypothetische Satz. Im Ganzen: Abschluss 
des systematischen Unterrichts in der Grammatik. Wöchentlich 1 Exercitium. Leetüre: Xenoph. 
Cyrop., Hellenica und Memorab.; femer Plutarchs leichtere JBiographien, als Agis und Cleomenes, 
die Gracchen, Camillus etc. Herodot; Hom. Od. hb. V — VHL Privatlectüre: Xenophon imd Homers 
Odyssee. 

JPrima, wöchentlich 6 Stunden. * 

Hauptaufgabe: Erklärung der Griechischen Classiker in allen ihren reichen Beziehungen 
zum Hellenischen Leben. GelegentUch feinere grammatische Bemerkungen; Graecismen, überall 
verbunden mit Wiederholungen grammatischer Regeln. Alle 14 Tage ein Exerdtium. Leetüre 
für den Fall, dass die Prima in eine Ober- und Unter-Prima verlegt werden muss: 

a. Unter-Prima. Plato's leichtere Dialoge, als Crito, £utyphro, die Apologie, Phaedo; De- 
mosihenes Philippicae. Homer. Biad. lib. I — XH. Privatlectüre. 

b. Ober-Prima. Demosthenes und Plato cursorisch; Thucydides in AuswahL Sophodes und 
Euripides. Biad. lib. XHI — XXIV. Privatlectüre: Plato, Demosthenes, Thucydides, Sophodes. 




» 



7. 

Deutsch. 

Sexta, wöchentlich 3 Stunden. 

Lesen und Nacherzählen des Gelesenen mit genauer Berücksichtigung des Vortrages und 
der Aussprache. Auswendiglernen aufgegebener Gedichte und Vortrag derselben; die Gedichte 
werden Ton der ganzen Glasse gelernt. Granunatik in Anschluss an die LectOre. Unterscheidung 
der Redetheile und der Gheder des einfachen Satzes. Formenlehre in Anschluss an dad Lateinische^ 
mit genauer Uebereinstimmung der grammatischen Terminologie des Lateinischen imd des Deutschen. 
Die Präpositionen und ihre Rection. Orthographie und das Hauptsächlichste aus der Literpunctions- 
lehre; zu Grunde gelegt wird die Grammatik von Wigger und ist in allen nächstfolgenden Glassen 
dieselbe Orthographie zu lehren un^ zu beobachten. Kleine Aufsätze (alle 14 Tage 1 Au&atz) 
nach in der Classe vorgetragenen und durchgenommenen Stoffen. 

Quinta, wöchentlich 3 Stunden. 

Lesen und Grammatik, wie in VI. Dann der einfache erweiterte , Satz und die leichteren 
Formen des zusammengesetzten Satzes. Die Conjunctionen. 

Die Interpunktionslehre. Orthographie. Kleine AuMtze nach vorgetragenen und durch- 
gesprochenen Materien; alle 14 Tage ein Aufsatz. Auswendiglernen aufgegebener Gedichte und 
Vortrag derselben ; vgl. Cl. VI. 

Quarta, wöchentlich 3 Stunden. 

Lesen und Erklären prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuche. Uebungen 
im freien Wiedergeben derselben. Vorträge von auswendiggelemten aufgegebenen Gedichten (aus 
dem Lesebuche). Grammatik in Anschluss an die Leetüre. Die indirecte Rede, mit angemessener 
Hinweisung auf das Lateinische. Der zusammengesetzte Satz und die Periode. Repetition der 
Interpunktionslehre; Orthographie genau, wie in den voraufgehenden Glassen. Berücksichtigung der 
Fremdwörter. Aufsätze nach gegebenen Stoffen sowohl historischen Inhalts, als nach Selbst- 
erlebtem. Alle 14 Tage 1 Aufsatz. 

Tertia, wöchentlich 3 Stuncfen. 

a.. Unter-Tertia (Cursus 1 Jahr). 

Lesen und Erklären prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuche, vorzugsweise 
Gedichte aus der epischen Lyrik. Belehrung über das Versmaas und über das allgemeine Gesetz 
der deutschen Metrik. Genaueres über die Satz- und Formenlehre; starke und schwache 
Declination und Conjugation. Vorträge von der ganzen Glasse aufgegebenen Gedichten. Kleine 
freie Vorträge aus der Geschichte, besonders der alten Geschichte. Aufsätze über besprochene 
und disponirte Themata erzählenden Inhalts, vorzüglich aber Behufs Bildung des deutschen Stib» 
Uebersetzungen aus fremden Sprachen ins Deutsche. Alle 14 Tage 1 Aufsatz. 

b. Ober -Tertia (Gursus 1 Jahr). 

Erklärung prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuche, wie in Ulb.; dazu 
Anleitung zum Disponiren und zwar zunächst Aufsuchung der Dispositionen in gelesenen Stücken. 
Uebungen im freien Vortrage geschichtlicher Gegenstände. Aufsätze über besprochene und mündlich 
disponirte Themata; gegen Ende des Semesters fällt die mündUche Disposition weg; die Themata 
werden nur besprochen und die nöthigen Gedanken zugeführt. Alle 14 Tage bis 3 Wochen 1 Aufeatss. 



54 

Secfwndcu 

a. Unter- Secnnda, wöchentlich 3 Stunden (Cursus 1 Jahr). 

Das Wesen d^ Hauptdichtungsarten und die Unterschiede der metrischen Form (Poetik) 
werden an Beispielen aus dem Lesebüche durchgenommen und erläutert; Mittheilungen historischen 
Inhalts über die einzelnen Dichter. Freie Vorträge , deren Inhalt theils aus dem Greschichts- 
Unterricht^ theils aus der Privatlectüre der alten Classiker zu entnehmen ist Das Wichtigste aus 
der Rhetorik. Die Dispositionslehre. Aufsätze mit voraufgehender eigner Disposition. Alle 4 Wochen 
1 Au&atz. Uebungen des Stils hauptsächlich durch Uebersetzungen aus fremden Sprachen. 
Declamation. 

b. Ober-Secunda, wöchentlich 2 Stunden (Cursus 1 Jahr). 

>Die classische Litteratur des Mittelalters. Hinblick auf die historische Grammatik Ulfilas. 
Einzehie Partien aus den alten Epen (Nibelungen, Gudrun etc.) werden gelesen. Gelegentliche 
Repetition der Poetik. Au&atzthemaca werden nur aus den Gebieten , die dem Schüler genau 
bekannt sind, als aus der Geschichte, der Litteratur, der Leetüre entnommen. Alle 4 Wochen 
1 Aufeatz. Declamation. 

PH/ma, wöchentlich 3 Stunden (Cursus 2 Jahre). 

Uebersicht der Litteraturgeschichte von. Luther bis auf die Gegenwart (die 2. classische 
Periode); Leetüre von Proben aus den deutschen Classikem, besonders aus Herder, Lessing, Gt)ethe 
und Schiller. Weiter vorzugsweise: die Romantische Schule und ihr Einfluss auf die Gegenwart. 

Aufsätze mit Disponirübungen. Alle 4 Wochen 1 Aufsatz, doch sollen im Semester nicht 
mehr als höchstens 5 Au&ätze gearbeitet werden. Freie Vorträge über selbstgewählte Stoffe. 
Declamation. 

Vorläufig bis auf Weiteres bleibt noch ausgesetzt, wird aber später in den Kreis der Lehr- 
gegenstände gezogen werden in wöchentlich 1 Stunde: 

Philosophische Propädeutik. Die Hauptsachen der empirischen Psychologie. Die wichtigsten 
Lehren der formalen Logik. 

8. 

Franzosisch. 

Qu4/ntaf wöchentlich 3 Stunden. 

Die Aussprache. Leseübungen. Die regelmässige Formenlehre (Declination, Hül&zeit- 
wörter, Conjugation). Mündliche und schriftliche Uebungen im Uebersetzen aus dem Französischen 
ins Deutsche und gegen Ende des Semesters auch aus dem Deutschen ins Französische; kurze 
häusliche Exerdtia; wöchentlich 1 Exerdtium, — doch erst gegen Ende des Semesters. Aus- 
wendiglernen von Vocabeln und Redensarten. Leetüre: Lesebuch. Einiges über die Wortstellung. 

Qua/rtaf wöchentlich 3 Stunden. 
Bepetition des Pensums von V. Dazu: die Pronomina, die Zahlwörter, die Gomparationen, 
der Theilungsartikel, der einfache Satz in der Frage, in der Verneinung, und in der fragend- 
Temeinenden Form. Die gebräuchlichsten unregelmässigen Verba und die hauptsächlichsten synta- 
ctischen Regeln. Das Nothwendigste über die Wortstellung. AUe 8 Tage ein kurzes Exerdtium. 
Leetüre: Lesebuch. 



Tertia, wöchentlich 3 Stunden. 

a. Unter -Tertia (Cursus l Jahr). 

Repetition des Pensiuns von IV. und Y. Dann die unregelmässige Formenlehre. Die 
Gasuslehre. Die Wortstellung. Alle 8 Tage ein Exercitium.* Phraseologie und Auswendiglernen 
derselben. Lectüre: Lesebuch. 

b. Ober -Tertia (Cursus 1 Jahr). % 

Repetition des Pensums von IQ b. Das Hauptsächlichste aus der Lehre von den temporibus 
und modis. AUe^ 8 Tage l Exerdtium; dazu Extemporalia und Uebungen im mündlichen üeber- 
setzen und Sprechen. Lectüre: Charles Xu. von yoltaire, oder eine passende Chrestomathie. 

Sectinda, wöchentlich 2 Stunden. 

a. Unter- Secunda (Cursus 1 Jahr). 

Wiederholung der regelmässigen imd unregelmässigen Formenlehre. Die regelmässige Syntax. 
Systematische Erörterung der Wortstellung und des Gebrauchs der Tempora und Modi Die Con- 
jimctionen und der zusammengesetzte Satz; die ächten imd die unächten Praepositionen, imd die 
Partidpial-Constructionen in rationeller Ableitimg. Lectüre: Charles Xu. AUe 14 Tage ein 
Exerdtium. Extemporalia; mündliche Uebungen im Uebersetzen ins Französische. Sprechübungen. 

Anm« Statt des Charles XTT. kann auch eine angemesaene Chiestomathie gebraucht werden. 

b. Ober -Secunda (Cursus 1 Jahr). 

Repetition des Pensums von Üb.; zur prosaischen Lectüre tritt die poetische hinzu; die 
Hauptregeln über die Metrik. Exerdtien imd die weitem Uebungen, wie in IIb.; Lectüre: eine 
passende Chrestomathie, oder: Segur histoire de Napol.; Thiers: Bonaparte en Egypte etc. 
MoUere, Scribe. 

Anm. In Oberseconda Abschinas der Grammatik. 

Rrtma, wöchentlich 2 Stunden (Cursus 2 Jahre). 

Zusammenfassende und ergänzende Wiederholung der grammatischen Regeln, mit besonderer 
Hervorhebung des formalen Charakters der französischen Sprache, sich anlehnend an die Lectüre 
und an die Exerdtien; letztere sind aus Plötz Uebungsbuch zu entnehmen. Alle 14 Tage ein Exerdtium. 
Sprechübungen. 

Lectüre: eine Chrestomathie, oder abwechselnd ausgewählte französische Classiker; auch 
Dramen von Corneille, Badne, Moliere; dazu überall litterar historische Bemerkungen. 

9. 

Hebräisch« 

Seewnä4X,f wöchentlich 2 Stunden (Cursus 2 Jahre). 

Die LauÜehre. Leseübungen. Die Formenlehre (die Conjugatt. einschliessUch der verba 
quiesoentia; die Dedinationen; die Pronomina). Uebersetzungsübungen aus der Oenesis; die haupt- 
sächlichsten syntactisdien R^eln. Auswendiglernen von Yocabeln. 

JEVima^ wöchentlich 2 Stunden (Cursus 2 Jahre). 

Wiederholung und Vervollständigung der Formenlehre. Die Syntax. Exerdtia. Lectüre: 
die historischen Bücher des A. T., die Psalmen und ausgewählte Stücke aus den Propheten. 



10. 

Singei. 

Der Gesangunterricht ist obligatorisch; doch bleiben vorerst entfreiet die Sexta und die 
{Quinta. Der Unterricht beginnt und wird regelmässig ertheilt in der Quarta und in der Tertia 
(beide Classen combinirt). Aus der Secunda und aus der Prima treten hinzu Alle, die zum Gesänge 
befähigt sind. Der Unterricht wird ertheilt in 4 wöchentUchen Stunden, nämUch in 1 Stunde: Vor- 
übungen (Quarta); dann in 2 Stunden: Uebungen der Altisten und der Sopranisten (Quarta und 
Tertia); endlich in einer Stunde: der vierstimmige Chor (Hinzutritt der befähigten Secundaner 
und Primaner). Besonderes Gewicht wird gelegt auf die Einübung der Choräle, die auch vierstimmig 
gesungen werden. Ausserdem angemessene Compositionen, ab Motetten, Psalmen, Lieder etc., deren 
Wahl dem Ermessen des Gesanglehrers überlassen bleibt. Dispensationen vom Gesänge können nur 
von dem Director der Anstalt ertheilt werden. 

n. 

Die Turnübungen für das ganze Gymnasium finden während des Sommers allwöchentlich 
zweimal (am Mittwoch und Sonnabend Nachmittag von 5—7 Uhr) im Freien (auf dem hiesigen 
Schelfwerder) statt und zwar unter Leitung eines eignen Turnlehrers und unter Aufisicht eines 
Gymnasial-Lehrers ; der erstere muss stets zugegen sein, die beaufsichtigenden Lehrer dagegen 
mit Ausnahme des Directors wechseln der Reihe nach ab. Im Winter werden die Uebungen 
nur für die Secunda und für die Prima zweimal wöchentlich in der hiesigen Turnhalle unter 
Leitung des Turnlehrers abgehalten, zunächst zu dem Zwecke, um dadurch die jedesmaligen Vor* 
tumer für den nächsten Sommer heranzubilden. 

Der Unterricht im Turnen ist ebenfalls obligatorisch für die Schüler; jddoch sind die 
Angehörigen derselben befugt, um Dispensationen bei dem Director der Anstalt nachzusuchen, und 
werden solche dann nach Befinden bereitwillig ertheilt. 

12. 

Nachtrag. In der vorstehenden Lehrverfassung des 6classigen Gymnasium Frideridanum 
sind einzelne Lectionen besonders in den unteren Classen, z. B die Geschichte und Geographie, aus guten 
Gründen mit mehr Stunden bedacht worden, als nöthig ist. Jedoch wird die Ausgleichung bei 
der voraussichtlichen Theilung einzelner Classen thunlichst eintreten. 



Schulnachrichten 

von Ostern 1870 bis dahin 1871. 



Xiin kurzer Rückblick auf das so eben zu Ende gehende Schuljahr gewährt die Ueber- 
zeugung, dass dasselbe dermaleinst in den Annalen unseres Gymnasiums als ein durch innere und 
äussere Verhältnisse gleich bedeutungsTolles hervorgehoben werden wird. Nicht allein Ereignisse, 
welche längst vorhergesehen waren und darum mit ruhiger Spannung erwartet werden konnten, 
sondern auch plötzlich eingetretene Vorkommnisse, unter denen besonders die Rückwirkungen des 
gewaltigen, dem kundigen Auge zwar seit Jahren nicht zweifelhaften, aber dennoch wegen seines 
plötzUchen Ausbruches immerhin überraschenden Kampfes hervorzuheben sind, haben nicht verfehlt, «auch 
in unserer Anstalt sich geltend zu machen und in dem in der Regel so einfachen und ruhigen Schulleben 
Aufregungen und Veränderungen hervorzurufen, die im gewöhnlichen Verlaufe der Dinge nicht 
vorzukommen pflegen. Zwar hat der Unterricht seinen gewöhnlichen Fortgang gehabt und haben 
auch alle jene übUchen Hergänge, die gleichsam wie Lichtpunkte in das alltägliche Schulleben 
belebend hineinzufallen pflegen, wie der Anfang und der Schluss des Sommertumens, die alljährlichen 
Tumfahrten der älteren Schüler nach ferneren, der jüngeren nach näheren Orten in der Um- 
gegend etc. stattgefunden, imd hält Ref. es für angemessen, solche nicht weiter ausführlich zu 
berühren. Allein die Ertheilung des Unterrichts selbst war für die Anstalt mit nicht gewöhnlichen 
Schwierigkeiten verbunden, und hat sich der Erfolg bei aller Sorgfalt, welche von Seiten der Lehrer 
darauf verwendet worden ist, dennoch in einzelnen Fällen als ein mindestens zweifelhafter heraus- 
gestellt Schon mit der Eröffnung des Sommersemesters fand wiederum ein Lehrerwechsel statt. 
Nachdem der bis Ostern 1870 ad Interim angestellte Dr. Juling, dessen Lehrthätigkeit sich 
hauptsächUch auf den Unterricht in der Mathematik erstreckte, in Anbetracht dass drei mathe- 
matische Lehrer nicht füglich an der Anstalt mit Nutzen zu verwenden waren, uns um jene Zeit 
verlassen und an der Realschule zu Schönberg eine anderweitige amtliche Thätigkeit gefunden 
hatte, war der auf dem GrossherzogUchen Seminar zu Neukloster vorgebildete Herr Friedrich 
Brandt^), welcher bereits anderwärts genügende Proben seiner Lehrbefähigung abgelegt» imserem 



^) Friedrich Johann Carl Brandt , geb. zu Neokrenzlin bei Lndwigslnst am 19. Januar 1842 , erhielt seine 
Schulbildung auf der Bealschrle zu Ludwigslust, wirkte hierauf längere Zeit als Hauslehrer, dann als Schulassistent und trat 
Michaelis 1865 nach bestandener Aufnahme -Prüfung in das Schullehrerseminar zu Neukloster. Nach absolvirtem zweijährigen 
Seminarcursus wurde ihm die Hülislehrerstelle an der Nayigations - Vorbereitungsschule zu Daendorf auf dem Fischlande ver- 
liehen, von woher er nach dreijähriger Wirksamkeit zu Ost«m 1870 an das hiesige Gymnasium Fridericianum berufen 
worden ist. 

8 



58 

Gymnasium zur Hülfsleistung zugewiesen worden, und wurde ihm bei seinem Eintritt der Unterricht 
in den untern Classen im Deutschen, im Rechnen, in der Naturgeschichte und in der Religion 
zuertheilt. Da derselbe die ihm übertragenen Lehrstunden mit Geschick und Eifeir und zugleich mit 
sichtbarem Erfolg gegeben, so ist er auch von Michaelis a. p. an der Unsrige geblieben und steht 
zu erwarten, dass er ehebaldigst eine dauernde Stellung hieselbst erhalten werde. Hatte es nun 
auch den Anschein, als werde der begonnene Unterricht forthin seinen regelmässigen Verlauf nehmen, 
so ging diese Erwartung bedauerhchst nicht in Erfüllung. Von der um dieselbe Zeit in hiesiger Stadt 
ausgebrochenen Masern -Epidemie wurde auch einer der erst seit Michaelis 1869 an der Anstalt 
thätigen Lehrer, der Dr. Walter ergriffen, und wenn schon die genaonte Krankheit dem Vernehmen 
nach einen ruhigen und regelmässigen Verlauf hatte, so traten dennoch abbald ihre Nachweheu in 
Besorgniss erregendem Grade ein. Um jene bedenklichen Erscheinungen wo möglich zu beseitigen 
und die drohende Gefahr abzuwenden, unterzog der Leidende sich einer Trinkkur in Lippspringe, 
allein ohne allen Erfolg; heimgekehrt erlag er einem Brustiibel am 3. September 1870. Sein 
Hinscheiden versetzte die Anstalt in tiefe Trauer, welche besonders am Tage der Beerdigung am 
7. September, an welchem alle Lehrer und sämmtliche Classen der Leiche folgten, hervortrat; sie 
war um so aufrichtiger, je mehr es sich ungeachtet der nur kurzen Wirksamkeit des Verstorbenen 
herausgestellt hatte, dass der Anstalt in ihm ein treuer und gewissenhafter, eben so sehr duixh 
gründliche Kenntnisse als durch pädagogische Tüchtigkeit befähigter Lehrer entrissen worden sei, 
welcher bereits vielversprechende Erwai'tungen einer segensreichen Thätigkeit erweckt hatte. Denn 
wie regsamen Geistes und wie scharfen Urtheils der Entschlafene im gewöhnlichen Leben auch war, 
so besftss er doch zugleich jene freundliche Milde des Gemüths, welche ihm in der kurzen Zeit 
seines Hierseins nicht allein die Liebe und Zuneigung seiner Schüler, sondern auch die Achtung und 
Anerkennung seiner iCoUegen in dem Grade erworben hatte, dass Einzelne von diesen selbst durch 
die Bande der herzlichsten Freundschaft sich mit ihm verbunden fühlten. Er ruhe in Frieden! 

Fast gleichzeitig mit jenem wurde noch ein anderer Lehrer von einem langwierigen Leiden 
heimgesucht, welches ihn bis zum Ende der Somraerferien seiner amtlichen ThÜtigkeit entzog. 
Da beide Lehrer in den wichtigen unteren Classen als Ordinarien beschäftigt waren, so musste, um 
die aus den bilden gleichzeitigen Vacanzen hervorgehenden Uebel stände auf das geringste Maass 
zurückzuführen, die bis dahin in zwei getrennte Coetus getheilte Quinta wiederum unter 
einem Classenlebrer zusammengelegt, und für die Sexta ein Ordinarius ad interim bestellt 
werden, für den hiedurch, da er bereits ein Ordinariat in einer der oberen Cla^ssen zu verwalten 
hatte, ein nicht geringer Zuwachs an Arbeit und Mühe hervorging, welcher er sich jedoch fa«?t den 
ganzen Sommer hindurch 'mit voller Hingebung unterzogen hat. Wurden nun durch diese Verhält- 
nisse mehr nur die Kräfte der Lehrer in Anspnich genommen, so wirktf? gleichzeitig der unterdess 
entbrannte Deutsch -Französische Krieg mit unglaublicher Gewalt auf die Gemütbei* der 
erwaclisenern Jugend; wer nur irgend mit Erfolg die Waffen glaubte iühren zu können, der 
trat hervor mit dem festen Entschlüsse, das Vaterland gegen den übermüthigen Feind zu ver- 
theidigen, und es galt daher die von tiefster Entrüstung ergriffene, ungestüm aufwallende Jugend, 
unter vollständiger Wahrung ihrer gerechten Begeisterung so zu lenken und zu feiten, dass ihrer 
Zukunft nach Beenifigung des Kampfes kein Eintrag geschehe. Ref. erklärte daher, dass, abgesehen 
von einzelnen Schülern der Secunda und Tertia, welche nicht die Absicht hätten sich den 
Universitätsstudien zu widmen, sondern entweder die militärische Laufbahn überhaupt einzuschlagen 
oder doch wenigstens ihr Freiwilligenjahr sofort abzudienen gedächten, es für die Schüler der 
Prima unter allen Umständen als geboten erscheine, nur nach zuvoriger Absolvirung 
des Abiturienten -Examens in das Heer einzutreten; demnach möchten diejenigen, 
welche bereits in einem höheren Glassenalter ständen, für den Fall, dass desfall^ige Ver- 
fugungen von dem Hohen Ministerium erlassen würden, sich sofort mit allem Ernst und Eifer zu 



dem genannton ExttDien yarbereiten. £& gereichte daher dem Ref. zu nicht geringer Freude, jeae 
Mahnung rechtzeitig erlassen zu haben, ak die gedachte Hohe Behörde bereits durch Bescript v«m 
23. JuU a. p. die Genehmigung ertheilte, dase auch die Schüler der Prima, welche erst l^s Jahre 
in dieser Classe gesessen, dennoch sofort zur Maturitäts-Prüfung zuzulassen seien, jedoch mit voll- 
atöndiger Aufrechthaltux^ der Forderungen für die geistige academische Keife. In Folge dessen 
wurde in dem schon an und für sich kürzeren Sommersemester eine zweimalige Abiturienten- 
Prüfung abgehalten, die erste ordentUche kurz vor dem Eintritt der Hundstagsferien, die zweite 
ausserordentliche in jenen Ferien selbst, und es gereicht der Anstalt zur Befriedigung, dass auch in 
der letzteren sämmtliche 5 Abiturienten bei gleichmässig strenger Anforderung das Zeugniss der 
academischen Reife, Einer sogar des ersten Grades, erhalten konnten. Die gesetzUch vor- 
geschriebene öffentliche Entlassung dieser Abiturienten hat allerdings nicht stattfinden können, 
da sieben von ihnen sofort in das Heer eintraten; auch hätte dieselbe überall vor sämmtlichen. 
Schülern und Lehrern eben so wenig, als in den beiden voraufgehenden Semestern vorgenommen 
werden können, da bis zum Herbst vorigen Jahres ein angemessenes Local dazu nicht vorhanden 
war. Dieser Uebelstand ist erst um die angegebene Zeit gehoben worden und diess fuhrt uns zu 
dem bedeutendsten Ereigniss des zu Ende gehenden Schuljahres, nämlich zu der Uebersiedelung 
des Gymnasium Fridericianum in das durch die Munificenz des Allergnädigsten 
Landesherrn erbauete neue Gymnasial-Gebäude. Mit ausdrückhcher Genehmigung der 
Hohen Behörden war zur Einweihung und Uebergabe des neuen Hauses der 1 0. October, an welchem 
Tage das Wintersemester beginnen sollte, festgesetzt worden. Demzufolge musste, um eine Unter- 
brechung des Unterrichts so viel als möglich zu vermeiden und am 11. October das gedachte 
Semester eröffnen zu können, der durch die zu Michaelis 1809 erfolgte Reorganisation des Gymna- 
siums, welcher bereits in dem vorigen Programme gedacht ist, in hohem Grade erschwerte Umzug 
in den voraufgehenden Wochen beschafft und sämmtliche UtensiUen und Apparate in dem neuen 
Gebäude zweckmässig untergebracht werden. Die meiste Arbeit verursachte die in den grossen 
Hörsaal des alten Gymnasiums zeitweihg eingeräumte und wegen Mangels an geeigneten Repositorien 
in völUger Unordnung belassene Schulbit;»liothek, welche in dem neuen Gymnasium eine ganz npue 
Aufstellung und Einordnung nöthig machte. Um diess Alles möglichst rasch zu Ende zu fuhren, 
wurde das Sommerhalbjahr nicht in vorschriftsmässiger Weise am Freitag den 30. Sept., sondern 
mit Genehmigimg der Hohen Behörde bereits am 27. Sept. geschlossen, jedoch mit der Voraussetzung, 
dass die also gewonnenen drei Tage nicht als Schulferien zu gelten hätten, sondern von Lehrern 
und Schülern zur Uebersiedelung der Anstalt benutzt werden möchten. Der Erfolg war ein vrider 
Entarten rascher und günstiger, und sind, da auch jüngere Schüler sich bei dem Räumen der 
Bibliothek mit lebhaftem Interesse betheiligten, Zeit und Kosten bedeutend erspart worden. Die 
Schulbibliothek selbst ist jedoch erat in den letzten Wochen des October geordnet worden, und hält 
Ref. sich für verpflichtet, dem Herrn Dr. Sellin, welcher für den auf eignen Wunsch abgetretenen 
Herrn Dr. Latendorf seit Michaelis 1870 das Amt eines Unterbibliothekars übemonunen und als 
solcher sich dem mühevollen und zeitraubenden Geschäft, die Bibliothek gehörig zu ordnen, in der 
liberalsten Weise unterzogen hat, dafür allhier den aufrichtigen Dank der Anstalt öffentlich aus- 
zusprechen. 

Die Einweihungsfeier fand am 10. Oct. früh um 11 Uhr in einfacher und erhebender Weise 
statt. Nachdem eine halbe Stunde vorher sämmtliche Glassen in dem Kreuzgang sich versammelt 
und aufgestellt hatten, zogen sie unter den Klängen des von einem voraufgehenden Musikchor 
vorgetragenen Chorals: Wie schön leuchtet etc., gefolgt von ihren Lehrern, der Domgeistlichkeit, 
dem Scholarchat und den Schulräthen, durch die Bischofs- und durch die Marienstrasse nach dem 
neuen Gebäude, woselbst sich unterdess die von dem Hohen Ministerium geladenen Personen ein- 

8* 



^ 

gefdnden hatten, und nahmen, gefuhrt von ihren Lehrern, die für sie bestimmten Plätze ein. Hier^ 
auf erschienen Ihre Königlichen Hoheiten die regierende Frau Grossherzogin, die Frau 
Grossherzogin-Mutter, die Frau Herzogin Wilhelm und Ihre Hoheit die Herzogin 
Marie nebst Gefolge — Se. Königliche Hoheit der Grossherzog war durch seine Thätigkeit 
im Felde bedauerlichst an dem Ei-scheinen behindert worden — , worauf, nach Absingung eines 
Chorals, der Protoscholarch Herr Superintendent Dr. Karsten die Rednerbühne betrat und, nach- 
dem er in tiefergreifender Rede die Weihe des neuen Hauses vollzogen, dasselbe unter Hinweis 
auf die wichtigen Pflichten des Lehrerberufs und mit den herzlichsten und aufrichtigsten Wünschen 
für das fernere Gedeihen der Schule, dem Director und dem Lehrer - (Kollegium zu fernerem 
Gebrauche überwies. An diese Rede schloss sich unmittelbar eine Motette an, vorgetragen von dem 
Schülerchor imter Leitung des Herrn Musikdirectors 0. Kade, und hielt darauf Ref. die Festrede, 
nach deren Beendigung von sämmtUchen Anwesenden der Choral: Nun danket Alle etc. gesungen 
und hiemit in würdiger Weise die Feier beschlossen wurde. 

Am Nachmittage desselben Tages versammelten sich in Folge einer Einladung der Bau- 
Committe die theils bei der Einweihung anwesend, theils bei dem Bau selbst vorzugsweise betheiligt 
gewesenen Personen zu einem Festmahle in dem Stern'schen Hotel und sollte dann die Feier des 
Tages durch einen von sämmtlichen Classen des Gymnasiums zu Ehren der Allerhöchsten 
Herrschaften veranstalteten Fackelzug ihren Abschluss erhalten, der jedoch leider der ungestümen 
Witterung wegen auf den nächstfolgenden Abend verschoben werden musste. Diess sollte jedoch 
die Freude unserer Jugend nicht stören; die MitgUeder der oberen Classen vereinigten sich mit 
Genehmigung des Ref. zu einem Abendvergnügen in der hiesigen Centralhalle, an welchem sich 
ausser den Lehrern des Gymnasiums auch eine grössere Anzahl früherer Schüler des Frideridanums 
zur grössten Freude ihrer jüngeren CommiUtonen betheiUgten. In der hiedurch noch mehr gehobenen 
heitern Stimmung, die jedoch im HinbUck auf die schweren Zeitverhältnisse einen angemessenen 
Ernst nicht verkennen Uess, fand es den allgemeinsten Anklang, dem fem im schwersten Kampfe 
weilenden gehebten Landesherm ein den freudigsten Dank unserer Jugend kündendes Telegramm 
nach Rheims zu übersenden, welches Se. Königliche Hoheit einer ausdrückhchen mündlichen 
Mittheilung zufolge mit gewohnter Huld und Güte entgegenzunehmen geruhet haben. 

, Am Tage nach der Einweihung, am 11. Octob., wurde früh um 10 Uhr das Wintersemester 
mit dem übUchen Morgengebet eröffnet, worauf weiter die hauptsächUchsten Schulgesetze den 
sämmtUchen Classen von dem Ref. mitgetheilt und eingeschärft, und sodann die in das Gynmasium 
neu eintretenden Knaben in den Schulverband aufgenommen wurden. Zugleich wurde auch der 
Candidat des höheren Schulamtes, Herr Carl Johann Wilhelm Beckmann^), welchem von dem 
Hohen Ministerium die durch den Tod des Dr. Walter erledigte Stelle verliehen worden war, von 
dem Ref. in sein neues Amt eingewiesen und hiedurch die vorhandene Lücke im Lehrerpersonal 
wieder ausgefüllt, in der Hoffnung, dass nunmehr der Unterricht in den neuen Räumen vorerst 
seinen ungestörten Fortgang haben werde. Allein auch diese Hoffnung sollte nicht in Erfüllung 
gehen. Zwar hatte sich Ref. bereits in den letzten zwei Jahren vollständig mit dem Gedanken 
vertraut gemacht^ dass die Anstalt in dem Oberlehrer Dr. Hager ihren ersten Religionslehrer 
ehestens verheren werde, da derselbe seinem Wunsche sobald als thunhch in die Verwaltung eines 
Pfarramtes, worin er seinen eigentlichen Lebensberuf zu erkennen glaubte, einzutreten, zu wieder- 
holten Malen Ausdruck gegeben hatte. Allein dessenungeachtet fühlte sich Ref. sichtUch überrascht, 



*) Carl Johann Wilhelm Beckmann, geboren zu Parchim den 9. April 1848, besuchte das Gymnasium seiner 
Vaterstadt und studirte von Ostern 1867 bis Michaelis 1870 zuerst Theologie und Philologie, dann ausschliesslich Philologie 
in Erlangen, Rostock und Leipzig. 



— «1 

als ihm der Genannte am 16. Dec. seine Präsentation und am 19. ejus dem die auf ihn gefallene 
Wahl zum Prediger in Rambow anzeigte mit dem Hinzufugen, dass. er mit Ablauf des Jahres sein 
hiesiges Amt niederlegen und noch in den Weihnachtsferien Schwerin verlassen werde; letzteres 
geschah am 4. Januar 1871. Wie herzlichen Antheil nun Ref. an diesem Ereignisse auch nahm 
imd wie aufrichtig er den Scheidenden beglückwünschte, dass er das Ziel, welches er sich zur 
Lebensaufgabe gemacht, glückhch erreicht habe, so konnte er dennoch im Interesse der Schule 
diesen so plötzlichen Wechsel nur auf das Lebhafteste beklagen. Denn abgesehen davon, dass die 
Anstalt an dem Dr., Hager einen Lehrer verlor, der sein gründUches Wissen in der Förderung und 
ganz besonders in der sittUchen Entwickelung der ihm anvertraueten Jugend zur Geltung zu bringen 
verstand und der zugleich durch ein gerades und offenes Wesen, sowie durch freundliche Grefalligkeit 
und Dienstiertigkeit die Freundschaft und Achtung seiner CoUegen, durch aufrichtiges Wohlwollen die 
Liebe und Zuneigung seiner Schüler sich zu erwerben wusste, so wurde sie ausserdem noch durch 
die plötzUche Veränderung, welche hinsichtlich der sofort vacant werdenden Lehrstunden eintreten 
musste, bei weitem mehr als in andern ähnlichen Fällen berührt. Es handelte sich nämlich nicht 
darum, die einzelnen Stimden einfach unter die übrigen Lehrer zu vertheilen, sondern bei der 
Wichtigkeit der in Ffage stehenden Lehrfächer galt es dieselben sogleich so zu besetzen, dass die 
betreffenden Lehrobjecte der Lehrverfassung gemäss ohne Unterbrechung imd somit ohne Nachtheil 
für die Schüler vorschriftsmässig fortgeführt würden. Dem Ref. erwuchs hieraus von Neuem die 
schwierige und zeitraubende Arbeit, mitten im Semester den ganzen zehnclassigen Lectionsplan 
völlig umarbeiten zu müssen, ein Umstand, den er im Literesse der Anstalt nur beklagen kann, 
weil dadurch, zumal da zu Ostern a. c. bei dem Eintritt eines neuen Lehrers dasselbe wird geschehen 
müssen, die Schule nie zu der nöthigen Ruhe kommt, sondern unablässig hin und hergeworfen wird. 
Nichtsdestoweniger unterzieht Ref. sich allen diesen Arbeiten mit aufrichtiger Hingebung, weil er durch 
das Gredeihen der Anstalt^ welches trotz dieser immerwährenden Veränderungen dennoch sichtbar 
zu Tage tritt, sich stets freudig bewegt fühlt und darin zugleich für die vielen Mehrarbeiten, welche 
ihm aus der Vergrösserung der Schule überhaupt erwachsen, hinreichende Genugthuung findet 

Zur besonderen Befriedigung gereichte es der Anstalt, dass sie in diesem Jahre in der Lage 
war, die Allerhöchste Geburtstagsfeier am 28. Februar d. J., welche in dem vorigen Jahre 
aus Mangel an einem passenden Locale bedauerUchst hatte ausfallen müssen, in der herkömmlichen 
Weise begehen zu können. Es war dazu nachstehendes Programm ausgegeben worden. 

Choral: Wie schön leuchtet der Morgenstern. — Heinrich Evers: Oix ayad'ov nokv^ 
xoiqftiiijy elg xolqotvog iWcri, ug ßaaikevg, (Lat. Rede.) — Weihnachtslied von Mich. Praetorius: 
Geboren ist Emanuel. — Adolph Brandt: Die Eroberung von Strassburg. — Chor: Gk)tt segne 
Friedrich Franz! — Motette von Hauptmann: Gott mein Heil. — Johannes Eichbaum, 
Friedrich Lechler und Hermann Wachenhusen: Scene aus Uhlands Fragment Conradin. 

— Männerchor: Rheinsehnsucht, von Becker, eingeübt von Otto Tapp. — Hans Bock: Die 
Tanne von Strassburg, von F. Rückert — Wilhelm Pfähler: An die norddeutsche Flagge, von Freitag. 

— Der kleine Chor: Deutschland, von Mendelssohn-Bartholdy. — Friedrich v. Hintzenstern: 
Hurrah, Germania! von Freiligrath. — Max Schneider: Harald, von Wolfgang Müller. — Drei Volks- 
lieder von Mendelssohn-Bartholdy. Der Mittelsatz wird vom kleinen Chor gesungen. — Caesar 
Rochow, Otto Reinhardt imd Johannes Mulsow: Scene aus Schillers Piccolomini. — Abend- 
lied von Grell: Die Sonne sinkt — Johannes Krieger: Das Glück von Edenhall, von Uhland. 
Friedrich Jahn: Der rechte Barbier, von Chamisso. — Wilhelm Peters: SoldatenUed, von 
Kräusler. — Abendlied von Ohlschläger: Still wie ein Schwan. — Theodor Aarons: De 
richtige Reknung, von F. Reuter. — Hermann Sandrock: Wächter imd Bürgermeister, von 




Claudius. — Alex. Grohmann: Wer hett de Fisch stahlen, von F. Reuter. — Chor: Die Wacht 
am Rhein. 

Noch ist im Interesse der Angehörigen unserer Schüler einer Verfügung des Hohen Mini* 
steriums vom 31. December 1870 zu gedenken, derzufolge diejenigen Schüler der unteren Classen 
(incl. Obertertia), welche ein Jahr über den vorschriftsmässigen einjährigen Glassen-Cursus 
hinaus in einer Classe gesessen haben und dennoch zur Versetzung in eine nächsthöhere Classe nicht 
für reif befunden werden, durch Beschluss des Directors und der betheiligten Lehrer von der 
Anstalt entfernt werden können, solches jedoch bei dem voraussichtlichen Eintreten einer derartigen 
Maassnahme den resp. Aeltern ein Vierteljahr vorher angezeigt werden soll. 

Als ein Festtag des Gymnasiums darf der 30. Januar d. J. angesehen werden. Schon am 
Abend des voraufgehenden Tages, an dem Geburtsfeste unserer allverehrten Frau Gross- 
herzogin, war gleichsam zur Erhöhung dieser füi* das ganze engere Vaterland so bedeutungsvoUeu 
Feier ein kaiserliches Telegramm aus Versailles hieselbst zur allgemeinen Kenntniss gebracht worden, 
dass Paris endlich capitulirt habe. Die allgemeine Ruhe, mit welcher diese so überaus 
wichtige Nachricht ganz im Gegensatze zu dem freudigen AuQubeln anderer, durch die Opfer, die 
der Krieg gefordert, nicht minder schwer heimgesuchten Städte allhier aufgenommen wurde, mag allerdings 
ihren Grund in der tiefen Trauer gehabt haben, in welche gerade hier bo manches Vater- und 
Mutterherz namentlich während den letztvoraufgegangenen Wochen versetzt worden war. Allein 
da grosse weltgeschichtliche Ereignisse nicht nach den Gefühlen und Empfindungen Einzelner, 
sondern lediglich nach dem Einfluss und dem Segen, den sie voraussichtUch auf das Grauze üben 
werden, bemessen und beurtheilt werden dürfen, so hielt Ref. in Anbetracht, dass die unvergleich- 
liche Tapferkeit und Ausdauer der deutschen Heere unser gemeinsames Vaterland vor den entsetz- 
lichsten Leiden und Drangsalen, die ihm bevorgestanden, behütet und bcwahi*t hatte, es für angemessen, 
sofort am Morgen des 30. Januar sämmtliche I^ehrer und Schüler zu einer Festandacht in der Aula 
des Gymnasiums zu versammeln und in einer Ansprache auf die ungewöhnliche Bedeutung des obigen 
Ereignisses, insonderheit aber auf die frevelhafte Veranlassung zum Kriege und auf die segensreichen 
Folgen desselben für unser gemeinsames Vaterland hinzuweisen und schliessUch die Jugend dahin 
zu ermahnen, die Erinnerung au die erlebten grossen Erfolge, der deutschen Waffen und des 
deutschen Heldenmuthes stets treu im Herzen zu bewahren, mit dem Entschlüsse, wenn sie heran- 
gewachsen und zu Männern geworden, falls ähnliche schwere Zeitverhältnisse eintreten sollten, dem 
empfangenen Beispiele gemäss mit Gut und Blut, nicht den Worten nach, sondern mit der That 
einzustehen für das Wohl und die Rettung des Vaterlandes. 

Schliesslich wird noch bemerkt, 1) dass die hierunten abgedruckte Festrede des Kel\ ledigUch 
um der Vollständigkeit der Schul- Annalen willen, die erst in späteren Zeiten eine gewisse Wichtigkeit 
zu erhalten pflegen, mitgetheilt, und 2), dass, um den wiederholten Anfragen der Aeltern, welche ihre 
Söhne dem hiesigen Gymnasium zu übergeben beabsichtigen, in Betreff der CLissenziele etc. entgegen- 
zukommen und ihnen die ausführlichste Auskunft zu geben, die von dem Hohen Ministerium ge- 
nehmigte Lehr Verfassung dem Druck übergeben worden ist. Da auf Grund derselben die Er- 
theilung des Unterrichts in dem verflossenen Schuljahre, von einigen Vacanzen abgeseheu. gewissen- 
haft stattgefunden hat, so ist die Angabc der ertheilten Xectionen auch schon um der Raum- 
ersparmss willen für diessmal von dem Ref. weggelassen worden. Mögen die gegebenen Mittheilungen 
genügen zum Beweise, dass die Anstalt unablässig in allen ihren Ghedem bemühet ist, die ihr 
gestellte Aufgabe treu und redtich zu erfüllen, und wolle der allgütige Gott nach wie vor seinen 
Segen dazu geben. 



Rede, 

gebalten bei der Emweihug des neuen Gymnasiiims 

am 10. October 1870. 

Wenn nach den erhebenden Worten, durch welche die Weihe dieser Räume so eben voll- 
zogen worden ist ^\ auch mir als zeitigem Vertreter dieser Anstalt die Ehre des Wortes zu Theil wird, 
um auszusprechen, was augenbUcklich mein Inneres bewegt, so halte ich mich zunächst für ver- 
pflichtet, den Gefühlen dei^ Dankbarkeit für den ausgezeichneten Beweis der Allerhöchsten Huld und 
Gnade, welcher durch die Erbauung dieses Hauses dem Gymnasium Fridericianum von Neuem zu 
Theil geworden ist, geziemenden Ausdruck zu geben. Sollen jedoch diese Dankesworte etwas mehr 
als eine von dem Herkommen gebotene ehrfurchtsvolle Aeusserung sein, so werden sie von der 
Erklärung begleitet sein müssen, dass die Anstalt auch den festen Willen hat, sich dieses besonderen 
Beweises Allerhöchsten Wohlwollens nach wie vor würdig zu erweisen und dass sie demnach 
entschlossen ist, der ihr gestellten Aufgabe mit Aufbietung aller Kräfte gewissenhaft nachzukommen 
und zu genügen. Daher hält sie es für geboten, in dieser feierlichen Stunde gleichsam Zeugniss 
abzulegen von dem Geiste, welchen sie selbst in sich entwickelt und darstellt und welchen in ihren 
Zöglingen heranzubilden und ziu- Geltung zu bringen sie bemühet ist. Denn sie betreibt kein 
gewöhnliches Geschäft, noch rechnet sie mit todten Factoren; sie hat vielmehr mit dem Edelsten zu 
thun, was die Natur dem Mensclien verliehen hat, was jiedes Vater- und Mutterherz mit den 
heiligsten Gefühlen der Liebe umfängt und mit den freudigsten Hoffnungen imd mit der unab- 
lässigsten Sorge hegt und pflegt; ihr liegt es ob, gleichwie einst Prometheus der rohen Masse 
Leben und Odem einhauchte, also sich in den in der Körperhülle noch unentwickelt ruhenden jugend- 
lichen Geist zu versenken und ihn mit ihrem Geiste zu beleben und zu bilden, auf dass er Knospen 
und Blüthen treibe und dermaleinst gute Früchte bringe. 

Allein je wichtiger dieser Lehrberuf ist, weil er auf ganze Generationen entscheidenden 
Einfluss zu üben vermag, um so schwerer ist die Verantwortlichkeit, die auf ihm ruhet; und es kann 
daher nicht bestimmt genug hervorgehoben werden, dass derselbe, lun wahrhaft segenbringend zu 
werden, keine anderen Ziele zu verfolgen hat, als die, das jugendliche Herz zu veredlen und den 
jugendlichen Geist zu bilden. Beide Ziele sind vereint anzustreben, da die Erreichung nur des 
Einen jede Erziehung einseitig und mangelhaft macht. Welche Mittel aber hat das Lehramt 
anzuvrenden, um beide zugleich zu erringen? 

^ Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dass, wie in dem jugendlichen Gemüthe die an- 

gebornen Neigungen lange Zeit hindurch der Veredlimg des Herzens und der Bildung des Geistes 
schweren Kampf bereiten imd erst allmälig dorn sich beugen, was man Humanität nennt, so auch 
in der Entwickelungsgeschichte der Menschheit ein gleicher Widerstreit uns entgegentritt. Ein Blick 
auf den gegenwärtigen Bildungszustand Europas und speciell der germanischen Völker genügt, um 
zu erkennen, dass derselbe nicht aus sich selbst entstanden, nicht aus sich selbst erwachsen und 
hervorgegangen, sondern dass er ein Ergebniss der ganzen Vergangenheit ist; Alles was der mensch- 
liche Geist seit Jahrtausenden in rastloser Mühe und Arbeit errungen und aus seinem ureigneti 
Wesen geschaffen und hervorgebracht hat, das ist, mögen auch die Völker, an denen solches vor- 
nehmUch zu Tage getreten, längst in Staub und Asche gesunken sein, dennoch ein unveräusserliches 
Gemeingut der ganzen Menschheit geworden. Aber dieses Gut ist gewonnen nicht ohne den 
schwersten Kampf gegen eine noch auf der tiefsten Culturstiife stehende Welt, und zwei Mächte 



*) Durch den Protoscholarcben der Anartalt Herrn Superint. Dr, Karsten. 



04 

haben es errungen, die uranfanglich sich feindlich einander gegenüber standen, bis die Eine endlich 
versöhnt der Andern die Hand reichte, lun sodann treu vereint den heutigen Europäischen Bildungs- 
zostand zu begründen; indessen erst dem Germanischen Geiste war es vorbehalten, die volle Ver- 
söhnung beider herbeizufuhren, und in ihm ruhen daher noch heutigen Tages die beiden Mächte, welche, 
zwei himmelanstrebenden Pfeilern vergleichbar, den stolzen Bau unserer Bildung stützen und tragen, das 
Ghristenthum und das classische Alterthunu Beiden Mächten kann Niemand sich entziehen, 
welcher Anspruch auf Bildung macht; vielmehr ist jeder, der sich berufen fühlt, als würdiger Mitarbeiter 
an dem Werke der Gegenwart aufzutreten, gezwungen, sich dem Einflüsse beider völlig hinzugeben, 
weil er nur so zu einem richtigen Verständniss seiner Mitwelt, in der er selbst wirken und scha£fen 
will« gelangen kann. Ist aber jeder an den Bildungszustand der Jetztzeit mit unauflös- 
lichen Banden geknüpft^ wird er da wohl im Stande sein, sich von dem Urheber und Schöpfer 
desselben, also von dem Ghristenthum selbst irgend wie zu lösen? Ist solches ganz unmöglich, so 
folgt mit innerer Nothwendigkeit, dass derselbe Geist, dem wir Alle unseren gegenwärtigen Bildungs- 
grad verdanken, auch unsere Bildungsstätten, in denen jener vermittelt wird, auf das Innigste durch- 
wehen und durchdringen muss. 

Aber dieser christUche G^ist soll sich offenbaren nicht etwa bloss in dem, was speeiell als 
christliche Lehre der Jugend mitgetheilt und eingepflanzt wird; er soll von hier aus auch belebend 
wirken auf die Bildungsstätten selbst in ihrer TotaUtät, also in der Betriebsamkeit der Lehrenden 
und der Lernenden; er soll das jugendliche G^müth heben und ermuthigen durch den Glauben; er 
soll es stärken und kräftigen durch die Erweckung des Willens; er soll es erfüllen und durchdringen 
mit jener opferfreudigen Hingebung, welche in jeder Lage des Lebens ohne Rücksicht auf eignen 
Vortheil und Gewinn nur in einer gewissenhaften Pflichterfüllung volle Befriedigung findet; mit 
einem Wort, der Geist des Ghristenthums soll sich gestalten zum Geiste der Berufstreue und des 
Fleisses, der Pünktlichkeit und der Ordnung, des Gehorsams iind der Liebe; er soll nait seiner 
läuternden Gotteskraft die menschliche Gesanmitkraft zur vollen Blüthe entfalten und allseitig zur 
schönsten Harmonie entwickeln. Und diesen christlichen Geist in sich darzustellen, ihn aus sich 
weiter zu erzeugen und also die Veredlung der jungen Herzen zu bewirken, das ist die Aufgabe der 
Gymnasien, ist also auch die imsrige. 

Dieser Geist aber, ist er etwa ein anderer, als der durch die grösste That der Neuzeit in 
uns Allen von Neuem lebendig gewordene? Oder sollte die Reformation der spitzfindigen Dialectik 
einer verknöcherten Scholastik nur desshalb ein Ende gemacht haben, um aus dem steinernen Felsen 
statt des silberhell sprudelnden Quells der Alles erwärmenden und erquickenden christlichen Liebe 
nur das trübe Rinnsal eines starren FormaUsmus yon Neuem hervorzulocken ? Wenn es wahr ist, 
dass die unter dem Hauche des vdedererwachten classischen Alterthums ins Leben geti'etene Refor- 
mation jene Fesseln brach, um den urächten Geist des Ghristenthums gleichsam in neuer Jugend- 
frische durch die Herzen ihrer Bekenner strömen zu lassen, so ist es ebenso wahr, dass, nachdem 
Luthers Mahnwort an alle Rathsherren Deutschlands, für gute Schulen zu sorgen, zur Wahrheit 
geworden, kein anderer Geist in diesen wohnen imd lebendig sein solL 

Auch unser Gymnasium ist eine Schöpfung der Reformation und niemals hat es, mögen 
auch hin und wieder dunkele Wolken über dasselbe dahingezogen sein, diesen seinen reformatorischen 
Character verläugnet. Indessen wer gewohnt ist, auch in scheinbar unbedeutenden Dingen etwas zu 
sehen, den dürfte in diesem Augenblicke leicht ein Gefühl der Sorge überkommen. Zwar hat die 
Reformation das Monopol der Gelehrsamkeit, welches früher die katholische Kirche für sich allein in 
Anspruch nahm, in den protestantischen LändemWöUig beseitigt; aber auch so ist in diesen Schule 
und Kirche stets Hand in Hand mit einander gegangen und auch räumUch haben Trennungen nicht 
leicht stattgefunden, ausser auf Grund unabweisUchen Bedürfiiisses. Doch sind diese überall ohne 



Folgen geblieben? und werden solche auch hier zu besorgen sein? Wir glauben es nicht; so lange 
der Geist der Reformation durch unsere Anstalt waltet» wird sie in voller Freiheit sich nach wie 
vor ungestört entwickeln. Dass aber derselbe Geist, der Johann Albrecht einst bewog sie zu 
gründen, sie auch an dieser neuen Stätte, wie vordem unter den Mauern des ehrwürdigen Domes 
erfüllen wird, dafür bürgt das erste Weihewort, welches aus Erlauchtem Munde in treuer Erinnerung 
an eine edle in Gott ruhende Fürstin über den Grundstein dieses Hauses dahintönte: ich bau auf 
Gott! Und auf Gott und seinem ewigen Worte wird auch hier die Anstalt ruhen. 

Hiemit aber haben wir nur einen Theil der Aufgabe, welche das Gymnasium zu lösen hat, 
behandelt; nicht minder wichtig ist der zweite, die Bildung des Geistes, und es fragt sich, durch 
welche Mittel diese vornehmlich erreicht werde. Wir antworten: einzig und allein durch eine ein- 
gehende Beschäftigung mit dem classischen Alterthum und vorzugsweise durch das 
Studium der alten.Sprachen. Es ist nothwendig, diess von vornherein um so entschiedener zu betonen, 
je heftiger die Angriffe zum Theil gewesen, zum Theil noch sind, welche man gegen diesen Hauptgegenstand 
des Gymnasial -Unterrichts gerichtet hat. Man hat behauptet^ derselbe sei bei dem gegenwärtigen 
Zustande unserer modernen Bildung nicht allein entbehrlich, sondern geradezu ein Uebel, weü er 
ein gedeihliches Fortschreiten in den übrigen Lehrdisciplinen, besonders in den neueren Sprachen 
beeinträchtige. Andere haben sich nur gegen das Uebermass erklärt und demnach nur das Noth- 
dürftige gefordert, etwa um die übliche fremdländische Nomenclatur zu verstehen und richtig an- 
zuwenden. Noch andere haben jenen Unterricht nicht bloss als unnütz und entbehrhch, sondern 
geradezu als gefahrUch bezeichnet, weil die anhaltende Beschäftigung mit der heidnischen Welt den 
christlichen Sinn gefährde und dem Christenthum selbst Schaden bringe. 

Den letzten Vorwurf können wir auf sich beruhen lassen. Es ist bei der Eigenthümlichkeit 
des Deutschen, Fremdländisches zu bewundem und in Sprache, in Tracht, in Sitte, in Denkweise 
und Gewohnheit anzunehmen, allerdings nicht unmöghch, dass derselbe unter Umständen zum 
Engländer und Franzosen werden könne; aber noch nie hat ein jahrelanges Verweilen im Griechen- 
und Römerthum den Deutschen zum Griechen und Römer gemacht Etwas anders verhält es sich 
mit den übrigen Ausstellungen. Sie sind ausgegangen von Männern, welche selbst zwar ihre 
Bildung durch die alten Sprachen erhalten, nachher aber im practischen Leben als tüchtige 
Geschäftsleute niemals Gelegenheit gefunden haben, ihre Sprachkenntnisse thatsächlich zu verwerthen, 
dagegen oft in der Lage gewesen sind, ihre mangelhafte Ausbildung in den neuem Sprachen tief 
und schmerzlich zu empfinden. Ihren Forderungen, denen man eine gewisse Berechtigung nicht 
glaubte absprechen zu dürfen, hat die Neuzeit Rechnung getragen dadurch, dass sie das Real- 
gymnasium ins Leben rief. Allein trotz dieser Conoession hat der Kampf seinen Abschluss noch 
nicht gefunden; er wird überall, wo zwar Gymnasien existiren, Realschulen aber aus bestimmten 
Gründen nicht vorhanden sind, fast leidenschaftlich fortgeftihrt und zwar, weil man in dem Gym- 
nasium nicht eine geistige Bildungs-Anstalt, sondern ledigUch eine Berufs-Anstalt an- 
erkennen will. 

In dieser Auffassung liegt der Grundirrthum der Gegner des Gymnasiums; sie gehen 
sämmtlich von der irrigen Ansicht aus, dasselbe habe einzig und allein das zu gewähren, was sich 
später in den verschiedenen Lebensberufen practisch verwerthen lasse; hier müsse der Landwirth, 
hier der Forstmann, hier der Architect, hier der Kaufmann finden, was er einst gebrauche; was aber 
nütze diesen Allen das Lateinische, was das Griechische? 

Um das Fehlsame dieser Ansicht aufzuzeigen, würde freilich ein Hinweis auf den oben 
beregten Satz, demzufolge unsere ganze gegenwärtige Bildung ein Ergebniss der ganzen Vergan- 
genheit ist, deren verschiedene Phasen jed^m Gebildeten wenigstens den Hauptsachen nach bekannt 
sein müssen, allein nicht genügen, denn, würde man sagen, gewähren nicht die Uebersetzungen der 

9 




ajten Classiker eine viel schnellere und. genauere Erkenntniss des Alterthums^ als die zeitratibende 
Leetüre der Alten in der Ursprache? Führt nicht das Meisterwerk deutscher Uebersetzungskunst» 
Luthers Bibeln den Beweis, dass man Gottes Wort lesen und verstehen könne^ ohne des Hebräischen 
oder des Griechischen kundig zu sein? Allerdings, wäre die Kenntnias des Alterthusäs der einzige 
Zweck dieses Unterrichts, so möchten Uebersetzungen genügen; allein für die Aufgabe des Gymna- 
siums sind sie nicht nur völlig unbrauchbar, sondern geradezu schädlich und darum verwerflich* 
Eine kurze Andeutung wird hinreichen, diess deutlich zu erkennen. Wie mag es kommen, 
dass der erste Unterricht in der Muttersprache gerade bei der schulgerechtesten Behandlung so 
überaus unfruchtbar bleibt? Wie das Kind aus seiner ersten Umgebung Sprache, Sitte und Ge- 
wohnheit mit allen Vorzügen und Fehlern in völliger Bewusstlosigkeit aufnimmt, gerade eben so be- 
wusstlos verhält es sich jenem Unterricht gegenüber; es fasst, dem Zwange gehorchend, B^gel und 
Vorschri^ mit dem Gedächtniss und lernt ^ie nachsprechen; aber es sträubt sich in seinem Innern 
dagegen als gegen etwas, dessen es nicht bedarf, um seine Muttersprache frei und ungezwungen zu 
gebrauchen, gerade wie es bei den ersten mathematischen Anschauungen den strengen Beweis 
dem gegenüber, was es mit seinen Augen sieht, für völlig ^entbehrlich und unnütz erachtet. So 
geschieht es, dass das mühsam Erlernte bald wieder ohne sonderlichen Nutzen verschwindet und 
dass der Erwachsene sich seiner Muttersprache zwar mit Geschick vielleicht und mit Routine bedient; 
jedoch ohne sich der Gründe, warum so und nicht anders, irgend wie bewusst zu sein. Dahing^en 
hört mit dem Eintreten der alten Sprachen jene Bewusstlosigkeit mit einem Male auf und die 
glückUchsten Resultate auch in der Muttersprache werden sichtbar. Denn der jugendliche Geist 
steht vor dem todten Worte und nichts von dem, was bei den neuern Sprachen ihn noch an- 
heimelt, tritt ihm entgegen ; kein Artikel am Hauptworte, kein Pronomen an den Verbalformen bietet 
ihm einen Anhaltspunkt; Alles ist in die todte steinharte Form gegossen und ihm liegt es ob, diese 
mit Hülfe der Muttersprache erst zu beleben; kurz, es beginnt jener wunderbare geistige Process, in 
welchem die todte Form Veranlassung Ar bewussten Erkenntniss der Muttersprache wird und diese 
umgekehrt jener gleichsam Odem und Leben einhaucht; dieser Process ist es, der den jugendlichen 
Geist zmn Sprachbewusstsein erweckt und ihn das lehrt, was Kern und Wesen der ganzen Gymnasial- 
BUdung ist, denken! Um diesen Hauptzweck zu erreichen, giebt es kein anderes Mittel, als die 
alten Sprachen; sie können durch nichts ersetzt werden, weder durch die einseitig bildende 
Mathematik noch durch die neuem Sprachen. Jene unausgesetzte geistige Gymnastik aber erfasst 
nach imd nach Alles, was auf dem Gymnasium gelehrt wird, und alle Lehrobjecte haben hin- 
wiederum zunächst keinen andern Zvveck, als den, jener Gymnastik von allen Seiten den nötfaigea 
Bildimgsstoff zuzuführen; die Mathematik soll eben so wenig den künftigen Mathematiker von Fach, 
den Architecten oder den Ingenieqr schaffen, als die alten Sprachen etwa lediglich dazu da sind, den 
Juristen oder den Theologen zu bilden. Wohl aber sollen alle Schuldisciplinen nach Vorgang und 
Anleitung der alten Sprachen dazu beitragen, dem Jüngling mit der Vollendung seines Gymnasial- 
Cursus diejenige Reife der Geistesbildung auf seinen fernem Lebensweg mitzugeben, welche ihn 
vollständig befähigt, sich in jedem nach Wahl und Neigung ausersehenen Lebensberuf mit derjdbigen 
Sicherheit zn bewegen, die es ihm möglich macht denselben ganz auszufüllen und zu beherrschen. 
liÜB kann bienach keinem Zweifel unterliegen, dass die Behauptung, das Gymnasiiun müsse ledigUch 
B^rufeanstalt sein, eine durchaus irrige ist, welcher stete mit Entechiedenheit entgegen getreten 
werden muss. Demnach wird auch unsere Anstalt nach wie vor nur die treue Hüterin und Pflegerin 
\fi^ 4es dassischen Alterthums überhaupt, so auch v(n'zugsweise der alten Sprachen sdn. 

In dieser Stellung fest zu verharren, wird ihr übrigens nicht schwei* werden; schon bricht 
ein. richtiges Verständniss sich mehr und m^ Bahn und nicht wird, wie früher, die durch das 
])laturitäto - Examen constatirte geistige Reife ausschliesslich nur für Universitäts - Studien gefordert; 



et — 

auch andere Berufe&cher Terlangen sie bereits, und es ist nicht schwer mit Bestimmtheit torhetzüi* 
sagen, dass in nicht ferner Zeit noch andere Berufekreise, für welche jenes Examen zur Zeit noch 
als entbehrlich gilt, dasselbe beanspruchen werden. 

Gemahnt uns nun dieses Alles, auf dem bisherigen Wege auch fernerhin imbeirrt fortzu- 
schreiten, 80 ist doch ein Zeugniss ganz besonders dazu ermuthigend, durch welches unlängst in 
unserem engeren Vaterlande der Werth einer tüchtigen Gymnasial-Bildung anerkannt worden ist» 
ein Zeugniss, welches die hohe Einsicht dessen, der es ausgestellt, auf das Glänzendste beurkundet. 
Ein Allerhöchster Wille hat von dem Erben seiner Krone die volle durch Ablegung der Maturitäts- 
Prüfung documentirte Reife der Bildung gefordert, und in Folge dessen zählt ein erlauchter deutscher 
Förstensohn, nachdem er jener Forderung auf das Ehrenvollste entsprochen, auf einer .deutschen 
Hochschule zu den vollberechtigten Jüngern deutscher Kunst und Wissenschaft. Zwar haben uner- 
wartet schwere Zeitereignisse die wissenschaftKchen Studien des jungen Fürsten zeitweilig unterbrochen ; 
auch er ist gleich Tausenden edler deutscher Jünglinge dem Rufe des Vaterlandes gefolgt, um es 
gegen die Insolenz eines übermüthigen Feindes zu vertheidigen; allein mit Gottes Hülfe wird diese 
Untei'brechung eine nur vorübergehende sein. 

Wer aber unter uns fühlt sich nicht Angesichts dessen von der Ueberzeugung durchdrungen, 
dass es um das geistige Wohl eines Volkes gut bestellt sei, dem ein so erhabenes Beispiel voran- 
leuchtet? wer nicht von der freudigen Hoffnung gehoben, dass den Bildungsstätten unseres engereil 
Vaterlandes die Allerhöchste Fürsorge niemals fehlen werde? Und somit hält auch unsere altehr- 
würdige Anstalt, durch fürsthche Huld von jeher gehegt und gepflegt, sich für berechtigt zu dem 
Glauben, dass auch sie des Allerhöchsten Schutzes nach wie vor theilhaftig bleiben werde, besonders 
wenn sie fortfährt die ihr zugewiesene Aufgabe redlich und gewissenhaft zu erfüllen; und dazu gebe 
der Himmel seinen Segen. 

Lehrapparat. . 

I. Bohulbibliothek. 

A. Geschenke: 

1. Vom Hohen Ministerium: A. F. Riedel Codex diplomatäcus Brandenbni^. (sämmtliche bis 
jetzt erschienenen BändeV 

_ • 

2. Aus dem Grossherzoglichen Gabinet: E. v. d. Launitz Wandtafeln zur Veranschaulichung 
antiken Lebens. Die Fortsetzungen des Archivs für Landeskunde. 

3. Von dem Verein für meklenburgische Geschichte: Jahrbücher des Vereins Bd. 33 — 35. 
Mekl. Urkundenbuch Bd. 3—6. Die Fortsetzung des Correspondenzblattes des. Gesammtvereins 
der deutschen Creschichts- und Alterthumsvereine. 

4. Von dem Senate der Universität Rostock: die im Laufe des letzten Jahres erschienenen 
academischen Schriften. 

5. Von der Verlagsbuchhandlung D. Reimer in Berlin: Adamy Schulatlas 1868. 4. Aufl. 

6. Von Herrn Dr. L. Brünier hieselbst seine Schrift: Louise, eine deutsche Königin. Bremen 1871. 

7. Von Herrn Canzleirath Famll hieselbst: Grossherzoglich Mecklenburg - Schwerinscher Staats- 
Kalender 1871. 

8. Von Herrn Dr. W. Fischer hieselbst ein Exemplar seiner Dissertation über Dio Oassiiis. 
Leipzig 1870. 

.9. Von Herrn Advooat M. Jonas hieselbst, z. Z. Pr&fecturrath in Chaumont, seine Schrift: Studien 
aus dem Gebiet des französischen Givihrechts und Civilprooesses. Berlin 1870. 

9» 



«8 ^— 

10. Von Herrn Auditeur Advocat Richard Wex hieselbst: Eine grosse Anzahl von Programmen 
und Gelegenheitsschriften, zumeist unseres Gymnasiums, aus dem Nachlass seines Vaters, unsers 
verewigten Directors C. Fr. Wex, darunter auch die inGrunert's Archiv erschienene Abhandlung, J^lato's 
Geometrie im Meno und die Parabole des Pythagoras bei Plutarch^S welche postume Schrift 
im harmonischen Abschluss an den Anfang der Uterarischen Wirksamkeit des Verewigten, seine 
Doctor-Dissertation über Plato's Meno, anknüpft. 

11. Von Herrn Oberlehrer Dr. Schiller: Verhandlungen der 25. Philologen** Versammlung in HaUe. 
Spilleke's Schulschriften. 

M. C. Sarbievici lyricorum libri IV. Antverp. 1654. 

12. Von dem Berichterstatter Director Dr. Büchner: ein Exemplar seiner Ausgabe der Rede des 
Cicero pro S. Roscio Amerino, Leipzig 1836, und eine Anzahl älterer Programme. 

B. Gekauft wurden die laufenden Jahrgänge der Jahn'schen Jahrbücher, des Rheinischen 
Museums, der Berliner Zeitschrift für das Gymnasialwesen, der Annalen PoggendorflEs, und der 
Forschungen zur deutschen Geschichte; die Fortsetzungen von Schmid Encyklop.; Grimm Wörter* 
buch; Wackernagel Kirchenlied; Grimm kl. Schriften. V. Geschichte der Wissenschaften. IX. 
Behm Geogr. Jahrbuch EI. Laboulaye Geschichte der vereinigten Staaten von Amerika. IH. I. 
Gregor ovius Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. VU. Verhandlungen der 27. Philologen- 
Versammlung in Kiel. Piere r 's Universal-Lexikon. 5. Aufl. Bd. I — XII. Pape Wörterbuch 
der grieschischen Eigennamen. 3. Aufl. Neu bearbeitet von Benseier. Welcker griech. Grötterlehre. 
Haym die romantische Schule. Woldermann Europa. PhotoUthographie nach einem Relief. 

Für die Lesebibliothek wurde angeschafft: 0. Lüdwig's ges. Werke. Bd. I— IV. 
Zöppritz, Aus F. H. Jacobi's Nachlass. 

Durch Tausch gingen ein die Schulschriften der zum Programmaustausch verbundenen 
höheren Lehranstalten Deutschlands. 

II. Physikalisclies Cabinet. 

1. Ein Erdglobus. 

2. Ein Tellurium. 



Nekrologium. 



Fr. Wilh. Ulrich Rehberg, Dr. jur. in Rostock, abg. Ostern 1827, t d. 5. April 1870. 

Carl von Roth, Major a. D. in Wismar, * t d. 22. April 1870. 

Wilhelm von Meibom, Pr.-Lieutenant und Compagnieführet im 3. Branden- 
burg. Infanterie-Regim. Nr. 20, fiel bei Mars la Tour d. 16. Aug. 1870. 
Ludwig von Müller, abg. Ostern 1863, See. - Lieutenant und Bataillons- 
Adjutant im 4. 6arde-Gren.-Regim. Königin Augusta, fiel bei St Privat d. 18. Aug. 1870. 
Georg Störzel, Lieutenant im Schlesw. Infanterie-Regim. Nr. 84, fiel 

bei Metz d. 18. Aug. 1870. 
Ernst von Weltzien-Kl. Tessin, Pr.-Lieutenant im 4. Garde - Grenadier- 

Regim. Königin Augusta, lyurde bei St. Ail d. 18. Aug. schwer verwundet» t d. 21. Aug» 1870. 
Yollrath Hartmann, Dr. med., Assistenz-Arzt im Pomm. Grenadier-Regim. 

zu Stettin, abg. Michaelis 1866, t an der Rachenbräune d. 22. Sept 1870. 
J^ C. Georg Bölte, Dr. jur. und Stadtrichter a. D. in Boizenburg, abg. 

Mich. 1819. t d. 24. Sept. 1870. 
Carl Fr. G. Sperling, Pastor in Lübchin, abg. Ostern 1831, f d. 25. Sept. 1870. 

Carl y ollbrecht, Studiosus medidnae, abg. Michaelis 1865, f d. 13. Oct 1870. 



Franz Paschen, Advocat und Amts-Auditor, abg. Ostern 1864, f als Unter- 
offizier im MeckL Füsilier-Begim. Nr. 90 am Typhus im Lazareth zu Toul d. 19. Oct. 1870. 
Hans Albrecht von Plüskow, Sec-Iieutenant im Pomm. Uhlanen-Regim. 

Nr. 9, fiel in Yeres vor Paris d, 23. Oct 1870. 
Carl Wilh. Friedr, Driver, General-Auditeur in Schwerin, abg. Mich. 1829, t d. 6. Nov. 1870. 
Joachim Friedr. Zickermann, Ober-Auditeur a. D., abg. Ostern 1817, f d. 12. Nov. 1870. 
Paul Schönau, Oberjäger im Jäger-Bataillon Nr. 14, fiel bei Loigny d. 2. Dec. 1870. 

Adolph von Bassewitz, See-Lieutenant und BataiUons-Adjutant im Meckl. 

Füsilier-Regim. Nr. 90, fiel vor Orleans d. 4. Dec. 1870. 
Carl Caspar, Stadtrichter, a. D. in Grabow, abg. Michaelis 1813, f d. 19. Dec. 1870. 

Christian Dolberg, Bürgermeister a. D. in StavenhagiBn, abg. Mich. 1824, f d. 22. Dec. 1870, 
A. T. Fr. Bühring-Prestin, abg. Mich. 1866, See-Lieutenant im 1. West>- 
preuss. Grenadier-Regim. Nr. 6, wurde bei Malmaison schwer verwundet, 

in Versailles t d. 27. Dec. 1870. 
Albrecht Brüssow, Cand. theol. in Sanitz, abg. Ostern 1857, t d. II. Jan. 187K 

Fr. Ludw. Schweden, Advocat in Schwerin, abg. Michaelis 1816, t d. 19. Jan. 1871. 

Heinr. Fr. Chr. Bolle, Rector in Parchim, abg. Ostern 1826, t d. 19. Jan. 1871« 

Martin Glaevecke, Prem.-Lieutenant im Meckl. Füsilier-Regim. Nr. 90, fiel 

bei Bemay d. 22. Jan. 1871. 
Friedrich Krüger, Amtshauptmann a. D. in Grevismühlen, abg. Ostern 1817, f d. 31. Jan. 1871. 
Theodor Berg, Stud. theol., abg. Ostern 1870, trat in das Schlesw.-Holst. 
Artillerie-Regim. Nr. 9, wurde durch die Unvorsichtigkeit eines Game- 
raden am linken Oberschenkel schwer verwundet^ t im Lazareth zu 

Orleans d. 2. Febr. 1871. 
Fr. H. Schröder, Dr. jur. in Schwerin, abg. Ostern 1803, t d. 12. Febr. 1871. 

Fr. L, Gottspfenning, Dr. jur. und Protonotar in Rostock, abg. Michaelis 1819, t d. 12. Febr. 1871. 
Curt Wi.ttmütz, Stud. jur., abg. Michaelis 1863, t d. 18. Febr. 1871. 

Paul Wittmütz, Ligenieur zu Haspe in Westphalen, abg. Ostern 1862, t d. 28. Febr. 1871. 

Von jüngeren Schülern verlor die Anstalt durch den Tod den durch Fleiss und 
Sittsamkeit uns werthen Ober-Tertianer Paul Reichhoff ausBorkow. 
Er starb im Vaterhause an den Masern grade an seinem 15. Ge- 
burtstage, d. 14. Juni 1870. 

Schülerzahl. 

Das Gynmasium Frideridanum wurde im Sommersemester von 379, im Wintersemester von 
381 Schülern besucht Hievon sassen a. im Sommer in L 36, in II\ 44, in ^^ 44, in 1I1\ 36, in- 
m\ 55, in IV. Coet. A. 36, Coet B. 35, in V. Coet A. 30, Goet. B. 28, in VI. 35; im Winter in 
!•. 25, in I\ 20, in 11'. 35, in Jl\ 37, in HP. 43, in m^ 56, in IV. Coet. A. 38, Coet. B. 34, in 
V. 55, in VI. 38 Schüler. 

Abgegangen sind im Laufe des Schuljahres: 
A. zur Universität mit dem Zeugniss der academischen Reife: 
a« zu Michaelis 1870: 

Ferdinand Lindemann aus Schwerin. BerUn. Mathem. und Natundssenschaften, 

Carl Goesch aus Doberan. Trat in das Heer ein. 

Louis von Sehack aus Retgendorf. Trat in das Heer ein. 

Richard Krefft aus Schwerin. Leipzig. Jurisprudenz. 



Cusiav von Buchwald aas Schwerin. , Trat in das Heer ein. 
Roland voti Müller aus Schwerin. Trat in das Heer ein. 
Carl Wehzien aus Schwerin. Berlin. Mathematik. 
Friedrieh Schmidt aus Schwerin. Trat in das Heer ein. 
Ernst Ahrens aus Neu-Schlagsdorf. Trat in das Heer ein. 
Oicar von Boddien aus Schwerin. Trat in das Heer ein. 
b. zu Ostern 1871: 

Heinrich Evers aus Wittenburg. Berlin. Mathematik. 
Ausserdem waren zu MichaeUs a. p. von dem Hohen Grossherzoglichen Ministerium der Abi- 
turienteu-Prüfungs-Commission zur Prüfung zugewiesen worden und erhielten das Zeugoiss der 
academischen Reife: 

Heinrich Uayhsi aus Schwerin. BerUn. Philologie. 
Carl Wesiphal aus Schwerin. Berlin. Philologie und Archäologie. 
B. Zu andern Bestimmungen gingen ab: 
Aus CL I*. Rudolph Lazarus aus Wittenburg. Kaufmann. Pfingsten 1870. 

Wilhelm Richter aus Crivitz. Militär. Ende Januar 1871. 
Aus GL n*. Emil Kahl aus Schwerin. Buchhändler. Michaelis 1870. 

Hermann Schroeder aus Schwerin« ICaufinann. Mai 1870. 
Friedrich Keding aus Maslow. Landmann. Michaelis 1870. 
Robert Schneidet* aus Bfilow-Burg. Landmann. Pfingsten 1870. 
Friedrich Kliefoth aus Plate. Polytechniker. Juli 1870. 
Adolph von Langermann aus Schwerin. Militär. Johannis 1870. 
Kurt von Döring aus Setzin. MiUtär. Juli 1870. 
Ernst Brunnemann aus Luclcwitz. Militär. Ostern 1871. 
Ernst Wagner aus Zernin. Landmaim. Ostern 1871. 
Aus CL ^^ Carl von Pressentin aus Schwerin. Landmann. Pfingsten 1870. 

Richard Gart he aus Schwerin. Kaufinann. Johannis 1870. 
Johannes Diestel aus Ahrensböck. Landmann. Michaelis 1870. 
Carl Singhol aus Schwerin. Kaufmann. Michaelis 1870. 
Paul Willebrand aus Schwerin. Landmann. Johannis 1870. 
Ulrich von Schach aus Brüsewitz. Militär. Johannis 1870. 
Carl Ouvrier aus Güstrow. Landmann. Ostern 1871. 
Hermann Behncke aus Schwerin. Kaufinann. Ostern 1871. 
Otto Neumann aus Redefin. Kaufmann. Neujahr 1871. 
Adolph von Bernstorff Kua Schwerin. Militär. Ostern 1871. 
Aus CL ni\ Gustav Jahn aus Schwerin. Militär. Juli 1870. 

Otto Schliemann aus Schwerin. Kaufmann. Johannis 1870. 
Gustav Wendt aus Schwerin. Militär. Ostern 1871. 
Aus CL ^I^ Ernst Störtet aus Schwerin. Handelsschule in Lübeck. MichaeUs 1870. 

Henning von Stenglin aus Schwerin. Klosterschule Bossleben. MichaeUs 1870. 
Aus CL IV. Paul Stamer aus Perdöhl. Realschule. MichaeUs 1870. 

Carl Steinhopf aus Raden. Realschule. Ostern 1871. 
Carl Wasmuth aus Wittenburg. Schule in Ludwigslust. Michaelis 1870. 
Wilhelm Schmidt aus Oägelow. Realschule. Ostern 1871. 
Carl Richter aus Schwerin. Realschule. Ostern 1871. 
Ernst Ouvrier aus CKistrow. .Realschule. Ostern 187L 



11 



Aus Cl. V, Friedrich Adolph Schliemann aus Schwerin. Thomasschule in Leipzig. Johannis ISTOC 

Friedrich Lindemann aus Schwerin. Kaufmann. Michaelis 1870. 
Moritz Nathan aus Graaf-Reinet in Africa. Ging zurück in seine Heimath. Februar 1871^ 
Aus Cl. VI, Paul Sehwahn aus Berlin. Ging zurück in seine Vaterstadt. Michaeüs 1870. 
C. Gestorben ist ein Schüler, der Obertertianer Paul Reichhoff aus Borkow. s. Nekr. 

Schüler - Verzeichniss. *) 

I A. Ober-Prima. 



1. Heinrich Evers aus Wittenburg. 

2. Otto Erasemann aus Rostock. 

2. 

3. Adolph Brandt aus Fahrbinde. 

4. Ludwig Mau aus Schwerin. 

5. Richard Barten aus Schwerin. 

6. Richard v, Sprewitz aus Schwerin. 

7. Ludwig Thiessing aus Boizenburg. 

8. Caesar Rochow aus Schwerin, 

9. Wilhelm v. Bemstorff aus Schwerin. 
10. Otto Herricht aus Schwerin. 

IL Meier Cohn aus Qppeln.* 

12. Eduard Oesten I. aus Mandelshagen. 

13. Heinrich Mulsow aus Ludwigslust. 

3. 

14. Otto Reinhardt aus Wittenburg. 

15. Emil Lobedanz aus Schwerin. 

16. Carl Foth aus Stemberg. 

17. Otto Tapp aus Neese. 

18. Carl Stelzner aus Wismar.* 

19. Albert Oesten U. aus Manddshagen. 

20. Rudolph Hobein aus Schwerin. 

21. Gustav Heuck aus Kützerhof. 

22. Otto Schwerdtfeger aus Schwerin, 

23. Wilhelm Richter aus Crivitz. 

24. Hugo Kliefoth aus Schwerin, 

I B. Unter-Prima. 

1. Heinrich Ribcke aus Plan. 

2. Friedrich v. Stenglin aus Rostock,* 



3. Paul Groth aus Schwerin. 

4. Hermann Settier aus Wittenburg. 

5. Friedrich Burth aus Schwerin. 

6. Wilhelm Dittmann aus Schwerin. 

7. Carl Buchka aus Rostock.* 

8. Heinrich Lorenz aus Schwerin. 

9. August Lachmund aus Lihenthal.* 

10. Felix Löwenthal aus Schwerin. 

11. Carl Lüth aus Brüel, 

12. Ludwig Müffelmann aus Schwerin. 

13. Adolph Groth aus Schwerin. 

14. Gustav Niemann aus Parchim.* 

15. Otto Schwetzky aus Rehna.* 

16. Emil Groth aus. Kittendorf, 

17. Otto Petters aus Schwerin. 

18. Hugo Wolflf aus Schwerin. 

19. Theodor Schröder aus Qualitz. 

20. Friedrich Kerstenhann aus Zarrentin.* 



II A. Ober-Secunda. 

1. 

J. Richard Kurtztisch aus Schwerin. 

2. Carl Wüstenberg aus Dreibergen. 

3. Johannes Bauch aus Schwerin. 

4. Victor V. Oertzen aus Doberan. 

5. Carl Schlüter aus Bahlenhüschen. 
0. Hermann Studemund aus Rehna. 

7. Wilhelm Möller aus Schwerin. 

8. Paul Müller aus Bützow. 

9. Franz Hurttig aus Ludwigslust 

10. Heinrich Dittmann aus Schwerin. 

11. Johannes Moltmann aus Schwerin. 

12. Paul Angerstein aus Warin.* 

13. Louis Klipphahn aus Schwerin. 



*) Der Stern bedeutet, cUum die Äelten jetzt in Schwerin wohnen. 



72 



)4» ^Friedrich Lechler aus Barckow. 

15. Friedrich Rfickert aus Ribnitz.'^ 

16. Gustav Bolbrügge aus Grabow. 

17. Ernst Brunnemann aus Luckwitz. 

2. 

t8. Fritz Neumann aus Warnemünde.* 

19. Max Kliefoth aus Ludwigslust. 

20. Paul Romberg aus Perlin. 

21. Friedrich v. Oeynhausen aus Schwerin. 

22. Willy Eggers aus MelusiuenthaL* 

23. Hugo Unruh aus Sudenhof. 

24. Hermann Rose aus Schwerin. 

25. Otto Friedheim aus Grevismühlen.* 

26. Hermann Wachenhusen aus Schwerin. 

27. Theodor Bade aus Schwerin. 

28. Johannes Eichbaum aus Plan. 

29. Gotthilf Pitschner aus Ludwigslust 

30. Friedrich Berg aus Alt-Gaarz. 

31. Paul Schlichting aus Prislich. 

32. Max Wolff aus Schwerin. 

33. Ernst Wagner aus Zemin. 

34. Ernst Brauer aus Ribnitz. 

35. Adolph Diestel aus Plüschow. * 



n B. Unter-Secunda. 

1. 

1. Wilhelm Pfähler aus Schwerin. 

2. Carl Ladewig aus Crivitz. 

3. Carl Ouvrier aus Güstrow. 

4. Hans Bock aus Gross-Weltzien. 

5. Albert Koop aus Schwerin. 

6. Gustav Brückner aus Schwerin. 

7. Friedrich Wöhler aus Schwerin. 

8. Otto Oertzen aus Schwerin. 

9. Hermann Behncke L aus Schwerin. 

10. Hugo Krüger aus Schwerin. 

11. Adolph Hoppe aus Krakow. 

12. Bernhard Voss aus Schwerin. 

13. Hans Sandrock aus Schwerin. 

14. Johannes Wittenburg aus Grevenhagen. 

15. Friedrich Lechler aus Schwerin. 

16. Carl Pfaff aus Doberan.* 

17. Gottfried Dierking aus Schwerin. 



I 18. Wilhelm Behncke H. aus Ludwigsluat. 

19. Max Teetz aus Rossewitz.* 

20. Carl Stamer aus Perdöhl 

2. 

21. Carl Willebrand aus Zapel 

22. Paul Abesser aus Schwerin. 

23. Hermann Heuck aus Malchin. 

24. Johannes Romberg aus Perlin. 

25. Julius Weltzien aus Schwerin. 

26. Heinrich Holtermann aus Schwerin. 

27. Christian Drechsler aus Boizenburg.* 

28. Carl Schäffer aus Schwerin. 

29. Walter König aus Schwerin. 

30. Hermann Seidel aus Schwerin. 

31. Julius ▼. Pritzbuer aus Ludwigslust* 

32. Carl Steinkopff aus Schwerin. 

33. Friedrich t. Langermann aus Dambeck* 

34. Adolph V. Bemstorff aus Schwerin. 

35. Wilhelm Jahn aus Ludwigslust.* 

36. August Wagener aus Satow. 



m A. Ober- Tertia. 



1. 



1. August Ackermann aus RöbeL* 

2. Gustav Wendt aus Parchim. 

3. Arnold Krieger aus Potsdam.* 

4. Fritz Degener aus Dewitz. 

5. Louis Glävecke aus Rostock. 

6. Friedrich y. Hintzenstem aus Elmenhorst. 

7. Rudolph Wagener aus Satow. 

8. Heinrich Koch aus Gross-Raden.* 

9. Ludwig Hobein aus Schwerin. 

10. Friedrich Krefft aus Schwerin. 

11. Heinrich y. Oeynhausen aus Schwerin. 

12. Carl Drews aus Ludwigslust. 

13. Emil Barca aus Dargun.* 

14. Louis Wolff aus Schwerin. 

15. Rudolph Kleemann aus Schwerin. 

2. 

16. Adolph Seemann aus Schwerin. 

17. Gustav Hesse aus Wittenburg. 




18. Loui3 Erhardt aus Gadebusch.* 

19. Franz Krauss aus Schwerin. 

20. Franz König aus Schwerin. 

21. August Beyer aus Schwerin. 

22. Otto Schumacher aus Kröpelin. 

23. Wilhehn Speetzen aus Rampe. 

24. John Hepworth aus Güstrow.* 

25. Martin Eberhard aus Laage. 

26. Max Schröder aus Garlshof. 

27. August Albrecht aus Klinken. 

28. Heinrich Ludwig aus Wittenburg. 

29. Carl Kriel aus Dömitz. 

30. Carl Krull aus Crivitz. 

31. Arnold Eggers aus Melusinenthal* 

32. Paul Berwald aus Schwerin. 

33. Carl Schulz aus Schwerin. 

34. Eduard Range aus Schwerin. 

35. Gustav Kerstenhann aus Zarrentin.* 

36. Max Schneider aus Bülow-Burg. 

37. Arnold Cohen aus Schwerin. 

38. Harry v. Boddien aus Schwerin. 

39. Otto Regenstein aus Schwerin. 

40. Claudius Fischer aus Schwerin. 

41. August Piper aus Döbbersen. 

42. Adolph Piper aus Döbbersen. 

43. Gustav Piper aus Pinnowhof.* 



m B. Unter - Tertia. 



1. 



1. Heinrich Peeck aus Bärner-Stück. 

2. Jan Krieger aus Potsdam.* 

3. Carl Angerstein aus Wariii.* 

4. Friedrich v. Scheve aus Schwerin. 

5. Friedrich SchnapauflF aus Klein- Wokem. 

6. Carl Rüst aus Kogel. 

7. Hennann Melchert aus Zapel. 

8. Wilhelm Litzrodt aus Brüel. 

9. Bernhard Schultz I. aus Gnoien. 

10. Albert Hölck aus Fahren. 

11. August Witt aus Neustadt. 

12. Ernst Meinck aus Malchin.* 

13. Otto Koch aus Toddin. 



14. Richard Abesser aus Schwerin. 

15. Bernhard Gaedkens aus Zarrentin. 

16. Franz Peters aus Schwerin. 

17. Louis Bauch aus Schwerin. 

18. Gustav Heuck aus Kützerhof. 

19. Werner Görbitz aus Dargun.* 

20. Friedrich Flügge aus Schwerin. 

21. Georg Mau aus Schwerin. 

22. Friedrich Walter aus Teterow. 

23. Hermann Erdmann aus Gross-Tessin. 

24. Albert Schultz H. aus Schwerin. 

25. Friedrich Lenthe aus Schwerin. 

26. Ludwig V. Langermann a,us Schwerin. 

27. Leopold Kues aus Rostock.* 

28. Ernst Steinkopff aus Schwerin. 

29. Gustav Schall aus Schwerin. 

2. 

30. Paul Stelzner aus Wismar.* 

31. Otto Riemcke aus Hagenow. 

32. Axel Schmidt aus Parchim.* 

33. Paul Möller aus Schwerin. 

34. Carl Ehlers I. aus Kalkhorst. 

35. Otto Weltzien aus Schwerin. 

36. Hermann Buchka aus Rostock.* 

37. Paul Michaelis aus Starckow.* 

38. Ernst Diestel aus Ahrensböck. 

39. Max Hobein aus Schwerin. 

40. Wilhelm v. Amsberg aus Rostock.* 

41. Ernst Weidemann aus Seehof. 

42. John Jonas aus Schwerin. 

43. Gustav Ehlers H. aus Kalkhorst 

44. Eugen Julius aus Rostock.* 

45. August Vielhaack aus Rastow. 

46. Carl Rugenstein aus Wittenforden. 

47. Carl Wallmann aus Grabow. 

48. Gustav Kleffel aus Suckow. 

49. August Grieffenhagen aus Schwerin. 

50. Ludwig Kliefoth aus Plate. 

51. Wilhelm Faull aus Schwerin. 

52. Hermann Wöstenberg aus Dreibergen. 

53. Theodor Aarons aus Schwerin. 

54. Johannes Petersen aus Boize. 

55. Carl Behncke aus Wismar.* 

56. Otto Brandt aus Neustadt. 

10 



14 



IV. Quarta. 



Coetus A. 

1. 

1. Georg Sandrock aus Schwerin, 

2. Walter Schmidt aus Parchim.* 

3. Johannes Thiel aus Schwerin. 

4. Jaspar v. Prollius aus Schwerin. 

5. Paul Krüger aus Schwerin. 

6. Franz Lindemann aus Schwerin. 

7. Hans Albrecht Lehmeyer aus Schwerin. 

8. Paul Seidel aus Schwerin. 

9. Theodor Wahl aus Goldberg. 

10. Friedrich Dierldng aus Schwerin. 

11. Louis Detmering aus Schwerin. 

12. Arnold Kues aus Rostock.* 

13. Hermann Willebrand aus Zapel. 

14. Carl Evers aus Bamin. 

15. Ernst Brüssow aus Plan.* 

16. Albert Rollenhagen aus Schwerin. 

17. Hubert v. Stralendorff aus Golchen. 

18. Conrad Tiede aus Schwerin. 

19. Carl Steinkopff aus Raden. 

20. Emil Liss aus RöbeL 

2K Wilhelm Schmidt aus Gägelow. 

22. Carl Richter aus Schwerin. 

23. Adolph Stein aus Boizenburg. 

24. Arthur Francke aus Neukloster. 

2. 

25. Ernst v. Storch aus Rubow. 

26. Arnold Meyer aus Schwerin. 

27. August Fischer aus Schwerin. 

28. Wilhelm Kundt aus Schwerin. 

29. Werner v. Brandenstein aus Balow.* 

30. Rudolph Piper aus Pinnowhof.* 

31. Reinhard Kade aus Dresden.* 

32. Paul Martens aus Bakendorf. 

33. Otto y. Stenglin aus Schwerin. 

34. Carl Ernst Alban aus Schwerin, 

35. Carl Ullrich aus Parchim.* 

36. Victor Peutz aus Volsrade.* 

37. Felix v. Stenglin aus Schwerin. 

38. Theodor Kliefoth aus Schwerin. 



CoetuB B. 



1. 



1. Ernst Barnewitz aus Körchow.* 

2. Johannes Schmidt aus Schwerin. 

3. Bernhard Raven aus Celle.* 

4. Friedrich Jahn aus Schwerin. 

5. Wilhelm Wolff L aus Schwerin. 

6. Paul Fischer aus Wandrum. 

7. Heinrich Keding aus Maslow. 

8. Pedro Wamcke aus Schwerin. 

9. Siegfried Lilienthal aus Schwerin. 

10. Richard Löwenthal aus Schwerin. 

11. Greorg Pincus aus Schwerin. 

12. Johannes Engel aus Crivitz. 

13. Arthur Wolff U. aus Schwerin. 

14. Carl Herbst aus Medingen. 

15. Rudolf Stargardt vom Kalkwerder. 

16. Gustav Lange aus Schwerin. 

17. Dietrich Bjieger aus Potsdam.* 

18. Julius Rudolphi aus Schwerin. 

19. Wilhelm Peters aus Schwerin. 

2. 

20. Carl Burmeister aus Schwerin. 

21. Ernst Ouvrier aus Güstrow. 

22. Rudolf Eberhardt aus Schv/erin. 

23. Carl Beutin aus Klein-Tessin.* 

24. Gustav Ahrenholz aus Schwerin. 

25. Franz Albrecht aus Schwerin. 

26. Ludwig Lüttmaim aus Oertzenhof. 

27. Carl v. Abercron aus Grabow.* 

28. Carl Bömcke aus Schwerin, 

29. Hans Kehrhahn aus Metein.* 

30. Franz Mühlenbruch aus Trutzlatz.* 

31. Adolph Klett aus Schwerin. 

32. Gustav v. Henkel aus Kleefeld. 



Quinta. 



1. 



1 . Carl V. Koppelow aus Schwerin. 

2. Adolph V. ProUius aus Schwerin. 



1« 



3. Friedrich Meyer aus Schwerin« 

4. Martin Rohrdantz aus Schwerin« 

5. Wilhelm Teetz aus Jürgenshof.* 

6. Hermann Schubart aus (jallentin.* 

7. Leopold Sussmann aus Schwerin. 

8. Ernst Priiter aus Schwerin. 

9. Johannes Köhler aus Roggendorf.* 

10. Moritz Nathan aus Graf-Reinet in Africa, 

11. Carl Meinck aus Malchin.* 

12. Justus Saridrock I. aus Schwerin. 

13. Theodor Pincus aus Schwerin. 

14. Gustav Rehni aus Settin. 

15. Carl Walzberg aus Valparaiso. 

16. Eugen Fahrenheim aus Schildfeld. 

17. Arnold Schläht aus Bützow.* 

18. Alphons V. Boddien aus Schwerin^ 

19. Alexander Grohmann aus Schwerin. 

20. Hermann Poppe aus Hamburg.* 

21. Wilhelm Aarons aus Schwerin. 

22. Emil Lindemann aus Schwerin. 

23. Hermann Frenck aus Schwerin. 

24. Friedrich Buchka aus Rostock.* 

25. Rudolph Liefmann aus Schwerin. 

26. Ernst v. Koppelow aus Schwerin. 

27. Paul Sandrock U. aus Schwerin. 

28. Alexander Wessel aus Schwerin. 

29. Carl Stargardt aus Schwerin 

30. Heinrich Klenz aus Kröpelin.* 

31. Wilhelm Mühlenbruch aus Trutzlatz.* 

32. Carl v. Zülow aus Schwerin. 



2. < 

33. Carl Lühr aus Schwerin. 

34. Carl Eichblatt aus Schwerin. 

35. Bernhard Abesser aus Lübeck.* 

36. Rudolph Bohn aus Schwerin. 

37. Friedrich Friese L aus Schwerin. 

38. Carl Dittmann aus Schwerin. 

39. Carl Hannover aus Schwerin. 

40. Heinrich Müller aus Schwerin. 

41. Emil Engel aus Crivitz. 

42. Carl Beste ans Schwerin. ' ; 

43. Carl Wünsch aus Schwerin. 

44. Heinrich Friese H. aus Schwerin. 

45. Carl Kayser aus Schwerin. 



46. Fritz Krempien aus Diedrichshagen.* 

47. Friedrich Thiesseng aus Rostock.* 

48. Friedrich Dalitz aus Malchow.* 

49. Richard Modes aus Boizenburg.* 

50. Friedrich Flügge aus Boizenburg. 

51. Ernst Märcker aus Tampien.* 

52. Ernst Henning v. Bassewitz aus Schwerin. 

53. Friedrich Klett aus Schlemmin. 

54. Theodor Jahn aus Schwerin. 

55. Hermann Stern aus Schwerin. 

56. Friedrich Wachenhusen aus Schwerin. 



Sexta. 



1. 

1. Otto Pfeiffer aus Schwerin. 

2. Walter Rüst aus Kogel. 

3. Heinrich Bosselmann aus Liessow.* 

4. Paul Pincus aus Schwerin. 

5. Alexander Otto aus Mainz.* 

6. Hans Vollbrecht aus Schwerin. 

7. Willy V. Oeynhausen aus Dömitz.* 

8. Victor V. Stenglin aus Schwerin. 

9. Albert Krauss aus Rostock.* 

10. Hermann Eggers aus Carlewitz.* 

11. Ludwig Behrens aus Zietlitz.* 

12. Franz Leitmann aus Schwerin. 

13. Otto Herr aus Wittenburg. 

14. Ludwig Herr aus Wittenburg. 

15. Heinrich Schmidt aus Wittenburg. 

16. Helmuth Franck aus Wittenburg. 

17. August Abesser aus Lübeck.* 



2. 

18. Carl Ditz aus Ludwigslust.* 

19. Johannes Wedemeyer aus Neu-Lübtheen. 

20. Friedrich Zickermann aus Sulz.* 

21. Adolph Mumme aus Schwerin. 

22« Franz v. Bülow aus Frankfurt a. M.* 

23. Johannes Schmidt aus Parchim.* 

24. Martin Overlach aus Petersburg.* 



76 



25. Martin Langenbeck aus Schönhof.* 

26. Friedrich v. Arnsberg aus Schwerin. 

27. Willy Masius aus Schwerin. 

28. Edmund Soltau aus Schwerin. 

29. Magnus v. Abercron aus Grabe w.* 

30. Keimar t. Koppelow aus Schwerin. 

31. Adolph Bramm aus Perlin. 



32. Emil Dittmann aus Schwerin. 

33. Hermann Sandrock aus Schwerin. 

34. August Burth aus Schwerin. 

35. Theodor Fischer aus Schwerin. 

36. Werner Kues aus Rostock.* 

37. Franz Mahncke aus Schwerin. 

38. Peter Gaettens aus Ah-Gaarz.* 



JAHRESBERICHT 



ÜBER DAS 



GYMNASIUM FßlDEßlCIANüM 

VON OSTERN 1871 BIS EBENDAfflN 1872 

WOMIT 

ZUR ÖFFENTLICHEN PRÜFUNG SÄMMTLIOHER OLASSEN 

WELCHE AM 21. UND 22. MÄRZ GEHALTEN WERDEN SOLL 



»EHOBSAMST EmLABET 

DIRECTOR. 





^ V '^"^ x/-^ "x.-v^*x. *„-^v , ^ ■ ^' ».*v 



INHALT: i. homerische Studien, abh. h. die sagen von ilion und ihre Ver- 
breitung NACH lONIEN. HOMER UND KREOPHYLOS. VON W. BÜCHNER. 
2. SCHULNACHRICHTEN. VON DEMSELBEN. 



Schwerin. 1872. 

GEDRÜCKT IN DER HOFBUCHDRITCKEREI VON DR. F. W. BÄRENSPRUNa. 



Anordnung der Prüfling. 



\/>jr\f\jr y-^^' y^\j 



A. Donnerstag, den 21. März, tun 8 Uhr: 
Qesang aller Claflsen. Morgengebet. 

Ober-Prima 8^4—9 Uhr. 

Religion Oberlehrer Brunzlow, 

Horat. />r. Latendorf. 

Unter-Prima 9 — 10 Uhr. 



Griechisch 
Französisch 



Dr. Meyer. 
Lehrer Brauns. 



Ober-Seennda lOV* — 11 Uhr. 

Mathematik Dr. Bastian. 



B. Freitag, den 22. März, nm 8V4 Uhr: 



Quarta A. 8V4 — 9 Uhr. 

Qriechisch Lehrer Bamberger, 

Bechneu Lehrer Brandt, 

Qnarta B. 9 — t O.Uhr. 

Lateinisch Lehrer Bamberyer, 

Griechisch Lehrer Bamberger, 

Quinta lOV* — 11 Uhr. 

Lateinisch Lehrer Beckmann. 



Unter -Secunda 11 — 12 Uhr. 


' 


Sexta 11 12 Uhr. 


Cicero Dr. Meissner. 


Lateinisch 


Lehrer Stahl. 


Xenophon Dr. Meissner. 


Rechnen 


Lehrer Brandt. 



Ober -Tertia S»/*— 4 Uhr. 

Xenophon Dr. Schmidt. 

Unter -Tertia 4-5 Uhr. 

Lateinisch Dr. Sellin. 

Geschichte Oberlehrer Brunzlow. 



Um 12 Uhr: 

Entlassung der Abitnrienten. VerseizUDg sämmtlicher 
Classen. Vertheilnng der Censnren. 



Der Unterricht im Sommersemester beginnt am Montag den 8. April um 8 Uhr. Die in das Gymnasium aufzu- 
nehmenden einheimischen Knaben werden ausnahmsweise schon am Sonnabend den 23. März früh um 8 Uhr von mir 
geprüft werden. Die Knaben haben ihre pro Ostern a. c. erhaltenen Schulcensuren, so wie auch ihre Taufscheine mitzu- 
bringen. Die auswärtigen Knaben dagegen haben sich erst am Sonnabend den 6. April zur Prüfung früh um 8 Uhr ein- 
zufinden. Das Prüfungslocal ist im Gymnasium Fridericianiun. 



Director Dr. Büchner. 



n. Abhandlung. 



§. 1. 

Sagenspnren in der Troischen Ebene« 

Die Existenz Ilions und dessen durch die yereinten Griechen erfolgte Zerstörung muss auf 
Grund der in der vorigen Abhandlung gewonnenen Resultate ab ein historisches Factum gelten. 
Wann solches stattgefunden» ist nur annähernd zu vermuthen; eine feste chronologische Bestimmung 
liegt ausserhalb der MögUchkeit und kann auch gänzlich entbehrt werden, da sie für die Forschung 
selbst nicht weiter von Belang ist Fest steht» dass die Erinnerung an den Troianischen Krieg 
durch das ganze Alterthum hindurch stets lebendig geblieben, und dass derselbe als historisch von 
Niemand in Zweifel gezogen worden ist Allein in hohem Grade befremdend muss es erscheinen, 
dass, während jener Hergang in ganz Griechenland, auf den Inseln und selbst in dem fernen Italien 
zu allen Zeiten das lebhafteste Interesse rege erhalten hat, gerade in der Troischen Ebene selbst, 
wo man doch nach Jahrhunderten noch die bestimmtesten UeberUeferungen hätte erwarten sollen, 
uns das Gegentheil davon entgegentritt; nirgends findet sich eine spärUchere Erinnerung an Ilion 
und dessen Untergang, als unter den späteren Bewohnern derselben Gegend, welche einst Zeuge der 
Zerstörung der Stadt gewesen war. Vergegenwärtigen wir uns die eingehenden Untersuchungen, 
welche im Alterthum von dem Demetrius aus Skepsis, von der Hestiaea aus Alexandria Troas, von 
HeUanicus aus Mitylene und Anderen persönlich an Ort imd Stelle angestellt worden sind, und er* 
wägen wir deren Ausbeute, so treten zwar Ansichten, Meinungen und Yermuthungen der verschie- 
densten Art zu Tage, aber nirgends findet sich an irgend einem Punkte der Ebene eine so fest 
ausgeprägte Ueberlieferung, dass die Forschung im Stande wäre, solche grundlegUch zu machen 
und von ihr ausgehend weiter zu schliessen. Wo das alte Dion gelegen, bleibt jenen Forschem ein 
völliges Bäthsel, und auch am Strande des Hellespont wissen sie nur einige wenige auf das Heer 
der Griechen bezügliche Punkte namhaft zu machen, welche sich im Yolksmunde erhalten hatten. 
Dennoch müssen wir ihnen wegen der Angabe sowohl jener als auch noch anderer OerÜichkeiten 
dankbar sein, da diese es sind, durch welche die nachstehende Untersuchung hauptsächlich bedingt 
wird. Es ist hierauf ein um so grösseres Gewicht zu l^en, je weniger die bisherigen Homerischen 
Studien auf jene befremdliche Erscheinxmg ihr Augenmerk gerichtet haben. 

Wagen wir es uns in die Zeit zurück zu versetzen, als Dion buchstäblich in Schutt und 
Asche lag, so muss sich unter den Ueberlebenden das Andenken an die Zerstörung, so wie an Alles, 
was ihr voraufgegangen, in zwiefacher Richtung wahrheitsgetreu erhalten haben, einmal unter 
denen, welche dem Verderben entronnen sich in die nächste Umgebung, also in die unzugänglichen 

1 



t — 

Schluchten des Idagebirges gerettet und nach Abzug des feindlichen Heeres in ihre alten Sitze zu* 
rückbegeben hatten, und dann unter denen, welche diese auf immer verliessen; jene bestanden lediglich 
aus Troern, zu diesen gehörten zugleich Sieger und Besiegte. 

Richten wir unser Augenmerk zuerst auf die zurückgebliebenen Troer, so ergiebt sich 
mit innerer Nothwendigkeit, dass diese, welche alle Gräuel und Schrecken des Krieges mit durch- 
gemacht, bei der Fortpflanzung der Hauptereignisse sich in vollständiger Uebereinstimmung mit 
einander befanden haben werden; sie hatten die Ankunft der feindlichen Flotte mit ihren fürstlichen 
Führern in frischem Gedächtniss, sie kannten genau den Ort der Landung, sie wussten von dem 
Zweikampf des Hector und Achilles zu erzählen und konnten umständlich den Tod des ersteren 
berichten; sie hatten den Heimgang des Achilles imd den Selbstmord des Aiax erlebt und waren 
endlich Zeuge gewesen von der Eroberung der Stadt selbst Bei der weiteren UeberUeferung dieser 
Hauptsachen waren wesentliche Abweichungen und Umgestaltungen oder auch fremde Zuthaten nicht 
möglich, so lange die Augenzeugen selbst noch lebten. Erst in den nächstfolgenden Generationen, 
nachdem die persönliche Zeugenschaft erloschep, sind Ausschmückungen hinzugekommen. Durch 
diese pflegen historische Thatsachen, je weiter sie in das Alterthum zurückweichen, sich allmälig in 
die Hülle der Sage zu kleiden und in dieser unv^ändert so lange zu verharren, als mit den Orten 
und Verhältnissen, an denen sie haften und unter denen sie existiren, keinerlei Veränderung vor- 
geht. Kur wenn die Orte selbst aus mechanischen oder andern Ursachen andere Formen annehmen 
imd sich umgestalten, oder wenn ein wesentlicher Wechsel der Bewohner derselben eintritt, schrumpft 
auch die Sage wieder zum kleinsten Kern zusammen und verschwindet zuletzt gänzlich. Beispiele 
davon bietet die alte Sagenwelt imd selbst die Geschichte zur Genüge. Um Naheliegendes kurz 
anzuführen, so sind in unserem engem Vaterlande die heiligen Orte, wo in grauer Vorzeit das 
prophetische weisse Boss gezüchtet wurde (cf. Tac. Germ. c. 10), auch nachdem der alte 
Glaube dem wahren Glauben längst gewichen war, sicherlieh noch Jahrhunderte hindurch von dem 
Volke gekannt und mit stummer Scheu betrachtet worden und haben erst, nachdem im Laufe der 
Zeit die wesentUchsten localen Umgestaltungen und Veränderungen vorgenommen worden waren, 
dem Volksbewusstsein so vollständig sich entzogen, dass Niemand heut zu Tage in den Namensüber- 
resten die alten Volksheiligthümer wiedererkennt, und dass es neuerdings erst der gelehrten Forschung 
bedurft hat^ die dunkeln Spuren davon überzeugend nachzuw^en^). 

Dieser Hergang tritt vorzugsweise an den Sagenresten in der Troischen Ebene deutlich zu 
Tage; bereits im Alterthum finden wir Alles in so dichten Nebel gehüllt, ja so tief in die Vergessen- 
heit vergraben, dass wir ohne Uebertreibung behaupten können, die alte Welt habe über Alles, was 
in der Ebene einst vorgegangen, aus derselben nur wenig mehr, als wir, zu entnehmen vermocht; 
denn Alles, was aus ihr uns entgegentönt, ist unbedeutend und geradezu nichtssagend, und nur dem 
Glänze der homerischen Poesie ist es vorbehalten gewesen, eine Urzeit der Ebene hervorzuzaubem, 
von welcher diej^gen, die sie zur Zeit des Dichters bewohnten, nicht die geringste Vorstellung 
mehr hatten. Zwischen den Punkten selbst aber, an denen einst noch einige Beste historischer 
UeberUeferung mehr oder weniger erkennbar waren, fand schon im Alterthum ein merUioher Unt^^ 
schied statt. Die an dem Hellespont gelegenen Todt^hügel waren stets tmverändert dieselben 
und für Jedermann sichtbar geblieben, und die an ihnen haffc^den Ueberlieferungen konnten also 
von Geschlecht zu G^chlecht unverändert fortexistiren ; dasselbe galt von dem Meeresofer, wo einst 
die feindliche Flotte AufbteUxmg gefunden. Denn war auch spedell die Stdie, wo die ScUffe ge- 



>) J)aas in dem Namos Schwerin (Thiergarteq) in Verbindnpg znit den Namen Dierhagen und Ostorf 
(Horfiedorf, d.i. FferdedorQ uralte Ueberreste des schon von Tacitns erwähnten Cnlts zn i|nden mnd, hat die gelehrte 
Forschung des Archivrath Dr. Beyer zu Schwerin tiberzeugend dargethan. 



— » — 

fltftndeti (fai&Ta&fiög)^ dem Oedächtniss nach und nach entschwunden, so musste sie dock in der 
Buc^t zwkcben dem Sigeuüi und Rhoeteum gesucht werden, und die Sage haftete ganz aUgemeia 
an dem Strande, gleic^hviel ob derselbe in mier Ausdehnung von einer oder yon zwei Meilen ge* 
iächi wurde. Dahingegen wo war die. Stelle, auf der einst Ilion gestanden? Schön Homer 
irusstd es nicht mehr zu sagen und darum rerlegt er die Stadt ganz allgemein in die Mitte 
der £bene, cf. Abb. I, p. 32, sqq. Es ist für den Verlauf der Untersuchung durchaus noth- 
wendig, sich über das Beöremdliche dieser Erscheinung wo möglich licht zu verschaffen. 

Die ein&che Annahme, dass die völlige Veränderung, welche nach der Zerstörung der Stadt 
mit dem Locale vorgegangen, das Verschwinden jeglicher Erinnerung zuwege gebracht, ist allein 
nicht ausreichend; denn die Sage toü Iliön und dessen Schicksal lebte in der Ebene und die 
aus dem Brande Geretteten müssen unter allen Umständen noch geraume Zeit hindurch die Stätte. 
der Stadt trotz ihrer völligen Umgestaltung genau gekannt haben. Um das völlige Vergessen ded 
Locals zu bewirken, müssen demnach noch andere Gründe massgebend gewesen sein. Nun aber 
wissen wir, dass es eine Ueberzeugung des ganzen Alterthums war, Ilion sei einzig und allein 
dem Zorn der Juno zum Opfer gefallen, eine Ueberzeugung welche Homer vollständig theilt 
tmd als Grundmotiv für die Vernichtung geltend macht; cf. Hiad. IV, 25, sqq. Denselben Glaubeii 
und dieselbe Ueberzeugung hegten auch diejenigen Troer, die nach dem Abzüge der Sieger aus den 
Schluchten der Ida in die Ebene zurückkehrten und sie wieder in Besitz nahmen; sie mussten ihn 
hegen, well er durch die religiösen Vorstellungen des Alterthums geboten war. Wir wissen femer, 
dass nach alter Sitte über die Stätten eroberter und zerstörter Siädte die Pflugsohaar gezogen (cf. 
Horat I, 16, 21), und dass ausserdem die stärksten Flüche ausgesprochen wurden, zur Warnung, 
solche Orte niemals wieder zu Wohnsitzen von Menschen zu machen. Dass solches auch in Bezug 
auf Hion geschehen sei, behauptete schon das Alterthum; cf. Strab. XIII, p. 112. EIho^ovoi di, vovg 
SateQov dvccxrlaai diccvoovfievovg olwvlaaad'ai mv ronov inelvoVf ette did vag avfjupoqaq^ eita xcd 
xatagaaafihov toi ^Ayafiifivat og üctra nalaiov S&og, xadviJteQ xal 6 Kqoiaag i^ekwy ttv SiSijvfvi 
elg fjv TVQcevvag xonkipvyB rlavxlagj ägag eS'STO xccvä rtSv zuxiovvton naltv töv %mov» 
Oleichviel nun, ob Agamemnon die Verfluchung wirklich ausgesprochen oder nicht, so enthält doch 
Jener Glaube selbst genügende Bewäskraft für die Richtigkeit der Annahme, dass die überleben- 
den Troer den Ort des Unheils, auf dem so sichtbar der Zorn der Gottheit geruhet, 
nicht wieder aufgebauet haben. War diess aber der Fall, so erklärt es sich ganz von selbst, 
dass, nachdem das meineidige Geschlecht des Ilus mit Priamus seinen Untergang gefunden, der 
rechtmässige Herrscherstamm unter Aeneas (cf. I, p. 40, sqq.) es vorzog, die vom Zorn der Götter 
so schwer betroffene Ebene überall zu verlassen und in fernen Landen sich eine neue Herrschaft 
zu gründen; er brachte den uralten Spruch, Troia dürfe an der alten Stelle niemals wieder 
aufgebauet werden, mit nach Italien und gab hier die Veranlassung, die neugegründete Tiber- 
stadt, welche unter ganz gleichen Verhältnissen inmitten der Tibermoräste, wie einst Bion in der 
Sumpfebene, sich erhob, nur mit dem Allgemeinnamen der Stärke, nicht aber mit dem ihr' zu- 
kommenden Ilion zu benennen. Ebenso haben die zurückgebliebenen Troer aus Scheu vor der 
Gottheit es nicht gewagt, ihre Stadt an der alten Stelle wieder herzustellen; auch sie haben sich 
30 Stadien östlich vom alten Bion, dort wo der vielgenannte Berghals aus der Dardanischen Ebene sich 
in die Troische hineinzuziehen beginnt, fast am Fusse der alten Eallicolone niedergelassen, haben 
aber diese neue Niederlassung weder Ilion genannt, noch ihr den Namen einer Stadt, TVoXig, 
sondern nur den eines Dorfes (xcif^fj l[Jiäiov) beigelegt; c£ Strab. p. 99. 103. 106. Unter diesen 
also muss sich die Kunde, wo einst Bion gestanden, geraume Zeit hindurch erhalten und fortge- 
pflanzt haben, und wären aUhier die alten Forscher den Ueberliefisrungen der Vorzeit sorglich 
nachgegaiigen, so hätten sie vielleicht üoch Spuren und Ueberreste alter Verhältnisse angefunden. 



4 

In der YorsteUuBg der Dorf-Ilienser nun galt die Area des alten Dion ganz beetiniint als ein 
X^qIov ncnaqatov^ dessen ursprünglichen Namen (Ilion) sie nicht einmal auszusprechen wagten« 
sondern ihm im Gregensatze zu ihrer thijixij nur die exceptionelle Bezeichnung Swficem ßaatl^og 
(cf. U. XXrV, fin.) beilegten. Der Name Ilion schwebte abgelöst vom Locale gleichsiun in der Luft 
über der Ebene; der Duft der Sage allein pflanzte ihn fort und der spedelle Ort als Träger der 
Sage wurde vergessen. So stand es bereits zur Zeit des Homer, und hierin hegt nichts AuffaUiges. 
Msm nimmt heut zu Tage an, dass der Dichter zwischen dem 9. und 8. Jahrhundert a. C. gelebt 
und gesungen hat, eine Annahme, die sich weiter unten als vollkommen zulässig und glaubwürdig 
erweisen wird. Demnach hat die Zerstörung lUons mindestens um mehrere Jahrhunderte früher, also 
übereinstimmend mit der vulgären Annahme um ungetähr 1 200 a. G. stattgefunden, und es kann nicht 
zweifelhaft sein, dass während eines so langen Zeitraumes unter dem Einflüsse jenes oiwviofiog die 
Kenntniss des Locals gänzUch geschwunden ist Das Wort, des Dichters im Munde des Poseidon 
IL Vn, 452 inilfjoea&ai ist durchaus der Wahrheit gemäss und vollkommen zutreffend; es konnte 
um so leichter gesprochen werden, als die Stelle, wo Ilion gestanden, zur Zeit Homers keinerlei 
Spur von alten Baulichkeiten zeigte, sondern höchstens nur Weideplätze für Viehherden darbot. 
Jenes Wort Homers aber beweist zugleich augenscheinlich, dass zu seiner Zeit auch von Neu-Ilion 
noch keine Rede gewesen sein kann, da dessen Vorhandensein und die bekannte Behauptung der 
Neu-Dienser, die Stätte des alten Ilion zu bewohnen, jenes inilf aead'ai vollständig ausschliessen 
und unmöglich machen würde. Neu-Ilion kann erst lange nach Homer» nachdem ein bunter 
Wechsel der Bewohner der Ebene eingetreten war, von welchem Strabo 1. L die umständUchsten 
Nachrichten giebt, erbauet worden sein, namentlich als Lesbier, Athenaeer und Andere sich um den 
Besitz der durch ihre günstige Lage sehr werthvoUen Ebene stritten. Es wurde unzweifelhaft von 
Bewohnern des Dorfes, die den ganzen Berghals als ihr altes Besitzthum beanspruchten, angdegt> 
nachdem im Laufe der Zeit jener olwvia^ogj wenn auch sicherUch nicht ganz vergessen, doch unter 
den Bestrebungen anderer Stämme, den Berghals zu besitzen und zu bewohnen, vollkommen be- 
deutungslos geworden war. Aus diesem uralten Bewusstsein, aus der nicht gänzlich erloschenen 
Erinnerung an den einstigen Götterzom entwickelt sich gleichsam der rothe Faden, welcher in Ver- 
bindung mit dem unbestreitbaren Eigenthumsrecht an der Ebene die Neu-Ilienser zu der Behaup- 
tung Alt-Uion zu bewohnen fährte und also die Tradition schuf, an welcher, mit Ausnahme der 
verwerflichen gelehrten Ansicht, das ganze Alterthum unverbrüchlich festgehalten hat 

Beruhen nun diese Resultate, wie es bei Dingen, welche die tiefste Dunkelheit deckt, nicht 
anders sein kann, nur auf einer Kette von Schlüssen und Folgerungen, die jedoch aus einem ganz 
bestimmten Factum gezogen worden sind, so ist es doch von Wichtigkeit, jene Schlüsse wo mögUch 
durch weitere Beweise zu stützen und zu sichern. Wir haben behauptet, dass die nach der Zer- 
störung der Stadt in die früheren ihnen als Eigenthum zugehörigen Sitze zurückkehrenden Troer 
ihre neue Ansiedlung aus Furcht vor der Gottheit nicht Ilion, sondern einfach Dorf der Ilienser 
genannt haben, offenbar im Gegensatz zum zerstörten Königssitz des Priamus, und es handelt 
sich demnach darum, auch für die Zulässigkeit dieser Behauptung womöglich etwas beizubringen, 
wodurch zugleich die aus den Verhältnissen der Ebene erwiesene Lage der alten Ti*oia noch weiter 
bestätigt werden dürfte. 

Der heutige Türkische Name des Ortes, wo Neu-Qion gestanden, lautet Hissarlik und be- 
deutet die Paläste; die Veranlassung zu dieser Benennung hat man in den Tempeln und 
Prachtgebäuden gefunden, mit denen einst Macedonische und Römische Gnnst die Stadt ge- 
schmückt hätte; cf Ulrichs p. 596. Fest steht nun allerdings, dass jener Name erst im Munde der 
Türken, als sie der Troischen Ebene sich bemächtigten, entstanden sein kann; allein das liegt völlig 
ausser dem Bereich der Wahrscheinlichkeit^ dass sie ihn desshalb neubildeten, weil sie nach so und 



5 

60 vielen Jahrhunderten noch Ueberreste von vermeintlichen Tempeln und andern Prachtgebäuden 
vorfanden. Zwar kann ein mit derartigen Baulichkeiten ausgestatteter Ort, v^enn er bereits den Namen 
Stadt der Paläste geführt hat» auch nach seiner Zerstörung denselben Namen in dem Munde 
der konmienden Geschlechter beibehalten, allein niemals ist einem Trümmerhaufen von Mauern und 
Ruinen auf eine blosse Schlussfolgerung hin eine derartige Benennung beigelegt worden; und so ist 
es auch den einbrechenden Türken gewiss nicht eingefallen, die Reste eines in Schutt liegenden 
Ortes mit dem stolzen Namen Stadt der Paläste zu bezeichnen. Was aber die Hauptsache ist, so 
hat es mit jenen vermeintlichen Prachtgebäuden überall nicht viel auf sich gehabt; von Mace- 
donischer Seite wenigstens ist es gevdss, dass solche nicht errichtet worden sind. Es ist auf jene 
Gunst, welche sowohl Alexander von Macedonien als auch später der Dictator C. Julius Caesar den 
Bewohnern von Neu-Ilion einst zugewendet, schon jfrüher (Abb. I, p. 20) hingewiesen worden, doch 
lediglich zum Beweise, dass die alte Griechische imd Römische Welt in Neu-Ilion die einstige Troia 
unbedingt anerkannt hat. Was dagegen die Errichtung monumentaler Gebäude anbetrifft, so hat 
sich Alexander allerdings dafür interessirt» aber ohne Erfolg. Er fand nacb seinem Siege am 
(jranicus die Stadt in solcher Verkommenheit, dass er ihr, die bis dahin noch ein blosses Dorf war, 
zuerst den Namen einer Stadt beilegte; cf. Strab. p. 99. Auch befahl er ihre Herstellung durch 
Häuserbauten und versprach nach Zertrümmerung des Perserreiches brieflieb, den Ort zu einer grossen 
Stadt machen zu wollen; cf. Strab. p. 100; indessen bei diesem Versprechen ist es geblieben, sein 
früher Tod verhinderte die Ausfuhrung. Unter seinen Nachfolgern unternahm es Lysimachos von 
Thracien das Versprochene nachzuholen; allein dabei blieb es, der Ausbau von Antigonia, aus Pietät 
Ton ihm Alexandria Troas genannt, nahm ihn zu sehr in Anspruch^). So kam es, dass Neu-Ilion 
noch zur Zeit des Ueberganges der Gallier von Griechenland nach Asien, also kurz nach Lysimachos Tode 
um den Anfang des 3. Jahrhunderts a. C. nach dem Zeugniss des Hegesianax noch immer keine Stadt, 
sondern nur ein Dorf ohne Mauern war; cf. Strab. p. 100 'Hytjciava^ de Toig FaXatagf 
nBQaita^vxag ix r^g EvQtinrjg^ draßf^vai /niv (laTogel) etg zr^v noXtv deo^vovg igifAurog* 
naqaxQTi^a de ixXmslv did tö okü%iatov. Nicht anders aber scheint es sich mit der Gunst^ welche 
von Römischer Seite den Neu-Iliensern erwiesen worden, verhalten zu haben. Als die Römer im 
Kriege gegen Antiochus den Grossen, also zu Anfang des 2. Jahrhunderts a. G., zuerst Asien be- 
traten, fanden sie Neu-Ilion ebenfalls nur als ein Dorf vor; cf. Strab. ib. Kai %6 ^tkiov^ to vvv. 



>) Cf. Strabo a. a. 0.: MsTa fil £xe{vou tcXcuti^v Auaiiiaxoc liaXiaTa rrjc icoXeidc ^ice|jL&Xt{dt) xal vu»v 
xaTcaxcvaae xal reix^C icepießaXcTO oaov xCTTapaxo^Ta aradCcAV ovvifixia^ tc e?c avnqv ra^ xm'xXu icoXctc apxaCac 
ifi-(\ xcxax(d|i^vac* ort xal AXc£av8p£(ac rfiri\ iKt^iki^lin' 9vvfoxi9)JL^vt)c jiiv tjßtj uu' 'Avtiyovou xa\ icpociiYope\>|JL^vt)c 
A^fiiYO^txc, )ieTaßoiXouoY)c hl T0i7vo|i,a. *£do(e Yap ^uaeßU elvai touc !iX^Sav8pov 8ia8e(a)jL^vouc, £xe{vou tcpoTepo^ xtCCciv 
£TCtt^v|jioyc ^to'Xetc, tVi iautiöv. xal 8tj xa\ auv^)ict^e xal avtrictv loxf vuv 81 xa\ *Pu|ia{uv aTCOtxfav RÄexTat xa\ 
fort Twv £XXoYttJL(i>v icoXcid*i. Kai To^lAtov ö', o vuv ^aii, x(a(jioicoX£« Tic ijv, ort icpwxov *P(d|&atot -nie *Aa{«c iit^ßijffav 
xal ^E^ßaXo'» A^tfoxov ton (i^y^'^ ^^ f^QC ^"»toc toG Taupov. Die Verworrenheit dieses Berichts beweist, dass Strabo 
noch immer seinen Bentley erwartet. Denn wenn hier gesagt wird, dass Lyvimachos Nen-Ilion mit einer ungefähr eine Meile 
langen Mauer umgeben habe, und wenn weiter unten der Geograph hinzufügt, dass die aus Europa nach Eleinaaien über* 
setzenden Galater, was doch eben nur wenige Jahre nach Lysimachos Tode geschah, die Stadt nach dem Zeugnisse des Hegesianax 
als eine fi.xtix\ox^^ gefunden nnd darum sofort wieder verlassen hätten, so enthält die ganze Darstellung einen Wider- 
spruch, der dem Strabo unmöglich zur Last gelegt werden kann. Die Schuld trägt vielmehr ein alter Abschreiber, der die 
Worte xal ^iciov bis ffir\ xcxax«»|JL£'»ac an eine falsche Stelle setzte; sie gehören aber unten zwischen die Worte xal l$ij-xa.\ 
und diese müssen lauten: xal Siq xal vctiv xaTeaxevaffc xal tcix^c TcepteßaXcTO oaov TerrapaxovTa OTaSfcdv. ovvcpxta^Te 
tU eJuTinv Toic xvxXcf) icoXcic apxa(ac, rfiti xexaxcofx^vac* xal au^^^eive xal avEtjatv toit x. t. X. Somit bezieht sich 
diese Alles auf Alezaadria Troas xmd Strabo hat eben nur gesagt, dass Lysimachos ganz besonders für Neu-Ilion gesorgt 
habe, ohne Angabe, wie er es gethan; in dieser AuBlassung aber liegt der muthmaasliche Grand der Verdexbniss. Weiter 
sind auch die Worte Kai to "iXio^ j', o vwv iaTi, x(d|Jk07CoX(c T15 -ifv, otc x. t. X. unrichtig; de müssen lauten: Kai to 

^IXIOV TO ^iJv ?Tl Xtt»^0:COX{c Tl? IQV X, T. X« 



6 

Irt H(Ofi6nolig ng ^, OTe nqukov "Pmifioioi tijg Itialag inißtjüav xal i^ißaXov Arcloxov tor fteyctv 
ix jrjg evTog tov Tovqov. So schreiben wir die Stelle statt der verunstalteten Vulgata: Kai to^tw 
ff o vvv iaziy xiOfionoXlg zig ^v (s. die vorige Note). Erst zur Zeit des Sulla, als die Fimbrianef sich 
der Küste Eleinasiens bemächtigt hatten, scheint der Ort ummauert gewesen 2u sein, da er eine Be- 
lagerung eilf Tage lang auszuhalten vermochte; et Strab. p. 101. o Oi/ißglag — itQoel9w¥ etg^torf 
ov dsxofiivwv avTov tüv *lXii(av tSg XtjaTfjv fievzoiy 7tQoaq)iQ€i (seil, ßlav) xal kvdexatalovg aigiil, 
(fiiyTO$ schreiben wir statt des corrupten ^avxu der Vulg.). Zwar verlieh Sulla nach üebei*wäl- 
tigung der Fimbrianer den Neu-IIiensern, um sie wieder zu heben, viele Rechte und Wohlthaten 
(xoTo^d-cci/uaTa), und auch Caesar erhielt ihnen später nicht allein die bereits von Alexander ge- 
währte Entfreiung von Abgaben, sondern vermehrte auch ihren Grundbesitz und Hess ihnen die 
Freiheit; allein von der Anlegung von Tempeln und Prachtbauten ist weder bei ihm, noch bei jenem 
irgendwo die Rede; Alles bezieht sich nur auf Gunstbezeugungen von nicht baulicher Natur und 
Beschaffenheit) ähnUch denen, welche die späteren Kaiser, z. B. Claudius mit besonderer Vorliebe 
wiederholten; cf. Sueton. Claud. c. 25. 

Wenn wir nun unter dem Eindrucke dieser Berichte die Ueberzeugung überall nicht ge- 
winnen können, dass Neu-IUon grossartige Bauten jemals gehabt habe, so wird dieser Mangel an 
solchen wenigstens für die Zeit von Alexander d. G. bis zur Unterwerfung Griechenlands durch die 
Römer 146 a. C. durch das Zeugniss eines Augenzeugen, des Demetrius von Skepsis vollkommen 
bestätigt Dieser, nach allgemeiner Annahme ein Zeitgenosse des Aristarch und Crates (cf. Strab. 
p. 126), also um 150 a. C. lebend, hatte als Jüngling während des Krieges der Römer gegen 
Antiochus d. G. (190 a. C.) Neu-Dion besucht, den Ort aber in solchem Verfall vorgefunden, dass 
die Häuser nicht einmal mit Ziegeln gedeckte Dächer aufwiesen; cf. Strab. p. 100: Or^ül yoiif 
Jflfirfcqtog 6 Sxitf/iogf (iuqqxlov eTiidrjfiTjaag elg Ttjv noXiv xat ixelvovg toig xaiQoig^ ovttag 
(oliy(aQf]/aevf]v IdeXv ttjv xceToixiav, wate fiijde xeQafiCDrag txBiv zag axeyag. Wenn also Hace- 
donische Prachtgebäude durch dieses Zeugniss bis zum J. 150 a. C. völlig. Römische mit 
grösster Wahrscheinlichkeit auch für die spätere Zeit ausgeschlossen werden, weil sonst sicherUch 
davon irgendwo die Rede sein und namentlich Strabo (um 30 p. c.), der über die örtliche Be- 
schaffenheit Neu-Ilions mit offensichtlicher Vorliebe berichtet, eine darauf bezügliche Bemerkung 
gewiss nicht unterlassen haben würde, so wird die oben angeführte Erklärung des Kamend Hissarlik 
bezügUch ihrer Entstehung durchaus hintälUg und muss mit Entschiedenheit abgelehnt werden. 
Dahingegen ergiebt sich aus dem Gesagten unzweideutig, dass die Türken die Ruinen von Neu-Ilion 
mit jenem Namen bezeichnet haben, weil sie ihn im Munde des Volkes bereits vorfanden, und wir 
behaupten mit Entschiedenheit, dass der Name ^^die Paläste'^ eine uralte Reminiscenz ent- 
hält und auf nichts Anderes zurückzuführen ist, als auf den uralten Köüigssitz des 
Priamus. Fassen wir Alles noch einmal kurz zusammen, so war dieselbe Scheu vor dem Zorn der 
Gottheit, welche späterhin die Römer veranlasste, den Geheimnamen Roms nicht auszusprechen, auch 
für die Dorf-Ilienser der Grund gewesen, sich des den Göttern verhassten Namens nicht femer zu 
bedienen, sondern dafür bloss Wohnungen des Königs zu sagen. Hiedurch löste Ilion sich all- 
mäUg vom Locale ab und schwebte mit der Sage von Dions Fall und Untergang gleichsam über 
der ganzen Ebene, das Local selbst aber als Träger des Namens schwand aus dem Gedächtoiss der 
Menschen und gerieth in Vergessenheit. Nur unter den Dorf-Diensem wird eine alte Kunde davon 
sich erhalten haben. Als somit im Laufe der Zeit jene Scheu vor dem Götterzom erloschen war, 
und als jene die alte Stätte der Stadt wieder aufsuchten und zum Wohnatz nahmen, da haben sie 
kein Bedenken weiter getragen, sie gleichsam of&ciell wiederum Dion, d. i. Neu-Ilion zu benennen, 
während der Volksmund die Bezeichnung Wohnungen des Königs beibehielt; und darauf hin 
haben später die Türken den Ort Hissarlik, die Paläste, genannt. Wir bewegen uns 



i 



I 

Uemit allerdioge auf dem Boden d^ dunkelsten Thatsachen und Verhältnisse und es gilt daher, um 
jenen nahe zu kommen, in den vergilbten Blättern des Alterihums oft nur gleichsam zwischen d^i 
Zeilen zu lesen; indessen auch so lässt sich Manches mit Sicherheit errathen. Woher, mag es wohl 
kommen, dass uns Homer ein so ganz eigenthümUches Bild Yon Ilion hinterlassen hat? Ueber- 
Behauen wir mit einem Blicke Alles, was er über die Stadt als solche berichtet, so erhebt sie sich 
vor uns gross und volkreich, stolz und prächtig; sie wird von mächtigen, thurmgekrönten Mauern 
geschützt und von breiten Strassen durchschnitten, und hoch über sie ragt der Königsbau des Priamus 
empor, kurz eine ächte Eönigsstadt, vergleichbar denen, welche die vergrössemde Sage dem Dichter 
aus dem fernen Orient zugeführt hatte. Allein worauf gründet sich diess Bild? etwa auf irgend eine 
eingehende Schilderung und Beschreibung? auf die Anwesenheit belebender Details? Wir suchen ver- 
gebens danach; Alles beruhet auf ganz allgemeinen Andeutungen und vorzugsweise auf bezeich- 
nenden Beiwörtern, die jedoch nicht vermögend sind, die eigenthümliche, so zu sagen gross- 
artige Erstarrung zu heben, in welcher die Stadt sich vor uns ausbreitet. Sie birgt Tausende und 
abermals Tausende lebender Wesen in ihren Mauern, und dennoch steht sie, ganz im Gegensatz 
zum wilden Kamp^ewühl in der Ebene, vor uns in seltsamer Ruhe, fast leblos, fast seelenlos. Nur 
ein Punkt macht eine etwas bemerkbare Ausnahme, aber wiederum nicht der, den man erwartet^ 
nicht der Tempel der Pallas Athene, der vermeintlichen (H. VI, 297, sqq.) Beschützerin der Stadt, son- 
dern nur der Königspalast des Priamus auf der Höhe der Stadt; cf. Iliad. VI, 242, sqq. Diess 
ist kein Zufall; der Umstand, dass der Dichter gerade den Palast des Königs etwas eingehender 
beschreibt und ihn mit der rings umliegenden Stadt gleichsam nur umrahmt, lässt vermuthen, dass 
ihm, dem F^mlebenden, der nicht einmal wusste, wo Ilion gestanden, vorzugsweise aus der Ebene 
die du fiQL%a ßauilfog als Bezeichnung des alten Ilion selbst genannt worden sind* 
Und so ist es; hiemit verbreitet sie Licht über manche Homerische Darstellung. Als Priamus, vom 
Herold Idaeus begleitet, die Leiche Hectors nach der Stadt zurückbringt, da tritt auf den Ruf der 
Cassandra das ganze Volk dem Kommenden unmittelbar vor den Thoren entgegen; n. XXIV, 709, 
sqq* Die nächsten Angehörigen des Getödteten umringen den Wagen, auf welchem die Leiche 
ruhet, und wehklagend steht weit umher die dichtgeschaarte Menge; ib. 772. Sofort spricht Priamus: 
„Machet Platcs und öffnet den Mäulem den Weg; hernach möget ihr euch sättigen an der Klage, 
sobald ich den Leichnam nach Hause gebracht So ^ach er; da trat die Menge auseinander und 
wich dem Wagen, der König aber und sein Begleiter legten, nachdem sie Hector in die herrlichen 
Wohnungen hineingeführt^), ihn auf das Paxadebett Das Auseinandertreten des Volkes und 
das Hineinführen der Leiche in den Palast folgt hier so unmittelbar aufeinander, dass, wenn 
man auch geneigt sein möchte, bei dem letzteren zu ergänze^ durch das Thor und durch die 
breite Strasse, dennoch der Dichter sicherlich daran nicht gedacht hat; mit der Hindurchfahrt 
durch das Thor fährt der König unmittelbar in den Palast hinein und Stadt und Palast sind 
offenbar ein und dasselbe. Diese wörtliche Auffassung der Stelle wird weiter unten vollkommen 
bestätigt Als nämlich Helena ihre Todtenklage um Hector beendet hat^ bricht auch das zahllose 
'Volk (di]/wg inÜQtav ib. 776) in Wehklagen aus. Lag nun die Leiche in den ^Itnoig öw^aaif so 
muss anch eben daselbst die Masse der Troer gesucht werden; dafür aber dürfte der eigentliche 
Körngspala^it, abgesondert von der übrige volkreidien Stadt gedacht, doch wohl schwerlich aus- 
reichend gewesen msx. Dasselbe ist der Fall, wenn ib* 803 von dem Leichenschmause des Volkea 
dwftaaiv iv Tlgia/ioio die Rede ist Auch hier kann die Bewirthung des Volkes nur dann als zu«- 



>) Wir legen hier die gewöbnlidie Brkläreng dee d^i^ti^ ra Gnuide; indeuen düxfte nach Diad. VI, 262 
Aaod&ct)v ^ottyovoa, d. i. ctfc^voa üq to\ t^q A. eLcov, der Sin& der Stelle sein: nach dem sie in den Palast 
hin eingefahren war^n. 



- — 8 

lässig erscheinen, wenn man den Palast in der Vorstellung des Dichters mit der Stadt selbst als TöUig 
identisch annimmt Wir wissen sehr wohl« dass die ?erallgemeinemde und vergrössemde Phantasie 
auch hier nicht ausgeschlossen ist; allein wenn unbedingt zugegeben werden muss, dass aus der 
allgemeinen Erstarrung der Homerischen Stadt sich wirklich nur der belebte Sitz des Priamus ia 
allen seinen einzelnen Haupttheilen abhebt und vor dem geistigen Auge des Lesers emporsteigt so 
unterliegt es keinem Zweifel, dass eine Reminiscenz an diese uralten Verhältnisse sich bis zum heu- 
tigen Tage in dem Namen Hissarlik, die Paläste, erhalten hat 

Fortsetzung. 

Fragen wir weiter, wie viel Material der Dichter für seine Iliade in der Ebene selbst ge- 
funden habe, so lautet die Antwort sehr yerschieden; für die Hauptperson, den alten Prjamus gewiss 
wenig mehr als den Namen. Der alte König stellt sich uns so wenig anschaulich entgegen, dass 
wir nur hier und da Aeusserungen seines Thuns, sowie seines ganzen Seelenlebens wahrnehmen; wir 
erfahren nichts von seinen früheren, nichts von seinen späteren Schicksalen; seine Stellung als Be- 
herrscher eines so gross geschilderten Reiches kommt nirgends zur Gleltung, und nur hin und wieder 
bricht in ihm seiner Familie gegenüber das Bewusstsein des gebietenden Oberhaupts durch, besoi^ders 
wenn er seine übrigen Söhne mit seinem Liebling Hector zusammenstellt und jene Feiglinge und 
lässiges Gesindel schilt Auch der gewaltige Kampf Tor den Thoren hat für ihn wenig oder gar 
keine Bedeutung, und nirgends lässt er die geringste Sorge durchblicken, dass mit der Existenz der 
Stadt zweifellos auch die eigene auf dem Spiele steht ku^ ^i* bietet das Bild einer stolzen majestä- 
tischen Buhe, die jedoch keinerlei Befriedigung gewährt. Wir sehen in ihm einen willenlosen 
orientalischen Gebieter, der, verglichen mit dem rüstigen Gerenischen Nestor, nicht einmal sein 
Greisenalter als Entschuldigung für seine völlige Thatenlosigkeit anzuführen vermag. 

Bei weitem anders verhält es sich mit der zweiten Hauptfigur, dem ritterUchen Hector; in ihm 
hebt sich aus dem gewaltigen Kampfe die grossorüge Gestalt des Schirmherm der bedrängten Stadt 
lebensvoll empor, und neben der glänzendsten Tapferkeit manifestirt sich in ihm eine solche Ge- 
müthstiefe, verbunden zugleich mit Kraft und Energie, dass die Theilnahme an seinem endlichen 
Geschicke auch die verborgensten Seiten der Menschenbrust berührt und Empfindungen hervorruft, 
welche nur durch edle Naturen erregt zu werden pflegen. Diess Alles aber kann nicht aus der 
verblichenen Sage von Ilion und Priamus, so weit diese in der Ebene vorhanden war, entflossen 
sein; Hector steht, abgesehen von dem Schutze, den er der Stadt gewährt in dem ganzen grossen 
Schlachtengemälde in keinem genauem Zusanunenhange weder mit der Stadt selbst noch mit seinem 
königlichen Vater; er ist eine ganz selbständig wirkende Persönlichkeit der seine hervorragende 
Thatkraft in allen Schlachten, seinen Seelenzustand aber in seinen Gesprächen mit der Gattin und 
mit Achilles in seiner ganzen Tiefe offenbart und alle diese Züge können nirgends anders woher 
stammen, als aus der Sage, welche am Todtenhügel des Helden haftete. Wir haben schon früher 
den Versuch gemacht gleichsam das Gerippe derselben anzugeben (cf. I, p. 35) und wesentlich an- 
ders wird sie nicht gelautet haben, weitere Zuthaten aber sind von einer andern Seite, vom Achilles« 
hügel hinzugekommen. Allein wo in der Ebene lag der Hector-Hügel? und hat Homer ihn ge- 
kannt oder gesehen? 

So viel steht fest^ dass, wenn Ilion an der Stelle des heutigen Hissarlik lag, auch das Grab 
Hectors in nächster Nähe gesucht werden muss. Homer berichtet ausdrücklich, dass die Troer in 
Folge des Auftrags, das nöthige Holz zum Scheiterhaufen des gefallenen Helden herbeizuschaffen, sich 
vor der Stadt versammelt und nachher die Leiche hinausgetragen haben, dass femer während der 



9 

AuftchüttuBg des Hügels nach allen Seiten hin Späher ausgestellt waren, um nicht ausserhalb der 
schützenden Mauern von den Griechen überfallen zu werden, und dass man endlich nach Vollendung 
des Grabmals in die dwficeva ßaaiXffig zum Leichenschmause zurückgekehrt sei; cf. II. XXIV, 783. 
786. 799. 801. Hector war also ausserhalb der Stadt bestattet worden. Aber auch den Bau 
des Grabmals beschreibt der Dichter ganz genau; man legte die gesammelten Gebeine in eine gol- 
dene Urne, nachdem man sie zuvor mit purpurnen Decken umhüllt» und senkte das Gefäss hinab in die 
hohle Grube, wölbte dann darüber gewaltige Steine und thürmte endlich den hohen 
Erdhügel auf; cf. 795, sqq. Ein derartiger Bau kann in keinem Falle, mag auch der Erd- 
hügel im Laufe der Jahrtausende diese oder jene Veränderung erlitten haben, in seinen Grund- 
mauern spurlos von der Erde verschwunden sein; noch heute muss das Steingewölbe sich 
vorfinden und zwar in der Nähe von Hissarlik. Wie aber, wenn der Dichter, lediglich auf Sitte 
und Herkommen gestützt, bei der obigen Beschreibung nur von der Annahme ausging, dass dem 
Helden ein Grabhügel errichtet worden sei, ohne dass diess in Wirklichkeit der Fall gewesen? Dem 
ist nicht so; das historisch festgestellte Ilion verbürgt auch den historischen Hector, und 
dass dieser, wie jeder andere hervorragende Held, seine letzte Ruhestätte in der angegebenen Weise, 
nur mit Hinzufügung der ehrenden Ausschmückung, z. B. der goldenen Urne, gefunden hat, muss 
als ausgemacht gelten, und kann demnach, da der Achilles- und der Aiaxhügel sich bis auf den 
heutigen^ Tag vollkommen sichtbar erhalten haben, auch der des Hector sicherlich zur Zeit des Homer 
noch nicht völlig verschwunden gewesen sein. Sah also der Dichter den Hectorhügel, so muss er 
auch die Ebene gesehen haben, und diess eben ist es, was durch die ganze bisherige Untersuchung 
als unwahr erwiesen wird. Dennoch gilt es den Versuch, wenigstens eine Spur des Hügels in der 
Ebene aufzufinden. 

Der vielgenannte von Osten nach Westen in die Troische Ebene hineinschiessende Berghals, 
auf dessen westUchster Spitze wir das alte Hion an der Stelle des heutigen Hissarlik gefunden 
haben, wird in seiner ganzen Länge von einer nicht allzu tiefen Thalsenkung durchschnitten, welche 
ihn genau genommen in zwei parallel neben einander fortlaufende Bergrücken theilt. Steigt man von 
Hissarlik, welches auf dem nordwärts sich hinziehenden Rücken liegt, in dieses Thal nach Süden 
hinab, so stösst man auf einen am Rande des Thaies liegenden Grabhügel, welcher keinen Namen 
trägt; durchschreitet man das Thal ebenfalls in südhcher Richtung, so erhebt sich am Rande des 
südwärts sich hinziehenden Rückens ein zweiter Hügel, heutigen Tages Pascha-tepe genannt; er 
ist 30 Fuss hoch, hat 120 Fuss im Durchmesser und ist» wenn man von der Südostecke der ganzen 
Ebene nach Norden zu fortschreitet, der erste Punkte von welchem aus das Meer sichtbar wird ; cf. 
Ulrichs p. 598. In ihm hat die Forschung den Grabhügel des Homerischen Aesyetes mit Recht wie- 
dergefunden (cf. Ulr. L 1. Forchh. p. 22). Schon der heutige Name ist, ähnlich wie bei Hissarlik, von 
entscheidender Bedeutung. Es ist nämhch unbedenklich zu behaupten, dass der Name AlavijTijg 
mit dem Homerischen alavrjxr^Q im engsten Zusammenhange steht und somit den fürstlichen 
Rechtspfleger bedeutet; cf. Apion bei Hesych. s. v. alavrjvijQi, (aus Diad. XXIV, 347). Pape 
Lexic. s. V. AlavfjTrig. Es würde aber völlig ungereimt sein, bei diesem uralten Hügel an das 
Grabmal irgend eines Pascha aus der Zeit der Türkischen Herrschaft zu denken; vielmehr hat 
lediglich der Name des Hügels, den die Türken vorfanden und der ihnen von den Einwohnern als 
Fürstenhügel {Alavrtov tdq>og) bezeichnet wurde, sie veranlasst» ihn in ihrer Sprache mit Pa- 
scha-tepe wiederzugeben, und auch hierin liegt also eine Reminiscenz an dunkle Verhältnis des 
grauesten Alterthums. Dahingegen tragen wir kein Bedenken, den vorhin erwähnten namenlosen 
Hügel als den Todtenhügel des Hector zu bestimmen. Völlig entscheidend dafür ist der Umstand, 
dass dieser Tumulus, offensichtlich aus uralter Zeit stammend, der einzige im Umkreise der 
Höhe ist, auf der einst Ilion stand, so wie auch dass er, isolirt am Abhänge sich erhebend, durch 

2 



10 

t 

eben diese Lage dem Beweis liefert^ dass er mcht innerhalb, sondern ausserhalb der alten Stadt 
gelegmi haben mnas. Wäre es möglich ihn heutigen Tages aufsograben, so würde man in seinem 
Innem die steinerne Todtenkammer und vielleicht noch andere werthToUe Dinge aas dem Alterthom 
vorfinden. Die Sache iait so einleuchtend, dass man sich sogar versucht fühlen könnte, eben wei- 
teren Beweis aus dem Dichter selbst zu entnehmen. Man kann nämlich von der Höhe von His- 
ear^ sowie auch vom Pascha-tepe aus den Heliespont^ das alte Sigeum und die nördlich davon 
belegene Festung Kumkale, also alle die Punkte, wo einst das Griechenheer Au&tellung gefunden, 
deutKch erbUcken, nicht aber von dem in Rede stehenden Hügel und noch weniger also vim der 
Thalsohle aus, wo jener einst errichtet worden ist. Vergleicht man hi^nit die bestimmte Meldung des 
Homer (IKad. XXIY, 799), dass die Troer während der Bestatfcui^ Hectors nadi allen Seiten hin 
Späher ausgestellt hätten, um nicht bei der Au&chüttung des Grabmals von den Griechen 
über&Uen sÜl w^en, ^ hat diess eben nur dann einen die Sage thatsächlich bezeichnenden Sinn, 
wenn das Grabmal an einer Stelle errichtet vmrde, von d^ aus das (Mechenheer nicht sichtbar 
war. Diess passt voUsiändig auf unsem Hügel; die Späher auf den Höhen warai nöthig, so lange 
das Troervolk unten in der Thalsenkung beschäftigt war, einen Ueberfiedl also selbst nicht wahr- 
nehmen konnte. Indessen diese dem Dichter entnommene Beweisführung kann nicht zugleich anch 
beweisen, dass derselbe den Hügel vnrklich mit Augen gesehen; nur vom Hörensagen wird er ihn 
gekannt haben« Somit können die Worte ^ififpa di afjß l'xeay, ntql di anonoi ätato niafvri^ fi^ 
nglv i^oqpifj9A9i^ iücv^ideg W^crioi, ebenfalls nicht anders gedeutet werden, als bereits AbL I, 
p. 23 geschehen ist. Die Phantasie des Didit^!^ hat auch hier der allgemeinen Sitte^ aus der Ferne 
Konmiendes oder Drohendes sorgUch zu beobachten, Rechnung getragen. 

Das durch die bisherige Untersuchung gewonnene Hauptresultat lässt sich nun kurz dahin 
zusammenfassen, dsss alle uranfänglich historisch bekannten Punkte in d«r Ebene nach 
und nach in völlige Vergessenheit gerathen sind, dass ferner die an ihnen haften- 
den geschichtlichen Ueberlieferungen sich allmälig in das Gewand der Sage ge- 
kleidet und, da jede derartige Sage ihr bestimmtes Local voraussetzt, das ihrige in 
der gfuizea Ebene ganz allgemein gefunden haben, dass demzufolge der vielbehan- 
delte Ausdruck des Dichters Tqoitjg molied'QOv durchaus wörtlich zu verstehen ist 
und somit nicht ^^die Stadt Trofa^S sondern die in der Ebene von Troia gelegene 
Stadt bezeichnet, deren Stätte, nachdem Jahrhunderte seit ihrer Zerstörung ver- 
flossen waren, schon zur Zeit Homers völlig unbekannt war, endlich dass nur Tra- 
ditionen und einzelne Reminiscenzen an uralte Localitäten, die jedoch den Bpätern 
Bewohnern der Ebene gänzlich unverständlich waren, sicherhalten haben, und dass, 
was die Hauptsache ist, der Dichter der iliade niemals persönlich in der Ebene an- 
wesend gewesen ist. 

§.3. ^ 

Sagenspnren am Strande des Hellespont. 

Wenn wir nun das Innere der Ebene als den eigentUchen Sitz des Troervolkes und ihrer 
Stadt verlassen und uns dem Meere zuwenden, wo die feindliche Flotte und das Griechenheer einst 
Platz und Aufstellung fand, so treten uhs hier wesentlich andere Verhältnisse entgegen; alle Punkte» 
weldhe durch den Troerkrieg bedeutungsvoll geworden sind, haben diese ihre Bedeutung bis zum 
heutigen Tage beibehalten; das ganze Alterthton kannte und nannte die Grabhügel des Achalles imd 
Patroclus, des Antilodius, des Aiax, und die Bucht zwischen dem Sigeum und Bhoeteum war im 
Volksmunde als vaiara^fiogy als Itfi^ ^Axfitiwv (portus Achaeorum), als ^A%i£Ubv at^cerinsdov bekannt; 
cf. Strab. p. 103. Auch Homer hat von cüesen Loealitäten und deren Namen sichere Kunde gehabt 



— 11 — 

mid zwar auf einem Wege, welcher geeignet war, die ursprünglich einfachen historischen lieber- 
fieferangen, die an den Orten hafteten, mit den mannigfachsten Zusätzen ausznschmncken und zu 
gestalten. Aber auch nur diese noch heute sichtbaren Punkte, nicht etwa noch andere, die mög« 
Kcherweise im Laufe der Zeit verschwunden sein könnten, hat er gekannt; woraus wiederum hervor- 
geht, dass die OertUchkeiten von vorhomerischer Zeit an bis zum heutigen Tage, von einer grossem 
Versandung der Bucht abgesehen, eine weitere Veränderung nicht erlitten haben; cf. Abb. I, p. 11. Den 
Beweis liefert der Eingang der 24sten Rhapsodie der Odyssee. Hier werden die Seel^i der von 
Odysseus getödteten Freier vom Hermes in die Unterwelt geleitet» und sofort treten ihnen einzelne 
sidwXa xafi6vt(ov entgegen, unter ihnen Achilles und Patroclus, dann Aiax und Antiloofaus, zu denen 
weiter noch Agamemnon sich hinzugesellt, welcher in seiner Heimath vom Aegisthus erschlagen ist, 
während jene vor Troia den Tod gefunden haben. Warum aber werden nur die leteteren genannt, 
nicht auch andere, welche ebenfalls vor Ilion gefallen sind? Der Dichter selbst beantwortet die 
Frage, wenn er ib. V. 30 sqq. den Achilles also zum Agamenmon sprechen lasst: 

Hättest Du doch in der Ehre Grenuss, mit welcher Du herrschtest. 
Fern im Troischen Land den Tod und das Schicksal gefunden. 
Denn ein Denkmal hätten gesammt Dir erhöht die Achäer, 
Und Dir war' auch der Sohn mit ewigem Ruhme verherrlicht 
Doch nun ward, zu sterben den kläglichsten Tod, Dir geordnet 
Man ersieht deutlich, dass die Erwähnung eines für Agamemnon in der Ebene nicht vor- 
handenen Grabmals (rvfißog) die elu*enden Grabstätten der übrigen voraussetzt und es ist 
daher mit vollkoiQmener Sicherheit zu schUessen, dass es zur Zeit des Homer an dem von 
den Griechen einst besetzten Strande keine anderen Grabhügel, als die der Ge- 
nannten gegeben hat. Und so ist es in der That; denn alle übrigen künstlichen Tumuli lagen in 
der Ebene. An jedem der ersteren haftete ursprünglich die historische Ueberlieferung, welche erst 
nach und nach vom bläulichen Dufte der Sage umwoben worden ist Betrachten wir zuerst die Sage 
am Achilleshügel, so lautete sie, wie sich aus der Andeutung bei Homer Od. XXIV, 37. entnehmen 
lässt in ihrer einfachsten Form etwa so: Hier ruhet der gottähnliche Achilles, des Peleus 
nnd der Meergöttin Thetis Sohn, welcher vor Troia fiel, fern von Argos. Aber selbst- 
verständlich ist auch weiter berichtet worden von der gewaltigsten That des jugendlichen Helden« 
von der Tödtung Hectors, nachdem dieser den Patroclus im Zweikampfe erschlagen, und endlich 
von der Veranlassung zu seinem eignen Tode. Als einen Zusatz dagegen, der in der urq>rünglichen 
XJeberlieferung nicht enthalten war, sondern erst später aus Reflexion hervorging, müssen wir es 
bezeichnen, wenn uns berichtet wird, dass Achilles wider Wunsch und Willen seiner Mutter am 
Troischen Kriege Theü genommen habe. Er war als . ein (oxvfioQog oder fiwvv9adiog in meiner 
Jugendblüthe gefallen; dass dieses aber geschehen werde, konnte der Mutter, der wissenden 
Meergöttin, nicht verborgen gewesen sein, und in ihr musste sich das ganz natürliche Verlangen 
geregt haben, den Sohn so lange als möglich am Leben erhalten zu sehen; darum hatte sie ihn 
auf Skyros verborgen, ohne es jedoch dem ränkekundigen schlauen Liebling der Athene, dem 
Odysseus, unmöglich zu machen, ihn aus dem Verstecke hervorzulooken. 

Mit dem Achillesgrabmal, nach Ulrichs p. 605 noch heute ebenfalls Pascha-tepe genannt, stand 
femer von Uranfang an die Meldung in Verbindung, dass, wie einst hienieden der PeUde mit seinem 
Freunde Patroclus durch die herzUchste Freundschaft verbunden gewesen, so auch dem Willen des 
ersteren gemäss die Grebeine Beider nach dem Tode ihre dauernde Vereinigung unter dem Todten- 
fangel gefunden hätten. Da sich jedoch zur Zmt, etwas südöstlich von jenem, noch ein zweite, nur ein 
wenig niedrigerer künstlicher Tumulus vorfindet^ den man gegenwärtig für das Grabmal des Antilochus 
hält» so haben sich schon im Alterthum Bedenken erhoben, ob jene Meldung auch die annehmbare^ 

2» 



1« 

und ob nicht vielmehr der letztere Hügel das abgesonderte Grab des Patroclos sei; wenigstens 
scheidet Strabo p. 103 ausdrücklich das Uqov fmj^oi des Achilles von den Grabmälem des Patrodus 
und Antilochus. Das Zeugmss Strabos würde jedoch drei Hügel voraussetzen, während doch nur 
zwei vorhanden sind. Zweifel aber hätten in Wahrheit gar nicht erhoben werden sollen, da Homer 
selbst^ der älteste Gewährsmann jener Sage, ganz ausdrücklich die Bestattung Beider, des Achilles 
und Patroclus, unter einem Hügel verbürgt; cf. Iliad. XXHI, 82 sqq^ wo der Schatten des Patroclus 
also spricht: 

Eines sag ich Dir noch und ermahne Dich, wenn Du gehorchest 
Lege mir nicht das Gebein von dem Deinigen fern, o Achilleus, 
Sondern gesellt, wie mit Dir ich erwuchs in euerer Wohnung. 
y. 91: So auch unser Gebein umschliess ein gleiches Behältnias, 

Jenes goldne Gefäss, das die göttliche Mutter Dir schenkte. 
Und dazu Odyss. XXIV, 72, sqq. 

Hierin ruht Dein weisses Gebein, ruhmvoller Achilleus, 
Mit dem Gebeine vermischt des Menötiaden Patroclos; 
Aber gesondert der Staub des Antilochos, den Du vor Allen 
Andern Freunden geehrt nach dem abgeschiednen Patroclos. 
Die Annahme nun, dass der Dichter die Vereinigung der Gebeine Beider lediglich ersonnen, ist 
vöUig unstatthaft; sie wäre nur denkbar, wenn, wie Strabo will, der die Ebene selbst nicht gesehen, 
drei künstliche Hügel nachweisbar wären, was nicht der Fall ist. Somit ergiebt sich, dass Homer 
die Sage gerade so, wie er sie vorführt, vom Hügel aus überkommen, und dass dieselbe ausser den 
Thaten und dem Tode des Achilles auch dessen Freundschaftsbündniss mit Patrocl^us und des letz- 
teren Tödtung durch Hector enthalten haben muss. Wie sie im Einzelnen gelautet^ lässt sich nicht 
angeben; dass sie aber alle Grundzüge des grossen Dramas, welches Homer vor unsern Augen ent- 
rollt, umfasst haben wird, und dass diese Züge erst durch den Dichter gleichsam Fleisch und Blut be- 
kommen haben, das muss als ausgemacht gelten. Beiläufig sei noch bemerkt, dass der Achilles- 
hügel, wie wir ihn noch heute sehen, 35 Fuss hoch ist und 126 Fuss im Durchmesser enthalt (c£ 
Ulr. p. 606), während der des Antilochus (denn diesem gehört der kleinere nach den Worten des 
Homer 1. L 78 x^xigls d' ^AvriXoxoio offenbar an) bei weitem niedriger ist und vom Meere aus ge- 
sehen vor dem ersteren fast verschwindet 

Von nicht geringerer Wichtigkeit ist der dem Achillesgrabmal östlich am Südwestabhange 
des Rhoeteum gegenüberliegende Hügel, heut In-tepe, d. i. Gewölbehügel genannt; in südlicher 
Bichtung von ihm erhebt sich Hissarlik, welches durch das Dümbrek-Thal von ihm getrennt wird. Jenen 
Namen fuhrt der Hügel, weil an seinem südlichen Fusse ein unstreitig durch Nachgrabung bloss- 
gelegtes Gewölbe einige Schritte in ihn hineinführt. Forchhammer giebt uns p. 21 eine anschauliche Be- 
schreibung: ,^Der Bau, so scheint es, bestand aus zwei Stockwerken. Der untere ent- 
hält eine grosse Kammer, die jetzt mit Erde gefüllt ist. Sie ist bedacht mit einem 
Gewölbe von ungewöhnlicher Stärke. Der Bogen des Gewölbes ist von aussen ge- 
waltsam durchbrochen. Seine Dicke beträgt ungefähr sechs Fuss. Gebaut ist der- 
selbe aus sehr grossen glatten Steinen, welche aus den Ealkfelsen der Umgegend 
gebrochen und durch einen ausserordentlich harten groben Mörtel verbunden sind. 
— Oberhalb des Gewölbes erhebt sich der Hügel noch zu einer ausserordentlichen 
Höhe.^' Wenn es derselbe nun für nicht imwahrscheinlich halt, dass die gewölbte Kanmier des In- 
tepe ein altes Nympheum, d. i. Quellkammer sei (cf. p. 22), Ulrichs dagegen in ihm einen alten 
Wartthurm vermuthet (cf. p. 605), so mögen diese Annahmen auf sich beruhen; denn sie können 
nur von denen aufgestellt und vertheidigt werden, welche der Ansidit sind, dass erst seit Homer 



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und durch dessen Gesänge schon vor ihm vorhandene OerÜichkeiten mit Homerischen Erinnerungen 
verknüpft und verbunden worden sind. Wir dagegen haben aus den Ortsverhältnissen der Ebene 
bewiesen (cf. Abb. L), dass der Troianische Krieg ein historisches Factum ist, dass also die Erinne- 
rungen an ihn sich an den einzelnen Punkten der Ebene festgesetzt und nach und nach zu Sagen 
gestaltet haben, und dass in diesen das Material zu suchen ist» aus welchem der Dichter seine Iliade 
geschafifen hat Demzufolge ist die Ueberheferung des Alterthums, dass Aiax der Telamonier am 
Rhoeteum begraben liege, die allein richtige und der In-tepe ist wirklich nichts anderes als 
dessen Grabmal. Jene Ueberheferung findet sich allerdings nur bei dem späten Diciys Gretensis 
Vy 15; allein schon Homer verbürgt einen rv/dßog des Aiax, wie oben aus Odyss. XXIV init und zwar aus 
dem Gegensatze des Aiax zum Agamemnon, der des Grabmals in der Ebene entbehrte, nachgewiesen 
worden ist Dazu kommt es, dass, wenn nicht zu bezweifeln ist, dass der innere Bau der alten Grab- 
hügel überall derselbe gewesen sein wird, wir gerade an dem In-tepe ganz dieselbe Construction 
wieder finden, welche uns Homer von dem Hectorhügel hinterlassen hat; cf. XXIV, 793 sqq. Die 
Worte alyja 6* ag* ig xolXfjv xanerov d'ioav bezeichnen o£fenbai' die innere Todteukammer, welche 
mit mächtigen Felsblöcken überwölbt {avruQ vneq^ev nvxvolaiv Xaeaat xarearoQeaccv fisyaloiaiv) 
und hierauf mit Erde beschüttet worden ist {(dfiq)a dk arjfi ex^av). Der Aiaxhügel selbst ist 30 
Fuss hoch und enthält in der Basis 130 Fuss im Durchmesser; cf. Ulr. L 1. An ihm nun hafteten 
die Sagen vom Aiax dem Sobne des Telamon, und zwar enthielten sie nicht allein dessen Thaten 
vor Troia und zwar vorzugsweise seinen Zweikampf mit Hector und die Vertheidigung des Schiffs- 
lagers, sondern berichteten auch von seinem Selbstmord, also von dem Wettstreit um die Waffen 
des getödteten Achilles. Wie sie in der Kürze gelautet, lässt sich nicht bestimmen; auf welchem 
Wege aber auch sie, wie die übrigen, Zusätze empfangen haben, wird sich weiter unten ergeben. 

Wir geben zum letzten Punkte über, welcher für die vorliegende Untersuchung von weit- 
gehender Bedeutung ist, zum Schiff slager der Achäer, vavata&fiog. Dieses ist früher (Abb. I, 
p. 34) hur als die Staffage zum grossen Trauergemälde bezeichnet worden, welches in der Iliade 
vor unsem Augen sich aufrollt, allein zu dem Ansehen, welches späterhin das Werk des Dichters 
in der ganzen Hellenenwelt behauptete, hat es vorzugsweise beigetragen und sozusagen den Aus- 
schlag gegeben. An welchem Punkte des Strandes die Griechenflotte einst gelandet und wo sie am 
Gestade Au&tellung genommen, darüber war das Alt^rthum ebensowenig wie wir im Stande, ge- 
nügende Auskunft zu geben. Der Geograph Strabo wirft p. 103 AUes durcheinander, und es wäre 
vergebUche Mühe, die von ihm genannten Namen in der angegebenen Reihenfolge am Ufer des 
Hellespont fixiren zu wollen; er selbst weiss eben nicht mehr und nicht weniger, als dassr die an- 
gegebenen Orte in der Bucht zwischen Rhoeteum und Sigeum zu suchen sind, ujid bezeichnet da- 
mit eben nur die Reste der Ueberheferung, wie sie im Volksmunde noch zu seiner Zeit vorhanden 
waren. Etwas Bestimmteres aber hat auch der Dichter der Iliade nicht gewusst und hat daher, um 
für die hyperbolische Zahl der Schiffe und der Kämpfenden auf dem auch zu seiner Zeit yölHg 
flachen imd ebenen Grestade (cf. lUad. XH, 30) Raum zu gewinnen, sich der Volkssage vöUig anbe- 
quemt und auf sie gestützt die ganze Bucht zwischen den genannten Vorgebirgen als 
Lager der Aehäer^ als Hafen der Achäer^ endlich als Schiffslager bezeichnet; cf. Diad. 
XIV, 35* Auf diese Weise, ganz allgemein gefasst, war Bucht und Schiffslager ein und das- 
selbe und demnach eine völUg bekannte Oertlichkeit Dieser allgemeinen Bestimmung unbedingt 
Folge zu geben, hatte der Dichter umsomehr Grund und Veranlassung, je augenscheinUcher aus den 
beiden emporragenden Todtenhügeln des Achilles und des Aiax die Ausdehnung des ganzen Griechen- 
heeres hervorging. Denn da die Sitte des Alterthums grossen Helden ihre letzte RuheslÄtte nur 
ausserhalb der Mauern ihrer Heimathstadt anwies, so konnten auch jene nur ausserhalb des 
Lagers, jedoch jeder nur in der Nähe seiner Schiffe bestattet sein, und darum berichtet Homer 



14 

»Hsdbrücklich, dass die Schiffe Beider die äussersten Flügel des ganzen Sch^stagen gebildet, dieses 
also selbst sich vom Sigetim bi& zum Bhoeteum aasgedehnt habe; cf. Diad. VIII, 322 sqq. DQrfen 
wir indessen einer Vermuthnng aber den wirklichen Landungsplatz Raum geb^ so wird dieser nur 
in dem heutigen Karanlik-Liman, in welchem wir schon früher (Abb. I» p. 9) den Seehafen * der 
Troischen Ebene Termuthet haben, zu suchen sein. Zwar ist derselbe heutigen Tages yöIMg ter- 
sandet ((£ Ulr. p. 605)^ wird aber sicherlich in jener Urzeit, als die Meereswogen den Dimensand 
noch nicht in dem Maasse, wie heute, hineingetrieben hatten, solchen Schiffen, die nodi auf das 
Land gezogen werden konnten, reichlichen Tiefgang gewährt haben. Dass dieser kleine Punkt die 
durch die Sage ins Ungeheure vergrösserte Flotte nicht aufgenommen haben könne, lag auf der 
Hand, und somit entwickelte sich im Volksmunde jene Ausdehnung über die weite Bucht hin ganz 
Ton selbst. 

Was nun den Inhalt der Sage vom Schifl^ager anbetrifft, so muss diese eine Fülle Yon 
Material enthalten haben; in ihr trat die nlij&ig der Kämpfenden z¥rar völUg in den Hintergrund, 
dafür aber leuchteten die Fürsten als die Repräsentanten ihrer Stämme um so entschiedener hervor. 
Von ihnen hat die Naustathmossage mehr oder weniger berichtet^ aber berichtet hat sie Ton Allen ; und 
als es sich später darum handelte, das grossartige Werk der Iliade zu schaffen, so hat die Achilles- 
sage mit der Meldung von der Tödtung des Hector dem Dichter zwar den Kern dazu geliefert, die 
Naustathmossage aber Stoff und Gelegenheit geboten, jenen Kern mit den Grossthaten der alten 
Hellenischen Heldenzeit gleichsam zu umkränzen und also der ganzen Nation ein unyergängliches 
Denkmal zu setzen. 

Die Naustathmossage umfasste im Grossen und Ganzen alle Sagen des Troerkrieges; sie 
meldete nicht allein die Thaten der Griechischen Helden, sondern erwähnte auch die hervor- 
ragenden Führer der Troer überall, wo diese mit jenen in Berührung kamen, abo Hector und 
Aeneas, Sarpedon, Pandarus und Andere, und auch der thatenlose Priamus wird wenigstens dem Namen 
nach genannt worden sein. Sie war gleichsam das grosse Gefäss, in welchem die Einzelsagen sich 
bunt durcheinander bewegten, jedoch ohne dass diese selbst in irgend einem bestimmten Zusammen- 
hang mit einander standen. Diess ergiebt sich ganz bestinmit aus der Achilles- und aus d^r Aiaxsage» 
welche beide, wenn auch fester ausgeprägt an den Todtenhügeln,' dennoch von der Naustathmossage 
mit umfasst worden sind. Die Aiaxsage muss unter allen Umständen das tragische Ende des Helden 
gemeldet und späteren Dichtungen, z. B. des Sophocles das Material geliefert haben; da jedoch der Tod 
des Aiax nach dem Wettstreit um Achilles Waffen erfolgt» so kann die Achillessage, die mit dem Hin- 
gang des Peliden endigt, nichts von jener Sagenfülle über Aiax Ende gewusst haben. Und umge- 
kehrt, wenn die Aehillessage sicherlich den Widerstand, welchen die Mutter Thetis der Theilnahme 
ihres Sohnes am Troerkriege entgegensetzte, und dessen kluge und schlaue Bewältigung durch 
Odysseus gemeldet hat, so kann die Aiaxsage hiemit nicht im Entferntesten verknüpft gewesen sein. 
Ebenso ist zu urtheilen von den übrigen Sagen, welche im Naustathmos wurzeln. Hier ist gesagt 
und gesungen worden von den Thaten der beiden Atriden, des Diomedes, des Odysseus; hier hat 
der Pylische Nestor ehrende Erwähnung gefunden, nebst Idomeneus und Meriones; hier ist auch 
der untergeordneten Führer mehr oder weniger gedacht worden, und nur die nltj^g ist voUig 
unbeachtet geblieben. Aber wenn der gewaltige Diomedes sogar den Kampf gegen die Götter 
aufnimmt und Ares und Aphrodite verwundet, so stand diess mit dem ruhigen Walten des Nestor, 
oder mit der Verschlagenheit und List des Odysseus in keinem Zusammenhange; woraus folgt; dass 
alle diese Einzelsagen, die nur in dem gemeinsamen B^ampf gegen Troia ihren Mittelpunkt fanden, 
auch einzeln erzählt und berichtet worden sind. 

Aus dem bisherigen Gange der Untersuchung ergiebt sich ein eigenthümUches Resultat; ea 
tritt eine überraschende, ja fast räthselhafte Erscheinung zu Tage, weldie um so auffallender sidi 



— II 

herauBsteUty je grösser und lunfemgreicher das Material ist, von welchem sie sich abhebt. Es ex^ebt 
sich nämlich A\ dass in der ganzen Iliade,'mit Ausnahme des Flusses Scamander, auch 
nicht ein Punkt sich findet, welcher topograpliisch so gewiss angegeben wird, dass er 
für weitere Untersuchungen grundleglich gemacht werden könnte. Nur Namen, leere 
Namen von Anhöhen und Abhängen, von Flüssen und Sümpfen treten uns entgegen; 
die Stadt selbst wird ganz allgemein in der Mitte der Ebene angegeben und ohne alle 
weitere Bestimmung gelassen; mit einem Worte, die ganze Ebene ist mit einem 
nebelhaften Dufte überzogen und es bleibt der Phantasie des Lesers völlig über-^ 
lassen, sich die Oertlichkeiten ganz nach Belieben zu gestalten und zurecht zu 
legen. Femer ergiebt* sich 2), dass Alles, was während des ganzen Krieges von den 
Troern berichtet wird, durchweg mager, mangelhaft und inhaltslo« ist und mit Aus- 
nahme der Thaten des Hector und Aeneas, auch allenfalls des Paris, kaum den 
Namen einer Handlung verdient; sodann 3), dass alle Sagenreste in der Ebene bis auf 
die geringsten Spuren gänzlich verschwunden sind; dahingegen 4), dass alle am Strande 
vorhandenen Erinnerungen an den Krieg sich bis tief in die historische Zeit herab 
frisch und lebendig erhalten haben. Wie dieser Gegensatz zwischen Strand und Binnenebene 
entstanden und vide diese räthselhafte Erscheinung zu lösen sei, wird sich aus dem Folgenden ergeben. 

Die Yerbreitung der Sagen von Trola, zunächst nach lonien. Form derselben. 

Der Hexameter. 

« 

Es bedarf keines Beweises, dass die ersten Mittheilungen über den Troerkrieg in der üblichen 
Volkssprache und Volksweise von Mund zu Mund g^angen sind; so ist es geschehen unter den in 
der Ebene Zurückgebliebenen, so an allen einzelnen Orten, wohin Sieger und Besiegte, nachdem sie 
Troia verlassen, gekommen sind« Nur ein Land macht hievon eine überraschende und auffallende 
Ausnahme, lonien und die an den Kleinasiatischen Gestaden liegenden Inseln. Hier hat 
die Ueberlieferung der Troischen Sagen sich ganz anders gestaltet, und diess in einem Lande, welches 
am Troerkriege genau genommen völlig unbetheiligt geblieben ist Es li^ somit auf der Hand, dass 
hier Einwirkungen und Einflüsse sich geltend gemacht haben, welche tiefer liegende Ursachen vor* 
aussetzen. Denn wanun, darf man fragen, ist das, was wir in dem unbetheiligten lonien eintreten 
sehen, nämlich die poetische Formgebung der Sagen, nicht viel eher im Peloponnes, dem Haupt- 
sitze der Atriden, warum nicht in Thessalien, der Heimath des Achilles, warum nicht an vielen an- 
dern Orten z. B. dem sonnigen Attica geschehe welche Länder doch am Kampfe gegen Troia un- 
mittelbaren Antheil genommen und darum nähere Veranlassung hatten, die Thaten ihrer Helden in 
Liedern und Gesängen auszuströmen? Und dodi wird Niemand behaupten dürfen, dass solches dem Hel- 
leniBchen Geiste nirgends anderswo mögUch gewesen sei imd dass nur die lonier von Natur dne feinere 
geistige Organisation gehabt hätten, als z. B. die Bewohner Attica's. Wie also ist es zugegangen, 
dass sich die ganze Troische Sagenfölle gerade nach lonien gleichsam geflüchtet und allhier eine 
Poesie hat ^nporblühen lassen, wdche an der Spitze der ganzen Griechischen Litteratur steht? 
Wir können hierauf nur dann eine befriedigende Antwort geben, wenn wir zuvor den Versuch 
machen uns den Gulturzustand j^es Landes, wie er bereits zur Zeit des Troerkriegs gewesen sdn 
muss, klar zu vergegenwärtigen; denn es ist unmöglich, dass er schon damals kein anderer, als der 
des übrig^i Griechenlands gewesen sei; mit einem Worte, schon zur Zeit der Zerstörung Troias 
musB in lonien die Poesie in ihren Anfangen geblühet und sich der Troischen Sagen 8<^ort be- 
mächtigt haben, während das übrige Hellas noch keine Spur davon aufzuweisen hatte. Diess zu 



1« - — 

ergründen, giebt es jedoch keinen andern Weg» als ein genaueres Eingehen auf die Urform, in 
welcher uns unbestritten die ganze Griechische Poesie entgegentritt, auf den Hexameter. Schon das 
Alterthum hat nach der Entstehung dieses prächtigen Verses, welcher die ganze Griechische Metrik 
eröffnet und zu allen Varietäten derselben die Veranlassung gegeben hat, gefragt, aber keine be- 
friedigende Antwort darauf gefunden, und in der That ist die Entstehung des Verses in ein so räthsel- 
haftes Dunkel gehüllt, dass man sich nicht wundern dar^ wenn auch die neuere Forschung die Antwort 
bis dahin schuldig geblieben ist und sich bei den allgemeinen Bezeichnungen des epischen oder 
heroischen Verses beruhigt hat. Aus diesem und keinem andern Grunde führen die Alten die Er- 
findung desselben direct auf das Delphische Orakel zurück, dessen erste Priesterin Phemonoe ihn 
ersonnen habe (cf. Paus. X, 5), und erwähnen sogar ab ersten Hexameter folgenden Vers: SvfiqfeQete 
mBQu % oicovol xrjQov te f4iltaaaL; cf. Bemh. Gr. L. p. 267, 3. A. Indessen weder jene symbolische 
Priesterin, noch die nebelhaften Gestalten eines Thamyris oder Orpheus, noch überhaupt die heilig 
gehaltenenGöttersitze, wo nicht von .Uranfang an, sondern erst im Verlauf der Zeit mit Bewusstsein be- 
rechnende Priesterschaften ihr Wesen trieben, können jenen Vers geschaffen haben; noch ist er, wie 
Bemhardy will, aus dem heitern und frohsinnigen Nationalcharacter des Griechischen Volkes, welches 
an den Festen der Götter deren Altäre festlichgeschmückt umtanzte, hervorgegangen, eine Annahme 
die den berühmten Gelehrten sogar veranlasst hat, den Hexameter selbst dem einstimmigen Zeugnis? 
des Alterthums entgegen nicht als den ersten und ursprüngUchen Vers der Griechischen Poesie zu 
betrachten, sondern ihn aus dem neckischen iambisch-trochäischen Maasse beim Chorreigen der fröh- 
lichen Menge herzuleiten (cf. Beruh, p. 264). Auch wenn der kundige Aristoteles (Poet. c. 41) in 
dem Hexameter nur das natürliche Versmaass des erzählenden enog sieht, so lässt sich diese An- 
nahme schon an und für sich nicht nur nicht begreifen, sondern sie stellt sich dem, was natur- 
gemäss wäre, schnurstracks entgegen. Wir kennen die naturgemässe Betonung der Griechischen 
Wörter durch den Accent, und zu dieser steht die Silbenmessung nach der Quantität und der 
damit verbundene Tonfall des Verses im schroffsten Gegensatze; wesshalb sich sogar behaupten 
lässt, dass, je mehr unter dem Einflüsse des Versrhythmus die natürliche Betonung der Wörter htt 
und geradezu corrumpirt wurde, die alten Grammatiker um so eifriger sich bemüheten, sie rein 
zu erhalten, so dass Aristophanes von Byzanz hierin allein den Anstoss fand, die richtige Betonung der 
Wörter mittelst des Accents festzustellen. Aus allen diesen Gründen nun ist mit Sicherheit zu 
schUessen, dass, wenn aus dem Urvers der Griechischen Sprache imd nicht umgekehrt sich die 
ganze Griechische Metrik entwickelt hat, und wenn der Hexameter durch seine Bhythmen den na- 
türlichen Wortaccent ganz aus den Augen setzte und unberücksichtigt Hess, es eine äussere zwingende 
Nothwendigkeit gegeben haben muss, welche ihn schuf und ihn, wie alle Kunst und Wissenschaft 
aus einem unabweisUchen Bedürfniss der Menschen hervorgehen liess. Denn wie das Be- 
dürfniss einst den Menschen zur Bildung thönerner G^fässe zwang, und wie sich hieraus unter Beob- 
achtung der Schönheitsformen die Plastik und weiterhin, als man die Gefösse mit bunten Farben 
zu bemalen anfing, die Malerei entwickelt hat, oder wie die Wüstenreisen der Chaldäer und der 
arabischen Nomaden, so wie auch die ersten Seefahrten der Phoenizier, imi sich vor Verirrung zu 
schützen, die genauere Beobachtung des Himmels und der Gestirne zur Folge gehabt und also die 
Astronomie in ihren Uranfängen begründet haben, so muss ein ähnUches Bedürfniss zur Entwicke- 
lung auch der Poesie den ersten Anstoss gegeben haben, und muss sich solches unter allen Um- 
ständen nachweisen lassen. Der älteste uns überlieferte Vers ist nun einmal der Hexameter, und 
die ältesten auf uns gekommenen Gedichte, die des Homer und Hesiod sind in diesem Versinaasse 
abgefasst. Es mag hier ganz auf sich beruhen, wer von Beiden der ältere sei, ja es bedazf nicht 
einmal der Untersuchung, ob das eigne Zeugniss des Hesiod (Werke und Tage V. 636), sein Vater 
sei von der Aeolischen Eyme in Kleinasien nach Ascra in Boeotien gekommen, auf Wahrheit 



17 

beruhe (an der wir übrigens nicht zweifeln); so viel moss als ausgemacht gelten« dass die Homerische 
und die Hesiodeische Poesie in allen ihren Spuren in lonien ihre Heimath und von da aus erst 
weitere Verbreitung gefunden hat» dass sie also in demselben Lande urheimisch ist, wo neben ihr auch 
die Anfänge der Philosophie» der Staatswissenschaft, der Astronomie und Mathematik sich vorfinden. 
IHess ist kein Zufall; zu glauben, dass dieses Alles erst unter den aus dem Mutterlande ausgewan- 
derten Colonisten Kleinasiens sich entwickelt habe, um späterhin in jenes, welches unterdessen in 
völliger Fortschrittslosigkeit verharrt habe, zurückzukehren, ist und bleibt ein Irrthum. Vielmehr 
verhält die Sache sich umgekehrt; die Kleinasiatische Küste steht in vollständiger Uebereinstimmung 
mit den alten Völkerzügen, die von Osten nach Westen führen, imd ist daher als das eigentUche 
Stammland der ganzen Griechischen Cultur zu denken. Hier ist auch der Hexameter geschaffen worden 
und zwar in einer Urzeit, die jede chronologische Berechnung ausschliesst. Wagen wir es, uns in 
jene Zeit zurückzuversetzen, als die Kleinasiatische Küste vom Binnenlande her zuerst bevölkert 
wurde, so gab es, wo es an culturfahigem Boden fehlte, und die Bewohner der Küste schon um des 
Bothwendigen Lebensunterhalts willen auf das Meer und dessen Ausbeutung angewiesen waren^ 
keine weitere Wahl; entweder mussten die Küstenorte mit dem Schwerte in der Faust die Um- 
lande beherrschen und brandschatzen, wie einst Ilion gethan, oder sich auf das Meer wagen 
und Seefahrer werden. Dass aber unter den SSeinasiaten vorzugsweise die lonier es ge- 
wesen sind, welche zuerst und in höherem Grade die Schifffahrt ausgebildet haben, das wird un- 
widerlegUch nicht allein durch den Gang, den die Griechische Cultur überhaupt genommen, also 
durch die frühzeitige Entwicklung der oben genannten Wissenschaften, sondern auch durch die 
Geschichte genugsam bezeugt Den Beweis liefert der Au&tand der Kleinasiatischen Griechen 
und besonders die Theilnahme und die hervorragende Stellung, welche die lonier auf der Flotte 
des Xerxes in den Perserkriegen einnehmen. Ein solcher Höhepunkt wird von einem Volke nicht 
etwa in wenigen Jahren erreicht^ sondern ist vielmehr das Ergebniss jahrhundertelanger Beschäf- 
tigung und Uebung. Aus einem unabweislichen Bedürfnisse^ welches bei dieser Lebensbeschäftigung 
sich herausgestellt hat, ist in lonien der Hexameter hervorgegangen, und die Seefahrten der 
lonier sind die Wiege, wie der oben genannten Wissenschaften, so auch der Griechischen Poesie 
geworden. Die Uranfänge der Schifffahrt sind in den Küstenfahrten zu suchen; in der Nähe 
des bergenden Ufers machte man die ersten Erfahrungen, erlangte man durch unablässige Uebung 
die nöthige Fertigkeit imd gewann Zuversicht und Vertrauen. Bald aber luden die zahlreichen an 
der Küste liegenden kleinern und grossem Eilande und Inseln zu zeitweiligen Besuchen und dem- 
nächst zu dauernden Niederlassungen ein, und die dadurch bedingte Trennung vom Festlande schuf 
ganz von selbst den Seeverkehr; ein reges Treiben sogar auf der Höhe des Meeres war davon die 
Folge, und auch vor weiteren Fahrten in ganz unbekannte Gegenden schreckte man nicht mehr 
zurück Die Frage nun, welche Form und Gestalt die ersten Fahrzeuge gehabt haben mögen, im 
Cregensatz zur Meldung, dass die Argo das erste langgestreckte Schiff gewesen, kommt hier nicht 
weiter in Betracht, wohl aber, ob man sich zuerst nur der Buder, oder mit diesen zugleich auch 
der Segel bedient habe. Die Sache selbst spricht für das erstere und die alte Sage bestätigt eS; 
Danaus kommt auf einem Fünfzigruderer nach Griechenland und die Argo, von 50 Ruderern 
in Bewegung gesetzt, eilt nach dem sagenhaften Colchis. Waren aber Ruderfahrten der erste An- 
fang, so ist damit auch die allein richtige Erklärung so vieler räthselhafter Erscheinungen, die aus 
der grauesten Vorzeit auf uns gekommen sind, gegeben. Die regelrechte Bewegung eines Ruder- 
schiffes ist nicht anders möglich, als wenn die Einzelkraft der Ruderer zu einer Gesammtkraft 
vereinigt und als solche stets in einem und demselben Zeitpunkt wirksam wird. Diess aber ist ohne 
den bestimmten Zuruf eines die Mehrzahl Commandirenden nicht möglich. Wer jemals der Legung 
eines Pfahlrostes beigewohnt hat, oder beim Richten eines Hauses zugegen gewesen ist, der wird 

3 



18 

dort das eintönige H61 npl, hier das mahnende H61z her! gehört haben, und ein ähnliches Com- 
mandowort muss sofort beim ersten Buderbote, welches, mit einer grossem Zahl von Rüderem 
bemannl^ in die Meereswogen hinab geglitten ist^ gehört worden sein, und es ist nicht zu sagen, 
dass^ wenn wir aus der historischen Zeit genau über das xik$vofia und den Kskevcv^ der Fahrzeuge 
unterrichtet sind (c£ Aesch. Pers. v. 403), solches nicht auch in der Urzeit von vornherein nothwendig 
gewesen sei. Die regelmässige Fortbewegung eines mit mehreren Ruderern besetzten Fahrzeugs 
forderte solches mit absoluter Nothwendigkeit Aber nicht etwa das gleichzeitige EUneinfisdlen der 
Ruder in die Wasserwogen bewirkte die Bewegung, sondern der da,mit zugleich verbundene Zug 
des Ruders, indem der Rudernde, dem Punkte, wohin die Bewegung geht, den Rücken zuwendend, 
das Ruder an sich zieht; dieser Zug, ionisch ^vcfiog^ später ^v^fiog (vergl. xexogv&fiivog) ist die 
Hauptsache; er wird im Zusammentönen mit dem xilsva^ia zur Hauptbetonung des gesprochenen 
Wortes und, sobald das xiXevafia aus einer Reihe von Wörtern besteht, in dieser Reihe zu dem, was 
wir Tact nennen. Um die Bewegung des Schiffes beginnen zu kömien, war ein Mahnwort Seitens des 
Führers an die Ruderer nothwendig, ähnlich unserem Still gestandenl oder Alle Mann h'rani 
Diese im befehlenden und darum schnelleren Tempo gesprochene Aufforderung hatte mit der dar- 
auf folgenden Wortreihe noch nichts zu thun und lautete z. B. äytu 3i* aus ihr aber bildete sich 
der fiir die cpätere Metrik so unbequeme Proceleusmaticus (www w), der jedoch ebenfalls des Tactes 
wegen in die Wortreihe des Hiksva/da nicht hineinpasste und darum später, wenn er in den Vers 
selbst hineingefugt werden sollte, in ei d* oye^ alV oye etc. abgeschliffen worden ist Hieraus 
ergiebt sich nun unwiderleglich, dass der Wortaccent der einzelnen Wörter der Reihe mit dem 
^d'fiog nicht immer genau zusammenfallen konnte, und dass hiedurch die Silbenmessung nach der 
Quantität, im Gegensatze zum Accent, zu einer Nothwendigkeit geworden und so in die ganze 
spätere Metrik der Griechen übergegangen ist. Wie lang aber war die Wortreihe des xiXevafta? 
und wie viele Tacte enthielt sie? Es ist mehr als wahrscheinlich, dass es beim Beginn der Ruder- 
fahrten nicht sofort einen eignen am Rudern unbetheiligten' xeXevarrjg g^eben haben wird. Sicherlich 
war derselbe zugleich auch Ruderer, und somit war die Länge der Wortreihe abhängig von der 
Kraft und Ausdauer der Athmungs-Organe des Rudernden, und die Natur selbst schrieb hier das 
Gesetz vor: das Keleusma um£asste drei Ruderschläge in einem Athemzuge. Es würde daher 
nicht befremden, wenn die hiedurch gebildeten Wortreihen stets nur 3 Spondeen (weil zur gleich- 
massigen Fortbewegung des Fahrzeugs weder Trochaeen noch Jamben verwendbar waren) bestanden 
hätten. Indessen der Inhalt des Keleusma gab den Ausschlag; der Gedaiüce liess sich durchschnittlidii 
in die kurzen Reihen nicht einfügen, sondern ging darüber hinaus, und so entstand ganz von selbst aus 
der Verbindung von 2 dreifussigen Reihen die 6füssige, d. i. der Hexameter. Es ist nicht nöthig, 
hier das Wesen des Verses umständUoher zu erörtern; nur so viel möge gesagt sein, dass, nadidem 
der Ictus ohne Anacruse mit voller Kraft auf die Iste Silbe des Isten Fusses gefallen, er auch in 
den übrigen Füssen auf derselben ersten Silbe verbleibt und zwar so, dass der ausgehende Athem 
auf der ersten des 3ten Fusses den Ruhepunkt zum neuen Athemzuge sucht und gleichsam einen 
Einschnitt macht (Hauptcäsur), um sofort mit der 2ten Silbe des 3ten Fusses, welche nun die 
Anacruse der 2ten Reihe bildet, überzugehen. Auf diese Weise werden die beiden Reihen zu einem 
harmonischen Ganzen mit dnander verbunden. Da aber die 2te Reihe durch die Anacruse um etwas 
gewachsen ist, so nimmt der entschwindende Athem am Ende derselben eine scheinbar schnellere 
Bew^ung an, und hierin liegt der Grund, wesshalb der 5te Fuss des Hexameter stets ein Dadylus ist 
Dieser ganze Bildungsprocess des Verses giebt dadurch, dass der Ictus stets auf die erste Silbe des 
Fusses fallen musste, den bündigsten Nachweis über die Entstehung und Entwickelung der 
Griechischen Metrik nach der Quantität, im Gegensatz zur natürlichen Accentuation 
der Wörter; er giebt aber auch zugleich den Nachweis über die ganze Formenbildung des 



1» 

sogenannten epischen Dialects. Man betrachte nun unbefangen den prächtigen« gleichsam in 
majestätischer Ruhe einherschreitenden Vers, und man wird zugeben müssen, dass bei seiner ge- 
messenen und regeUnässigen Recitation das Ruderboot sicherlich pfeilgeschwind über die Wogen dahin-^ 
Bchoss. Femer urtheile man, ob es denkbar ist, dass dieser wunderbare Vers, der doch factisch 
an der Spitze der Griechischen Poesie steht, und den schon das Alterthum seiner unerklär- 
baren Entstehung wegen auf das Delphische Orakel zurückführte und ihn daher Versus Pythius, 
Versus Delphicus, Metrum Theologicum nannte, erst aus dem iambisch-trochäischen 
Maasse, wie Berhhardy will p. 264 3. A. habe hervorgehen können. Der gelehrte Forscher selbst 
hat freilich jenem factischen Beweise gegenüber die Schwierigkeit sehr wohl gefühlt; allein er hat 
es vorgezogen, die Beweiskraft jenes Factums mehr zurücktreten zu lassen und die Griechische 
Metrik lieber aus dem heitern und frohsinnigen Hellenischen Geiste, aus den festlichen Gelagen und 
nedkischen Reigentänzen, bei denen allerdings für den ernsten Hexameter kein Raum war, herzu- 
leiten und demgemäss jenen muthwiUigen Maassen den Vorrang einzuräumen* Doch will es uns 
bedünken, dass die Schwere und der Ernst des Bedürfnisses bei Entwickelung so alter Verhält- 
nisse schwerer in die Wagschale fällt, als der gemüthliche Frohsinn des Lebens. 

§. 5. 
Das Keleusma and sein Inhalt. Die Bhabdoden. 

Es ist weiter zu untersuchen, von welchem Inhalt das xiXevafia gewesen sein dürfte. Vor 
allen Dingen wird behu& Erledigung dieser Frage die Ansicht des Horaz (Garm. I, 3, 9 sqq.) auf- 
gegeben werden müssen, dass der erste Mensch, der das Meer zu befahren gewagt^ solches in der 
ToUständigsten Gefühllosigkeit und ohne die geringste Ahnung von den Gefahren zu haben, denen 
er sich aussetzte, gethan habe, so etwa wie ein unmündiges Kind in seiner Unkunde in einen tiefen 
Weiher hineinschreitet, ohne irgend eine Vorstellung von seinem Thun zu haben. Der erste Mensch 
ivusste, was er that, und unter den unzähligen Fährlichkeiten, denen er auf dem unsicheren Ele- 
mente entgegenging, schwebte ihm die Gefahr gewiss nicht als die geringste vor der Seele, welcher 
Homer so bezeichnenden Ausdruck giebt (Diad. XV, 62S): tQOfiiovai 8i xe g)Qeva vaikai deiduneg; 
%vz&dv yccQ vn ix &avciToio xpiqovcm. Der ganze Ernst ihrer Lage trat, wie es noch bis zum 
heutigen Tage der Fall ist^ den ersten Schiffern klar vor die Augen, und hier gab es nur ein Mittel 
ihren Muth zu beleben und zu heben, das unbedingte Vertrauen auf das Walten der Gottheit, welche 
allein ihnen in ihrer völligen Hülflosigkeit Schutz und Beistand zu verleihen vermochte. Auf solchen 
aber konnte nur Anspruch haben derjenige, welcher frei von Schuld und Fehle in emem Fahrzeuge 
weilte, imd hieraus entsprang schon in frühester Zeit die allgemeine Anschauung, dass ein aoBßrfi 
dvrQf ein homo scelestus nicht zugleich mit anderen evaeßetg ein Schiff besteigen dürfe; cf. Horat. IH, 
2, 29. und das. die Stellen bei Orelli. Mag also der Urmensch seiner Beschäftigung gemäss als Hirt, 
als Landmann, als Winzer seine Gottesverehrung immerhin in stummen Handlungen ausgedrückt 
haben, auf dem Meere erforderte sein Beruf das lautgesprochene Wort, und Gebete und An- 
rufungen der Götter, so wie Ermahnungen zur Gottesfurcht und Frömmigkeit müssen 
den ersten Inhalt des xilevcfia gebildet haben. Hierzu traten alsbald noch andere RücksichteiL 
Vom Sturm in ferne und unbekannte Gegenden Verschlagene werden die Nothwendigkeit erkannt 
haben, in künftigen Fällen schon vor dem Beginn der Fahrt den Willen der Gottheit aus bestimmten 
Zeichen (Vögelfiug, Donner und Blitz schon bei Homer) zu erkunden und dadurch den Muth der 
Schiffenden zu heben; und wiederum andere, denen es darum zu thun war, unbekannte Meere ab- 
sichtlich aufrusuchen, werden es nicht unterlassen haben, auf der Fahrt selbst die durch die GKitter« 
zeichen gebotenen Weisungen in Weissageform {xQrjO^og) zu verkünden und also das Vertrauen der 

3* 



ScliifEisgenossen wach und rege zu erhalten. Diess bestätigen Andeutungen aus dem Alterthum in 
genügender Weise. Dem ersten 50rudrigen Schiffe, der Argo» wird von d^ Minerva aus dem 
Dodonäischen Walde die weissagende Eiche eingefügt. Hier also ist es die Grottheit selbst^ welche 
den Argonauten auf ihrer Fahrt in dunkele entlegene Gegenden gleichsam den Weg verkündet und 
sie sicher führt und leitet; und wenn wir in den kurzen dem Homer beigelegten Apospasmatien 
noch eine weitere Bestätigung finden, so werden wir nicht zweifeln dürfen, dass sofort mit dem Be- 
ginne der Eüstenschififahrt Gebete und Weissagungen, Xiral und XQtjafioli Gegenstand des 
xiXsvOfia gewesen und naturgemäss in die hexametrische Form gebracht worden sind. Reste davon 
anerkennen wir in den oben erwähnten Üeberbleibseln und zwar eine lisrj in Aposp. 6: 

KXv9i, noaeldaov fieyaloa9ev^, iwoalyaief 

EuQVxoQOv inedicov r^di ^ad'iov ^Ekixwvog* 

Jos d* oIqov xaXov xal anrjfiova voatov idio9ai 

NavTjjgf dl vtjoq nopinol ijd" dgxol iaaiv. 

Jdg d* ig vmaqeiijv ixpixQr^voio Mlfiavzog 

jAdolfOv (i IXd'Ovta ßgordiv ooiwv re xvQijaaf 

OwTa TB Tiaalfi7]Vf og i/iidv voov i^nsgoTtevaag 

Q^dvaato Zijva ^iviov ^evlrjv te rgane^av. 
Desgleichen in dem sonst völlig dunkeln und räthselhaften Aposp. 8: 

Nonkav TtovzonoQOij atvysQj] ivaklyxioi '!Atfi 

nroixaaiv al^vlrjCh ßiov iva^ijXov kxovTeg^ 

AldBlod-e ^evloio Jicg aißag itpifiidovrog. 

Jeivi] yoiQ /dhoTiig ^evlov Jiog, og x dllT^ai» 
Endlich ein XQV^t*-^ ^ deutlich erkennbar in Aposp. 9: 

^Yfiiag, cJ ^stvoi, avefxog loßev avrlog il&wv, 

*AkX^ m vvv J^laa^e, xai 6 nkoog ^aaezai tfiiv. 
In solchen und ähnlichen, verhältnissmässig ganz kurzen Liedern, in denen durch das vor- 
handene BedürjEhiss der Hexameter so ganz von selbst hervortrat, dass wir. in diesem Sinne ihn 
mit Aristoteles den naturgemässen Vers nennen mögen, sind die ersten Anfänge der Griechischen 
Poesie und Metrik zu suchen; und erst vom Meere aus haben die heimkehrenden Seefahrer die 
Lieder den Landbevölkerungen zugebracht und allhier dafür bei dem heitern, auf alles Schöne ge- 
richteten Sinn der Hellenen das geeignete Verständniss gefunden. Der Hexameter wurde in den 
grünenden Thälem und auf den luftigen Bergeshöhen heimisch und mit ihm die Anrufungen und 
die Culte der Götter, unter deren Schutze das Leben auf dem Meere sich entwickelt hatte. In den 
Augen der phantasiereichen Hellenen war die ganze von Leben und Bewegung durchdrungene Natur 
ledighch das Werk einer schaffenden Götterwelt; auf diese übertrug man Alles, was hienieden zur 
Erscheinung kam, und vor Allem war es die menschliche Familie^ welche man auch unter den 
Göttern wiederfand. Hiedurch entwickelten sich ganz von selbst die Theogonien und was damit 
zusammenhängt, und die Folge davon war das Erblühen einer theologischen Poesie, ak deren 
Träger die Namen eines Musaeus, Thamyris, Orpheus und anderer uns entgegentreten. 

Endlich wer tmter den Schiffenden war der xeXevav^g? Es kann nicht zweifelhaft sein, 
dass, so lange die ersten Fahrzeuge mit 2 oder höchsteQS 4 Buderem und einem Steuermanne be- 
setzt waren, einer unter ihnen durch Wortausdruck die Buderschläge regelte, so dass hieraus, 
nach Maassgabe der Athmungsorgane, die gesprochenen Worte ganz von selbst zur primitiven Ur- 
form des Hexameters sich formten. Anders musste es werden, als bei vermehrter Zahl der Ru- 
dernden die Pünktlichkeit der Ruderschläge wesentlich erschwert wurde, und wie noch heutigen 
Tages an der Ramme der das Tau fuhrende Arbeiter, ohne selbst mit zu rammen, das Commando- 



21 

wort spricht, so mosste es sich auch auf den mit 20 und mehr Ruderern versehenen Schiffen ge- 
stalten: der HelevOTrg wurde eine eigens zum Commando bestimmte Persönlichkeit^ er sprach die 
herkömmlichen, auch von der übrigen SchifiGsmannschaft nach und nach in das Gedächtniss aufge- 
nommenen XiTal und %Qriafiol imd wurde so, man gestatte den Ausdruck, zum Sprecher fiir Alle. 
Dieser Sprecher war es, welcher, geistig angeregt und gehoben durch Form und Inhalt des Vorge- 
tragenen, wohl auch neue Xitai schuf, je nachdem neue Eindrücke auf den erweiterten Seefahrten 
sich ihm darboten, und aus diesen Schiffskeleusten sind, wie sich weiter unten ergeben wird, die 
gottbegeisterten Aoeden hervorgegangen. 

Betrachten wir diese Sprecher in ihrer primitiven Thätigk^t etwas genauer, so lehrt 
die Sache selbst, dass das ä tempo Einschlagen der Ruder, so wie ihr Anziehen ((wa/dog) unbe- 
dingt mit der Hebung der Stimme des Sprechenden (ägaig) zusammenfallen musste, zugleich aber 
auch, dass diese Arsis bei einer verhältnissmässig zu grossen Zahl von Ruderern nicht genügte 
und somit noch einer anderweitigen Unterstützung bedurfte. Femer ist es selbstverständhch, dass 
bei Fahrten, welche längere Zeit, vielleicht einen oder mehrere volle Tage in Anspruch nahmen, 
die Recitation unmöglich, ohne alle tmd jede Unterbrechung fortdauern konnte, weil für der- 
artige Anstrengungen keine menschliche Stimme ausreichend war. Somit war es nothwendig, dass 
für beide Fälle, sowohl für die Hervorhebung der Arsis, als auch, wenn die Recitation fehlte, 
für die tmunterbrochene Regelung der Ruderschläge ein weiteres Hülfsmittel zur Hand war, 
und diess kann kein anderes gewesen sein, als der auch heute noch übliche Schlag mit 
einem Stabe, der mit der Arsis des Verses und mit der ä tempo in die Meereswogen ein- 
schlagenden Rudermenge und, wenn die Recitation fehlte, mit dem Ruderschlage allein unmittelbar 
zusammenfiel. Auf diese Art wurde der stabfuhrende Sprecher zum ^aßd(f66g. Um allen wei- 
teren Missverständnissen von vornherein vorzubeugen, möge schon hier bemerkt werden, dass dieser 
Rhabdode mit dem spätem ^cnfjtfdog gar nichts zu thun hat, wenn schon beide dasselbe Attribut 
des Stabes fähren, der wirklich von dem ersteren im Laufe der Zeit auf den letzteren überge- 
gangen ist Wir verdanken die richtige Einsicht in dieses dunkle und vielbesprochene Yerhältniss 
lediglich den Bemühungen Welcker's, jedoch nicht ohne ein tiefes Bedauern zu empfinden, dass 
der gelehrte Mann, um das räthselhafte Wort ^axp(fdlg zu erklären, dessen Ableitung von ^anreiv 
aoidrjv ihm völlig unverständUch und darum unzulässig erschien, zu dem ungeheuerlichen ^aßooipdog 
oder ^TtiGifdog (zusammengezogen ^tptfiäog) seine Zuflucht nahm, anstatt die von ihim zweifellos 
nachgewiesene Existenz der Form ^ßdtfdog (cf. Ep. CycL p. 360, Anm. 586) von jener gänzUch zu 
trennen und selbständig für sich bestehen zu lassen. Wir furchten, dass die ungewöhnliche Belesen- 
heit und Gelehrsamkeit Welcker^s der Sache, die er zu vertreten bemühet war, oft mehr geschadet 
als genützt hat Ueber ^aßoatpdog etc. cf. Ep. CycL p. 365. Wie nun der Stab — axfmgov — 
in der Hand sei es des Königs oder des gebietenden Herrn überhaupt das Symbol der be- 
rechtigten Gewalt ist, gleichviel ob man das otnrjntqov vom Speerschaft herleitet, welcher dem 
Sieger die volle Gewalt über den Besiegten gab, oder vom Stabe oder Stocke als Züchtigungs-In- 
strument der Unfreien, so erhöhete der ^aßdog in der Hand des xeXevatrig wesentiich dessen An- 
sehen imd gab ihm, da auf seiner Pünktlichkeit und Kunstfertigkeit die regelmässige Fortbewegung 
des Schiffes und dadurch auch dessen Sicherheit beruhete, eine hervorragende Stellung vor den 
übrigen Schiffsgenossen, und der ^aßdog wurde zugleich ein Zeichen der Würde. Als nun im Ver- 
lauf der Zeit und unter ganz besonderen Verhältnissen, von denen weiter unten die Rede sein wird, 
aus den stabfiihrenden (tactirenden) Rhabdoden sich die Aoeden in voller Selbständigkeit ent- 
wickelten, so behielten auch diese das ehrende Zeichen des Stabes beim Gesänge bei (xara ^aßdov 
q)Qa^€iv Find. Isthm. HI, 51), jedoch so, dass letzterer häufig durch einen Oebsweig (ß'Qvog^ daher 
iQvtfdog) ersetzt wurde, und von ihnen ging er dann als auszeichnendes Attribut auch auf die spätem 



Rhapsoden über, welche sich seiner bei der Declamation der Homerischen Epen bedienten, ohne dess- 
halb Stabsänger, was eben nichts ist und nichts bedeutet^ zu sein. Denn der Stab stand mit der 
Beschäftigung weder der Aoeden noch der Rhapsoden in irgend welchem Zusammenhange, während 
er bei den Rhabdoden den Haupttheil ihres Berufes ausmachte. Das Wort ist ganz analog dem 
Ki&iiQ{pddg gebildet, und wie dieses heisst: mit Beihülfe der Kithara, d. h. zur Kithara 
singen, so ^aßdipdog mit Unterstützung des Stabes die Recitation der Xivai und 
XQflOfioi vornehmen. 

Wir unterlassen es, den vorstehenden Gegenstand hier weiter zu verfolgen und kehren zur 
Hauptsache zurück. Die oben geschilderte Entwicklungsperiode hat begonnen in einer Urzeit, die 
jedoch nicht völlig unbestimmbar ist, und hat gedauert bis zum Troianischen Kriege. Denn wie oft 
man es auch versucht hat zu beweisen, dass das Menschengeschlecht an allen Theilen der Erde 
ganz unabhängig von einander gleich dem Thier- und Pflanzenreich entstanden sei, so haben diese 
Bemühungen die Ueberzeugung bis dahin dennoch nicht zu erschüttern vermocht, dass der TfaeU 
der Menschheit, auf welchem allein die heutige allgemeine Cultur beruhet, sich gleichsam aus seiner 
Wiege, in dem Innern Asiens beginnend, nur von Osten nach Westen verbreitet habe; und die 
Richtigkeit dieses Satzes steht fest durch die historischen Thatsachen, dass unter den nach 
Westen vordringenden Culturvölkem diejenigen, welche das Meer an den Küsten Syriens zuerst 
erreichten, die Phoenizier das erste, und dann nach ihnen die, welche viel später an die Westküste 
Kleinasiens gelangten, also die lonier der Zeit nach das zweite seefahrende Volk des Mittefaneeres 
geworden sind. Seit den ersten Ansiedelungen an der letzteren Küste, welche chronologisch aller- 
dings nicht zu bestimmen sind, «haben die oben entwickelten Verhältnisse sich Jahrhunderte hin- 
durch als dieselben erhalten; ein reger Seeverkehr an den Küsten und zwischen ihnen und den 
gegenüberliegenden Lisehi hat sich entwickelt, und der Grund zu den oben genannten Wissenschaften, 
besonders der Astronomie und Mathematik ist gelegt worden, vorzugsweise aber^ hat die Poesie 
und mit ihr die Sprache selbst ihre erste Bildung und Fortgestaltung einhalten. Unter ihrem Ein- 
fluss, da sie, in den Nöthen und Gefahren des Lebens Schutz und Schirm suchend, lediglich auf die 
Allmacht und die hüUreiche Hand der Gottheit angewiesen war, hat sich die ganze, ewig wirkende 
und scha£Eende Natur in eine von unzähligen Götterwesen bewohnte und belebte Götterwelt ver- 
wandelt, welche, von dem irdischen Auge nach irdischen Verhältnissen bemessen, alle Gefühle und 
Empfindungen mit dem sterblichen Geschlecht theilten; es beginnt die Zeit der werdenden und ge- 
wordenen Götter, das Zeitalter der Theogonien, und die Träger aller dieser Vorstellungen sind jene 
Lieder und Gesänge, die wir allgemein XixaL und x^rjafioL genannt haben, dereh Vorhandensein 
und weiterer Einfluss sich noch in der spätem Zeit geltend macht. Sie wurzelten tief im Bewusstseia 
des Volkes, daher noch in der historischen Zeit das ungewöhnliche Ansehen des Onomacritus. In 
jene ältesten Ideenkreise drangen sicherlich Jahrhunderte hindurch keine neuen Vorstellungen, weU 
es an passender Veranlassung dazu fehlte. Der Gulturzustand blieb sich stets gleich imd wurde stag- 
nirend, und auch die gewöhnliche Beschäftigung auf dem Meere entwickelte mehr und mehr nur 
eine Seite und gipfelte zuletzt in dem nicht ftir verwerflich gehaltenen Seeraub. Die berüchtigten 
Karer waren arge Seeräuber und der Hauptsitz der Piraterie war — Ilion. Da endlich erhoben 
sich die Bewohner des Festlands, deren Kästenorte immer und ewig gebrandschatzt wurden, gegen 
das Unwesen; Ilion fäUt und hiemit dringt in die alte Stagnation eine neue Bewegung und ein 
neues Leben, und es beginnt mit dem Falle des Raubnestes die zweite Periode der Griechischen Cultur. 
Wer demnach Ilion für eine Fabel hält und glaubt, dass die geistige Aufrüttelung eines ganzen 
Volkes, dass ein reges Wirken und Schaffen auf allen Gebieten der menschlichen Thätigkeit, wie es 
in den Epen Homers sich offenbart^ nur durch das Phantasiegebilde eines müssigen Kopfes bewirict 
worden sei, der hat kein Verständmss für alte Verhältnisse. Die obige B^nerkung aber, dass die 




Zeit vor Qion die alten Theogonien angebahnt und geschaffen habe, dürfte geeignet sein, den alten 
Streit, ob Hesiod oder Homer der ältere sei, zu Gunsten des ersteren zu entscheiden. 

Die Zerstörung Dions war ein Ereigniss von weittragender Bedeutung für ganz Griechen- 
land. Es ist gewiss nicht zu viel behauptet^ wenn gesagt wird, dass die endliche Vernichtung und 
Beseitigung des Troischen Piraten-Unwesens unter den Bewohnern des Festlands und besonders der 
Küstenorte den allgemeinsten Jubel hervorgerufen hat Die heimkehrenden Sieger, mag auch den 
einzelnen Führern aus dynastischen Interessen so oder So schwere Unbill widerfahren sein, trugen 
die Kunde von dem glüddich^i Erfolg zu den entlegensten Punkten des Binnenlandes und die aus 
dem Brande geflüchteten Troer fanden unter dem frischen Eindrucke des Ereignisses an keinem 
Orte Griechenlands weder Au&ahme noch Niederlassung, Indessen die nach der gemeinsamen 
Action alsbald wieder eintretende Spaltung und Zerrissenheit der Stämme, auf welche schon früher 
hingewiesen worden ist^ bewirkte, dass die Erinnerung an den gewaltigen Kampf sich mehr und 
mehr auf das Bewusstsein der einzehien Stämme und Orte selbst beschränkte, ohne ein National- 
Bewusstsein zu hinterlassen» weil es an einem gemeinsamen Yereinigungspunkt fehlte, den erst 
Lycurg durch die Anregung der Olympischen Spiele ins Leben rief. Nur einen Ort gab 
es, an welchem die Erinnerung an Ilion stets lebendig bheb und so zu sagen stets neue Knospen und 
neue Blüthen entfEdtete, die Troische Küste; sie war es, wo die beiden Todtenhügel des Achilles 
imd des Aiax und die dazwischenliegende Achaeerbucht das Andenken an Ilions Grösse und Fall 
stets wach hielt und durch die geschäftige Sage fortpflanzte. Allein nicht aus dem Innern der 
Ebene, nicht aus dem Munde derer, welche die von Agamemnon einst verfluchte Stätte dennoch 
wiederbewohnten, ist sie entströmt; höchstens haben die Bewohner am Sigeum oder am Strande der 
Beschika-Bay den dort anlegenden Schiffern einzelne Namen aus dem Innern der Ebene genannt, 
z. B. die beiden Flüsse, die diifioza ßaaiXijogj den Todtenhügel des Hector, die Anhöhe des Aesyetes, 
die Buche und den Feigenhügel, und bestätigende Andeutungen hinzugefugt; doch dieser Namen 
und Andeutungen bedurfte es nicht.^ Die Kenntniss derselben kam vielmehr von aussen und See- 
fahrer vorzugsweise aus lonien sind es gewesen, welche, mit Ilions Fall genugsam vertraut, nicht 
erst nöthig hatten sich über diess oder das genauer unterrichten zu lassen, sondern beim Anblick 
des Achilleshügels sofort ausriefen: Sehet, dort ruht Achilles, fern von ArgosI Sie wussten 
nicht bloss, was mit den verschiedene^ Locahtäten wirklich zusammenhing, denn sie kannten dajs 
liistorische Factimi, sondern sie wussten auch zugleich noch vieles Andere, was sie von anderswoher 
vernommen hatten imd nun mit jenen Punkten verbanden. So schufen sie eine FüUe von Sagen, 
die zwar mit den Localitäten stets in engster Verbindung blieben und an ihnen hatteten, genau 
genommen aber ihre eigentliche Heimath im fernen lonien hatten und aUhier wurzelten ; das Troische 
Gestade hatte nur die Veranlassung dazu gegeben. Mit diesem Ergebnisse löst sich nun das Räthsel, 
welches bis dahin die Forschung gefangen gehalten hat, und es erklärt sich jene überraschende 
Erscheinung, auf welche wir als Resultat der voraufgehenden Untersuchung §. 3 s. f. hingewiesen 
haben. Während nämlich Ilions Zerstörung an allen Orten des Festlandes in der Erinnerung mehr 
und mehr zurücktrat und zusammenschrumpfte, um erst später durch Homer gleichsam zu neuem 
Leben wieder erweckt zu werden, entwickelte sich die Troische Sagenfülle hoch auf dem 
Meere, auf den Ruderbänken der vor Troias Küsten vorübereilenden lonier, und 
hiedurch wird es endlich klar, wesshalb wir über das Innere der Ebene von Troia 
durch Homer so völlig ununterrichtet sind. Von der Höhe des Hellespont aus gesehen, stellte 
sich vor den Augen der See&hrer die Bucht zwischen Sigeum und Rhoeteum selbstverständlich so 
klein und unbedeutend dar, dass sie eben nur einem Hafen glich, ausreichend die tausendschiffige 
Flotte der Griechen aufzunehmen, und sogar der weisse Dünenstrand erschien für die Zahl der 
Schiffe ^u klein, um allen, wenn sie an das Land gezogen wären, in einer Reihe Raum zu ge» 



u 

statten; sie mussten daher staffelförmig aufgestellt gewesen sein. Hinter dem Strande dehnte sich dann 
in der Phantasie die Ebene aus, gross genug sowohl für die gewaltigen Schlachten der Griechen 
und Troer, als auch für die Wagenrennen bei den Leichenspielen des Patroclus« Es folgte Dion in 
der Mitte der Ebene, und unmittelbar an die Stadt stiessen in Folge des Standpunktes der Schauen- 
den die grünbewaldeten Yorberge des Idagebirges und gestatteten somit> wenn es sich um die Be- 
erdigung der beiderseitigen Todten handelte, den kämpfenden Theilen aus nächster Nähe das zum 
Verbrennen der Leichen nöthige Holz herbeizuschaffen; endlich mussten, da man doch von zwei 
Flüssen der Ebene gehört hatte, aber doch nur eine Mündung in der Bucht wahrnahm, beide noch 
in der Ebene zusammenfallen, der Simois also in den Xanthus einmünden. Mit einem Wort^ Alles, 
was in imserer frühem Untersuchung mühsam aus den geringsten Andeutungen Homer's festgestellt 
worden ist, erhält hiedurch die vollständigste Bestätigimg, alles Wunderbare und Ueberrasdiende 
im Homer findet die ausreichendste Erklärung. Was nur irgend im mündlichen Verkehrswege nach 
lonien gelangte, es schilderte die Küste und was hinter ihr liegt, nur nach dem Eindruck oder 
Tielmehr nach dem Bilde, welches die vorübereilenden Seefahrer in sich aufgenommen hatten, und 
der Einbildungskraft war es vorbehalten, das Innere der Ebene weiter auszumalen und zu ge- 
stalten. So haben es die Sagen gethan, so sind sie von Dion im Seeverkehr nach lonien gekommen, 
so hat sie Homer empfangen und nach ihnen, die weitere Ausfuhrung aus der eigenen Phantasie 
schöpfend, seine Hiade geschaffen. 

%. 5. 
Die Aoeden« Homer. 

Die Troische SagenfuUe hat unmittelbar nach ihrer Bildung den wesentlichsten Einflinss auf 
die Fortentwicklung der Griechischen Poesie geübt und deren zweite Periode hervorgerufen. Zwar 
werden die älteren Schiffslieder durch alternde Bhabdoden ^nd Ruderer auch Eingang in die 
Binnenlande und allhier weitere Verbreitung gefunden haben, was durch die früher erwähnten theo- 
gomschen Dichtungen hinreichend bezeugt wird. Auch sind sie sicherlich von der Menge überall gern 
gehört worden, haben aber eine Stagnation in der Ideenwelt des Volkes und in der Cultur dennocli nicht 
verhindern können. Ihr lediglich theologischer und prophetischer und daher einförmiger und trockner 
Inhalt hat stets wohl mehr einen ernsten und düstern, als frohen tmd heitern Eindruck auf die 
Hörer ausgeübt, weil in ihnen Alles fehlte, wodurch die rein menschlichen Gefühle und Empfin- 
dungen zugleich auch freudig erregt und angefacht werden; sie haben wohl überall mehr ein Bangeu 
und Beben vor dem allmächtigen Walten der Gottheit, als eine wohlthuende Befriedigung in der 
Brust der Hörer zurückgelasseiL Ganz anders wurde es, als mit einem Male der Poesie ein ganz 
neuer Stoff zugeführt wurde, an welchem es bis dahin gänzlich gemangelt hatte. Denn wer hatte 
je etwas Aehnliches vernommen? wer je von einem Biesenkampfe zweier ergrimmten Völker gehört» 
deren Führer einander an Tapferkeit übertrafen? wem war je eine Heldengestalt vorgekommen, wie 
die des jugendlich schönen und dabei riesenstarken Achilles? wem je ein Frauenbild, an hingeben- 
der Liebe und Milde vergleichbar der Andromache? Dieses Stoffes bemächtigte sich die Poesie mit 
Vorliebe, mit Ungestüm, und die neuerstehenden Lieder von Dion und dessen Zerstörung wurden 
von den Massen mit um so grösserer Begeisterung aufgenommen, je nachhaltiger sie alle Gefühle 
und Empfindungen in der Menschenbrust berührten und erregten, von denen grossarfcige Ereignisse 
und Begebenheiten begleitet zu sein pflegen. Sie fanden um so grösseren Beifall, je mehr sie in 
erzählender Form zugleich die spannendste Neugier befriedigten. Unter ihrem Eindrucke hörte 
die Stagnation der frühern Periode mit einem Male au^ und auch mit den Trägern der neuen 
poetischen Schöpfungen ging eine bedeutsame Veränderung vor. Der Unterschied, welcher zwischen 



der Aufoahme der litai und XQfiaiAoL von Seiten des Volkes und zwischen den Troischen Liedern 
stattfand, musste sich bald bemerkbar machen, namentlich auch durch den materiellen Gewinn» 
welcher durch letztere erzielt wurde. Die erwerbliche Seite, die in diesen alten Verhältnissen 
eine bei weitem grössere RoUe spielt, als in der Regel angenommen wird, reizte zur Nachahmung, 
und Alle, die selbst arbeitsunfähig von der Mildthätigkeit Anderer ihren Lebensunterhalt zu ent- 
nehmen hatten, folgten der Wirkung der neuen Gresänge auf die Oemüther der Massen mit dem 
lebhaftesten Interesse. Sie sahen, wie alternde Rhabdoden durch die in hexametrische Form ge- 
brachten Lieder von Ilion überall die willkommenste Aufnahme imd überdiess reichlichen Lohn 
fanden. Es ist eine bekannte Erscheinung, welche sich noch heutigen Tages allerorts vriederholt, dass 
Gebrechliche und Blinde sich ihren Lebensunterhalt aus dem Mitleidsgefiihl Anderer zu erwerben 
pflegen. Sie besuchen an der Iland von Führern alle unsere Jahrmärkte als Clarinettenbläser, als 
Flöten- und Geigenspieler, als Orgeldreher iL s. w. und singen namentlich zum Leierkasten die schauer- 
lichsten Mord- und Räubergeschichten zum grössten Ergötzen der Umstehenden. Dieselbe Erscheinung 
zeigt sich noch jetzt vorzugsweise in Griechenland, wo bei allen Festen und Paneghyris besonders 
die blinden Volkshedersänger sich zahlreich einfinden und ihre Volksgesänge vortragen (cf. Fauriel 
chants populaires de la Grece Moderne imd dazu Grote Gr. Gesch. p. 504, Anm.). Die Sitte datirt 
aus dem grauesten Alterthum, wofür die Homerischen Gtesänge genügendes Zeugniss ablegen. Aber 
sie ist keine menschliche Einrichtung oder Satzung, die zu einer bestimmten Zeit getroffen worden 
ist; sie entstammt vielmehr rein menschlichen Gefühlen und hat zu allen Zeiten gegolten, und wenn 
dennoch von ihrem Eintreten zu bestimmter Zeit die Rede sein soll, so kann sie nur auf die 
Erfindung der Mittel zurückgeführt werden, deren die armen Unglücklichen sich zur Erreichung 
ihrer Zwecke zu bedienen pflegen. Diess ist fiir die vorliegende Untersuchung von Wichtigkeit 
Kachdem nämlich alt und schwach gewordene Rhabdoden, unter Beibehaltung des Zeichens ihres 
frühem Berufe und ihrer Würde, des Stabes, durch ihre neuen Lieder den Impuls zur freudigen 
Elrregung der Massen gegeben und selbst reichen Grewinn daraus gezogen hatten, so bemächtigten 
sich nach und nach Alle, welche auf gleichen Erwerb angewiesen waren, der durch den Schiffs- 
verkehr vermittelten neuen Stoffe, imd aus ihnen gingen die primitiven Aoeden hervor. Auch 
sie führten den Stab; da dieser jedoch die Bedeutung, die er in der Hand der Rhabdoden ge- 
habt, verloren hatte, so vertauschten sie ihn mit dem Lorberzweige, tqvog^ nach gewöhnlicher An- 
nahme als Auszeichnung vor den Zuhörern, und wurden iQvipdol genannt^). Ob jedoch der bqvoq 



*} Diese von Welcker Ep. Cycl. p. 561, Anm. 590 vortrefflich begrandete und von Nitsch Hist. Hom. p. 11. 119. 
angenommene Form ist die allein richtige, jedoch mit der Beschränkang, dass sie, wie später nachgewiesen werden wird, von 
pa^U^q gänzhch getrennt bleibt. Die andere Form apvcoSoc ist lediglich aas der provinziellen Gewohnheit, c vor p wie et 
sa sprechen, entstanden and in die Schriftsprache tibergegangen, gerade wie noch heatigen Tages an einzelnen Mecklen- 
bnrgischen Orten die Eingeborenen das e vor r wie a aassprechen and demnach nicht wenden oder Erde, sondern war den 
und Ar de sagen, während amgekehrt die eingeborenen Insassen einer berähmten Mecklenbargischen Handelsstadt weder einen 
Qarten noch Markt, sondern nnr einen Gärten and Markt kennen. Dass die häofigen, in der Griechischen Sprache 
nachgewiesenen Vocalvertaoschnngen nor eine Folge einer abweichenden provinziellen Aassprache gewesen sind, bedarf keines 
Beweises. Dass aber in dem vorliegenden Falle die falsche Form apviftfioc (Lammsänger) mit Leichtigkeit Eingang finden 
konnte, dergestalt dass sogar der Scholiast zn Find. Nem. II, 1 bei der Deatang des Namens ^a4i<{»5oc sagen konnte: ol 8& 
OTi xaTtt |jL^pt) icpoicpov rqc icoiv{9e()»c 8ta5i$0|jL^vY)c tuv aYUVKrrJv ?xa9T0c ort ßouXoiTO ^ffit^ tov bl &Xo\i toic 
vixQai^ apvo< aicoJ^cISeiYH'^vou icpocaYopeu^i^vat tote yln ap^(i>8ouc9 audi; bi x. t. X. ist nor dnrch die Analogie 
des naheliegenden tpaYf^oc» Bocksänger, möglich geworden. Indessen abgesehen von der darch nichts unterstfitzten 
Annahme, dass bei tragischen Darstellangen ein Bocksopfer stattgefanden, oder dass die dabei betheiUgten Tragöden or- 
sprünglich mit Bocks feilen bekleidet gewesen seien, so giebt es nichts, wodnrch die ans dem Altertham stammende and 
noch hent in der Regel gebilligte Erklärang (cf. Horat. A. F. v« 220), dass der Preis des tragischen Wettkampfs in einem 
Bock bestanden habe, sich irgendwie rechtfertigen Hesse. Schon Welcker hat a, a. 0. mit Entschiedenheit darauf hing^ 

4 




wirklich ein auszeichnendes Symbol, und nicht viehnehr das Zeichen des um gastlichen Empfang 
bittenden Sängers gewesen sei, der Unterhalt suchend von Ort zu Ort zog, bleibt sehr fraglich. 
Wenigstens legte das ganze Alterthum. dem Zweige in der Hand eines Nahenden nur die letztere 
Bedeutung bei, und die Stellen, welche man zum Belege der ersteren Annahme beigebracht hat^ 
pach denen z. B. die Brabeuten bei den Kampfspielen u. s. w. ebenfalls den Stab trugen, durften 
nicht angezogen werden. Denn hier bezeichnete der Stab die amtliche Würde und entsprach 
dem axjjnzQov in der Hand des Gebietenden; davon aber kann bei den bittweis nahenden Aoeden 
keine Rede sein. Dem widerspricht auch nicht, dass Chryses als Bittender das axf^ntQov statt des 
Zweiges trägt; cf Diad. 1, init. Er erscheint vor Agamemnon in seiner vollen Würde als Priester 
des ApoUon und fuhrt als solcher absichthch das axiJTtTQov^ indem sein Bittgesuch nur durch den 
mit Wolle umwickelten Lorberkranz, den er auf dem goldenen Scepter trägt, ausgedrückt wird« 
Aus dem Obigen nun ergiebt sich, dass die Aoeden dem Reichthum, der Wohlhabenheit, kurz Allen 
gegenüber, die durch Besitz imd Kraft ihrer Hände eine selbständige Existenz hatten, eine sehr 
untergeordnete Stellung einnahmen. Sie heissen zwar d'eloi und werden noch durch viele an- 
dere Beiwörter geehrt, doch offenbar nur, weil nach allgemeiner Ansicht die Movaa in ihnen lebte 
und webte und ihnen den götthchen Gesang eingab, der sodann ihrem Munde entströmte. Allein 
diess änderte nichts an ihrer gesellschaftlichen Stellung; sie standen, aus dem angegebenen Grunde 
gerade wie die Wahnsinnigen, die ebenfalls von einem Gotte besessen gedacht wurden, unter dem 
allgemeinen Schutz Aller, und Jedermann vermied es um des Gottes willen gefiissentUch sie zu 
kränken. Sie wurden vielmehr geachtet, fanden überall gastliches Entgegenkommen, weilten in den 
Häusern der Edlen imd Reichen, erhielten hier sogar dauernden Aufenthalt imd erfreueten sich bei 
allen öffentUchen Festen des freundlichsten Empfanges. Allein diess Alles galt nur der in ihnen 
wohnenden Gottheit; persönlich traten sie völlig in den Hintergrund, an ihrem Erwerb haftete in 
den Augen der Menge etwas Gewöhnliches, ein Etwas, das sich von einem Almosen wenig oder gar 
nicht unterschied; mit einem Wort, sie assen das Brod Anderer. 

Diese Aoeden waren es, welche die von Troia herübergekommenen xXta dvdqdjv verarbeiteten 
imd ihnen die feststehende hexametrische Form gaben. Aber sie thaten es nicht etwa als opfer- 



ifviesen, dass bei keinem einzigen sämmtlicher Composita, als )ieX([>$0C) icpoocd^o'c n. s. w. der Preis bezeichnet Tiverde, 
mn den gesnngen wurde. Und so ist es; auch TpaY(i>8o'c kaQu keine Ansnahme machen, und auch die Erklärung, dass ein 
Bock den Siegespreis gebildet, ist hinfallig und verwerflich. Das richtige Verstiindniss des Wortes ist nur auf historischem 
Wege zu gewinnen. Es ist nämlich nicht zu bezweifeln, dass die Griechische Tragödie sich in ihren Uranfängen aus der 
x«»}jLb)8{a entwickelt hat, wobei es ganz dahin gestellt bleiben kann, ob letztere aus xidixoc und cJ^t) Lustgesang, Lust- 
spiel, oder aus xcoiiv) und (j>5t) Dorfgesang, übUch bei der Feier der Weinlese in den Dörfein, entstanden ist. Jene An- 
fange aber sind zu suchen in dem aus den alten Dionysos-FesÜichkeiten hervorgegangenen Dithyrambos, als dessen Er- 
finder Herodot I, c. 23 den Arion nennt Von dem Dith3nrambos sonderte sich später das Satyrspiel ab, in beiden aber 
ruhete ein mimisches Element (cf. Aristot. Probl. 19 5io xa\ ol Su^upafJißot, irceifiiQ |jli|1y)tixoI ^y^vovto x. t. X.); und 
als der Dithyrambos sich zu einem Drama mit Acten aus der Geschichte des Dionysos gestaltete, ^o fiel dem aus Satyrn 
bestehenden Chore jener mimische Theil zu. Bei dieser ganzen, von Arion zweifellos herrührenden Anordnung (rpoicoc 
TpttYtxoc Suid, s. V. Arion) bestand der Hauptkem der Lustbarkeit in dem mit Bockschwänzen etc. ausgestatteten und 
in seinen Bewegungen phaUische Possen treibenden Satymchor. Von ihnen, den bockschwänzigen und später auch 
bocksfussigen Satyrn entstammt die Bezeichnung ipaYixoc (von TpayoC) Bock), welche auch später, als besonders unter 
dem gewaltigen Eindruck der Perserkriege aus dem Dithyrambos die ernste Tragödie hervorging, für diese beibehalten 
wurde und zwar uranfanglich, dem neckischen Wesen des Dithyrambos und des Satyrspiels zufolge, als Spottname. Denn 
wer noch heute sich nicht allein die wunderlichen und possierHchen Sprunge der Böcke gegen einander vei^egenwärtigt, son- 
dern auch zugleich die gravitätischen Schritte beobachtet, mit denen sie dummglotzenden Auges zum Kampfe auf einander 
losgehen, der wird begreifen, wie der ernste und gravitätisch gemessene Schritt des Chors in der Tragödie mit jenem Namen 
und zwar als Spottnamen bezeichnet werden konnte, jedoch zu dem Erfolge, dass unter dem Ernste der Handlung der ur* 
sprängliche Spott allmälig ganz vergessen, der Name selbst aber beibehalten "wurde. 



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17 

freudige Jünger der Musen und ohne allen Eigennutz, ohne alles eigene Interesse, nur im Dienste 
der Poesie stehend; im Gegentheil, da Dinge vorliegender Art nur nach Maassgabe der Zeit, in der 
sie hervorgehen, zu bemessen sind und nicht durch die trübe Brille einer idealistischen Anschauung 
betrachtet werden dürfen, sie bemächtigten sich der neuen Stoffe, um im gegenseitigen Wetteifer 
den grösstmöglichsten Gewinn daraus zu ziehen, und gerade dieser Wetteifer, dieses Streben theils 
durch Neues, theils durch Umgeformtes einander zu überbieten, worin die Quelle der spätem 
Agonistik zu suchen ist, hat die Poesie selbst wunderbar gefördert und die Zeit vorbereitet, in 
welcher — Homer den Gipfelpunkt ersteigen sollte. Auf diese Weise ist eine Anzahl theils längerer 
theils kürzerer Gesänge in der Form des Hexameters entstanden, welche weit über unsere Vor- 
stellung hinausgeht^ und man kann dreist behaupten, dass alle Sagen von Dion, also nicht bloss 
die in den Homerischen Gesängen befindlichen, sondern auch die, welche ausserdem mit dem 
Troischen Krieg in irgend welcher Verbindung standen, von den Aoeden behandelt worden sind» 
Aber eben so dreist darf man behaupten, dass alle Lieder bunt durcheinander auf d^r Klein- 
asiatischen Küste und auf den Inseln bald hier bald dort gesungen worden sind, ohne dass sie durch 
eine gewisse Ordnung und innem Zusammenhang mit einander verbunden gewesen wären oder ein 
fester historischer Faden sich durch sie hindurch gezogen hätte. Alle flatterten so zu sagen in 
buntem Gewirre um einen Mittelpunkt herum, welcher sie anzog, und dieser war Ilion im letzten 
verzweifelten Todeskampfe. Diesen innem Zusammenhang für einen bestimmten Abschnitt 
des Krieges herzustellen und die Ereignisse in motivirter Aufeinanderfolge gleichsam an einem 
Faden fortzuführen, war dem Dichtergenius des Homer vorbehalten. Hieraus aber leuchtet ein, dass 
der Dichter nicht etwa, wie ein überirdisches Wesen, plötzlich in eine bis dahin inhaltleere Wirklich- 
keit gleichsam hineingesprungen ist und begeistert von der Gottheit seine Epen geschaffen hat; auch 
er war, wie alle Dichter aller Zeiten, ein Kind seiner Zeit und hat sich grossgenährt an dem Ma- 
terial, welches sein Zeitalter ihm in Fülle zu (Jebote stellte. 

In den Aoeden also, schlichten und einfachen Leuten, die aber durch die Uebung des Vor- 
trags voUkonmien vertraut mit dem Bau des Hexameters waren, sind einzig und allein die Schöpfer 
neuer Lieder zu suchen. Zugleich aber waren sie auch die Autbewahrer und Fortpflanzer der älteren 
und zwar zunächst wohl im Wege der Katechese, wie das Beispiel des blinden Demodokos lehrt. Denn 
entweder war dieser wirkUch der Dichter der Lieder, welche er in der Odyssee vorträgt (und man 
hat desshalb in ihm sogai* die Person des Homer vermuthet), oder er hatte sie auf gedachtem 
Wege aufgenommen, da seine Blindheit jeden andern ausschloss. Hiemit soll jedoch nicht gesagt 
sein, dass es nicht auch schon schriftliche Aufzeichnungen der Lieder gegeben habe, wovon je- 
doch erst später genauer die Rede sein wird. Der Zauber ihrer Lieder verschaffte den Aoeden 
überall die herzlichste Aufnahme. Ob auch dem Homer? 

Die alten Ueberlieferungen kommen alle dahin überein, dass Homer von der Nymphe Kri- 
theis, welche mit einem Daemon Umgang gehabt, am Flusse Meles unfern von Smyrna geboren und 
daher Melesigenes genannt worden sei; seine Erziehung habe Maeon, ein Verwandter der Kritheis 
geleitet; cf. Welck. Ep. Cycl. p. 142. sqq. Es ist hier nicht der Ort, diese Angaben im Einzelnen 
zu prüfen; es genügt darauf hinzuweisen, dass in ihnen der Glaube des ganzen Alterthums sich 
manifestirt, nach welchem Homer ein vom Weibe Geborener, ein individueller Mensch mit Fleisch 
und Blut, und nicht etwa, wie heute meistentheils geglaubt wird, ein wesenloser Eponymus, ein 
göttlicher Ahnherr der Homeridengens war. Die letztere Annahme, an welche weder im Alter- 
thum, noch neuerdings vor Wolf jemand gedacht hat, ist lediglich als weitere Folge aus dessen be- 
kannter Hypothese hervorgegangen, allein von AUen, welche sie angenommen, ist die richtige Frage- 
stellung ausser Acht gelassen worden. Es handelt sich nämUch nicht darum, auf Grund einer Ver- 
muthung eine durch Einstimmigkeit des Alterthums beglaubigte Thatsache über Bord zu werfen» 

4» 



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sondern vielmehr auf Grand der Thatsache die Zulässigkeit der Hypothese zu erweisen. So lange 
also die Rechtfertigangsgründe der letzteren selbst nnr ans Annahmen und Vermuthungen bestehen, 
die weder durch Yemunflsgründe noch durch alte Ueberlieferungen hinreichend unterstützt werden, 
eben so lange ist auch der Endschluss, dass die ganze Anschauung imd der ausdrückliche Bericht 
des Alterthums falsch sei, völlig unzulässig und daher abzuweisen. Man kann mit vollem Rechte 
alle Werke, die unter Homers Namen gehen, ihm entweder theilweise oder ganz absprechen, kann 
sie einem anderen Verfasser oder mehreren zuschreiben; allein hieraus die persönliche Existenz des 
Dichters, der als Verfasser genannt wird, abzuläugnen und ihn zu einem luftigen Wesen zu ver- 
flüchtigen, dazu ist die Kritik nicht berechtigt. Und doch hat man sich nicht gescheut, imi jene 
Verflüchtigung zu beweisen, vornehmlich die Seite der Ueberlieferung heranzuziehen, dass Kritheis 
den Dichter von einem Daemon empfangen und geboren habe; gerade als wenn jemand aus der 
bekannten Perfidie des Macedonischen Adels, den Alexander für einen Bastard auszugeben, der von 
einem Drachen im Ehebruch mit der Olympias erzeugt worden sei, den Schluss ziehen wollte, dass 
Alexander selbst niemals existirt habe. Wir halten also die Position, welche das Alterthum 
uns anweist, unverrückt fest und behaupten, dass Homer nichts mehr imd nichts weniger als einer 
jener fahrenden Aoeden war, der, abgesehen von seiner eminenten Dichterbegabung, sich in seinem 
übrigen Leben durch Nichts von ihnen unterschied. Auch er suchte und fand seine Existenz durch 
den Vortrag seiner Lieder, und auch von ihm gilt die Voraussetzung, dass er zur Zahl jener Armen 
gehört, die blind und gebrechlich zu allen Zeiten vom grauesten Alterthum herab bis zum 
heutigen Tage aus ihrer Lebensbeschäftigung ein ernährendes Gewerbe gemacht haben. Und diese 
Voraussetzimg wird wiederum durch das Zeugniss des ganzen Alterthimis bestätigt, Homer war 
blind. Es giebt nicht ein einziges altes Zeugniss, von dem des Spötters Lucian abgesehen (Ver. 
Hist n, 26), welches die BUndheit des Sängers im Entferntesten je angezweifelt hätte, und nur die 
heutige Forschung hat die Ueberlieferung so vollständig in das Reich der Fabel verwiesen, dass in 
der That ein gewisser Muth dazu gehört^ anderer Meinung zu sein. Denn, sagt man, wie wäre 
es wohl möglich gewesen, dass ein blinder Mann die ganze ihn umgebende Natur mit solcher 
Treue, mit solcher Wahrheit hätte schildern und beschreiben können, wie Homer es gethan? und 
beruft sich dabei auf das Urtheil Ciceros, der Tusc. V, c. 39 also sich äussert: Traditum est, Home- 
rum caecum fuisse. At eins picturam, non poesin videmus. Quae regio, quae ora, 
qui locus Graeciae, quae species formaque pugnae, quae acies, quod remigium, qui 
motus hominum, qui ferarum non ita expictus est, ut, quae ipse non viderit, nos 
ut videremus, effecerit? Quid ergo? aut Homero delectationem animi ac voluptatem 
aut cuiquam docto umquam defuisse arbitramur? Allein Niemand hat bedacht, dass gerade 
Cicero bei unbedingter Anerkennung jener naturgetreuen Schilderungen des Dichters dennoch die 
allgemeine Ansicht des Alterthums von dessen Blindheit vollständig theilt, indem er, wie kurz vorher 
den blinden Democrit, so hier zum Beweise seines Themas Virtutem ad beate vivendum se 
ipsa esse contentam, den blinden Homer anführt, um zu zeigen, wie derselbe trotz seiner 
Bhndheit dennoch non sine summa delectatione animi et voluptate die Poesie zu einer 
solchen Höhe erhoben habe, dass man in seinen Beschreibungen ein vollständiges (remälde und 
kaum noch Dichtung zu erkennen vermöge. Auf diese völlig missverstandene Stelle hin hat man 
Homers Blindheit für eine Sage des Alterthums erklärt, welche dadurch entstanden, dass dieses 
hochbegabte Menschen, die sich eines höheren geistigen Lichts erfreueten, einer nähern Bekannt- 
schaft mit den Göttern für würdig und somit des körperlichen Lichts der Augen für beraubt er- 
achtet habe. Allein auch diese Schlussfolgerung ist falsch und *darum verwerflich, wie schon das 
Beispiel des Teiresias lehrt. Denn niemals hat das Alterthum sehende Menschen für körperlich 
bliad erklärt, weil sie geistig hochstehend sich gleichsam den Göttern näherten, sondern es hat 



Blinde für den Göttern verwandt erachtet, weil ihnen als Ersatz fiir das mangelnde Augen- 
licht gleichsam die Verwandtschaft mit den Göttern zu Theil geworden sei. Diess besagt ausdrück- 
lich Homer bei Erwähnung des blinden Demodokos Odyss. VIII, 63: Ktjgv^ d\ iyyv&ev TjX&eVf 
äytov iQlTjQov ooidov, rov nkqi Mova ifpLXfja^^ dldov i* dya&ov te ffiXov t€* ^oq>d'aX(j,tiv fniv 
SfieQüey dldov d' '^delav cioidr;v. Auch Homer war blind und seine Blindheit hat ihn ebensowenig 
yerhindert nur gehörte, nicht gesehene Naturscenen poetisch ebenso treu wiederzugeben, wie es der 
Verfasser des Wilhelm Teil gethan, der in seiner Beschreibung und Ausmalung des Vierwaldstätter Sees 
bis zum heutigen Tage noch von Niemand übertroflfen worden ist, wennschon er von den gross- 
artigen Scenerien jenes Sees nur gehört oder gelesen, ihn selbst aber niemals mit Augen 
gesehen hat Sollte aber nach dem Allen dennoch jemand Zweifel hegen, so bleibt immer noch 
die Annahme übrig, dass der Dichter nicht blind geboren, sondern erst später auf die eine oder 
die andere Weise blind geworden sei; diess und nichts Anderes besagt auch das Zeugniss des 
Velleius Fat., welches man gegen die absolute Bhndheit des Homer fälschlich beigebracht hat^ 
lib. I, 5: Homerum si quis caecum genitum putat, omnibus sensibus orbus est. Doch 
wir gehen weiter. 

Es ist am Schlüsse der ersten Abhandlung die Frage aufgeworfen worden, ob wohl jemand 
zu sagen vermöge, welcher Stadt Griechenlands der Dichter angehört habe, und der Zweifel wird 
für aDe Zeit fortbestehen. Dessenungeachtet erfordert der Gang der vorstehenden Untersuchung, 
auch hier den Versuch zu machen, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen, (janz bestimmte, 
von Niemand angefochtene Zeugnisse bestätigen das Vorhandensein der Homeriden auf Ghios; 
(die Stellen sehe man bei Grote I, p. 494); in ihnen hat man einstimmig eine Art von Gens 
(Gilde, Zunft) anerkannt. „Ihnen war, sagt Grote p. 493, Homer nicht ein blosser Mensch, 
der vor ihnen gelebt hatte, mit ihnen verwandter Natur, sondern ein göttlicher oder halbgöttlicher 
Eponym oder Vorsteher, den sie mit ihren heidnischen Opfern verehrten und in dessen erhabenem 
Namen und Augen die Individualität eines jeden Gliedes der Gens versenkt war. Die Werke 
jedes besondern Homeriden oder die vereinten Anstrengungen Vieler derselben in 
Verbindung stellten die Werke des Homer dar." Wir haben schon oben auf das Fehlsame 
dieser Schlussfolgerung hingewiesen und bekennen nochmak, dass, mag diese Ansicht auch von den 
namhaftesten Forschem z, B. Bernhardy (cf. L. G. pag. 299, 3. A.) getheilt werden, sie bei 
ruhiger Betrachtung des Wesens jener alten Zeit etwas Fremdartiges und Unnatürliches und darum 
UnglaubUches enthält. Sie fuhrt uns die alten Verhältnisse gleichsam im Kaleidoscop vor und 
zeichnet Menschen, die, „der Gegenwart entrückt, in einer jenen Zeiten eigenthümlichen 
Begeisterung, als der einzelne Mensch geneigt war, auf seinen Ruhm zu verzichten, 
alle Kraft zu einer gemeinsamen Schöpfung der Kunst'' aufgeboten hätten. Solche 
Persönlichkeiten, welche sich zu einer Sängerzunft vereinigt und durch ihre Beiträge den 
vom Meister entworfenen Plan in treuer Arbeit ausgeführt und somit auf eignen 
Ruhm und Gewinn aus ihrer Arbeit verzichtet hätten, kennt das Alterthum nicht, eine 
solche Entäusserung des eignen Interesses ist dem alten Menschen völlig fremd; der ganze Griechische 
Nationalcharacter, der noch heute sich nicht verläugnet^ steht damit in Widerspruch, als dessen 
hauptsächlichstes Merkmal das Streben nach- Gewinn und Besitz, gleichviel ob derselbe auf 
rechtlichem oder nicht rechtUchem Wege erworben wird, bezeichnet werden muss. Unter solchen 
Verhältnissen an eine Hingebung und Opferfreudigkeit zu denken, wie jene Auffassung sie uns vor- 
führt^ ist geradezu immöglich, imd an eine Sängergenossenschaft im modernen Sinne^ die sich um 
des gemeinsamen Gewinnes halber zusammengethan, haben die Urheber jener Ansicht doch wohl 
nicht gedacht EndUch steht die ganze Ansicht mit der alten Agonistik, mag diese sich entwickelt 
haben, wann sie will, in directestem Gegensatz. Man muss die alten Verhältnisse nehmen, wie sie 



waren; kein Aoede wird sich je entschlossen haben, die Erzeugnisse seines Geistes ^auf dem 
Altar der Poesie^ niederzulegen oder sie einem Anderen zu gewinnbringendem Gebrauch zu Gebote 
zu stellen. YieUnehr suchte einer den anderen zu überbieten und gab so die Veranlassung zu den 
dyäveg ^ovaixoL Den Beweis des gegenseitigen Wettkampfea erbringen die Worte des bUnden 
Mannes von Chios Hymn. ad Apoll, v. 169: c3 xovgai^ xig d' v^^v ov^q fjdunos doiSwv ^Ei^dtcde 
nwXeltai xai vtif Tegnea&e fiaXiara; 

Die Hörnenden auf Chios also sind auf einen persönlichen Ahnherrn, den Dichter Homeros 
zurückzufuhren und sind, wenn nicht als seine leiblichen, was bedenkUch sein dürfte, sondern ab 
seine geistigen Nachkommen anzusehen. Berechtigt diess nun zu der Annahme, dass auch 
Homer in Chios ansässig gewesen, und war dieser, wie oben nachgewiesen ist, blind, so steht Nichts 
entgegen, der Aussage des Thucydides HI, c. 104 beizupflichten, welcher in dem Tvq>ldg cevifjp 
von Chios ausdrücklich den Homer anerkennt Der kundige Athenäer nämlich, der zugleich hier- 
durch die Blindheit des Dichters vollständig beglaubigt, nennt das Prooemium an Apollon nicht 
allein ein Werk des Homer (dfjlol di fialcaia 'Ö/iJypog, ort toiavTa i]v h volg eneai toTgde^ a 
ioTiif ix nQOoifiiov ^An6XX(avog\ sondern fügt eigens hinzu, Homer habe dort auch seiner selbst 
gedacht mit den Worten: tclv yccQ JijXiaxov xoQOv twv ywaixojv tfivi^oag iteXevra rov inalvov ig 
Tade zd entjy iv olg xai kavTov ifÄVtja&f]. Hier ist Alles von Wichtigkeit. Der dywv (xovaixoQj 
dessen Nachweis Thucydides überall durch das Citat beabsichtigt, liegt in den oben angeführten 
Worten %lg d* vfifiiv x. r. X. Das ganze Citat aber (Hymn. ad Apoll, v. 165, sqq.) lautet: 

^AXX^ äyeO-^y iXrjxoi fih ^AtzoXXmv ^AQzifudi, |i'v 

XaiQete d* vftelg naaai* ifielo äi xai ^iBTonia^Bv 

Mmjaaad-^y onnote xev zig enix^ovlwv dvd'Qoinoiv 

^Ev9ad' dveiQfjzai. zaXanecQiog aXXog inaXd^tov 

'ß xovQai, zig d* vfi/Livv dvfjQ ijdiazog doidtov 

^Ev^ade maXeizai xai ze({i ziQuea&e f^aXiaza; 

Tvq)Xcg dvfjQy oixu dk Xiq) evi TtamaXoiaoiy 

Toi Ttaaai (nBzoniaS-ev aQiazevovoiv doidaL 

"^Hfieig 6* vfdBzeQOv xXiog cltao/devj oaaov in alav 

^Avd'Qwmav azQeq^o^iaaS'a noXeig ivvauzawoag* 

Ol ö^ ini dfi neMowai^ inu xai izrjTv/nov iaziv. 
Ferner giebt die den Delischen Jungfrauen untergelegte Antwort zvq>X6g dvtJQ etc. deutUch zu 
erkennen, dass der blinde Manu seine Lieder sammt und sonders für die besten hält, oder mit 
andern Worten, vorausgesetzt dass /lezoTtiad'ev vor dgiczeiovai^v richtig verstanden wird, dass alle 
seine Vorträge im or/av fiovaixog den Preis davon zu tragen pflegen, sobald sie gehört worden 
sind. Denn diess liegt in dem genannten Adverb, welches mit aQiazBvovaiv nicht in dem Sinne zu ver- 
binden ist, dass die Gesänge in späterer Zeit vor allen übrigen den Vorrang haben werden, in 
welchem Falle aus 2 Codd. ^agiazevaovaiv ^) (offenbar eine Conjectur des Abschreibers, der den 
letzteren Sinn verlangte) geschrieben werden müsste, sondern dass sie hinterdrein, wenn der dytov 
beendet ist, die Gesänge also gehört worden sind, den Preis zu erhalten pflegen. Diess stolze Selbst- 
bewusstsein des wandernden blinden Mannes, den seine Gesänge allerorten zum willkommensten 
Graste machen, bezeichnet trotz der Bescheidenheit, mit der es der gesellschaftlichen Stelltmg des 
Sängers gemäss auftritt» dennoch deutlich das ganze wahre Sachverhältniss. 

Nichtsdestoweniger ist der abweichenden Nachricht des Scholiasten zu Pind. Nem. U, 1, 
Kinaethos (oder Kinaethon) der Chier sei der Verfasser jenes Prooemium, Erwähnung zu thun. 



») cL Welck. p. 172, Anm, 239. 



Sl 

Es heisst dort: ^O^rjQldag eXeyov zo /ah cIqxcuov tovg and %od 'Ofir^()ov ykvovg^ dt xai rrjv noltjaiv 
cnkov ix diaäoxfJQ fjdov /utcc de tavra xai oi ^axpifdol^ ovxitL to yivog eig 'ÖiutjQOv ovdyovteg* 
img>av€ig äk eyhovro oi tzsqI KlvaiS'ovj ovg q>aai nolkd tdiv inwv TtoiTJaavrag ifißakeiv elg trjif 
*0fir^Q0v noiTjaiv* ^r dk 6 Klvac&og Xlog, og xai tc3v i7itYqaq>o(,dv(ov y)/if]QOv Ttoitj/tccTOJv zov elg 
^AnoXlcova yeyQa/ifakvov Hyarai Ttenoitjxevar ovtog ovv 6 Klvaid'og jVQdkog iv 
SvQccxovaaig mfaqx^drjae zä ^OfifjQOv i'^ct] xazä zry i^axoQzry evvoT7]v olvfimada, wg ^InnoazQOzog 
g>i]aiv. Indessen Zeugniss gegen Zeugniss gehalten, dürfte schon an und für sich die Meldung des 
Scholiasten der des Thucydides gegenüber kaum in Betracht kommen, ja es muss mit allen Forschern 
geradezu für unmöglich erklärt werden, dass, wenn die Zeitangabe des Hippostratos (Olymp. 69) 
richtig ist, Thucydides, der sich kekanntlich überall als den kundigsten Forscher und Kenner alter 
Zeiten und Verhältnisse zu erkennen giebt (cf. I, c. ^0 sqq.), den Verfasser eines 40 Jahre vor ihm ent- 
standenen Werkes nicht nur nicht gekannt, sondern, was noch schlimmer wäre, das Werk selbst dem 
alten Homer zugeschrieben haben sollte. Im Gegentheil, wenn er letzteres dennoch thut, so beweist 
diess augenscheinlich, dass er nur den alten Hymnus, welcher nach dem Urtheile auch seiner 
Zeitgenossen unbedingt dem Homer angehörte, weil er doch nicht etwas behaupten konnte, was 
der Ueberzeugung jener schnurstracks entgegen lief, vor sich gehabt hat, neben dem noch ein 
anderer existirte, von welchem jedoch irgend welche Notiz zu nehmen ör nicht den geringsten 
Grund hatte; und dieser letztere kann sehr wohl um die 69. Olympiade von Kinaethos dem Chier 
gedichtet worden sein. Diess wird sogar fast zur Gewissheit erhoben, wenn wir die bereits von 
G. Hermann in seinem Briefe an Ilgen (cf. Hymn. Hom. p. XX sqq.) niedergelegten Erörterimgen 
in Betracht ziehen. Jener hat mit Ueberzeugung dargethan, dass der Hymnus an ApoUon, wie wir 
ihn heute in Händen haben, aus zwei ganz verschiedenen Theilen bestehe und somit auch zwei 
verschiedene Verfasser habe; er weist femer nach p. XXHI sqq., aus welchen einzelnen Bestand- 
theilen der alte Hymnus an den Delischen ApoUon zusammengesetzt gewesen, und was demnach 
durch einen späteren Dichter diu:ch Umdichtung oder Interpolation hinzugekommen sei. Hienach 
kann es nicht zweifelhafb sein, dass jener spätere kein anderer, als der vom Scholiasten Pindars 
genannte Kinaethos ist, welcher die Umdichtung des alten Homerischen Hymnus vorgenommen und 
unter seinem Namen rhapsodirt hat. Diesen letzteren kannte und meinte der Scholiast, während 
Thucydides von ihm gar keine Notiz genommen und nur den ursprüngUchen Hymnus im Auge ge- 
habt hat. Hiemit fällt aber die Vermuthung Welckers, der um der bedenklichen Zeitbestimmung 
wegen die Zahlen e^axoazrjv ivvaztjv in sxzfjv rj zijv iwazfjv (cf, Ep. Cycl. p. 243) verwandeln will, 
in sich zusammen, und auch die Angabe des Hippostratos hat nichts AufiTäUiges mehr; er sagt aus- 
drücklich za *0/i7]Q0v enTj. Wenn also die Aufzeichnung der Homerischen Gesänge durch die Pisi- 
stratiden in die Zeit 540 — 530 a. C. gehört, so steht der Annahme nichts entgegen, dass, mochte 
man in Syracus mit einzelnen Partien schon seit einem Jahrhunderte und länger bekannt sein, 
dennoch die Iliade und die Odyssee als Ganze erst um die 69. Olymp, (ungefähr um 500 a. C.) 
dahin gelangt sind und zwar durch Kinaethos, der beide Epen zuerst dort rhapsodirte und so 
in ihrem ganzen Zusammenhang zur allgemeinen Kenntniss brachte. Aus dem Gesagten aber geht 
so viel hervor, dass die Nennung des Kinaethos der Auctorität des Thucydides nicht den geringsten 
Abbruch thut, und dass dessen Angabe, der blinde Mann von Ghios und Homer seien ein 
und dieselbe Person, unbedingt Glauben verdient. 

Die Feststellung dieses Resultats führt mit innerer Nothwendigkeit zu einer weiteren Unter- 
suchung. Der blinde Mann von Ghios spricht a. a. 0. es aus, er wolle den Ruhm der Delischen 
Jungfrauen verbreiten, so weit er über den Erdkreis zu den schön gelegenen Städten der Menschen 
kommen werde. Aber wie sollte der Blinde dahin gelangen? Wir finden bei den Alten eine Zahl von 
Stellen, in denen Homer in Verbindung mit einem Manne erwähnt wird, welcher der neuem Forschung 




Veranlassung zu ganz besonderen Folgerungen gegeben hat; wir meinen Kreophylos von Samos. 
Von ihm und seinen Nachkommen ist besonders die Bede, wenn es sich um die Verpflanzung der 
Homerischen Gedichte durch Lycurg von Jonien nach Sparta imd Griechenland überhaupt handelt 
(cf. Flut Lyc. c. 4.); und da diese nach Heraolides Ponticus neqi noliTeiciv namentlich yon Samos 
aus vor sich gegangen sei, so hat man neuerdings neben den Homeriden auf Chios auch eine eigne 
Rhapsodenschule auf Samos angenommen (cf. Düntzer Ep. CycL p. 30 sqq.). Wir werden späterhin 
umständlicher hierauf zurückkommen; zunächst handelt es sich darum, uns mit der Person des 
Kreophylos näher bekannt zu machen. Die wichtigste Nachricht über ihn finden wir bei Plato; sie 
bedarf umsomehr einer sorgfältigen Prüfung, je näher das Zeitalter des Philosophen an die Zeit 
hinanrückt, von welcher hier zu reden ist. Plato, geb. 430 und gest 347 a. C, überragt die An- 
gaben der späteren Scholiasten, aus deren Aussagen so Vieles gefolgert wird, um mehrere Jahr- 
hunderte und konnte vermöge seiner genauen Kenntniss des Homer, welche aus allen seinen 
Schriften ersichtlich ist, die auf den Dichter bezüglichen Mittheilungen viel besser wissen, als die 
späteren Scribenten, von denen gewöhnlich der Eine auf den Schultern des Andern steht. Er ge- 
denkt des Kreophylos in Verbindung mit Homer de Rep. X, p. 600 (nach der Uebersetzung von 
Hieron. MiQler Vol. V, p. 631) also: Denn Kreophylos, lieber Socrates, der Freund des 
Homeros, dürfte, was seine Ausbildung betrifft, noch lächerlicher als sein Name 
erscheinen, wenn, was von Homeros erzählt wird, wahr ist. Man erzählt nämlich, 
dass eben zu Jenes Lebzeiten der Dichter, so lange Jener lebte, sehr wenig be- 
achtet wurde. Die Bemerkimg legt Plato dem Glaucon, einem der Redenden, in den Mund, um 
zu beweisen, dass die Geringschätzung, welche bei Lebzeiten des Kreophylos dem Homer von seinen 
Zeitgenossen allgemein zu Theil wiirde, zu dem allerungünstigsteu Urtheile über die Einwirkung 
des Dichters auf die geistige Ausbildung des Kreophylos berechtige. Denn Socrates, welcher dem 
Glaucon antwortet, fugt hinzu: Glaubst du aber, Freund Glaucon, dass, wenn Homeros, 
indem er hier nicht bloss nachzubilden, sondern auch Einsicht zu erlangen wusste, 
wirklich die Menschen zu bilden und besser zu machen im Sta^nde war, nicht viele 
Freunde sich erworben hätte und von diesen geehrt und geliebt worden wäre? Pro- 
tagoras wenigstens, der Abderit, und der Keer Prodikos, so wie sehr viele andere 
Sophisten, verstehen es, ihren Zeitgenossen in besonderem Verkehr einzureden, 
dieselben seien, wollten nicht sie ihre Bildung leiten, weder dem eigenen Haus- 
wesen noch dem Staate vorzustehen im Stande, und erwerben sich durch diese Weis- 
heit so grosse Liebe, dass ihre Freunde sie schier ,auf den Händen tragen; den 
Homeros aber, war er vermögend, den Menschen zur Tugend behülflich zu sein, 
hätten, so wie den Hesiodos, seine Zeitgenossen als Bänkelsänger umherziehen 
lassen, und nicht vielmehr sie fester gehalten als Gold, und bei ihnen daheim zu 
bleiben sie genöthigt? oder hätten sie nicht', vermochten sie nicht dazu sie zu be- 
reden, wie die Knabenaufseher sie allerwärtshin so lange, bis sie der Bildung zur Ge- 
nüge theilhaftig wurden, begleitet? Hieraus geht unwiderleglich hervor, dass Plato, der 
niemals an der Existenz weder des historischen Homer noch des Kreophylos Zweifel gehegt hat^ 
allhier die engste langdauemde Verbindung zwischen Beiden im Auge hat, die aber nicht dahin 
geführt habe, dass der Eine, Homer, irgend welchen Einfluss auf die geistige Ausbildung des Andern 
gewonnen; vielmehr erscheine des Kreophylos Ausbildung beinahe noch lächerlicher, als sein Name. 
Die letzte Aeusserung beweist» dass Plato in dem Namen Kreophylos nur einen Spitznamen gesehen 
und für Kreophilos genommen hat, wofür sich die vulgäre Schreibung, welche auch wir der Con- 
formität wegen beibehalten, nur irrthümlich eingebürgert hat; cf. Welck. Ep. CycL p. 219, Anm. 335. 
Plato also nennt ihn Bratenfreund (WelcL) oder Fleischlieb (Hieron. Müller) und giebt 




dadurch deutlich zu erkennen« dass, während der Dichter als Bänkelsänger umherzog und seine 
Lieder sang, der mit ihm in enger Verbindung stehende Bratenlieb sich an leiblichen Genüssen 
ergötzte, die zunächst wohl nur für den Sänger als Lohn bestimmt waren. Nimmt man hinzu, was 
Welcker genügend nachgewiesen, dass Beide an den yerschiedensten Orten Griechenlands stets zu- 
sammen erwähnt werden z. B. auf Chios (cf. Strab. XIV, p. 172 Tauchn.), auf der kleinen Ldsel 
Jos (Welck. p. 225 sqq.), ja sogar in Arcadien (Tzetz. Ghiliad. XIII, 638), endlich dass, und diess ist die 
Hauptsache, die Verbindung Beider bei Plato als eine den redenden Personen allgemein bekannte be- 
handelt wird, so kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass hiemit ein fiir den blinden 
Sänger absolut nothwendiges Verhältniss bezeichnet wird, demzufolge jener Bratenlieb niemand 
anders war, als der Führer des hülflosen und in jeder Beziehung abhängigen blinden 
Mannes von Ghios, des Homer. Wenn demnach der Dichter wie ein unmündiges Eand der 
Obhut des Kreophylos gänzlich anheim gegeben war, so darf man sich nicht wundem, dass Spätere 
diesen sogar zum Lehrer des Homer und selbst zum Dichter (z. B. der Einnahme von Oechalia 
cf. Strab. 1. 1. Welck. p. 224 sqq.) gemacht haben. Ebensowenig aber kann es befremden, wenn 
die Gesänge Homers auf den Kreophylos und dessen Nachkommen übergegangen und von diesen 
fortgepflanzt worden sind, worüber später mehr; nur das Eine möge hetvorgehoben werden, dass die 
neben den Homeriden auf Ghios angenommene Rhapsodenschule der Ereophylier auf Samos (cf. 
Welck. L 1.) eitel Täuschung ist. 

Das aufgefundene Verhältniss des Dichters zu Kreophylos setzt uns endlich in den Stand, 
auch über den Namen Homer's weitere Aufschlüsse zu erlangen. Zunächst muss so viel feststehen 
und wird auch allgemein zugegeben, dass, wie Kreophylos nur ein Spitzname war, den die Zu- 
hörer bei dem öffentlichen Auftreten des Sängers dem sich gütUch thuenden Führer desselben ge* 
geben hatten im Gegensatz zu jenem, welcher mit Allem, was der Bratenlieb ihm zukommen Uess, 
zufrieden sein musste, so auch Homeros nicht der Eigenname des blinden Mannes, sondern 
in Folge eines im Alterthum allgemein verbreiteten Gebrauchs nur eine Bezeichnimg gewesen sein 
kann, die, einer Eigenthümlichkeit desselben entnommen, ihn für seine Zeit und Umgebung aus- 
reichend kenntlich machte. Nach der von Dav. Dgen (cf. Hom. Hymn. p. X. Welck. p. 128, 
Anm. 146) zuerst aufgestellten und nachher fast allgemein angenommenen Ableitung ist der Name von 
o^ov oder Ofiog und Sqü) gebildet; sie ist richtig und lässt sich nichts dagegen einwenden. Wohl aber 
ist Vieles oder Alles gegen die Behauptung geltend zu machen, dass der Name den Zusammenfüger 
bedeute, wie Welck. p. 125 will, und wie andere nach ihm ohne Widerrede gebilligt haben. Zwar 
ist nicht zu läugnen, dass diese Deutung, auf die Iliade angewandt, insoweit etwas Verlockendes 
und Verführerisches hat^ als hier eine Menge von Personen und Begebenheiten wirklich zu einem 
einheitlichen Ganzen zusammengefügt werden; indessen wäre dem so, so Hesse sich in der That 
nicht absehen, warum überhaupt nicht jeder, der lose sich berührende Ereignisse zu einem Granzen 
zusammenfügt, ebenfalls ein OfiijQog genannt worden wäre; und doch kennt die ganze Graedtät 
eine solche Bedeutung nicht Es steht im Gegentheil fest, dass ofiTjQog niemals imactiven, sondern 
stets nur im passiven Sinne (festzusammengefügt) gebraucht worden ist. So wurde z. B. die 
Gattin, die mit ihrem Ehemanne zu einer Einheit fest verbunden war, i; Ofifjqog genannt (cf. Pass. 
Lex. s. V.), und ebenso war der eQirjQog nicht der festverbindende, sondern der festver- 
bundene, der treue traute Freund und Genosse. Dasselbe wird bewiesen durch die scheinbar fem- 
liegende Bedeutung des Wortes Ofif]Qog, Geissei, die sich von der obigen durch Nichts imter- 
scheidet, sondern sie vielmehr bestätigt Denn diejenigen, welche von dem einen Staate dem andern 
als Geissein übergeben werden, binden nicht diesen an jenen, sondern sie selbst werden diesem so 
unbedingt überantwortet, werden mit ihm so eng verbunden und verknüpft, dass derselbe vorkom- 
menden Falles das unbeschränkteste Recht hat, über sie nach freiem Ermessen zu verfügen. Ferner 

5 




fekleutet^ was von entscheidender Wichtigkeit ist, das von ojh^qos abgeleitete ofitjQiw (= c^jj^croi) nicht 
etwa verbinden, sondern mit jemand verbunden werden» mit ihm zusammentreffen; 
cf. Odyss. XVI, 468: "^Sifjo^fjOB de fioi na^ haiQO)v ayyelog toxig^ MfjQv^j cg d^ ngakog mog a^ 
fifjTQl nm^. Letzteres hat auch Welcker (p. 129) sehr gut gesehen; allein er hat sich nicht ent- 
Bchliessen können, diese Spur, weiter zu verfolgen, sondern seinem Zusammenfüger zu Liebe alle 
möglichen Stellen p. 128 beigebracht, die geradezu Nichts beweisen. £ndlich wird die passive 
Bedeutung von 6fiijqi(a durch die alten Grammatiker ausdrücklich bestätigt; cf. Welck. p. 129, 
Anm. 147: Hesych. ofifjqelvj ofiov fjg^oa&ai. Ebenso Phot Lex, Femer Etym. M. s. v. o^r^qoq: 
ij ano Tov afia uqrjqivai* 'Qg olvog oivijgcg ovrcDg o^tog Ofiijqog. Elg tö wfn^fevaev. 
*Halo6og' qxovfj ofifigeiovaaij tomeauv Oftav aiqoiaai. Der richtige Zusammenhang, wie er aus 
dem Obigen bereits unzweideutig hervorgeht, ist auch Ephoros nicht entgangen, wennschon dieser, 
&lls wir Welcker p. 130 richtig verstehen, darin irrt, dass bei den Kymaeem und Joniem die 
Blinden mit o/4fjQOi bezeichnet worden seien, weil sie der Führer, rwv 6fjit]Qev6v%iav^ be- 
dürften, eine Behauptung die Welcker zu einem scharfen Ausüall veranlasst hat. Jedenfalls ist 
des Ephoros Angabe erstens in so fern falsch, als nicht die Führer an die Blinden, sondern um- 
gekehrt diese an jene gleichsam gefesselt sind, und also nicht fuglich jene den Blinden nach sich 
den Namen geben konnten, weil sonst jeder Kranke, der gefuhrt wurde, auch ein o^rjqog geheissen 
haben würde; und zweitens, weil, wie gezeigt ist, die o^tjQevovteg (= ofOjQovvreg) nicht als die 
Führer zu nehmen sind. Die Wahrheit ist, dass die hülflosen Blinden ihren Führern unbedingt 
zugesellt, mit ihnen festzusammengefügt, OfifjQoi sind, woraus hervorgeht^ dass da^ Wort 
zwar an und für sich niemals gleichbedeutend mit Tvg>l6g gewesen ist, dennoch aber, weil alle 
Blinden sich in derselben traurigen Lage befanden, an einen Führer gekettet zu sein, diese 
Bedeutung im Volksmunde angenommen hat, indem eben Alle, die als Ofifjgoi zum Vorschein 
kamen, in der Regel Blinde waren. Daher erklärt Hesychius ganz mit Recht ofirjQog als rviplig 
(s. V. o^i)^ und eben daher hat die wunderliche Erklärung des Namens Homer im Etym. M. ihren 
Ursprung genommen: 'ÖfiijQogj naqa to 6q(S xal to firj änncyOQevtixov , fit;oQog, Endlich hätte 
Lykophron (Cass. v. 422) ofifjQog niemals geradezu für Tvg)k6g gebrauchen können, wenn ihm diese 
Bedeutung nicht völlig gäng und gäbe gewesen wäre; die zur Abschwächung seines Zeugnisses von 
Welcker p. 131, Anm. 151 vorgebrachten Gründe sind völlig unhaltbar. Hiemit legt sich Alles 
zurecht; die bestimmten Ueberlieferungen des Alterthums kommen sammt und sonders zur Geltung, 
zum Beweise dass auch die umfassendste Gelehrsamkeit sich nicht überheben, sondern vielmehr 
sich scheuen soll, positiv überlieferte Thatsachen, wofern sie an sich nicht widersinnig sind, schlecht- 
hin zu verwerfen und das eigene Dafürhalten an deren Stelle zu setzen. 

Doch wird man fragen, wie es gekommen, dass die allgemeine Beibenennung der Blindeu 
zum Eigennamen wurde? An und für sich hat man kein Recht zu solcher Frage; es ist Sitte 
und Gewohnheit aller Völker, Adjectiva zu Eigennamen zu erheben, ohne einen ausreichenden 
Grund dazu anzugeben; dieser ist in der Regel in Zufälligkeiten zu suchen, die dann vergessen 
worden sind; so etf^evrjg und Evf^enjg, probus und Probus, schön und Schön. Indessen im 
vorliegenden Falle ist die Frage nicht allein berechtigt, sondern zugleich von solcher Wichtigkeit, 
dass sie allein zur richtigen Einsicht und zur endlichen Wahrheit führt. Es hat, wie zu allen 
Zeiten, so auch im Zeitalter des Homer Hunderte von Blinden gegeben und unter ihnen gewiss 
viele Aoeden, die durch den Vortrag eingelernter Lieder ihr Brod suchten und fanden; aber keiner 
ton ihnen wird über das Weichbild des Ortes, wo er wohnte, jemals weit hinausgekommen sein; sie 
hiessen tvfplol ävdQ€g. Allein von Einem wissen wir und zwar aus dessen eignem Munde, dass 
er, in Dolos singend, in Chios wohnt, dass er über den Erdkreis hin zu den schön gelegenen 
Städten der Menschen wandert, dass endlich seine Gesänge vor allen übrigen stets den Preis davon 



— tu 

tarageu. Aber er wanderte nicht allein, was eben unmöglich wät. An der Hand des Kreophyloer' 
zog der blinde Mann von Chios von Insel zu Insel, von Stadt zu Stadt^ von Land zu Land und 
trat, gewiss nicht ohne Berechnung des schlauen Führers, überall nur an grösseren Festen auf. 
Doch wenn er hier oder dort zum ersten Male erschien, wer kannte ihn, den wunderbaren Sänger, 
der durch den Inhalt seiner Lieder die Augen Aller auf sich zog? wer wusste seinen Namen? wer, 
dass er aus Chios stammte? Doch diess war der horchenden Menge gewiss sehr gleichgültig; aber 
sie staunte ihn an, sie nannte ihn nicht einfech den Blinden, wie sie solche tagtäglich vor sich 
zu sehen gewohnt war; sie wies vielmehr auf ihn hin als den SiatjQog dessen, welcher fiir ihn die Gaben 
der Umstehenden in Empfang nahm, und welchem er behufe der Befriedigung aller Bedürfnisse des 
Lebens völlig anheim gegeben war. Und so nannte man ihn, der durch seine umgedichteten Lieder 
von Troia alle Sänger neben sich überragte, überall wo er zum zweiten und zum dritten Male sich 
zeigte, und so wurde der Sänger der Ilias und Odyssee zum ^O^t^^o^ xon ^oxrjv. Und 
mit Recht; der blinde Mann von Chios war eine eminente poetische Natur, eine jener bahnbrechen- 
den Erscheinungen, vne sie nur in langen Zeiträumen aidzutauchen pflegen. Seit Jahrhunderten 
werden vor ihm die Sagen von Ilion und von den Heimfahrten der Griechen gesagt und gesungen 
worden sein, aber ihren Homer hatten sie noch nicht geftmden. Da war es jener Dichtergenius 
ohne Gleichen, der mit seinem geistigen Auge die Fülle jener Sagen überschauete, sie in sich sam- 
melte, sie benutzte und umdichtete und ihnen die einheitliche Form gab, in der sie noch heut uns 
vorliegen. % 

Aber wird im Laufe der Zeit die Frage niemals aufgeworfen worden sein, woher der 
^'Ofif^qog stammte und wer sein Erzeuger war? Wusste auch niemand hierauf eine befriedigende 
Antwort zu geben, so wusste man doch das Eine, dass er der Sohn des tönenden Gesanges, 
dass er der MeXeaiyBviig^) sei; ihn konnte nur ein Gott, nur ein Daemon^) erzeugt haben und — 
hiemit begann die bekannte Art der Sagenbildung 'aus dem Namen. Auch Smyma, was den Dichter 



^) Von |i£Xo; und y^io;, wie |xcXcff(TCTepo; von |ji. und ictepov. Die heutige Schreibtmg MeXt^ffiyc^t^c enteprang 
ans der Nothwendigkeit, die Form im Heicameter gebrauchen zu können, und eie erleichterte die spätere Sagenbildong. 

*) Die Angabe, dass der Flussgott Meles der Vater des Dichters sei, findet sich bei vielen alten Schziftstellem ; 
cf. Pape Lex. s v. M^Xt^;. Irren wir nicht, so enthalten auch die Verse des Asios von Samos (cf. Athen, HI, p. 125, 
d. cf. Welck. p. 144) eine auf den besondem Hergang bezügliche Andeutung. Sie lauten: 

XcoXo'c) aTtYiiaxCtjc, TCoXuY^nPttoCi T^o? aXtjTt) 
HX^e^^ xviffoxo'Xa^, eure M^i)c t^i^tK^ 

'*Hp(i>c ctonn^cci ßoppo'pou ^SavadJc- 

Dass der Yjpbic der Flussgott sei, hat Welcker richtig gesehen; allein wenn er den xvcffoxoXa^ zum Eigennamen 
macht und ihn in Verbindung setzt mit dem Samischen Dichter Kreophylos (siehe oben), so läset sich, ganz davon 
abgesehen, dass diese Annahme von unserer Auffassung des Kreophylos völlig abweicht, nicht wohl begreifen, in welchem 
Verbältniss Beide, Knisokolax und Kreophylos, zu einander gedacht werden sollen. Es will uns bedanken, dass nur die ver- 
wandte Bedeutung der Wörter Welcker zu seiner Vermuthung veranlasst hat. Allein offenbar ist xviaoxoXag kein Eigen- 
Barne, sondern steht mit XoXo'c etc. auf gleicher Linie, und der geschilderte Alte und der Heros sind dieselbe Person. Hier 
also waltete der bei allen Völkern zu allen Zeiten vorhandene Glaube ob, dass die Gtötter, wenn sie dem Menschen erscheineD» 
in der Gestalt alter Männer und Frauen aufeutreten pflegen. Sehr lebendig war derselbe bei den Griechen, und schon 
Homer legt vielfach Zeugniss davon ab, z. B. wenn er die Aphrodite (Iliad. HI, 386 sqq.) in der (Gestalt einer alten Woll- 
spinnerin zur Helena treten läset, um diese zu mahnen, nach Hause zu kommen. Dieselbe Vorstellung scheint in den obigen 
Versen enthalten zu sein. Der sterbliche Vater des Melesigenes, also Meles hält Hochzeit; da erscheint ein alter grämlicher 
Schmarotzer, wie sie bei Festgelagen sich einzustellen pflegen, aber in der Mitte (der Hochzeitgäste) steht er plötzlich da als 
der aus dem Stromschlamm entstiegene Flussgott und zwar in der äussern Gestalt des Meles; und was weiter erfolgt ist, wird 
von der Sage, die den Zeus der Alcmene in der Gestalt des Amphitryon erscheinen lässt, schwerlich verschieden gewesen sein. 

6* 



Torzugsweise den seinigen nannte, wird ihn oft gesehen und gehört haben, und hier wird es ge- 
schehen sein, dass der in dem vorüberrauschenden Flusse Meles wohnende Stromgott zu seinem 
Erzeuger gemacht wurde. 

Wir wissen sehr wohl, dass mit diesen Resultaten diejenigen Kenner der Homerischen Ge- 
dichte nicht einyerstanden sein werden, die der Verflüchtigungstheorie des Dichters huldigen. Allein 
wir halten es für an der Zeit, den realen Boden wiederzugewinnen und aus dem Reich der Hypo- 
thesen, mit Hülfe deren eine ungewöhnliche (jelehrsamkeit die Homerische Frage mehr verdunkelt 
als aufgehellt hat^ zu den fest ausgeprägten Ueberlieferungen des Alterthums zurückzukehren. Sie 
enthalten nichts Ungewöhnliches, nichts Unnatürliches. Und wenn es eine ewige Wahrheit ist^ dass 
die Entwickelung des Menschengeschlechts nach imabänderlichen Naturgesetzen sich gestaltet» so 
sind wir berechtigt aus der Gegenwart auf alte Verhältnisse fest und sicher zurückzuschliessen; 
die Gegenwart giebt den Schlüssel zur Vergangenheit. 



Schulnachrichten 

von Ostern 1871 bis dahin 1872. 



K^^^\^*j^^y /^ y\ 



JJie nachstehenden Schuhiachrichten, welche bestimmt sind nicht allein Zeugniss abzulegen 
über den gegenwärtigen Zustand der Anstalt^ sondern auch die weitere Entwickelung anzudeuten, 
deren sie noch immer bedürftig ist, sind kürzer abgefasst worden, als nach den augenbUcklich ob- 
waltenden Verhältnissen erwartet werden durfte, nicht weil es an Stoff dazu gefehlt hätte, sondern 
weil, soweit mv unterrichtet sind, manches darauf Bezügliche zur Zeit noch im Werden begriffen 
ist, dem vorzugreifen für unzweckmässig erachtet werden musste. Denn für Alle, denen die Aus- 
bildung ihrer Kinder am Herzen liegt, ist es kein Geheimniss, dass sämmtliche Unterrichts-Anstalten 
hiesiger Stadt von den ersten Elementarschulen aufwärts bis zum Gymnasium Fridericianum an 
einer ungewöhnlichen Ueberfüllung leiden und ausserdem mit einem weiteren Andrang zu kämpfen 
haben, welcher die MögUchkeit den Wünschen Aller sofort nachzukommen, geradezu ausschUesst. 
Zwar ist, was das Gymnasium anbetrifft, die Meinung vorherrschend, dass mit der Herstellimg eines 
neuen Gymnasial-Gebäudes die alte Noth beseitigt sein müsse; allein daran denken die wenigsten, 
dass mit der Vermehrung der Classenräume nicht auch zugleich eine Vermehrung der Classen 
selbst gegeben ist, und dass dazu noch andere Mittel erforderlich sind, als die augenblicklich zu 
Gebote stehenden. Ebensowenig ist die Forderung gerechtfertigt, dajss, wenn es bei der Ueberfüllung 
an Classen fehle, es Sache des Ref. sei, dafür Sorge zu tragen, dass neue Classen eingerichtet wer- 
den, da diess gänzlich ausser dem Bereich sowohl der Befugnisse als auch der Verpflichtungen des- 
selben liegt. Er hat vielmehr nur die eine Pflicht anzuerkennen, darauf zu halten, dass unsere 
Sexta, die eigentliche Sammelclasse, in welcher der Grund zu einem gedeihlichen Fort- 
schreiten durch die nächstfolgenden Classen fest und sicher gelegt werden muss, nicht über die 
Normalzahl von 40 bis 45 Köpfen anschwelle, da bei einer grossem Zahl die Anstalt keinerlei 
Garantie für eine gründliche Vorbereitung zu einer glückUchen Absolvirung der nächsthöheren 
Classen übernehmen kann. Ref. hat in dieser Beziehung eine schwere Verantwortlichkeit zu tragen 
und er kann und wird daher nicht zugeben, dass durch eine übermässige Frequenz der Sexta das 
Gedeihen der ganzen Anstalt gefährdet und in Frage gestellt werde. Wenn demnach bei den Auf- 
nahfide-Prüfungen der Fall eintreten kann, dass sämmtliche angemeldete Knaben zwar für reif zur 
AufiGiahme befunden werden, dennoch aber, weil obige Zahl nicht überschritten werden darf, nicht 
sofort Alle aufgenommen werden können, so ist es eben nicht Sache des Ref. den dadurch hervor- 
gerufenen Uebelstand zu beseitigen, und es würde in solchem Falle als nicht gerechtfertigt er- 



- 88 

scheinen, wenn, was freilich schon jetzt bei dem blossen Andränge vielseitig geschieht» ihm ohne 
Weiteres die Errichtung einer parallelen Sexta angesonnen würde. Classen der Art haben in 
einem Gymnasium überall ihr Bedenkliches; sollte es aber dahin kommen, dass schon jene Sammel- 
classe in zwei Coetus zerlegt werden müsste, so würde sich bei weiterem Vorrücken der Knaben 
nach oben hin das Uebel der Ueberfullung bis zum Unerträglichen steigern und es wäre sicherlich 
viel zweckmässiger, statt zweier so zu sagen paralleler Gymnasien in einem Gebäude so- 
fort ein gesondertes zweites Gymnasium in hiesiger Stadt einzurichten. Auch ist der Ansicht der- 
jenigen Aeltern, weltjhe den Grund, wesshalb sie bei der sofortigen Aufnahme ihrer Söhne Schwierig- 
keiten finden, darin erblicken, weil die Sexta durch auswärtige Knaben überfüllt werde, mit Be-' 
stimmtheit entgegen zu treten. Die in der Sexta zu Anfang eines jeden Semesters sich ansammeln- 
den Knaben geben den Beweis, dass, wenn auch nicht principiell, doch thatsächUch jene Classe 
nur durch einheimische, d. h. entweder in Schwerin geborene Knaben, oder deren Aeltern 
gegenwärtig in hiesiger Stadt wohnhaft sind, gefüllt wird, nicht aber durch auswärtige, da 
auswärts wohnende Aeltern nur in den allerseltensten Fällen und fast immer nur bei offenbaren, 
durch die schwierige Beschaffung der erforderlichen Lehrer herbeigeführten Nothständen sich cnt- 
schUessen, ihre Kinder in dem zarten Alter von 9 Jahren bereits von Hause zu geben. Vielmehr 
treten die auswärtigen Knaben fast regelmässig in eine der mittleren Classen ein, von der Tertia 
abwärts bis zur Quinta, und haben bei dieser Vereinzelung bis dahin noch Alle, ohne einem einzigen 
hiesigen Knaben den Platz vorweg zu nehmen, untergebracht werden können. Es ist somit eine 
ganz ungerechtfertigte Annahme, welcher viele der betreffenden Aeltern, sobald sich der geforderten 
Aufnahme ihrer Kinder Bedingungen und Bedenken entgegenstellen, dem Ref. gegenüber unverholen 
Ausdruck geben, dass durch die vielen auswärtigen Schüler die Aufnahme der hiesigen 
erschwert und beeinträchtigt werde, und sieht Ref. sich veranlasst, gegen derartige Be- 
hauptungen hiedurch öffentlich Protest einzulegen. Nur in zwei Fällen, einmal zu Michaehs a. p. 
und das zweite Mal zu Ostern a. p. sind auswärtige Knaben in die Sexta gesetzt worden und zwar 
nur desshalb, weil sie, bereits allhier in Pension gegeben, welche nicht augenblicklich wieder gelöst 
werden konnte, für die Quinta, für die sie angemeldet worden waren, nicht reif befunden wurden. 
Ref. schreibt diess in dem beruhigenden Bewusstsein, die Receptionen stets auf das Gewissenhafteste 
vorzunehmen, und ist aus Gründen der Billigkeit bemühet, den Forderungen der hiesigen Aeltern nach 
Möglichkeit gerecht zu werden. Noch niemals hat er einem Bewohner hiesiger Stadt die Annahme einer 
Anmeldung für die Sexta versagt, sondern, wenn bei der Ueberfullung dem nächsten Termin Schwierig- 
keiten entgegenstanden, dieselbe auf den nächstfolgenden verschoben. Er hat damit bei billig 
denkenden Aeltern stets ein williges Gehör gefunden, nicht aber bei denen, welche in dem Aufechub der 
Aufnahme bis zum 9Vtten Lebensjahr bereits eine Gefährdung der Entwickelung ihrer Kinder zu sehen 
vermeinten. Er kann jedoch hierin nicht nur keinerlei Gefahr, sondern sogar nur einen Vortheil 
für die Jugend erblicken; und wenn er es nochmals rückhaltslos betont, dass er auch auf das Ge- 
deihen der Anstalt gebieterische Rücksichten zu nehmen verpflichtet ist, für welches er die volle 
VerantwortUchkeit zu tragen hat, so wird er stets darauf halten, dass die Knaben mit der vollen 
Reife in das Gymnasium eintreten, weil sie sonst den Gymnasial-Unterricht zu ertragen völlig 
ausser Stande sind. Wie nun aber der fortwährend im Zunehmen begriffenen Frequenz der Anstalt 
Einhalt zu thun sein möchte, darüber enthält sich Ref. jeder weiteren Bemerkung und zwar umso- 
mehr, je genauer er davon unterrichtet ist^ dass die Hohe Behörde, welche unserer Anstalt schon 
80 viele redende Beweise der treuesten Fürsorge gegeben, auch die Beseitigung dieses üebelstandes 
bereits fest ins Auge gefiasst hat. Nur Eins kann er sich nicht versagen, noch ausdrückUch hervor- 
zuheben, was mit den obigen Bemerkungen hinsichtUch der Au&ahme in Verbindung steht. Er 
pflegt in Fällen, wo er die Aufnahme sofort zuzusagen sich ausser Stande sieht, in der Regel die 



Entgegnung zu hören, dajBS der Angemeldete ein Knabe Yon so Torzüglicher Begabung sei, 
dass för Ref. hierin gewissermassen eine moralische Verpflichtung liege, einer derartigen Beanlagung 
sofort die gebührende Rechnung zu tragen. Für solche Gründe hat Ref. stets taube Ohren und 
lehnt sie kurzweg ab; denn noch ist ihm kein Fall vorgekommen, wo bei der Anmeldung gerade 
auf den genannten Punkt nicht das grösste Gewicht gelegt worden wäre, wohl aber unzählige 
Fälle, in denen die einmal in die Anstalt eingetretenen Knaben, denen eine ganz besondere geistige 
Befähigung, nachgerühmt worden war, wo nicht vöUig untauglich für Gymnasial-Unterricht waren, 
doch mindestens zu den schwächsten Köpfen gehörten, und ReC erkannte mit Bedauern, dass ganz 
andere Beweggründe, als die angegebenen, bei dem Wunsche ins Gymnasium zu gelangen, mass- 
gebend gewesen waren, deren Erörterung jedoch hier unterlassen werden mag. 

Bei weitem unangenehmer ist noch eine andere Entgegnung, dahin lautend, dass der Knabe 
in seiner bisherigen Schule nichts mehr lernen könne; er habe seinen Cursus absolvirt, würde 
abo, länger zurückgehalten, nachlässig und träge werden und das Gelernte wieder verlernen. 
Und diese eigenthümUche ganz inhaltslose Anschauung, welche Kern und Wesen des Elementar- 
unterrichts völlig verkennt und den neunjährigen Knaben mit dem bereits geistig entwickelten 
Jüngling auf gleiche Stufe stellt, muss Ref. so oft hören, dass er anfängt müde zu werden, sie stets 
von Neuem umständlich zu widerlegen. Welche Vorbedingungen verlangt denn das Gymnasium zum 
Eintritt in seine unterste Classe? Lesen, Schreiben und Rechnen; dazu die nöthige Kenntniss 
von der Rechtschreibung der in der tägUchen Rede und Schrift vorkommenden Wörter. Wir 
sind überzeugt, dass alle Leser dieser Zeilen ein gerechtes Erstaunen über die Geringfügigkeit dieser 
Forderungen nicht unterdiücken werden. Indessen Eins fugt Ref. hinzu, dass allerdings in den ge- 
nannten Gegenständen ein ganz bestimmter Grad von Fertigkeit gefordert wird, ohne welche 
ein gedeihliches Fortschreiten im Gymnasium geradezu unmöglich ist. Es handelt sich also nicht 
um ein im 9ten Lebensjahre bereits erlangtes Wissen; schon der 7jährige Knabe weiss recht gut, 
wie er die Buchstaben zu schreiben hat, weiss wie er Zahlen zusammenzählen oder von einander 
abziehen soll, weiss endlich, wie die Silben der Wörter hintereinander tiusgesprochen und mit ein- 
ander verbunden werden, und dennoch kann er weder schreiben noch rechnen noch lesen. 
Diess kann nur durch eine anhaltende und sorgfältige Uebung erworben werden und zwar in der 
Schule durch den Lehrer und imter den Augen desselben; die vielen häusUchen Arbeiten sind für 
kleine Kinder ungehörig und unnütz und müssen geradezu als eine Versündigung an dem Kindes- 
alter bezeichnet werden. Ist aber jene Fertigkeit im vollendeten 9ten Lebensjahre noch nicht 
erreicht, so ist der Knabe, mag er auch das ganze deutsche Verb conjugiren, die Modi hersagen, 
alle Partikeln aufzählen, die verschiedenen Satzformen herbeten können, doch nicht befähigt in das 
Gymnasium einzutreten, und eine weitere Uebung ist nöthig. In dieser Fertigkeit liegt der eigent- 
liche Schwerpunkt der Vorbereitung, und alles oben Genannte, was bis dahin nichts weiter ist, als 
das unverstandene Product von Gedächtnissübungen, kommt erst zum wahren Verständniss und wird 
wahres geistiges Eigenthum mit dem Beginn der todten Sprache, mit dem Lateinischen. Hiemit 
aber lässt sich auch erst ein richtiges Urtheil über die geistige Befähigung des Knaben gewinnen; 
mit dem blossen Vorhandensein eines guten Gedächtnisses ist es nicht gethan. Also nicht das zu- 
rückgelegte 9te Lebensjahr ist an und für sich normgebend, noch weniger die Erklärung, dass der 
Knabe seinen Cursus in einer bestimmten Classe absolvirt habe, am allerwenigsten aber dass er 
nichts mehr lernen könne. Denn angenommen, dass ein Knabe in gedachtem Lebensjahre 
wirklich die geforderte Reife besitze, aus äussern Gründen aber eine Aufnahme noch nicht finden 
könne, so wird ihm solches bei gewissenhafter Fortsetzung jener Uebungen niemals zum Nachtheil 
gereichen; im Gegentheil, er wird, wie Ref. aus vielfacher Erfahrung bezeugt, bei wirkhcher Be- 



40 

gabung sich geistig um so schneller und sicherer entwickeln, je gründlicher jene vorbereitenden 
Uebungen gewesen sind. Aus diesem Grunde hat Ref. die frühere Praxis, derzufolge er auf das 
allgemeine Wissen des Knaben das grössere Gewicht legte, unbedingt zurücktreten lassen und for- 
dert jene Fertigkeit, ohne welche ein Fortschreiten in der Sexta, wie noch heute die Erfahrung 
lehrt, geradezu unmöglich ist; denn das Gymnasium hat keine Zeit, sich mit jenen elementaren 
Dingen noch weiter vorzugsweise zu befassen. 

Was die äusseren Verhältnisse der Anstalt anbelangt, so ist darüber nur Weniges zu be- 
richten. Die Turnübungen sind im Sonamer, wie gewöhnlich, auf dem Schelfwerder, im Winter in 
der hiesigen Turnhalle vorgenommen worden. Vei*schiedene dem Ref. zugekommene Anträge, auch 
das Sommertumen in letztere zu verlegen, haben sowohl aus andern Gründen, als auch vorzugs- 
weise weil imsere Turner selbst den schönen Werder nicht aufgeben wollten, unberücksichtigt bleiben 
müssen. Der Schluss des Sommerturnens ist seit einigen Jahren, statt auf den 18. October, auf den 
Mittwoch der letzten Schulwoche des Sommersemesters verlegt worden. Ein passenderer Absdiluss 
würde allerdings der Jahrestag der Kapitulation von Sedan sein. Indessen da dieser zu früh 
in den Monat September fällt, so hat es bei dem Herkommen sein Bewenden behalten müssen; doch 
haben di« Turner das Andenken an diess auaserordentüche Ereignias im vorigen Jahre durch einen 
ausserordentlichen Auszug nach dem Werder erneuert, und wird es auch wohl künftig in ähnlicher 
Weise begangen werden. 

Von Bedeutung war der Beginn des Wintersemesters durch die Theilung einer überfüllten 
Classe und durch die dadurch nothwendig gewordene Berufung eines 16ten Lehrers. Die auf einen 
zweijährigen Cursus berechnete Tertia zählte im Sommer 1871 in zwei Classen 106 Schüler, von 
denen 52 auf die Ober-, 54 auf die Untertertia kamen. Die Versetzung zu Michaelis 1871 erhöhete 
die erstere Zahl nicht unbedeutend, und musste da^er die Obertertia in zwei parallele Goetus zer- 
legt und ein neuer Stundenplan entworfen werden. Letzterer hatte seine Schwierigkeiten, da für 
eine neue volle Classe nur ein neuer Lehrer bestellt worden war, und den übrigen Lehrern nicht 
fuglich noch mehr Stunden auferlegt werden konnten. Denn muss man auch zugeben, dass der 
eine oder der andere von ihnen, was die Zahl der Stunden anbetrifft, noch einige Stunden 
mehr ertheilen konnte, so wurde doch diese Möglichkeit durch die ungewöhnliche Frequenz der 
Classen vöUig Mieder aufgehoben. Die Lehrer haben grösstentheils durch die wöchentUchen Correc- 
turen (einige haben deren 3, andere sogar 4 zu beschaffen) eine so reichliche Arbeitslast zu tragen« 
dass ihnen schon aus diesem Grunde eine Mehrbelastung nicht fuglich zugemuthet werden konnte. 
Dazu kommt, dass bei der gegenwärtigen Vertheuerung aller Lebensbedürfiusse namentlich in hie- 
siger Stadt, welche unbestritten zu den theuersten Aufenthaltsorten zählt, den massig dotirten 
Lehrerstellen unter allen Umständen einige freie Stunden zu Nebenverdiensten gewälurt werden 
müssen, um wenigstens ihrem Bildungsstande gemäss leben zu können. Bef. weiss sehr wohl, dass 
er im Literesse der Anstalt auf letzteres zwar amüich keinerlei Rücksicht nehmen darf; allein er 
weiss auch aus eigner Erfahrung, namentlich da er selbst durch seine amtliche Stellung lediglich 
auf sein Einkommen beschränkt ist, dass wenigstens für die Lehrer eine Berücksichtigung gedachter 
Art durch die Zeitverhältnisse sich so zu sagen zur Nothwendigkeit gestaltet hat. So hat es ge- 
schehen müssen, dass die beiden Coetus der Obertertia in einigen Stunden (Religion und Ge- 
schichte) combinirt worden sind, eine Einrichtung die an einem so grossen und wohlorganisirteu 
Gymnasium, wie das unsrige ist, eigentlich niemals vorkommen sollte. Lidessen wie in allen 
Stücken, so vertrauen wir auch hierin der treuen Fürsorge der Hohen Behörden, welche nöthigen- 
faUs kein Bedenken tragen werden, der Anstalt die erforderlichen Lehrkräfte bereitwiUigst zu ge- 
währen. 



4f 

Die zu Michaelis a. p. vollzogene Theildng der genannten Classe fährte uns in der Person 
des Herrn Dr. Meissner^) einen neuen Lehrer zu, welcher bei Eröffnung des Wintersemesters am 
9. October von dem Ref. ordnungsmässig in sein neues Amt eingeführt wurde; wir haben den 
wackern Mann herzlich unter uns willkommen geheissen und hoffen, dass seine amtliche Thätigkeit 
eine recht gesegnete sein werde. 

Am 20. December a. p. hatte die Anstalt das Glück Seine Königliche Hoheit den 
Allerdurchlauchtigsten Grossherzog zum ersten Male in ihren Mauern zu sehen und ehr- 
furchtsvoll zu begrüssen. Allerhöchstderselbe geruhete unter Führung des Ref. sänmitUche 
Classen zu besuchen und dem Unterricht in verschiedenen Disciplinen länger beizuwohnen und so- 
dann auch die Bibliothek, die Aula und das physicalische Cabinet in Augenschein zu nehmen. 

Am 28. Februar beging die Anstalt die Allerhöchste Geburtstagsfeier durch den üblichen 
Bedeactus, zu welchem folgendes Programm ausgegeben worden war: 

Choral: Ein feste Burg ist unser Gott. Vierstimmig gesetzt von 0. Kade. — Otto Rein- 
hardt: Socratis laudes. — Chor: Geboren ist Emanuel, von Michael Praetorius. — Paul Groth: 
Warum ist die Bedingung der höchsten Blüthe der Dichtkunst nur in einem wahrhaft nationalen 
Volksleben zu finden? — Chor: Gott segne Friedrich Franz! — Motette: Salvum fac regem, 
von M. Hauptmann. — Otto Schwetzky und Gustav Niemann: Scene aus Göthe's Iphigenie 
auf Tauris. (Act H, Scene 1.) — Rudolph Hobein: Das Märchen, von Uhland. — Chor: 
Integer vitae, von Flemming. — Victor von Oertzen und Theodor Bade: Schlussscene aus 
Ludwig von Bayern, von Uhland. — Hermann Wachenhusen: Der Mohrenfiirst,, von FreiUg- 
rath. — Chor: Die Kapelle, von Conradin Kreutzer. — Friedrich Degener: Rede des Antonius 
aus Shakespeare's Julius Caesar. — Carl Behncke: Meister Erwin's Heerschau, von Otto HÖrth. 
— Jan Krieger: König Enzio's Tod, von Zimmermann. — Kleiner Chor: Andenken: die Bäume 
grünen überall! von Mendelssohn-Bartholdy. — Carl Flügge: Hundetreue, von A. v. Chamisso. — 
Ernst Märkcr: Wie schön leuchtet der Morgensteml von Julius Sturm. — Carl Beutin: Der 
Räuber und das Crucifix, von R. Prutz. — Quartett: Mann! Mann! Mann! was hast du in dem 
Köberchen? von Grell. — Paul Pinkus: Des deutschen Knaben Tischgebet, von Carl Gerok. — 
Gustav Pfeiffer: Der Affe und die Katzen, von Nicolai. — Chor: Der Abschied vom Walde, von 
Felix Mendelssohn-Bartholdy. 
Sogleich nach' dieser Feier wurde, um den Unterricht nicht fortwährenden Unterbrechungen auszu- 
setzen, die mündUche Prüfung der zur Universität abgehenden Schüler vorgenommen und 10 Obei^ 
primanem das Zeugniss der Reife zuerkannt, deren Namen unter der Schülerzahl ange- 
geben sind. 

So haben wir denn unter Gottes gnädigem Schutze wiederum ein Schuljahr glüddich zurück- 
gelegty und wenn wir uns auch nicht verhehlen dürfen, dass während desselben hie und da bedenk- 
liche Schwankungen in der geistigen Haltung der einzelnen Classen bemerkUch gewesen sind, so ist 

^) HermaDD Grotthold MeissDer, Sohn des Pastor Meissner in Langen waldon bei Liegnitz, ist geboren den 4. No- 
vember 1844 in Steinseifersdorf bei Beichenbach in Schlesien. Von Michaelis 1858 bis Michaelis 1864 besuchte er die König- 
liche Ritterakademie in Liegnitz und bezog nach bestandenem Abitnrientenexamen Michaelis 1864 die Universität Breelaa, um 
Philologie m. stndiren. Vom 1. April 1865 bis znm 1. April 1866 genügte er seiner Militärpflicht, blieb aber noch während 
des Böhmisch-Oestreichiflchen Krieges als ünterofi&zier, später als Offizier beim stehenden Heer und nahm Theil an der Schlacht 
bei Koniggrätz. Im November 1866 nahm er in Breslau seine Studien wieder auf und erlangte nach bestandenem Examen 
im August 1869 die philosophische Doctorwürde. Im März 1870 absolvirte er die Staatsprüfung, und war von Ostern 1870 
bis Michaelis 1871 am Gymnasium zu St. Maria Magdalena in Breslau thätig, mit Ausschluss von 10 Monaten, während 
welcher er, zu einem schlesischen Landwehr-Begiment einberufen, Theil nahm an den Kämpfen bei Montbeliard und an der 
Behigerung von Belfert. Er ist Inhaber der Kriegsdenkmünze von 1866 und der von 1870. 

6 




es doch den tereinten Bemühungeii sämmtlioher Lehrer stets gelmigen, solche mit Edaoig su- 
winden. Wir hoffen und vertraaen, dass der allgütige Gott auch in dem kommenden Jahre nnsert 
Anstalt in s^e allwaltende Obhut nehmen werde. 



Lehrverfassung. 



lA. Oberprima. 

Ordinarius Director Dr. Büchner. 

1. Lateinisch 9 St Ciceronis Disputt Tusc. lib. L Tadt. Annall. lib. L 3 St. Zweimonat» 
hohe AnMtzOy wöchentliche Exerdtia und Extemporalia. 2 St Controle der PriTatlectiire 
aus Cicero, Tadtus» Livius und Horaz. 1 St. Themata zu lateinisdien Arbdten, welche Ton 
sämmtlichen Schiüem der Classe bearbdtet wurden, sind folgende gestellt worden: 1) Quid 
commoyit Phoebidam, ut clandestino impetu Cadmeam occuparet? 2) Num yerum est, M. 
TuUium Ciceronem sola gloriae cupiditate adductum esse, ut triumphare vellet? 3) Quibus 
rebus Romani interitum urbis suae hello punico secundo avertisse putandi sunt? 4) Quid meruit 
Demosthenes de patria sua? 5) Num excusari possunt Athenienses, quod Socratem cai»tis 
damnaverunt? 6) Clades Chaeroneensis imputari non potuit Demostheni. Director. Horat. 
Satir. lib. I, 1, 3, 4, 6, 9, 10, II, 1, 2, 3, 6, 8. Wiederholende rasche Lectüre der meisten 
Oden des ersten und dritten Buchs und einzelner Episteln. 2 Si Dr. Laiendorf. 

2. Griechisch 6 St. Demosthenes de Corona von § 66 bis zu Ende. 2 St. Controle der 
Prrratlectüre aus Plato, Demosth., Homer, Sophocles. 1 St. Director. Homer. Iliad. lib. 
XVin — XXrV. XI — XIV. 2 st. Correctur der griechischen Exerdtia. Extemporalia mit 
systematischer Berücksichtigung der Grammatik, t St. Dr. Laiendorf. 

3. Deutsch 3 St. Repetition der Literaturgeschichte vom Beginn des siebenjährigen Krieges 
bis zur Sturm- und Drangperiode. — Schiller und Göthe. Vorträge und Declamation. Rück- 
gabe imd Beq)rechung der eingelieferten AuMtze: 1) Wodurch vermittelte sich in Schiller 
der Bruch mit der Sturm- und Drangperiode? 2) Von der Gewalt, die alle Wesen bindet, be- 
freiet der Mensch sich, der sich überwindet. 3) Nur dem Ernst, den keine Mühe bldchet» 
rauscht der Wahrheit tief yersteckter Born (Classenarbeit). 4) Wo liegen die wahren Quellen 
vom Unglück Tassos? 5) Wer etwas Treffliches leisten will, hätt gern etwas Grosses geboren» 
der sammle still und unerschlafft im kleinsten Punkte die grösste Kraft. <i) Die tragischen 
Copflicte im Nibelungenlied. 7) Welchen Einfluss übte die Weltstellung Karls V. auf das 
Werk der Reformation? 8) Ans Vaterland ans theure schliess dich an, das halte fest mit 
deinem ganzen Herzen; hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft (Classenarbeit). 9) Thu, 
was du kannst und lass den Andern, was er kann, zu jedem ganzen Werk gehört ein ganzer 
Mann. 10) Wie malt Homer? Nach Lessing. Oberlehrer Brunz/ow. 

4. Französisch 2 St: Lectüre aus Ideler und Nolte's Lesebuch; daneben la camaraderie par 
Scribe und Thonneur et l'argent par Ponsard. Themes aus Plötz Uebungen, alle 14 Tage, 
Extemporalia. Brauns. 

5. Religion 2 St. Glaubens- und Sittenlehre nach Petris Lesebuch. Lectüre des RömerbriefcB» 
Oberlehrer Brumlow. 

6. Geschichte 3 St. Neue und neueste Geschichte. Repetition des Mittelalters. Oberlehrer 
Brunzlow. 

7. Mathematik 4 St. Ebene Trigonometrie und zweiter Theil der Stereometrie. Quadratische 
Gleichungen mit mehreren Unbekannten und diophantische Gleichungen. Lösuag geometrischer 



und algebraischer Aufgaben. Dorohscbnitttieh alle 6 Woeben eine grössere sdiriftlicbe Arbeit. 

JLrr« IHiSltaHm 

8. Physik 2 Si Statik und Mechanik fester, flüssiger und luftförmiger Körper» in der letzten 
Hälfte des Wintersemesters Elemente der Chemie. Brauns. 

IB. Unterprima. 

Ordinarius Dr. Meyer. 

1. Lateinisch 9 St. Cicer. Oratt. de proTinciis consularibus und pro Murena. Tacitus Germania 
und Histor. IV, 11—77. Horat Carm. I, III, 1—6; 30; IV, 9; Epod. 1, 2; Carmen seoulare; 
Epist I, 14 — 18; II, 1. 5 St. Correctur der wöchentlichen Exerdtia und der sechswöchent- 
lichen Au&ätze. Extemporalia 2 St PrivaÜectüre 1 St. Zur Bearbeitung wurden folgende 
Aufsätze gegeben: 1) Quibus virtutibus Romani Graecos, quibus Graed Romanos superaverint 
2) De arte et compositione libri quinti Diadis. 3) Res a Cl. Civili gestae. (Pars prior). 
4) Bellum Trojanum (Classenau&atz). 5) De prima Olynthiaca Demosthenis. 6) Tempora 
Demosthenis comparata cum prioribus. 7) Horatii lib. I carm. I ai^umentum et comentarius. 
Dr. Meyer. 

2. Griechisch 6 St. Demosth. Olynth. 1, 2, 3; Philipp. 1. Thucjrdides I, 1 — 44. Sophocles 
Electra und Antigene. Hom. lUad. I — VI. 5 St. Correctur der zweiwöchentlichen Exerdtia 
l St Privatlectüre 1 St Dr. Meyer. 

3. Deutsch 3 St. Literaturgeschichte von Luther bis auf die Zeit Schillers und Göthes. Ge- 
nauere Behandlung einzelner Schriften Yon Lessing (Laokoon), Herder (Cid) u. s. £ Freie 
Vorträge. Declamation mit P. Themata zu den Au&ätzen; 1) Zusammenstellung der Gründe, 
die es wahrscheinUch machen, dass die Gruppe des Laokoon nach der Beschrdbung des Virgil, 
nicht diese nach jener gefertigt worden. 2) Die Rede des Mark Anton in Shakespeare's Julius 
Caesar. 3) Nutzen und Schaden des Papiergeldes. 4) Götz v. Berlichingen in der Geschichte 
und in Göthes Drama. 

5) „Welches Volk sich selbst empfunden« 
Ward vom Feind nie überwunden." 
6) Die Einheit der Handlung in Schillers Teil. 

7) Willst du, dass wir mit hinein 
In das Haus dich bauen, 
Lass es dir gefallen. Stein, 
Dass wir dich behauen. 
8) Ein Classenaufsatz. Brauns. 

4. Französisch 2 St. Leetüre: Ideler und Nolte, Lesebuch; daneben: le bourgeois gentilhomme 
und les femmes savantes par Meliere. Exerdtia nach Plötz Uebungsbuch, alle 14 Tage. Ex- 
temporalia. Brauns. 

5. Religion 2 St Kirchengeschichte und Leetüre des Ev. Johannis. Oberlehrer Brunzlow. 

6. Geschichte 3 St Geschichte des Mittelalters und der Reformation. Oberlehrer Brunzlow. 

7. Mathematik 4 St (resp. 5). Stereometrie 1. und 2. TheiL 1 St Lösung von geometrischen 
und algebraischen Aufgaben und 1 St Repetition der Trigonometrie nebst Lösung betreffender 
Aufgaben. Sechswöchentlich eine grössere schriftliche Arbeit. Dr. Bastian. 

9. Physik 2 St Statik und Mechanik der festen, flüssigen und luftförmigen Körper. Dr. 
Bastian. 

6* 



M 

IIA« Oberseonnda. 

Ordinarius Dr. Latendorf. 

1. Lateinisch 8 St. Cioeronis Orationes pro Milone und pro Sulla. Livius lib. IV, 1 — 34. 
3 St. Elegien des Tibull, Properz und CatuU nach der Auswahl von Volz. Horat. Garm. lib. 
I. in Auswahl. 2 St. Correctur der wöchentlichen Exerdtia. Extemporalia. 6 latein. Auf- 
sätze. 2 St. Controle der Privatlectüre. l St. Dr. iMtendorf, 

2. Griechisch 7 St. Plutarchs Leben des Agis und Cleomenes und der beiden Gracchen. 3 St. 
Wöchenthche Exercitia. 1 St. Controle der Privatlectüre. 1 St. Dr. Latendorf. Homer's 
Odyssee. Lib. XV— XIX. 2 St. Oberlehrer Dr. Schiller. 

3. Deutsch 2 St. Epik upd Lyrik des Mittelalters. Bei der Behandlung des Nibelungenliedes 
wurde die moderne Dichtung (Jordan, Geibel und Hebbel) zu eingehender Vergleichung heran- 
gezogen. 8 deutsche Aufsätze, zum grösseren Theile im Anschluss an die deutsche oder 
classische Leetüre. Für schwierigere Themata wurde Stoff und Disposition durch gemeinsame 
Besprechung in der Classe ermittelt. Dr. Latendorf. 

4. Französisch 2 St. Emil Souvestre, Au coin du feu und le Mousse. Melesville, la Berline de 
l'Emigre. Exercitia nach Plötz Uebungen alle 14 Tage. Dr. Met/er. 

5. Religion 2 St. Die Reisen Pauli. Die Entstehung der neutestamentlichen Schriften. Alte 
und mittlere Kirchengeschichte. Rummel. 

6. Geschichte 3 St. Römische Geschichte. />r. Meyer. 

7. Mathematik 4 St. (resp. 5). Ebene Trigonometrie, quadratische Gleichungen, arithmetische 
und geometrische Reihen. Lösung algebraischer und geometrischer Aufgaben. Sechswöchent-^ 
Uch eine grössere schrifthche Arbeit. Dr. Bastian. 

8. Physik 2 St Lehre vom Schall und der Wärme, Electricität und Magnetismus. Dr. Bastian. 

IIB. Untersecunda. 

Ordinarius Dr. Regel. In Folge einer Erkrankimg desselben übernahm seit Neujahr das Ordinariat 

Dr. Meissner. 

1. Lateinisch 10 St. Virgil. Aen. IV und VI. 2 St. Livius II. Cicero Cato Maj. Caesar bell. dv. III 
von Gap. 41 an. 3 St Wöchenthche Exercitien theils aus Schultz Aufgabensammlung, theils 
nach Dictaten. Extemporalia. Grammatik: Die Moduslehre im Zusammenhang mit Hervor- 
hebung einzelner Abschnitte, als der hypothetischen Sätze und der Lehre vom Conjunctiv. 
Repetitionsweise: die Fragesätze, Oratio obliqua, pronomen reflex. 3 St Controle der Privat- 
lectüre: Cicero Oratt in Catil. III und IV. Livius I und II mit Auswahl. 2 St Dr. Regel, 
seit Weihnachten Dr. Meissner. 

% Griechisch 6 St Xenoph. Anab. IIL IV. V bis Cap. 2 incl. 3 St Grammatik: Repetition 
der Formenlehre. Die Hauptregeln aus der Syntax: die Kasuslehre, Artikel, Pronomina, die 
Attraction des pron. relat Die Tempora i^nd Modi. Die gebräuchUchaten Conjunctionen in ihren 
Verbindungen mit den Modis. Die Infinitiv- und Partidpial-Construction im Anschluss an die 
Leetüre und an wöchentliche Exercitien. 1 St Privatlectüre Xenoph. Anab. I. H. IH. Homer's 
Odyssee IX und XI. Dr. Regel, seit Weihnachten Dr. Meisstier. Homer's Odyssee. lib. 
I — IV. Einübung der Homerischen Formen. 2 St Oberlehrer Dr. Schiller. 

3. Deutsch 2 St Das Wesen der Hauptdichtungsarten und die Unterschiede der metrischen 
Form. Redefiguren und Tropen. Leetüre von Hermann und Dorothea. Shakespeare's Juhufi 
Cäsar imd Körners Zriny. Alle 4 Wochen ein Aufsatz. Rummel. 



_ ^ 

4. Französisch 2 St. Syntax nach Plötz Schulgranmiatik; hauptsächlich Tempora und Modi, 
Artikel, Adjectivum. 1 St. WöchentUch ein Exercitium. Extemporalia. Lectüre: In Sommer, 
A. Dumas: Histoire de Napoleon; im Winter Bouilly: L'abbe de TEpee. 1 St. Dr. SeUin. 

5. Religion 2 St Geschichte des alten Bundes. Einleitung in die neutestamentlichen Schriften. 
Geschichte des Reformationszeitalters. Lutherische Glaubenslehre in ihren Hauptgi'undzügen. 
RummeL 

6. Geschichte 3 St. Die Geschichte Griechenlands bis 146. Dr. Spllm. 

7. Mathematik 4 St. Gleichungen 1. Grades mit einer und mehreren Unbekannten; Propor- 
tionen. Potenzen und Wurzeln. Logarithmen. Vervollständigung der Kreislehre. Flächen- 
gleichheit; Theilung und Verwandlung der Figuren. AehnUchkeit Brauns, 

8. Physik 2 St Im Sommer Statik und Mechanik fester, flüssiger und luftförmiger Körper; im 
Winter Chemie. Brauns. 

niA. Obertertia. 

Coetus A. 

Ordinarius Dr. Schmidt. 

1. Lateinisch 10 St. Caesar bell. Gall. hb. V von c. 15 an, VI. 3 St Ovid Metam. IX 134 
bis 272, X 1-77, 86—147, 155—219, XI 1—220, 266—302, 320—748, XII 1—188, 210—579. 
2 St Grammatik: Repetition des Pensums von IIIB, Fragesätze, oratio obhqua, Temporalsätze» 
Conditionalsätze, Concessivsätze. Wöchentliche £xercitien. ExtemporaUen. 5 St. Dr. Schmidt. 

2. Griechisch 6 St Xen. Anab. I c. 1 — 9. 3 St., Hom. Od. I, 1 — 305. l St Grammatik: 
die unregelmässigen Verba. Repetition des Pensums von IV und III B. Einiges aus der Syntax, 
besonders Casuslehre, bei der Lectüre. WöchentUche Exercitien. Extemporalien. 2 St Dr. 
Schmidt. 

3. D^eutsch. 3 St Erklärung prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuche von Hopf 
und Paulsiek. Declamation und Uebung im freien Vortrage. Aufsätze über besprochene und 
mündlich disponirte Themata erzählenden Inhaltes. Rummel. 

4. Französisch. 2 St. Repetition des Pensums von in b. Das HauptsächUchste aus der Lehre von den 
temporibus und modis. Alle 8 Tage ein Exercitium. Lectüre von Voltaire's Charles XII. RummeL 

5. Religion. 2 St. Ausbreitung der christhchen Kirche, Missionsreisen des Apostel Paulus. G^chichte 
des Zeitalters der Reformation. Repetition von KirchenUedem und des lutherischen Catechismus 
Rummel. 

6. Geschichte und Geographie. 4 St Combinirt mit C. B. deutsche Geschichte von 1648 bis 
in die neueste Zeit. Geographie: Repetition von Europa eingehend in physischer und poU- 
tischer Hinsicht; die aussereuropäischen Erdtheile übersichtUch. Oberlehrer ßrunzlow. 

7. Mjithematik 4 St Repetition des Cursus von Illb; Uebung im Rechnen mit Buchstaben, 
Radizierung (2. und 3. Gr.); Geichimgen ersten Grades mit einer Unbekannten; Kreislehre. 
Brauns. 

niA. Obertertia. 

Coetas B. 

Ordinarius (von Michaelis bis Weihnachten) Dr. Meissner. 

I9B. Von Nenjalir bis Ostem wurde der Coetus mit dem vorigen, mit Ausnahme der Mathematik, combinirt. 

Also bis Weihnachten: 

1. Lateinisch 10 St Ovid Metam. VII v. 1—353. 2 St. Caesar bell. GaU. hb. VII a 1—31. 
3 St Grammatik: Gründhche Wiederholung und Erweiterung des Pensums von III b. Lehre 




▼dn der Congruenz. Infinitiv, Participia, Gerandiom und CrenrndiTum, Supina, Tempora» 
Gonsecutio temporum. Wöchentliche Exerdtien und Extemporalien. 5 St (Bis Weihnachten) 
Dr. Meissner. 

2. Griechisch 6 St. Xenoph. Anab. II c. I und 2. 3 St Homer Odyss. I t. 305 — 380. 1 8t 
Grammatik: Unregelmässige Verba. Gründliche Wiederholung der übrigen Formenlehre. Die 
Hauptsachen aus der Lehre von der Rection der Casus in Anschluss an die Lecttire und an 
wöchentliche Exercitieu- resp. Extemporal. 2 St. Dr. Meissner. 

3. Deutsch 3 St Erklärung prosaischer imd poetischer Stücke (Uhland, Schiller) aus dem Lese- 
buch von Hopf und Paulsiek. Uebungen im Declamiren und freien Vortrag. Alle 14 Tage bis 
3 Wochen ein Aufsatz über ein besprochenes und mündlich disponirtes Thema. Dr. Meissner. 

4. Französisch 2 St Repetition der unregelmässigen Verben. Das Hauptsächlichste aus der 
Lehre von den temporibus und modis. Alle S Tage ein Exercitium; dazu Extemporalia und 
Uebungen im mündlichen Uebersetzen. 1 St. Leetüre: Charles XII. I. 1 St Dr. Meissner. 

5. Religion 2 St (Dauernd comb, mit Goet A. siehe oben). 

6. Geographie und Geschichte. 4 St (Dauernd comb, mit Coet A. siehe oben). 

7. Mathematik 3 St Repetition und Erweiterung des Cursus von UIB, dann die Ereislehre. 
In der Arithmetik Buchstabenrechnung bis zu den Wurzeln excl. und Gleichungen des 1 . Grades 
mit einer Unbekaunten. Dr. Bastian. 

ms. Untertertia. 

Ordinarius Dr. SeUin. 

1. Lateinisch 10 St Caes. bell. Gall. lib. I — III. 3 St Ovid. Metamorphos.» ausgewählte Ab- 
schnitte aus den ersten 4 Büchern. 2 St. Grammatik nach Müller und Lattmann: Tempus 
und Moduslehre. Congruenz; Accus, c. Infin. 3 St. Wöchentlich ein Exercitium; Extem- 
poralia. Mündliches Uebersetzen aus Schultz Uebungsbuch. Dr. Sellin. 

2. Griechisch 6 St. Das regehnässige Verbum nach Müller imd Lattmanns Formenlehre. 
Wöchentlich ein Exercitium; Extemporalia; Ueberaetzen aus dem 2. Theil von Jacobs Lesebuch. 
Dr. Sellin. 

3. Deutsch 3 St. Besprechung prosaischer und poetischer Stücke aus Hopf und Paulsiek. 
Uebungen im Declamiren. Satzlehre. Au&ätsse. Beckmann. 

4. Französisch 2 St Repetition der regelmässigen Formenlehre; die unregelmässigen Verben 
nach Plötz Schulgrammatik. Lect. l — 23. Alle 8 Tage ein Exercitium; Extemporalia. Leetüre: 
Ausgewählte Stücke aus Lüdekings Lesebuch. Beckmann. 

5. Religion 2 St Das Leben des Herrn nach dem ETangeliiun Marci. Geschichte des Refor- 
mationszeitalters. Repetition des lutherischen Catechismus und einer Auswahl von Kirchen- 
liedern. Rummel. 

6. Geschichte und Geographie. 4 St Geschichte: Deutsche Geschichte des Mittelalters und im 
Zeitalter der Reformation. Geographie: Deutschland und der Oestreichische Staat physisch 
und politisch. Repetitionen aus den Pensen der früheren Classen. Oberlehrer Brunzlow. 

7. Mathematik 4 St. Vorbegri£fe; Buchstabenrechnung und Einübung der 4 Species in allge- 
meinen Zahlzeichen; widerstreitende Zahlen. Parallelen, allgem. Eigenschaften der Figuren. 
Congruenz; einfachere Constructionsaufgaben. Bronns. 



47 

IV. Quarta. 

tttM» A. 

Ordinarius Dr. Schüler. 

1. Lateinisch 10 St Cornelius Nepos. Vita des Miltiades, Themistocles, Aristides, Pausanias, 
Cimon und Lysander 5 St Wöchentlich wurden zwei Exercitien aus Ostermann's Uebungsbuch 
ni geliefert. Abth. I. übersetzte von pag. 65 bis 97 ; Abth. IL von pag. 1 bis 56. 2 St Ein- 
übung der leichtem syntaktischen Regeln. 2 St. Extemporalien. 1 St Dr. Schiller. 

2. Griechisch 5 St Die regelmässige Formlehre mit Ausschluss der Verba liquida. Leseübungen 
aus dem Jacobs. Wöchentlich ein kleines Exercitium. Bamberger. 

3. Deutsch 3 St. Leetüre imd Erklärung prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuch 
von Hopf und Paulsiek. Declamationsübungen. Alle 14 Tage wurde ein Aufsatz eingeliefert 
Dr. Schiller. 

4. Französisch. Repetition des Pensums von V. und Fortsetzung der Grammatik nach Plötz 
^Cursus für IV". Wöchentliche Exercitien. Dr. Schmidt 

5. Religion 2 St Bibellesen: Apostelgeschichte. Biblische Geschichte des alten Testamentes bis 
auf Mose. Katechismus: Erklärung des 2. Hauptstücks. Die dazu gehörigen Sprüche wurden 
auswendig gelemti dazu eine Auswahl von Kirchenliedern. Stahl. 

6. Geschichte und Geographie 3 St Griechische Geschichte von Lycurg bis zum Tode Aleican- 
ders. Römische Geschichte von Gründung der Stadt bis Augustus. 2 St Europa 1 St Dr. Schmidi. 

7. Rechnen 3 St Im Sommer: Rechnung mit Dedmalbrüchen und 1 St Formenlehre. Dr. Bastian. 
Im Winter: Procent-, Zins- und Rabattrechnuug nach dem Bruchsatze. 2 St. Zeichnen und 
Erklären geometrischer Figuren. 1 St. Brandt. 

TV. Quarta. 

Coetos B. 

Ordinarius Lehrer Bamberger. 

1. Lateinisch 10 St Miltiades, XerxeSy Themistocles, Pausanias, Cimon, Bellum Peloponnesiacum 
nach dem Lesebuche von Lattmann. 5 St. Einübung der Casuslehre und einiger andern 
leichten syntaktischen Regeln nach der Granmiatik von Müller und Lattmann (§. 1 — 91). 
Wöchentlich 2 kleine Exercitien und 1 Extemporale. Bamberger. 

2. Griechisch 5 St Die regelmässige Formlehre mit Ausschluss der Verba Uquida. Leseübungen 
aus dem Jacobs. Wöchentlich ein kleines Exercitium. ßambergei: 

3. Deutsch 3 St. Lesen und Besprechen poetischer und prosaischer Stücke aus Hopf und 
Paulsiek. Declamiren. Das Hauptsächlichste aus der Satz- und Interpunctionslehre. Alle 14 
Tage ein Aufsatz. Brandt. 

4. Französisch. Repetition des Pensums von Y. Dazu: Pronomina, Zahlwörter, Comparationen, 
Th6ilu:pg8artikel, der einfache Satz in der Frage, Verneinung, fragendvemeinenden Form. Die 
gebräuchlichsten unregelmässigen Verba. Alle 8 Tage ein kurzes Exercitium. 2 St Rummel. 

5. Religion 2 St Bibellesen: Apostelgeschichte. Biblische Geschichte des alten Testamentes bis 
auf Mose. Katechismus: Erklärung des 2. Hauptstückes. Die dazu gehörigen Sprüche wurden 
auswendig gelernt^ dazu eine Auswahl von Kirchenliedern. Stahl. 

6. Geschichte und Geographie 3 St Griechische Geschichte von Lycurg bis zum Tode 
Alexanders. Römische Geschichte von Gründung der Stadt bis Augustus. 2 St Europa. 1 St. 
Dr. Regel (seit Weihnachten Dr. Meissner). 



18 

7. Rechnen 3 St. Im Sommer: Decimälbrüche nach Böhme Heft IX. Im Winter: Procent-, 
Zins- und Babattrechnung. 2 St. — Ebene Geometrie bis znr Gongruenz der Dreiecke ezcL 
1 St Brandt. 

Y. Quinta. 

Ordinarius Lehrer Beckmann. 

1. Lateinisch 10 St. Repetition der regelmässigen Formenlehre; unregelmässige Verba und die 
gebräuchlichsten syntaktischen Regeln; Grammatik von Müller und Lattmann. Wöchentlich 2 
Exercitien, alle 8 — 14 Tage ein Extemporale. Leetüre aus dem Lesebuch von Lattmann. 
Beckmann. 

2. Deutsch 3 St. Leetüre prosaischer und poetischer Stücke aus Hopf und Paulsiek. Uebungen 
im Wiedererzählen des Gelesenen und im Declamiren. Das Wichtigste aus der Satz- und In- 
terpunctionslehre. Dictate. Alle 14 Tage ein Aufsatz. Beckmann. 

3. Französisch 3 St. Die Aussprache. Leseübungen. Die regelmässige Formenlehre (Decli- 
nation, Hül&zeitwörter, Conjugation). Uebimgen im Uebersetzen aus dem Französischen in^s 
Deutsche und aus dem Deutschen in's Französische; kurze häusliche Exercitia. Plötz: Cursus 
für V. SiaA/. 

4. Religion 3 St. Biblische Geschichte des neuen Testamentes nach Kurtz (das Leben Jesu bis 
zur Auferstehung). Katechismus: Repetition des 1. Hauptstückes nebst den gelernten Spruchen. 
Das 3. Hauptstück wurde erkläi% die beigefugten Bibelsprüche auswendig gelernt. Kirchen- 
lieder: Repetition der in VI gelernten, dazu einige neue. A'tah/. 

5. Geschichte und Geographie 3 St. Erzählungen aus der deutschen Sage und aus der Ge- 
schichte des Alterthums. l St. Geographie von Europa (excl. Deutschland) und den ausser- 
europäischen Erdtheilen nach dem Leitfaden von Daniel. 2 St. Beckmann. 

6. Rechnen 3 St. Die 4 Species in Brüchen nach Böhme Heft IX. Kopfrechnen. Hin und 
wieder häusliche Aufgaben. Brandt. 

7. Naturgeschichte 2 St Im Sommer: Botanik. Classification der Pflanzen nach dem Linne- 
sehen System. Im Winter: Säugethiere und Vögel mit Benutzung der Abbildungen in Brehm's 
Thierleben u. a. Brandt. 

8. Schreiben 2 St. Lehrer Fotk. 

VL Sexta. 

Ordinarius Lehrer Stahl. 

L Lateinisch 10 St. Die regelmässige Formenlehre (Declination und Conjugation mit Einschluss 
der Deponentia), nach der Grammatik von Müller und Lattmann? Uebungen im Uebersetzen 
nach dem Uebungsbuch von Lattmann. Wöchentliche Exercitia und Extemporalia. Stahl. 

2. Deutsch 3 St. Leetüre aus dem Lesebuche von Hopf und Paulsiek. Uebungen im Nach- 
erzählen des Gelesenen und im Declamiren. Grammatik im Anschluss an die Lectüre. Wöchent- 
liche Dictate oder Aufsätze. Stahl. 

3. Religion 3 St. Biblische Geschichte des alten Testamentes bis zur Theilung des Reichs, nach 
Kurtz. Erklärt und gelernt wurden 11 Kirchenlieder, ausgewählte Sprüche zum L Hanptstfick 
und der Katechismus Luther's. Brandt. 

4. Geschichte und Geographie 3 St. Sagen aus der Griechischen, Römischen und Deutschen 
Geschichte. 1 St. — Grundbegriffe aus der physischen Geographie. Genaueres über das 



— ü — 

Heimathland und über dessen Zusammenhang mit den umliegenden Ländern. Allgemeine Ueber* 
sieht über Deutschland. 2 St. Dr. Regel (von Weihnachten an Dr. Meissner). 

5. Rechnen 3 St Repetition der 4 Species in unbenannten und benannten ganzen. Zahlen. Das 
metrische Maass und Gewicht Anfang in der Bruchrechnung. Kopfrechnen. Hin und wieder 
häusliche Aufgaben. Brandt. 

6. Naturgeschichte 2 St. Im Sommer Botanik: Gartengewächse und wildwachsende Pflanzen. 
Im Winter Zoologie: Schilderungen aus dem Leben der Säugethiere und Vögel mit Benutzung 
der Abbildimgen in Brehm. Brandt. 

7. Schreiben 4 St Lehrer Foih. 

Hebriiscb. 

I. Prima. 

Die Nominaliehre und Leetüre des Isten Buches der Könige und einzeber Theile aus den 
Propheten und dem Psalter. 2 St 

n. Seounda. 

Die Verballehre und Leetüre der Genesis. 2 St Rummel. 

Der Smgnntorriclit 

wurde in 3 wöchentlichen Stunden ertheilt; in 2 St Uebungen der Altisten und Sopranisten, in 
1 St der ganze Chor. Musikdireetor Kode. 

Die Tanüboiigeii 

dauerten im Sommer vom 21. Mai bis zum 27. September unter Leitung des Turnlehrers Lauf f er; 
Tumwart war Paul Groth I. Im Winter fanden die Uebungen in der hiesigen Turnhalle statt 



Lehrapparat 



I. SchuIbibUothek. 

A. Geschenke: 

1. Aus dem Grossherzoglichen Cabinet: die Fortsetzungen des Archivs für Landeskunde. 

2. Aus dem statistischen Bureau: Fortsetzung der Beiträge zur Statistik Mecklenburgs. 

3. Von dem Verein für mecklenburgische Geschichte: Correspondenzblatt des Gesammt- 
Vereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine, Jahrgang 1871; und Jahrbücher des 
Vereins; SGster Jahrgang. 

4. Von dem Senate der Universität Rostock: die im Laufe des Jahres erschienenen aka- 
demischen Schriften. 

5. Von Herrn Moritz Müller in Pforzheim: die beiden von ihm verfassten Schriften: t) Ge- 
dankenmainlinien, oder durch Nacht zum Licht Kein Roman, sondern eine Denkanrege. 2) 
Ueber die Freiheit der Arbeit an Sonn- und Festtagen. 

6. Von Herrn Oberlehrer Dr. Schiller hieselbst: 

1) Zur Gymnasialreform; Theoretisches und Practisches von Dr. Hermann Köchly; 1846. 

2) Giscke : die allmählige Entstehung der Gesänge der Dias aus Unterschieden im Gebrauche 
der Präpositionen; Göttingen 1853. 

7 




3) J. Kreoser: Vorfragen über Homeros, seine Zeit und Gesänge, kter Theil; Frankfurt a. IL 
1828. 

4) Bibliotheca Oodofredi Hermanni. 

7. Vom Herrn Canzldrath Faull hieselbst: Staatskalender für 1872. 

B. Gekauft 

wnrden die laufenden Jahrgänge der Jahn' sehen Jahrbücher, des Rheinischen Museums, der Ber- 
liner Zeitschrift für das Gymnasialwesen, der Poggendorff'schen Annalen, der Forschungen zur 
deutschen Geschichte; die Fortsetzungen von Pierer: Universallexicon, Schmid Encyclopädie, 
Grimm Wörterbuch, Wackernagel Kirchenlied, Bursian Geographie von Griechenland^ Fried- 
länder Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms. IH 

Corpus Inscriptionum Latinarum tom. IV: Inscriptiones Parietariae Pompejanae, Herculanenses, 

Stabianae edid. Carolus Zangemeister; Berolini 1871. 
Poetarum Scenicorum Graecorum Aeschyli, Sophodis, Euripidis et Aristophanis iabulae super- 
stites et perditarum fragmenta ex. rec. et cum prolegom. Guilelmi Dindorfii editio V** 
lipsiae 1869. 
Lezicon Sophodeum edid. Guilelm. Dindorfius Lipsiae 1870. 

Des Aristophanes Werke übersetzt von Joh. Gust Droysen; 2. ThL 2te Ausg. Leipzig 1871. 
Der epische Cyclus oder die homerischen Dichter von F. G. Welcker; 2. ThL Bonn 1835 

und 1849. 
Geschichte der Hellenischen Dichtkunst von Dr. Hermann Ulrici; 2. ThL Berlin 1835. 
Geschichte der Hellenischen Dichtkunst von Dr. Georg Heinrich Bode; 5. Thl. Leipzig 1838. 
A. W. Zumpt: Criminalprocess der römischen Republik; Leipzig 1871. 
Joachim Marquardt und Theodor Mommsen: Handbuch der römischen Alterthümer. 

Erster Band: Römisches Staatsrecht von Theod. Mommsen. J. Bd. Leipzig 1871. 
Tacitus Geschichte der Regierung des Kaisers Tiberius (Annalen Buch I — VI). Uebersetzt und 

erklärt Yon Adolf Stahr. Berlin 1871. 
F. W. Schirrmacher: Kaiser Friedrich H. 4. Bd. Göttingen 1859—65. 
Derselbe: Die letzten Hohenstaufen. 1. Bd. 
H. Prutz: Kaiser Friedrich L 2. Bd. 

M. Lexer: Mittelhochdeutsches Wörterbuch bis Lieferung 6. Leipzig 1871. 
Dr. K Schiller imd Dr. A. Lübben: Mittehiiederdeutsches Wörterbuch. Erstes Heft 
Bremen 1872. 

n. Physikalisches Cabinet 

A. Geschenke: 

Em Krahn, ein Sprachrohr, eine Sirene, ein pneumatisches Feuerzeug, ein magnetelectrischer 
Inductionsapparat, eine Bussole. 

B. Angeschafft aus den Mitteln des Cabinets: 

Zwei Declinations^ und eine Lidinationsnadel, ein Electrophor, ein Kohlenspitzenapparat, 
ein Morse'scher Drucktelegraph nebst Relais, Galvanometer und zwei Bunsen'schen Elementen. Für 
die Lehre vom Schall endlich ein Monochord und ein Interferenzrohr. 



5t 

Nekrologium« 

Julius Bouchholtz, Gassier bei der Grossk Renterei, abg. Michaelis 1830, f d. 30. Blärz 1871« 

Christian Dahl, Rector in Lübz, abg. Michaelis 1864, t d. 18. April 187U 

Gustav Segnitz, Cand. der TheoL in Schwerin, abg. Michaelis 1825, f d. 26. April 1871. 

Carl Joh. Theod. Harnack, Dr. jur. in Langenhom bei Hamburg, f d. 6. Afoi 1871. 
Einen sehr hoffnungsvollen Schüler verlor die Anstalt durch den Tod: Emil 

Wiencke, Schüler der Quarta, Coet. A^ starb im Yaterhause d. 28. Mai 1871. 
Carl Adolf Schmidt, Dr. jur. und Oberappellationsrath in Rostock, abg. 

MichaeUs 1832, t d. 8. JuU 1871. 

Theodor Fromm, Pastor in Gielow, abg. Ostern 1850, t d. 11. Aug. 1871. 

Ernst Gädcke, Advocat und Senator in Lübz, f d. 16. Aug. '1871. 

RobertSchneider,Dr.jur.,Egl. Sächsischer Staatsminister^), abg. Mich. 1825, f d. 4. Sept. 1871. 

Friedrich Elfreich aus Neu-Kirchen, Cand. der TheoL, abg. Mich. 1862, t d. 6. Sept 1871. 

Heinrich Schumacher, Buchdruckerei-Besitzer in Grevismühlen, f d. 13. Nov. 1871. 

Otto Bruns aus Hamburg, Eaufinann, f d. 21. Dea 1871. 

Leo von Hammerstein aus Schwerin, Militär, f d. 15. Jan. 1872. 

Roland von Müller, St. jur., abg. Michaelis 1870, t d. 16. Febr. 1872. 

F. J. C. Bouchholtz, Kammersecretair, Hofrath in Schwerin, abg. Ostern 1827, t d. 17. Febr. 1872. 

Carl Fr. Eugen von Storch, früher auf Rubow, t d. 26. Febr. 1872. 

Schülerzahl. 

Das Gymnasium Fridericianum wurde im Sommersemester von 403, im Wintersemester von 
406 Schülern besucht, und zwar sassen a. im Sommersemester in Oberprima 23, in Unterprima 34^ 
in Obersecunda 30, in Untersecunda 36, in Obertertia^52, in Untertertia 54» in Quarta Coetus A« 
39, Coetus B. 40, in Quinta 54, in Sexta 41; b. im Wintersemester in Oberprima 26, Unterprima 32, 
Obersecunda 26, Untersecunda 37, Obertertia Coetus A. 30, Coetus B. 28, Untertertia 56, Quarta 
Coetus A. 38, Coetus B. 38, Quinta 48, Sexta 47. 

Abgegangen sind im Laufe des Schuljahres 56 Schüler. 
A. Zur Universität mit dem Zeugniss der academischen Reife: 
a. Zu Michaelis 1871: 

Otto Krasemann aus Neustadt. Leipzig. Philologie. 

Adolph Brandt aus Elein-Rogahn. Rostock. Theologie. 

Ludwig Mau aus Hohenvicheln. Leiprig. Theologie. 

Richard Barten aus Schwerin. Grei&wald. Jurisprudenz. 

Richard von Sprewitz aus Schwerin. Polytechnicum in Aachen. 

Ludwig Thiessing aus Boitzenburg. Leipzig. Theologie. 

Caesar Rochow aus Zachim. Leipzig. Medicin. 

Wilhelm von Bemstorff aus Schwerin. München. Jurisprudenz. 

Otto Herricht aus Schwerin. Rostock. Jurisprudenz. 

Meier Cohn aus Schwerin. Breslau. Jurisprudenz. 

Eduard Oesten aus Mandelshagen. Landwirthschaft. 

Hans Mulsow aus Ludwigslust. Rostock. Theologie. 

■) Vgl Nekrolog und Nachraf im Dresdener JooroaL 

T 



b. Zu Ostern 1872: 

Otto Rembardi aus Wittenburg. Heidelberg. Philologie. 
Emil Lobedanz aus Schwerin. Rostock. Philologie. 
Carl Foih aus Sternberg. Rostock. Theologie. 
Otto Tapp aus Neese. Heidelberg. Medicin. 
Carl Stelzner aus Schwerin. Rostock. Philologie. 
Albert Oesten aus Mandelshagen. Postfach. 
Rudolph Bobein aus Schwerin. Rostock. Medicin. 
Hartwig Brasch aus Schwerin. Rostock. Theologie. 
Gustav Beu^k aus Eützerhof. Heidelberg. Medicin. 
Otto Schwerdtfeger aus Schwerin. Heidelberg. Jurisprudenz. 
B. Zu anderen Bestimmungen gingen ab: 
Aus Gl. la. Bugo Kliefoth aus Schwerin. Privatstudium. Neujahr 1872. 
Aus GL Ib. Richard Kurtztisch aus Schwerin. Postfach. Weihnachten 1871. 

Theodor Schroeder aus Qualitz. Telegraphie. Michaelis 1871. 
Paul Angerstein aus Schwerin. Forstfach. Ostern 1872. 
Aus GL Ha. Friedrich Rückert aus Ribnitz. Steuerfach. Ostern 1871. 

Gotthilf Pitschner aus Neukloster. Gymnas. in Ratzeburg. Mich. 1871. 
Ernst Brauer aus Ribnitz. Steuerfach. Michaelis 1871. 
Albert Koop aus Schwerin. Seemann. Michaelis 1871. 
Aus Gl. Hb. Max Teetz aus Rossewitz. Apotheker. Michaelis 1871. 

Paul Abesser aus Schwerin. Kaufmann. Michaelis 1871. 
Gustav Wendt aus Schwerin. Militär. Michaelis 1871. 
Ludwig Bobein aus Schwerin. Marine. Michaelis 1871. 
Friedrich von Bintzenstem aus Elmenhorst. Kaufmann. Michaelis 1871. 
Beinrich Graf von Oeynhausen aus Schwerin. Militair. Michaelis 1871. 
Emil Barca aus Schwerin. Kaufinann. Ostern 1872. 
August tV agener aus Satow. Forstfach. Weihnachten 1871. 
Aus Gl. nia. Barry von Boddien aus Schwerin. Militair. Michaelis 1871. 

Bernhard Schultz aus Gnoyen. Gymnas. in Rostock. Michaelis 1871. 
Aus Gl. nib. Leopold Kues aus Schwerin. Realgymnas. in Perleberg. Johannis 1871. 

Friedrich Lenthe aus Schwerin. Kaufmann. Michaelis 1871. 
Aus Gl. IV. Emil fViencke aus Schwerin. Siehe Necrolog. 

Friedrieh Bierking aus Schwerin. Reakchide. Ostern 1871. 
Bans Kehrhahn aus Metein. Gymnas. in Parchim. Michaelis 1871. 
Carl von Koppelow aus Schwerin. Gymnas. in Torgau. Michaelis 1871. 
Felix von Stenglin aus Schwerin. Militair. Den 1 Dec. 1871. 
Martin Romberg aus Perlin. Ging ins Vaterhaus zurück Michaelis 1871. 
Aus Gl. V. Alphons von Boddien aus Schwerin. Privatunterricht. Ostern 1871. 
Aus Gl. VI. Adolph Brumm aus Perlin. Ging ins Vaterhaus zurück Michaelis 1871. 

Christian ffalckhoif aus Schwerin. Gymnas. in Rostock. Michaelis 1871. 
Ausserdem sind zum Abgang pro Ostern 1872 angemeldet: 
' Aus Gl. IV. Carl Rehm aus Settin. Realschule. 

Gustav Walzberg aus Valparaiso. Realschule. 
Paul JMartens aus Bakendorf. Realschule. 
Victor Peutz aus Volsrade. Realschule. 
Carl B&mcke aus Schwerin. Realschule. 



\ 

i 




Schüler - Verzeichniss *). 



lA. Ober-Prima. 

1. 

1. Otto Reinhardt aus Wittenborg. 

2. Emil Lobedanz aus Schwerin. 

3. Carl Foth aus Stemberg. 

4. Otto Tapp aus Neese. 

5. Carl Stelzner aus Wismar.* 

6. Albert Oesten aus Mandelshagen. 

7. Rudolph Hobein aus Schwerin. 

8. Hartwig Brasch aus Schwerin. 

9. Gustav Heuck aus Kützerhof. 
10. Otto Schwerdtfeger aus Schwerin. 
lt. Hugo Kliefoth aus Schwerin. 

2. 

12. Heinrich Ribcke aus Flau. 

13. Paul Groth aus Schwerin. 

14. Hermann Settier aus Wittenburg. 

15. Friedrich Burth aus Schwerin. 

16. Willy Dittmann aus Schwerin. 

17. Carl Buchka aus Rostock.* 

18. August Lachmund aus Lihenthal bei Bremen.* 

19. Felix Löwenthal aus Schwerin. 

20. Carl Lüth aus Brüel. 

21. Louis Müffelmann aus Schwerin. 

22. Adolph Groth aus Schwerin. 

23. Gustav Niemann aus Hohen- Viechein. 

24. Otto Schwetzky aus Rehna.* 

25. Emil Groth aus Kittendorf. 

26. Otto Petters aus Schwerin. 

IB. UntefT-Prima. 
1. 

1. Heinrich Lorenz aus Schwerin. 

2. Hugo Wolff aus Schwerin. 

3. Friedrich Kerstenhann aus Zarrentin.* 

4. Carl Woestenberg aus Dreibergen. 

5. Johannes Bauch aus Schwerin. 

6. Wilhelm Moeller aus Schwerin. 

7. Paul Müller aus Biitzow. 

8. Carl Schlüter aus Bahlenhüschen. 



9. Franz Hurttig aus Ludwigslust 

10. Heinrich Dittmann aus Schwerin. 

11. Fritz Neumann aus Wamemönde.* 

12. Johannes Moltmann aus Schwerin. 

13. Louis Klipphahn aus Schwerin. 

14. Hermann Studemund aus Gadebusch. 

15. Paul Angerstein aus Schwerin. 

16. Gustav Bolbrügge aus Grabow. 

17. Friedrich Lechler aus Crivitz. 

2. 

18. Aby Friedheim aus Grevismühlen. * 

19. Paul Romberg aus Perlin. 

20. Victor V. Oertzen aus Doberan. 

21. Hermann Rose aus Schwerin. 

22. Max Kliefoth aus Ludwigslust 

23. Friedrich Graf v. Oeynhausen aus Schwerin. 

24. Hugo Unruh aus Sudenhof. 

25. Hans Eichbaum aus Plan. 

26. Wilhelm Eggerss aus Melusinenthal.* 

27. Hermann Wachenhusen aus Schwerin. 

28. Theodor Bade aus Schwerin. 

29. Franz Berg ans Alt-Gaarz. 

30. Adolph Diestel aus Leezen. 

IIA. Ober-Seoiinda. 
1. 

1. Carl Ladewig aus Crivitz. 

2. Gustav Brückner aus Schwerin. 

3. Adolph Hoppe aus Krakow. 

4. Max Wolff aus Schwerin. 

5. Paul Sohhchting aus Prislich. 

6. Wilhehn Pfahler aus Schwerin. 

7. Carl Pfaff aus Doberan.* 

8. Otto Oertzen aus Schwerin. 

9. Bernhard Voss aus Schwerin. 

10. Hans Sandrock aus Schwerin. 

11. Johannes Wittenburg aus Grevenhagen« 

12. Hugo Krüger aus Schwerin. 

13. Friedrich Wöhler aus Schwerin. 

14. Hans Bock aus Gross -Weltzien. 



*) Der Stern bedeutet, dass die Aelt«m jetzt in Schwerin wohnen. 



S4 



2. 

15. Walther König aus Schwerin. 

16. Carl Willebrand aus Kladow. 

17. Christian Drechsler aus Boizenburg.* 

18. Heinrich Holtermann aus Schwerin. 

19. Friedrich Lechler aus Schwerin. 

20. Carl Stamer aus Perdöhl. 

21. Hennann Heuck aus Malchin. 

22. Hennann Seidel aus Schwerin. 

23. Carl Schäffer aus Schwerin. 

24. Johannes Bomberg aus Pertin. 

25. Julius Weltzien aus Schwerin. 

26. Wilhelm Jahn aus Ludwigslust* 

IIB. Unter-Seounda. 

1. 

1. Carl Kriel aus Dömitz. 

2. Wilhehn Behncke aus Ludwigslust. 

3. Carl Steinkopff aus Schwerin. 

4. Friedrich v, Langermann aus Dambeck. 

5. Fritz Degner aus Dewitz. 

6. Max Schroeder aus Carlshof in Holstein.* 

7. Carl Ackermann aus BöbeL* 

8. Arnold Krieger aus Potsdam.* 

9. Adolph Seemann aus Schwerin. 

10. Louis Erhardt aus Gadebusch.* 

11. Franz Kraus aus Schwerin. 

12. GtLstav Hesse aus Wittenburg. 

13. Carl Krull aus Crivitz. 

14. Carl Drews aus Ludwigslust.* 

15. Louis Wolff aus Schwerin. 

16. Emil Barca aus Dargun.* 

17. Engelbert Borgmann aus Schwerin. 

2. 

18. Franz Koenig aus Schwerin. 

19. August Beyer aus Schwerin. 

20. August Albrecht aus Klincken. 

21. Heinrich Ludwig aus Wittenburg. 

22. Paul Berwald aus Schwerin. 

23. Otto Schumacher aus Kröpehn. 

24. Louis Glaevecke aus Rostock. 

25. Eduard Range aus Schwerin. 

26. Arnold Eggerss aus MelusinenthaL * 



27. Gustav Kerstenhann aus Zarrentin.* 
2d. Max Schneider aus Bülowburg. 

29. August Piper aus Döbbersen. 

30. Carl Schulz aus Schwerin. 

31. Claudius Fischer aus Schwerin. 

32. Heinrich Peeck aus Bamerstück. 

33. Otto Riemcke aus Hagenow. 

34. Paul Moeller aus Schwerin. 

35. Fritz KreflTt aus Schwerin. 

36. Rudolph Kleemann aus Schwerin. 

niA. Ober-Tertia. 

Coetus A. 

1. 

1. Wilhelm Litzrodt ans Brüel. 

2. Rudolph Wagener aus Satow. 

3. Adolph Piper I. aus Döbbersen. 

4. Arnold Cohen aus Schwerin. 

5. Gustav Piper H. aus Pinnowhof.* 

6. Johannes Brauns aus Vlotho. 

7. Hermann Melchert aus Zapel. 

8. Ernst Meinck aus Malchin.* 

9. August Witt aus Neustadt. 

10. Friedrich Heuck aus Kützerhof. 

11. Friedrich Walter aus Teterow. 

12. Werner Görbitz aus Dargun.* 

13. Carl Angerstein aus Warin.* 

14. Friedrich Schnappauflf aus Kl.-Wockern. 

15. Hermann Erdmann aus Gr.-Tessin. 

2. 

16. Hans Wiencke aus Reetz. 

17. Paul Stelzner aus Wismar.* 

18. Carl Axel Schmidt aus Parchim.* 

19. Adolph Stein aus Boitzenburg. 

20. Carl Wallmann aus Grabow. 

21. Gustav Schall aus Schwerin. 

22. Otto Brandt aus Neustadt. 

23. Ernst Weidemann aus Seehof. 

24. Johannes Petersen aus Boize.* 

25. Carl Rüst aus KogeL 

26. Ludwig V. Langermann aus Schwerin. 

27. Eugen Julius aus Rostock.* 

28. Max Hobein aus Schwerin. 




29. Hermann Woestenberg aus Dreibeinen. 

30. Johannes Spielhagen aus Berlin.* 

ms. Ober -Tertia. 

Coetus B. 

1. 

1. Otto Koch aus Toddien. 

2. Wilhelm Speetzen aus Kampe. 

3. Martin Eberhard aus Laage. 

4. John Hepworth aus Güstrow. * 

5. Otto Regenstein aus Schwerin. 

6. Jan Krieger aus Potsdam. * 

7. Albert Hölk aus Fahren. 

8. Louis Bauch aus Schwerin. 

9. Bichard Abesser aus Schwerin. 

10. Franz Peters aus Schwerin. 

11. Gustay Eleffel aus Suckow. 

12. Bernhard Gädkens aus Zarrentin. 

13. Friedrich Flügge aus Schwerin. 

14. Georg Mau aus Schwerin. 

15. Friedrich v. Scheve aus Schwerin. 

2. 

16. Otto Weltzien aus Schwerin. 

1 7. Hermann Buchka aus Bestock. * 

18. Wilhelm Faull aus Schwerin. 

19. Carl Ehlers L aus Kalkhorst. 

20. Albert Schulz aus Schwerin. 

21. August Grieffenhagen aus Schwerin. 

22. Wilhelm v. Arnsberg aus Rostock. * 

23. Gustav Ehlers IL aus Kalkhorst 

24. Paul Michaelis aus Starkow. * 

25. August Yielhaak aus Rastow. 

26. Ernst Diestel aus Ahrensböck. 

27. Theodor Aarons aus Schwerin. 

28. Ernst Steinkopff aus Schwerin. 

ms. Unter-Tertia. 
1. 

1. Ernst Bamewitz aus Körchow. * 

2. Arthur Francke aus Neukloster. 

3. John Jonas aus Schwerin. 

4. Carl Rugenstein aus Wittenförden. 



5. Ludwig Kliefoth aus Plate. 

6. Carl Behncke aus Wismar. * 

7. Johannes Schmidt I. aus Schwerin. 

8. Jaspar v. Prollius aus Schwerin. 

9. Hugo Piper I. aus Wismar. 

10. Ernst August v. Müller aus Rankendorf. * 

11. Bernhard Raven aus Celle. * 

12. Geoig Sandrock aus Schwerin. 

13. Pedro Wamcke aus Schwerin. 

14. Walther Schmidt IL aus Parchim. * 

15. Paul Fischer L aus Wandrum. 

16. Theodor Wahl aus Goldberg. 

17. Friedrich Jahn aus Schwerin. 

18. Paul Krüger I. aus Schwerin. 

19. Wilhelm Wolff L aus Schwerin. 

20. Johannes Thiel aus Schwerin. 

21. Johannes Engel aus Crivitz. 

22. Hans Albrecht Lehmeyer aus Schwerin. 

23. Paul Seidel aus Schwerin. 

24. Franz Lindemann aus Schwerin. 

25. Heinrich Bock aus Gr.-Weltzien. 

2. 

26. Louis Detmering aus Schwerin. 

27. Gustay Jablonowsky L aus Schwerin. 

28. EmU Liss aus RöbeL * 

29. Carl Herbst aus Medingen. 

30. Arnold Meyer aus Schwerin. 

31. Julius Rudolphi aus Schwerin. 

32. Arnold Kues aus Rostock. * 

33. Carl Burmeister aus Schwerin. 

34. Martin Beltz aus Hagenow. 

35. Gustay Lange aus Schwerin. 

36. Conrad Tiede aus Schwerin. 

37. Rudolph Stargardt aus Kalkwerder. 

38. Ernst Brüssow aus Plan. * 

39. Franz Jablonowsky H. aus Schwerin. 

40. Ernst y. Storch aus Rubow. 

41. Georg Pincus aus Schwerin« 

42. Wilhelm Kundt* aus Schwerin. 

43. Arthur Wolff H. aus Schwerin. 

44. Hubert y. Stralendorff aus Golchen. 

45. Rudolph Eberhardt aus Schwerin. 

46. Albert Rollenhagen aus Schwerin. 

47. Adolph Klett aus Schwerin. 

48. August Fischer H. aus Schwerin. 




49. Siegfried Lilienthal aus Schwerin. 

50. Heinrich Keding aus Masslow. 

51. Dirk Krieger aus Potsdam. * 

52. Gustav v. Henckel aus Kleefeld. 

53. Richard Löwenthal aus Schwerin. 

54. Rudolph Piper ü. aus Pinnowhof. * 

55. Ernst Krüger ü. aus Kniphof. 

56. Hjalmar Lübbert aus Nossentiner Hütte. 

IV. Quarta. 

Coetus A. 

l. 

1. August Fischer aus Bobzin. 

2. Carl V. d. Luhe aus Schabow. 

3. Reinhard Kade aus Dresden. * 

4. Adolph V. ProUius aus Schwerin. 

5. Friedrich Meyer aus Schwerin. 

6. Ernst Schnapauff aus Kl.-Wockern. 

7. Friedrich Klett aus Schwerin. 

8. Carl Flügge aus Schwerin. 

9. Carl Ernst Alban aus Schwerin. 

10. Werner v. Brandenstein aus Balow. * 

11. Friedrich Buchka aus Rostock. * 

12. Carl Behm aus Settin. 

13. Gustav Walzberg aus Valparaiso. 

14. Johannes Köhler aus Roggendorf. * 

15. Paul Martens aus Bakendorf. 

16. Paul Bühmann aus Wittenburg. 

17. Wilhelm Teetz aus Jürgenshof. 

18. Carl Ullrich aus Parchim. * 

19. Theodor Kliefoth aus Schwerin. 

20. Victor Peutz aus Volzrade. 

21. Justus Sandrock aus Schwerin. 

22. Wilhelm Aarons aus Schwerin. 

2. 

23. Friedrich Friese I. aus Schwerin. 

24. Heinrich Müller aus Schwerin. 

25. Carl Lühr aus Schwerin. 

26. Rudolph Bohn aus Schwerin. 

27. Ernst v. Koppelow aus Schwerin. 

28. August Wilms aus GarUtz. 

29. Otto Oldach aus Flessenow. 

30. Heinrich Schmidt aus Wittenburg. 



31. Ernst Henning v. Bassewitz aus Schwerin. 

32. Adolph Poppe aus Schwerin. 

33. Emil Engel aus Crivitz. 

34. Carl Beste aus Schwerin. 

35. Heinrich Friese H. aus Schwerin. 

36. Otto Karrig aus Kröpelin. * 

37. Hans Hubert v. Bilguer aus Schwerin. 

IV. Quarta. 

Coetus B. 

1. 

1. Carl V. Abercron aus Grabow. * 

2. Carl Beutin aus Kl.-Tessin. * 

3. Ludwig Lüttmann aus Oertzenhof. 

4. Friedrich Thiesseng aus Rostock. * 

5. Richard Modes aus Boitzenburg. 

6. GKistav Ahrenholz aus Schwerin. 

7. Ernst Maercker aus Pampien. ♦ 

8. Franz Mühlenbruch aus Trutzlatz. * 

9. Martin Romberg I. aus Perlin. 

10. Wilhelm Peters aus Schwerin. 

11. Hermann Schubart aus Gallentin. * 

12. Carl Meinck aus Malchin. * 

13. Franz Albrecht aus Schwerin. 

14. Friedrich DaUtz aus Malchow. * 

15. Eugen Fahrenheim aus Schildfeld. 

16. Hermann Romberg H. aus Perlin. 

17. Theodor Pinkus aus Schwerin. 

18. Heinrich Klenz aus Kröplin. * 

19. Carl Börncke aus Schwerin. 

20. Leopold Sussmann aus Schwerin. 

21. Alex Grohmann aus Schwerin. 



22. Carl Ditz aus Ludwigslust. * 

23. Johannes Wedemeyer aus Neu-Lübtheen. 

24. Carl Hannover aus Schwerin. 

25. Hermann Frenck aus Schweriü. 

26. Paul Sandrock aus Schwerin. 

27. Ernst Prüter aus Pajx^him, * 

28. Carl Eichblatt aus Schwerin. 

29. Alexander Wessel aus Schwerin. 

30. Martin Rohrdantz aus Schwerin. 

31. Arnold Schlät aus Büt^ow. 



S7 



32. Carl Stargardt aus Schwerin. 

33. Carl Dittmann aus Schwerin. 

34. Rudolph Liefmann aus Hagenow. 

35. Bernhard Abesser aus Lübeck. * 

36. Otto Schröder aus Qualitz. 

37. Carl Spielhagen aus Berün. * 

V. Quinta. 

l. 

1 . Friedrich Zickermanu aus Süke. * 

2. Fritz Krempien aus Diedrichshagen. * 

3. Otto Pfeiffer aus Schwerin. 

4. Paul Pincus aus Schwerin. 

5. Heinrich Wasmuth aus Wittenburg. 

6. Theodor Fischer aus Schwerin. 

7. Carl V. Zülow aus Schwerin. 

8. Alexander Otto aus Mainz. * 

9. Hans Vollbrecht aus Schwerin. 
10. Otto Herr aus Wittenburg. 

U. Ludwig Herr aus Wittenburg, 

12. Victor V. Stenglin aus Schwerin. 

13. Gustav Rohde aus Neu-Dargun. 

14. Emil Lindemann aus Schwerin. 

15. Otto Mühlenbruch aus Schwerin. 

16. Franz Leitmann aus Schwerin, 

17. Hermann Eggerss aus Carlewitz. 

18. Carl Wünsch aus Schwerin. 

19. Carl Kayser aus Schwerin. 

20. Hermann Stern aus Schwerin, 

21. Theodor Jahn aus Schwerin. 

22. Wilhelm v. Oeynhausen aus Dömitz. * 

23. Albert Kraus aus Rostock. * 

24. Fritz Wachenhusen aus Schwerin. 

25. August Abesser aus Lübeck. 

26. Heinrich Bosselmann aus Liessow, 

2. 

27. Helmuth Franck aus Wittenburg, 

28. Carl Wiegert aus Neustadt * 

29. Martin Overlach aus Petersburg. * 

30. Martin Rüst aus Kogel. 

3 1 . Ludwig Behrens aus Zietlitz. * 

32. Adolph Mumme aus Schwerin. 

33. Hans Schmidt aus Parchim. 

34. Wilhelm Masius aus Schwerin. 



35. Hermann Sandrock aus Schwerin. 

36. Pet^r Gaettens aus Ober-Garzerhof. * 

37. Werner Kues aus Rostock. * 

38. Emil Dittmann aus Schwerin. 

39. Friedrich v. Amsberg aus Schwerin. 

40. Martin Langenbeck aus Schönhof, 

41. Franz Mahncke aus Schwerin. 

42. Carl Oldach aus Hindeberg, 

43. Georg Chrysander aus Bergedorf. 

44. Friedrich Rinkel aus Boitzenburg. 

45. Theodor Schäffer aus Dassow. 

46. Otto Staak aus Gr.-Trebbow. 

47. Hermann Schultz aus Dalberg. 

48. Carl Schröder aus Kobande. 

VI. Sexta. 
1. 

1. Erwin Stern aus Schwerin. 

2. Wilhelm Busch aus Schwerin. 

3. Louis Schneider aus Penkow. 

4. Felix Friedheim aus Grevismühlen. * 

5. Edmund Soltau aus Schwerin. 

6. Franz v. Bülow aus Frankfurt a. M. * 

7. Magnus v. Abercron aus Grabow. * 

8. August Burth aus Schwerin, 

9. Reimar v. Koppelöw aus Schwerin. 

10. Otto Wünsch aus Schwerin. 

11. Wilhem Peo aus Schwerin. 

1 2. Helmuth Timm aus Hagenow. * 

13. Georg v. Blücher aus Finken. 

14. Julius Köhler aus Roggendorf.* 

15. Otto Niendorf aus Rüting. 

16. Carl Peters L aus Rolübbe. 

17. Theodor Fromm aus Schwerin. 

18. Carl Klipphahn aus Schwerin, 

19. Hugo Piper aus Schwerin. 

20. Wilhelm Hamack aus Hagenow. * 

21. Ernst Stampe aus Rostock.* 

22. Wilhelm Vollbrecht aus Schwerin. 

23. Gustav Wolff aus Schwerin, 

24. Friedrich Holst aus Schwerin. 

2, 

25. Hermann Petersen aus Boize. * 

26. Ernst Hugo v. Stenglin aus Schwerin. 

8 



88 



27. Helmuth v. Prollius aus Schwerin. 

28. Paul Detmering aus Schwerin. 

29. Fritz Peters II. aus Plau. * 

30. Paul Marcus aus Malchin. * 

31. Gustav Adolph Pfeiffer aus Schwerin. 

32. Ludwig Friese aus Schwerin. 

33. August Meyer aus Schwerin. 

34. Wilhelm Tabel I. aus Schildfeld. 

35. Johannes Tabel IL aus Schildfeld. 

36. Otto Löwenthal aus Schwerin. 

37. Emil Hill aus Frankfurt. * 



38. Louis Jenz aus Schwerin. 

39. Wilhelm Peitzner aus Kl.-Vohlde. 

40. Rudolph Wiedow aus Rabensteinfeld. 

41. August Wasmuth aus Wittenburg. 

42. Alfred Brockmüller aus Wölschendorf. * 

43. Friedrich Strömer aus Naudin. * 

44. Paul Flatau aus Königsberg. * 

45. Walther Alban aus Schwerin. 

46. Eduard Pincus aus Schwerin. 

47. August Plessmann aus Pernambuco.